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Aus »Marone und Morchel«. Gedichte 2009, Vers 25662 bis 25709

GRÜNER KNOLLENBLÄTTERPILZ


Der Wulstling, der leere Versprechen
Nicht kennt oder lästiges Jucken,
Läßt Häupter, gekrönte, zerbrechen,
Und zeigt sich im Magen ein Rucken,
So bleiben doch anderthalb Wochen,
Daß gnadlos die Leber sich plage,
Dann läßt auch das Herz nicht mehr pochen
Der seidige Töter im Hage.

Das Pilzbuch zerbricht an der Stelle,
Wo er und der Totenkopf lachen,
Bekannt als der Fall aller Fälle,
Der Hölle geöffneter Rachen,
Wer wartet, wenn andere schmausen,
Kennt seine Geduld nicht am Tage,
Denn anderntags lehrt uns das Grausen
Der seidige Töter im Hage.

Ein einzelner reicht, um den ärgsten
Der Riesen zum Hades zu schicken,
Er schont nicht den höchsten und stärksten,
Er weiß jede Blüte zu knicken,
Er kommt über Nacht und er weidet
Sich an deinem Fluch, deiner Klage,
Denn stets revisionslos entscheidet
Der seidige Töter im Hage.

Dem Mörder im Feld und am Throne
Ist stets er verläßlich und billig.
Er flüstert: Du weißt, wo ich wohne,
Und wem du mich darbringst, den kill ich.
Das Gegengift selber im Kleber,
Doch niemals genug für die Lage,
Verspottet das Hirn wie die Leber
Der seidige Töter im Hage.

Er duftet wie Honig und süßer,
Schmeckt mild und nach herzhaften Nüssen,
Dann macht er den Schlemmer zum Büßer
Und badet in tränenden Güssen.
Der Schmerz darf noch einmal verhalten,
Doch wer sich nicht täuscht, der verzage,
Des Amtes vergißt nicht zu walten
Der seidige Töter im Hage.

Olivgrün genattert, die Knolle
In seidiger Scheide, kein Makel
Verrät, daß er haß oder schmolle
Und daß er gemeint im Orakel.
Und blieb auch nicht kleinste Manschette
Vom Velum, so ists keine Sage,
Wer anbeißt, den führt an der Kette
Der seidige Töter im Hage.