Aus »Der Seerosenritter«. Gedichte 1990, Vers 5370 bis 5441
SIDURI
Folg dem Weg der Sonne
Durch die Unterwelt,
Wenn mit Purpurwonne
Sie ins Dunkel fällt,
Öffnet sich die Grotte,
Die sie morgens spie,
Denn beim nächtgen Gotte
Wohnt auch Siduri.
Waffenstarrend Wächter,
Die nur der verwirrt,
Der als Wort-Gerechter
Nicht metallen klirrt,
Nur mit den Metaphern
Und der Psalmodie
Wird den Rätselschaffern
Weg zu Siduri.
Kommst du durch die Pforte,
Weil die Hüter starr,
Aus dem Glimmer-Orte
Keine Schätze karr,
Wo Türkis, Karfunkel,
Lapislazuli
Bannen alles Dunkel,
Such nach Siduri.
Bei Smaragd, Achaten,
Bei Obsidian
Schaust auf Marmorgraten
Siduris Altan,
Alle Diamanten
Die Hephäst nicht spie,
Leuchten dem Gesandten
Bis zu Siduri.
Rosenquarz und Perlen,
Amethyst, Türkis,
Stehn wie tagwelts Erlen
Hier als Schattenvlies,
Da sie selber strahlen,
Braucht die Fackel nie,
Wer die Nektarschalen
Sucht bei Siduri.
Zwischen Malachiten
Strahlt sie als Rubin,
Kommt der Held geschritten,
Schaut sie nur noch ihn,
Wo das Dach beryllen
Selbst für Knecht und Vieh,
Nicht mit Samt und Tüllen
Reizest Siduri.
Bei den Turmalinen
Fehlt allein das Blut,
Leus und Tigers Minen
Sind hier seltnes Gut,
Nur wem Reichtum Plunder
Für gebeugtes Knie,
Findet Gunst und Wunder
Hier bei Siduri.
Denn das Heliodore
Ist hier kein Korund,
Im Erwähltheits-Flore
Gleißt der Schlangenmund,
Wem Verweilen Flause,
Wer nach Aufbruch schrie,
König ist im Hause
Stets bei Siduri.
Wo der Sintflut-Schwimmer,
Der unsterblich ward,
Sich verlor für immer,
Wie zu ihm die Fahrt,
Wie man stak die Fähre
Und den Todstrom flieh,
Sagt dir die Hetäre
Namens Siduri.