voriges Gedicht nächstes Gedicht

Aus »Das Murmeln der Ilm«. Gedichte 2008, Vers 27698 bis 27737

ERDBIENEN


In Stadtilm ist es steinern kalt,
Drum steigst du in den Höhenwald,
Wo Pilze stehn im Laubicht-Rest,
Findst du gewiß ein warmes Nest.

Im Dunkel drückt dich nicht die Frag,
Ob anderswer auch Wärme mag,
Von Wege schweifst, hier ist es lau,
Und längst ward schwarz das Abendgrau.

Ein Fallen müd nach Müh und Schweiß,
Doch da, vielhundert Nadeln heiß,
Zerstechen dich mit Schmerz und Schreck,
Daß du mißachtest dein Gepäck.

Zurück zur Lichtung atemlos
Und rasch vom Leibe Hemd und Hos,
Sogar in deinen Strümpfen steckt
Gewaltbereit ein Stich-Insekt.

Nun bist du nackt, der Schlafsack liegt
Im Dunkel, drein dich keiner kriegt,
Der Stich am Fingernagelrand
Hat noch die ganze Nacht gebrannt.

Sonst ging es glimpflich, Muskeln, Fett,
Wenn Weiches dies getroffen hätt,
So hättst du lauter wohl geklagt,
Und minder Sorge, daß es tagt.

So fehlen Matte nur und Sack,
Zwar sind der Kratzer viel am Lack,
Doch kriegst vom Freund die halbe Deck,
Drückst du gewiß den Nachtmahrn weg.

Erdbienen warns, ein kleines Loch,
Dies wundert dich am Morgen noch,
Denn selbst am Tag hättst nicht geschaut,
Wer unter dir sein Lager baut.

Gar viele Leichen findst du früh,
Es war ein Tag mit reichlich Müh,
Jedoch das Ärgste findst zuletzt,
Wenn du dich ins Vertrauen setzt.

Doch schimpf nicht auf das Mißgeschick,
Vielleicht schärft sich ja drob der Blick,
Daß Blust, den dieses Volk bestäubt,
Mit Rot und Gelb das Weh betäubt.