voriges Gedicht nächstes Gedicht

Aus »Der Seerosenritter«. Gedichte 1990, Vers 4086 bis 4133

TINTAGEL


Herrisch ragt an Kornwalls Küste,
Fels und Mauer überm Meer,
Thronend über solcher Rüste,
Wird Verteidigung nicht schwer.
Man erzählt, daß Merlin magisch
Uther Herzogs Aussah gab,
Daß er hasche wenig tragisch
Gattin, Feste, Krone, Stab.

Da du wählst die Felsenstiege,
Weißt du wohl, daß Artus nicht
Einst gezeugt in dieser Riege,
Die sich labt an seinem Licht,
Doch die echten Zeugen findet
Niemand mehr im Trümmerstaub,
Drum sei Spätres, das verbindet,
Hehr vor Sturm und Flammenraub.

Wogen schlagen an die Klippen,
Schaum bespritzt dein Baumwollhemd,
Riesen taugen solche Rippen,
Drein sich manch Legende schwemmt,
Über Wunder, über Zeichen
Richtet nicht der Chronolog,
In der Weltgeschichte Speichen
Greift der Ebbe Taumelsog.

Taumeln läßt dich bald die Höhe,
Wo die Stufen kurz und glatt,
Und du fühlst dich in der Böe
Wehrlos wie ein Ahornblatt,
Doch du dringst in die Ruine,
Drin die Sage sichtbar wirkt,
Und als nie erschöpfte Mine
Deinen Liedern Silber birgt.

Das Geleit des Vaterlosen,
Den ein Incubus gezeugt,
Hättst du gern auf diesen Moosen,
Draus der Kult der Kelten äugt,
Denn als Barde und Druide
Greift er tiefer in den Quell,
Wo im späten Klosterliede
Ließ die Fruchtkraft der Triskell.

Aber wie die Sonnenhelle
Reißt die Wolkenmauer auf,
Stehst du selbst an seiner Stelle,
Spürst am Gurt den Bronzeknauf,
Weiter spannst du Reim und Bogen,
Als dem Reiseführer schien,
Und vom Schwane hergezogen,
Pflanzt die Eiche Lohengrin.