Aus »Fliederblüten«. Gedichte 1981, Vers 993 bis 1006
ERTRUNKENER JÜNGLING
Wie Mondschein lehnt er bleich an einer Weide
Und müht sich seine Fremdheit auszumessen,
Die weiße Haut und Glieder, schlank, vergessen
Vom Fährmann, der ihn traf in schwarzer Seide.
Er horcht in sich, und seine eigne Nähe
Gemahnt ihn an den Trauerlaut der Taube,
Und zweifelnd, ob er schwach genug erlaube
Den Beutezug, umkreist ihn eine Krähe.
Er träumt dem Boten nach, ein Gurren schreitet
Gemeßnen Schrittes, unter ihm ein Beben
Sich langsam zu Unendlichkeiten weitet.
In blutlos grauer Selbstentwandtheit geben
Sich leise über goldbedeckten Rasen
Der blassen Nonnen geistliche Ekstasen.