Aus »Schnitterfest«. Gedichte 2011, Vers 38667 bis 38714
ZWIEBEL
Älter ist die Küchenzwiebel
Als der Abraham der Bibel,
Darum schilt nicht den Gesang
Übellaunig und verstört,
Weil sie von geringem Rang
In den Kinderreim gehört.
Zwar das traum- und liebevolle
Auge schmäht die schlichte Bolle,
Weil sie mit dem Lid tarockt,
Freilich nicht nicht als Sehnsuchts Ziel,
Sondern Traurigkeit entlockt,
Die gemahnt ans Krokodil.
Pöne nur als Weibersprüche
Was vom Herd kommt und der Küche!
Was da gart und schmort, sich bräunt,
Was den Hunger fröhlich macht,
War noch jedem Helden freund,
Eh es aufging in die Schlacht.
Fleisch und Fisch zu marinieren,
Meeresfrüchte zu verzieren –
Wem gelingts wie diesem Lauch?
Warum soll man ihn nicht ehrn?
Was dem Ärmsten gibt sich auch,
Kann der Reiche nicht entbehrn.
Stilles Träumen, das verschleiert
Sich in seinen Schalen feiert,
Pergementen und Perlmutt!
Dürre schützt den herben Duft,
Ist das Trockne erst kaputt,
Nistet er auf Hand und Kluft.
Dieses zarte Lebewesen
Dämmert zwischen Mopp und Besen
Aufgehangen da im Netz,
Doch sein Reiz in Öl und Quark
Sei dem Koch ein Grundgesetz,
Seiner Stellung Rückenmark.
Nicht nur, daß sie schärft den Magen,
Ihre Zucker, fortgetragen
Für die Zwerge im Gedärm,
Daß ihr Werk Vollendung böt,
Schlagen diese schließlich Lärm,
War die Dosis überhöht.
Aber Dankbarkeit und Meutern
Folgen Wurzeln oder Kräutern
Stets in Graden von Promilln –
Darum halte maß und heisch
Nur was not bei gutem Willn,
Denn auch du bist Haut und Fleisch!