Überm Städtchen Weinsberg liegt eine Burgtrümmer, insgemein die Weibertreue geheißen, von der die Sage eine der allbekanntesten ist in allen deutschen Gauen. Es geschah im Jahre des Herrn 1140, daß König Konrad III. von Hohenstaufen die Stadt Winesberg am Neckar belagerte, die dem Herzoge Welf von Bayern zuständig war. König Konrad von Schwaben war zu Waiblingen geboren und wurde von seinem Kriegsvolk der Waiblinger geheißen, der Bayerherzog aber, Konrads Gegner, hieß Welf, daraus entstanden die Feldschreie: Hie Welf, hie Waibling! Dieses verwelschten hernach italienische Truppen in Guelf und Ghibellin, und so ist die Benennung Welfen und Ghibellinen aufgekommen. Da nun Welf eine Schlacht bei Waiblingen verloren hatte, warf er sich mit den Seinen in das Schloß Weinsberg, konnte aber eine lange Belagerung darin nicht aushalten, sondern mußte um Gnade nachsuchen. Nun hatte der Kaiser auf dringendes Bitten den Frauen freien Abzug gewährt, und daß eine jede von ihrem Schatz mit sich tragen dürfe, soviel sie könne, die Männer aber sollten alle über die Klinge springen. Die Frauen aber dachten mehr an die Treue, die sie ihren Männern schuldig waren, als daran, ihre Fahrnis zu retten und zu bergen, und nahm eine jede ihren Mann auf den Rücken, und ging die Herzogin Jutta mit ihrem Gemahl Welf voran den Berg hinab, und die andern folgten in langer Reihe. Das gefiel dem Kaiser über die Maßen wohl, und begnadigte auch die Männer, obschon sein Bruder, Herzog Friedrich, Einsprache tat und solche Gnade nicht guthieß. Da antwortete ihm aber der Kaiser: Regium verbum non decere immutari: am Königswort ziemt nicht zu rütteln. Als der Florentiner Fürst Lorenz von Medici, da er erkrankt war, auf seinem Lager dieses Ereignis las, lachte er sich gesund darüber, so wohl gefiel ihm dieser treue deutsche Ernst, den er wohl nicht für Scherz nehmen mochte, wie Deutsche selbst getan, welche die schöne Frauentat aus der Geschichte hinaus haben leugnen oder spötteln wollen.

LUDWIG BECHSTEIN    

 



PERSONEN
KAISER Heinrich VI.
KONRAD, Pfalzgraf bei Rhein
IRMGARD von Henneberg, seine Frau
GOTTFRIED, FRIEDRICH, seine Söhne
AGNES, seine Tochter
HEINRICH, Sohn des Welfenherzogs
JOHANN, Erzbischof von Trier
OFTERDINGEN, Heinrich von, Minnesänger
HERMANN, Landgraf von Thüringen
 

 

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PROLOG
OFTERDINGEN:
Ihr kennt mich von der Wartburg, wo ich Waltern
Und Wolfram focht in einem Sängerkriege,
Das Minnespiel aus jenen Menschenaltern
Mit Mut und Treu, mit Falschheit und Intrige
Träumt sich hinfort, in diesem Traum ein Name
Ward ich, dem Sämann für die Ackerkrume
Ein Sang, der wieder Ursprung ward und Same
Für jeden, der begehrt die blaue Blume.
So ward ich über Lorbeerkranz und Zweifel
Zum Brunnen, der die Zunge löst und flügelt,
Im Odenwald, im Schwarzwald, in der Eifel,
Im Harz und wo des Thürings Meer sich hügelt.
Im Tal der Saale hat es wem gefallen,
Der Stollen grub nach Kupfer und Alaunen,
Daß es am Kyff mir wonniglich vor allen,
Wo Korn und Juni heißen Heim und Daunen.
Eh ich die Böhmer sah, die Florentiner,
War ich am Rhein, der älter ist als alles,
Dies ist ein Prüfstein für den Musendiener,
Denn alles Dürftge schlingt der Fall des Falles.
Wer dort sich nicht versteint zur Albenmine,
Der bleibt auch heiter, wenn Kometen schweifen,
Der ist für jeden Blust die Honigbiene,
Und läßt die Dinge aus sich selber reifen.
Solch Anteilnehmen lehrten mich die Frauen,
Die Heere zwangen und Gewalt mit Winken,
Sie ließen mich die Macht der Anmut schauen,
Vom Born des Einklangs und der Vielfalt trinken.
 

 

8
 
Denn wenn die Welt sich mählich formt zu Massen,
Die wie betrunken folgen Meteoren,
So widersteht nur jener, der gelassen
Dem Schoße traut, der ihn allein geboren.
Nur wer sich nie bereitfand, sich zu biegen,
Läßt auch dem andern seine Wurzelstärke,
Wer aber Pulver müht, um fortzufliegen,
Entfernt sich Gott und seinem Wunderwerke.
Im deutschen Land verfeindete Parteien
Sind Helfer, daß die Kronen ihre Zacken
Zu Sicheln machen, die vor Blutdurst schreien,
Und jedem Bauern sitzen fest im Nacken.
Wenn einzelne den Traum der Lande einen,
So wird die Freiheit bald zur tauben Bohne,
Dann sitzt die Phantasie an Feldesrainen
Und nur der Herbstwind frägt sie wie zum Hohne.
Dann wird vielleicht ein Sänger Laute schlagen,
Der sich zur Tugend anerkennt die Nöte,
Jedoch das Lied veredelt nicht die Plagen,
Und Lerchen machen nicht die Morgenröte.
Nur wenn das Maß gewahrt bleibt allem Walten,
Gibt sich das Ohr des Lauschers auch der Leier,
Dann kann kein Lied und kein Gefühl veralten,
Denn eines Heils sind Knecht und Graf und Meier.
 

 

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ERSTER AUFZUG
Auf Burg Stahleck.

Erste Szene
Gottfried, Friedrich.


 

 

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