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Aus »Die alte Linde. Erstes Buch«. Gedichte 2012   Vers 41094 bis 41141

DER KOLOSS VON REINBORN


Hier tagte das Gericht der Ems,
Heut kommt allein der Wandersmann,
Der Rest des Himmelsrundgestemms
Die Phantasie beflügeln kann,
Drei Teile, die ein Stützwerk faßt,
Sie deuten an das Stammesrund,
Das uns in kein Register paßt,
Und offen stehen läßt den Mund.

Mehr als in jedem Haus und Dom
Scheint uns das Mittelalter fern,
Die Blüten spenden das Arom
Aus diesem fast verglühten Stern.
Ein Tor, doch hier hindurchzugehn,
Ist Kunst, die keine Schule lehrt,
Das beste, was wir können, sehn,
Der eigne Standort ist verkehrt.

Als solche Riesen ungestört
Den Himmel trugen, brach er nicht.
Heut meint man gleich, man werd verhört,
Steht man in viel zu hellem Licht.
Da war die Sonne noch ein Born,
Ein Ruf, daß man die Flagge hiß,
Und daß sie uns zu Größe sporn,
War offenbar und selbstgewiß.

Doch wer die Welt verkleinern will,
Der tut, daß er das Rechte läßt,
Der ist beim Horchen niemals still,
Und hält, was hoch hinaus will, fest.
Sein Dämon ist ist der blanke Neid
Auf Gott und seine Kinderschar,
Er macht zur Sklavin selbst die Zeit,
Die Wächterin und Muße war.

Nun ist die Erde viel zu klein,
Daß wachsen könnt ein solcher Baum,
Dafür ward fetter uns das Schwein,
Und mancher schwätzt vom Weltenraum.
Jedoch ich glaub, es wird der Bann
Einst weichen wie ein Nebelstreif,
Wenn solch Koloß gedeihen kann,
Vergeht der Wunsch, daß mans begreif.

Vielleicht ists nicht mehr lang dahin,
Wir wachen aus dem Alptraum auf,
Wir grübeln nicht mehr nach dem Sinn
Von Herrschaft oder Sonnenlauf.
Die Städte werden wieder grün,
Die Schatten fliehn wie wilde Gems,
Und unter einem Lindenhün
Tagt wieder das Gericht der Ems.