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Aus »Babylon des Worts«. Gedichte 2007, Vers 17436 bis 17471

BLAU-GEDICHT


Dem Tag, der Woche und dem Jahr sind Farben
Vielfältig und mit strengem Strich gestellt,
Doch wenn sie blühten oder bald verdarben,
Blieb mir doch eine wert vor aller Welt.

Wenn der Gefährte sich mit Mohnrot schmückte,
So wählt ich stets im Korn das Blaugezack,
Und was mir in den Kindertagen glückte,
Dem jubel ich noch einst als greises Wrack.

Vor jeder Tugend, die die Not bezeugte
Und auch das Glück, wählt ich die Treue stets,
Und wenn ihr Blau aus reifen Feldern äugte,
Gemahnt es an die Heilkraft des Gebets.

Denn mögen Glück und Freiheit dich verlassen,
Hört doch der Herr dein Wort durch Kerkerwand,
Und kannst auch das Himmelsblau nicht fassen,
So hält es doch der Traum in seiner Hand.

Die Treue ist die fruchtbarste der Gaben,
Sie bringt die Würde, Tat und Stolz hervor,
Sie feit dich, so wie Nektar in den Waben
Beschützt ist und das Heil vom Himmelstor.

Das Blau des Himmels, das sich stets erneute,
Viel länger als ein Auge je es pries,
Das Blau des Meers, das seine reiche Beute
Bewahrt und einzig Weiser spült auf Kies.

Das Blau der Beere, die im Kräuticht reifte,
Die blaue Blume und dein blaues Hemd,
Das Jugendblau, das durch die Wälder schweifte,
Das blaue Licht, dafür man Felsen stemmt.

Der blaue Flachs, drin Ofterdingen ruhte,
Das Blau der Nacht, gewölbt zu stolzem Dom,
Der blaue Reiter, der mit blauem Blute
Durch Städte ritt im Untergangs-Arom.

Dein Segel ist gespannt in blaue Weiten,
Wer wahrhaft treu, den schreckt Verwandlung nicht,
Und mag dich auch das Drachenblau bestreiten,
Schützt dich dein Augenblau im Angesicht.