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Aus »Deutsche Passion«. Gedichte 2006   Vers 15355 bis 15450

DEUTSCHE PASSION


Wir leben in Stämmen, wo Zwietracht und Neid
Vom Rand der Geschichte nach Brudermord schreit,
Wir träumen in Wäldern mit dichtem Gezweig,
Im Nebel und unter der Rauhnacht Geschweig,
Wir herrschen in Mären, die fern einer singt,
Der nie in den Schein unsrer Sonnfeuer dringt,
Und spät ward ein Name uns Makel und Lohn,
Doch schon unser Werden war immer Passion.

Der Limes der Römer durchschnitt unser Land,
Der West und der Süd ging dem Feinde zur Hand
Und kaufte von Freien mit gutem Gewinn
Den Bernstein und mancherlei Hausrat aus Zinn,
Doch auch die Gezähmten im römischen Staat,
Sie sannen auf Abfall und schnöden Verrat,
Erwacht im Cherusker der alte Teuton,
Wird Varus das Opfer der deutschen Passion.

Wer Grauen nicht meidet, dem stehts zu gebot,
Ist Tod nicht mehr Leiden, wird Leidenschaft Tod,
Wer nah bleibt dem Quell, der das Leben gebiert,
Lacht über den Gecken, der schamvoll sich ziert,
Barbar, was als Schimpf und Verachtung gedacht,
Entpuppte sich rasch als geschichtliche Macht,
Und bald wird Byzanz seine Heldenlegion
Erkennen in Stämmen der deutschen Passion.

Die Inbrunst, die nach dem Erlöser sich sehnt,
Erstickten die Pfaffen und drückender Zehnt,
Wer frei ist, der duldet nicht Steuer und Zoll,
Stößt Schranzen aus Fenstern und zeigt seinen Groll
Mit Waffen, die bar aller Zierde und Weih
Der ländliche Alltag ihm steuert herbei,
Und hilft gegen Plündrer nur Reformation,
Erfährt auch Herr Tetzel die deutsche Passion.

Wir sind in die Mitte Europas gestellt,
Wir einen das Kleine der Größe der Welt,
Das göttliche Recht, im Gemächte des Manns
Verbürgt, macht uns einig und fruchtbar und ganz,
Von Welschen und Schweden zur Walstatt erkorn,
Hat Deutschland ein ganzes Jahrhundert verlorn,
Doch ziehn die Besatzer mit Flüchen und Drohn,
So bleibt doch das Deutschsein für immer Passion.

Denn ernst nimmt der Deutsche die Liebe, den Streit,
Den Glauben, das Recht und Gerechtigkeit,
Er duldet nicht Phrase, Theater, Zierrat,
Er fordert die Treue, die Ehre, die Tat,
Er haßt eine Ordnung, bequem und korrupt,
Sie gilt ihm als Teufel und Drache, beschuppt,
Bis Siegfried, Sieglindes erbsündiger Sohn,
Das Untier läßt spüren die deutsche Passion.

In Frankreich verspielte der König den Kopf,
Als Freigeisterei als gefährlicher Kropf
Sich auswuchs, wo Spiel und der Unernst am Hof
In Albernheit punkte, für keine zu doof,
Der Mühe abhold und im Fordern sich keck
Erhebend, erfand ein Regime seinen Zweck,
Doch fand hier auch mancher begeisterter Ton,
Verharrten die Deutschen doch in der Passion.

Da reiner Verbrauch an die Endlichkeit stößt,
So wurden als nächstes die Nachbarn erlöst.
Dem Reich, das von Rom einst den heiligen Stab
Forttrug, gab der Korse ein ruhmloses Grab,
Bis endlich die Preußen und Bismarck gewitzt
Ertrotzten, daß Deutschmann im Vaterland sitzt,
Und Türme und Male, gehuldigt dem Thron,
Erschienen als Zeugen der deutschen Passion.

Die deutschen Erfolge, die Flotte, das Heer,
Ertrugen die Angeln nur knirschend und schwer,
Sie schufen Allianzen, zu stoppen den Fleiß
Des Deutschen, der ärgerlich viel kann und weiß,
Sie forschten nach Schwächen in Reiches Gebälk,
Sie stützten, was brachliegt, was morsch ist und welk,
Bis Kriegslust Europa berauschte wie Mohn,
Für Deutschland der Weg in die ärgste Passion.

Denn nicht nur versagt blieb dem Reiche der Sieg,
Der Frieden ward schlimmer als jeglicher Krieg,
Im Osten zerstückelt, im Westen besetzt,
Ein Staat ohne Würde und Hunger zuletzt,
Ein Mann und ein indisches Lebenssymbol,
Sie stiegen und wurden der Deutschen Idol,
Was diese versprachen, als hätten sies schon,
So träumten die Deutschen in ihrer Passion.

Doch tiefer nur noch als beim ersten Mal fällt
Der Deutsche im Wahne, den Haß aus der Welt
Mit Waffen zu kehrn, mit Gefolgschaft allein,
Als könne der Führer der Gottessohn sein,
Und Kleinmut besetzt, was der Größenwahn ließ,
Und Deutscher ist nun, wer Zerknirschung bewies,
Den Deutschen ist Deutsches nun Abscheu und Hohn,
Sie spotten ihr Dasein und ihre Passion.

Wie lang soll das gehn? fragt sich mancher und glaubt
Man hätt den Verstand allen Deutschen geraubt,
Doch sammeln sich fern vom Getön der Parteien
Geächtete, reif, wieder Deutsche zu sein.
Sie rüsten sich, wecken den Kaiser im Kyff,
Der tiefer als Spätre nach Heiligkeit griff,
Die Pfalzen vereinte im Burg-Oktagon
Als Walstatt des Geistes und deutscher Passion.