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Aus »Trichterwinde«. Gedichte 2009, Vers 33496 bis 33543

UPPSALA-PASSION


Der Komponist ist unbekannt,
Denn Gott allein gilt Preis und Ehr,
Er barg den Namen wie den Stand,
Nur aus dem Herrn strömt alles her.

Die Demut, die so vormodern,
Mit Leidenschaft ward aufgeführt,
Dies war fürwahr das Wort des Herrn,
Ein Tag, dem ein Gedicht gebührt.

Hier war das Testament des Leids,
Weil Kunstsinn diente dem Geschehn,
Kein Vorwand, daß der Prunk sich spreiz,
Und jedes Wort war zu verstehn.

Matthäus stärkt der klare Ton,
Choräle, daß das Herz sich weit:
Ist dieser nicht des Höchsten Sohn,
O Traurigkeit, o Herzeleid.

Lamm Gottes schuldlos, Christ, du Lamm,
Hier redet nicht Augustus’ Zeit,
Beim Abendmahl, am Kreuzesstamm,
Nimmt die Gemeinde teil am Leid.

Hier wird gezeigt, die Opfertat
Ist nicht die Mär versunkner Macht,
Um sie dreht sich das Jahresrad,
Weil singend sie im Herzen wacht.

Drei Gamben, Cello, Violin,
Auch die Theorbe mahnt und fleht,
Der Orgel ist die Macht verliehn,
Daß sie uns rufe zum Gebet.

Die Streicher, die Solisten, Chor,
Nicht karg ist, was die Demut zeigt,
Die Anmut bricht das Höllentor,
Wo Ränke giern und Schrecken steigt.

Der Sänger, dem der Solo-Part
Evangelistes zugedacht,
Erkrankte jäh vor dieser Fahrt,
Und also gradzu über Nacht

Sprang einer für das Zugpferd ein,
Dies war gewiß ein Gottgeschenk,
Kraftvoller kann kein Hüne sein,
Wie ich mir wahre Christen denk.

Er stärkte alle, wenn da wo
Wer müde ward, er hob ihn sacht,
Er machte uns die Botschaft froh
Und zeigte, wies der Herr uns macht.

Solch Glaubensmut sah selten ich
Im Luthertum, Verfall-bedroht,
Unendlich hold der Dämmer wich,
Und allen Schrecken ließ der Tod.