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Aus »Der Seerosenritter«. Gedichte 1990, Vers 4134 bis 4173

CAMELOT


Der Frühtag walisischer Sagen,
Der Kelten und Römer betaut,
Hat mächtig im felsigen Hagen,
Die Krone der Questen erbaut,
Gelang dir das Holde und Hehre,
So tritt vor den König und Gott,
Karfunkelnd mit Würde und Ehre,
Im Rittersaal von Camelot.

Hier wirkte die herrliche Runde,
Die tafelt mit Minne und Schwert,
Besungen aus edelstem Munde,
Und aller Gedichtkreise wert,
Sie zog nach dem Blut, das im Grale
Gewahrt von Gebräm und Gerott,
Die Blauaugen preisen die Schale
Im Rittersaal von Camelot.

Dann fiel mit dem König das Lehen,
Die Feste geriet in Verfall.
Die Seewinde schinden und wehen
Die Schriften aus Mauer und Wall,
Nur Lieder und Mären bewahren
Die Weltstunde über dem Trott
Der Einfalt und was wir erfahren
Im Rittersaal von Camelot.

Hier ist die Historie umschlungen
Von Träumen, der Weltschöpfung nah,
Hier ward eine Einheit errungen
Von Urschmerz und Heils-Omega,
Hier ruht ein gewaltiger Segen,
Und Rüste für Lug und Komplott,
Du pilgerst auf Gnadenreich-Wegen
Im Rittersaal von Camelot.

Du suchst in Geröll und Archiven
Nach Namen, nach Taten und Quest,
Im Strudel, im Schrägen, im Schiefen
Halt nicht das Beglaubigte fest.
Entsage dem Reimlaut-Getrennten
Und räume von Borden den Schrott,
Dann strahlt aus den Blut-Pergamenten
Der Rittersaal von Camelot.