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Aus »Traum von Atlantis«. Gedichte 1994, Vers 10129 bis 10168

EICHENHAIN


Frostig und verwaist am Morgen,
Feucht vom ungestürzten Wein,
Sollst du nicht bei Odin borgen,
Seine Raben nicht entleihn.
Laß im Offnen Gram und Sorgen,
Tritt, beschwingt in Herz und Bein,
Unterm Laubicht hoch geborgen,
Heiter in den Eichenhain.

Wer in diese See zu stechen
Weiß, ist noch vor Sol am Ziel,
Aus dem Stamm der Eiche brechen
Löwe, Natter, Krokodil,
Was die Bilder dir versprechen,
Taugt auch dir zum Minnespiel,
Was der Baum in seinen Flächen
Trägt, verheißt den großen Stil.

Faucht der Drache aus der Rinde,
Frucht aus göttlichem Inzest,
Scheu und Ekel überwinde,
Nimm ein Ei aus diesem Nest,
Wer sich fand in solchem Spinde,
Hält die Segenspfänder fest,
Reich an Ernten und Gesinde,
Bis der Odem ihn verläßt.

Ringe, die der Schlange gleichen,
Recken sich zum Licht empor,
Weit verzweigt, doch in den Speichen
Wölbt sich gotisch Gruft und Chor,
Fand die höchste Rang und Zeichen
Unterm Hammerschlag des Thor,
Sink ins Traumgeheg der Eichen,
Kind und allem Tag zuvor.

Weisheit herrscht in Balders Halle,
Und du saugst das Flüstern ein,
Eh das Horn des Weidners schalle,
Soll ihr Rat der deine sein,
Nicht der Aar mit harter Kralle,
Nicht das Gift, das Ottern spein,
Übertrifft die Wunder alle,
Aufgetan im Eichenhain.