Aus »Unstrutleuchten. Zweites Buch«. Gedichte 2015, Vers 46288 bis 46331
WANGEN
I
Wang – gewölbte Wiese, Au,
Halde, Mulde, sanfter Hang,
Urwort, krumm und ungenau:
Wang.
Wiegenspiel, bevor Gesang
Wagte sich ins Himmelblau
Und mit seinem Echo rang.
Ehe Gott in Abendschau
Gut befand, was ihm gelang,
Wickelte der erste Tau
Wang.
II
Wange – aller Holdheit Warte!
Weib des Munds, sei Silberspange
Um das Herrische und Harte,
Wange!
Stirn begehrt mit dunklem Drange,
Aug verheimlicht seine Karte,
Und das Kinn verharrt im Zwange.
Was uns hob und was uns narrte,
Was da hängt am tiefsten Strange,
Immer heißt uns das Aparte
Wange.
III
Wängel schirmen leicht wie Falter,
Lichter als das Blatt am Stengel,
Drum erschreckt die Bleiche kalter
Wängel.
Rühr mit Mut den Glockenschwengel,
Daß uns treu des Tags Erhalter
Und nicht Nacht die Sense dengel!
Doch die Blüte und das Alter
Sind geschieden nicht dem Engel,
Also rötet nicht der Psalter
Wängel.
IV
Wangen heißt das Auen-Wunder,
Drin wir wandernd eingefangen,
Uns vergessen läßt den Plunder
Wangen.
Was wir suchten und errangen,
War ein Grund, ein offenkunder,
Daß die Welt nicht längst vergangen.
Fahrten-Ruder, Fahrten-Runder,
Lichtlein zwischen Furcht und Bangen,
Katechon und Schulden-Stunder:
Wangen.