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Aus »Der Seerosenritter«. Gedichte 1990, Vers 4373 bis 4436

LANZELOTS GRAB


Schon früh mischt sich zum Rittertume,
Dem mancher Dichter Glanz verlieh,
Zum Minneglück, zum Schlachtenruhme
Der Wunsch nach Bruch und Parodie,
Das Spiel mit Irrsinn und Grotesken,
Mit dem Absurden und dem Spleen,
Verschafft dem Ehebrecher Fresken
Mit der nur lind verhüllten Queen.

Berüchtigt ist der schöne Knabe,
Der mannbar ward zu Avalon,
Von Fährnis sprach ein alter Rabe,
Das Kind verstand die Lust davon,
Die Suche nach des Heilands Wunde
Verheißt ihm Urlaub, Sport und Kur,
Und ein Spaziergang ist die Stunde
Des Schmiedes von Excalibur.

Hart ward ihm eine Burg zu brechen,
Doch härter ward, was er gewann,
Zwar mancher meint, in See zu stechen,
Käms nicht auf Ziel und Beute an,
Nicht, daß er Gold und Silber hole,
Zerbrach er Wall und Zinnenwehr,
Doch ist der Sieg die Nekropole,
So wird der Mut gar manchem schwer.

Hier liegt der Toten Kapitale
Mit Gräbern, Grüften, Schrift und Stein,
Hier füllt entfleuchter Seelen Schale
Das Schädelhaus im Abendschein,
Hier sind die Ritter, Knappen, Weiber,
Des Odems bar Reliquienschatz,
Hier deckt den Knochenbau der Leiber
Ein Marmorblock mit Goldbesatz.

Und der mit Macht die Ruhe störte,
Entdeckt im Lindenbaum-Geschatt
Den Namen, der ihm selbst gehörte
Und Grab und Todesdatum hat,
So einem Ziel der Kraftverschwendung
Begegnend, wächst ihm kein Begehr
Nach Seele und nach Pflichtvollendung,
Und er fährt fort wie vordem her.

Dies ist kein Akt in einem Stücke,
Das mit der Tat im Glauben wächst,
Hier trifft die Ignoranz die Tücke,
Die prophezeit mit Schau und Text,
Hier wird das Mittelalter mürbe,
Der Waise aus der Krone fiel,
Ob einer steh, ob einer stürbe,
Gilt gleich in diesem Schelmenspiel.

Da sich die Zwölfertafel rundet
Zum Kodex, der die Szenen faßt,
Wird schon ein Abgesang bekundet
Auf Reiche, die schon längst verpraßt,
Wir meinen noch im Heil zu schürfen,
Und sehn Kapitulantenwerk,
Wo wir von Artus lesen dürfen,
Versank die Riesenzeit im Zwerg.

Drum soll dir nicht aus Pergamenten
Das Mittelalter auferstehn,
Im Echo und im Gott-Getrennten
Kannst du das Reich nur wahnhaft sehn,
Drum streife froh durch Au und Anger
Und find den Herrn in Wind und Quell,
Stellt dich der Teufel an den Pranger,
So weißt du, daß dein Auge hell.