LOB DES KNASTERS
SATYRSPIEL






Wenn man im Himmel nicht rauchen darf,
gehe ich nicht hin.


MARK TWAIN   


Ich verstehe nicht, wie jemand nicht rauchen
kann – er bringt sich doch sozusagen um
des Lebens besten Teil und jedenfalls um ein
ganz eminentes Vergnügen!


THOMAS MANN   


Dichten fügt Ihnen und den Menschen in
Ihrer Umgebung erhebliche Heiterkeit zu.


WOLFGANG SCHÜHLY   
 

 

PERSONEN

ANTIQUAR
KUNDE
ANWALT
HAUSFRAU
 

 

91
 


PROLOG
Die heilige Nicotiana, eine nicht mehr ganz junge Frau im weißen Brautkleid, tritt mit einer übermannsgroßen Zigarre auf, die sie zärtlich umschlingt.

NICOTIANA:
Ich bin ein Werk der Gräfin, der Mechthilde
Lichnowski, die in Niederbayern schmauchte,
Ich gleiche ihr an Frömmigkeit und Milde
Und diene jedem, der mich tröstend brauchte.
Ich heil Neurosen rasch in Hirn und Hüften,
Bin Zuflucht jedem, der da matt und müde,
Ich walle durch den Saal mit Wonnedüften,
Und banne alles Schimpfliche und Rüde,
Ich zünde lieblich und ich glimme leise,
Ich bin die Königin von allen Wonnen,
Dem Äther in die Erdenschwere Schneise
Und gegen Kleinmut stets ein Wunderbronnen.
Ich banne Trauer und die Langeweile,
Die Zappelei und Alltags Teufeleien,
Freigiebig bin ich mit dem höchsten Heile
Und lasse jede Sünderin gedeihen.
Wie jeder Kult ist meiner auch umstritten,
Es gibt nichts Großes, das nicht Feinde hätte,
Es gibt Verweigrer, die da höfflich bitten,
Und ärgre legen Raucher an die Kette.
Dies wird wohl bin zum Jüngsten Tage so gehen,
Mit jedem Gut schafft sich zugleich der Neider,
So manche Zeiten kommt dies schwer zu stehen,
Und wer darein geboren, sagt, ja leider.
 

 

92
 
Vorbei die Zeit, wo man im ärgsten Streite
Noch Stil besaß und abgestumpfte Waffen,
Und lieber Pfeifen zündelte als Scheite,
Und Abstinenz war Privileg der Pfaffen.
Als Teufelswerk gelt ich noch mehr als Luther,
Drum darf ich mich auch Reformator nennen,
Denn den Indianern war die große Mutter
Stets nah, wenn braune Tabakblätter brennen.
Von ihnen hab ich meinen Hang zum Frieden,
Den wir im Krieg aus tiefster Seel erhoffen,
Drum ward mir höchster Zuspruch dann beschieden,
Wenn Heere zogen und die Mauern offen.
Ich sage jedem, der mich ganz verachtet,
Und mein dies gar nicht böse und betreten:
Wer weiß, ob er nicht einst noch nach mir trachtet
Und nach mir ruft mit brünstigen Gebeten.
 

 

93
 
Erste Szene.
Ein altmodisch eingerichtetes Antiquariat mit einer Glocke an der Tür. Der Inhaber mit abgewetztem Anzug. Ein Mann mittleren Alters stürmt herein und knallt ein dickes Buch auf den Ladentisch.

KUNDE:
Hier ist das Ding, ich schrieb schon elektronisch,
Daß ich den Buchkauf förmlich widerrufe.
Ich habe Allergien und zwar chronisch,
Weswegen ich mir meine Haare raufe.
Gleichwohl, was Sie da warnungslos versenden,
Nach tagelangem Lüften auch nicht schwächer
Zum Himmel stinkt, drum solls aus meinen Händen,
Es ähnelt einem Kneipenaschenbecher.

ANTIQUAR: Ich offerierte als gebraucht mit Spuren
Der Leselust der frühern Eigentümer,
Ich mein doch, daß sie sacht damit verfuhren,
Ich handle nie als Altpapier-Verblümer.

KUNDE:
Zwar gibts nicht Schrammen, Risse oder Kanten,
Kein Kaffee, keine blöden Kommentare,
Jedoch vom Kraut, vom sündig abgebrannten,
Klebts haufenweis an Ihrer Teufelsware.

ANTIQUAR:
Dies wird den Holzwurm ganz gewiß vertreiben,
Auch Säure im Papier wird so gemildert,
Was Sie in Ihrem Zorne mir beschreiben,
Hat nie ein Buch so anschaulich geschildert.
 

 

94
 
Ich handle schon mit Büchern vierzig Jahre,
Unlängst durft Kundschaft noch im Laden rauchen,
Es war niemals ein Manko an der Ware,
Bis Mode sprach, daß wir die Wende brauchen.
Selbst Raucher meinen, daß passives Schlucken
Das Herz, die Lunge und den Geist vernichte,
Man mag nun nur noch Abwöhnhilfen drucken,
Mir scheint dies eine seltsame Geschichte.

KUNDE: Es ist doch klar, daß rücksichtsloses Paffen
Zerrüttet die Gesellschaft wie die Lunge,
Wie schwer es ist, sich dies vom Leib zu schaffen,
Das lernt man in der Schule schon als Junge.

ANTIQUAR:
Schon Goethe mochte Schillers Dunst nicht leiden,
Der Streit ist doch so alt wie diese Pflanze,
Doch war er recht manierlich zwischen beiden,
So steigert er sich heut zum Affentanze.

KUNDE: Die Forschung hat gezeigt, daß Tabakrauchen
Bescherte uns mehr Opfer als die Kriege,
Wenn Krankenkassen heut Entlastung brauchen,
Verhelfe man doch der Vernunft zum Siege.

ANTIQUAR:
Die Forschung weiß, zumindest die seriöse,
Daß der Exzeß ein endliches Vergnügen,
Daß kaumwer sich vom Suchtverhalten löse,
Das dachten die Propheten schon zu rügen.
Für Mohammed, ganz anderes als für Goethe,
War Wein ein Greul dem Herrn der Himmelsbläue,
 

 

95
 
Und daß man damit jede Reinheit töte,
Galt ausgemacht beim Schinkenstück der Säue.
Das Opium ward in China eine Plage,
Nachdems Europa guttat gegen Schmerzen,
Der Branntwein war der ärgste Indiophage,
Und andre schwörn, sie dankten ihm von Herzen.
Wo Hanf verboten, sagen Mediziner,
Er wär das beste Mittel gegen Ängste,
Die Welt der Kräuter schuf uns ein Schlawiner,
Der achselzuckt vor der Tirade: Denkste!

KUNDE: Sie scheinen mir ein Super-Liberaler,
Das kommt gewiß von den vergilbten Schinken,
Deß einen Lust ist hier der andre Zahler,
Denn Tabakrauchen tut empfindlich stinken.
Auch haftet diese Unart an den Sachen,
Bedenken Sie, es sind doch Geisteswerke,
Die Qualmer grad zu Gaspatronen machen,
Wie ich, zum Ausgangspunkt zurück, bemerke.

ANTIQUAR: Sie sollten mal die Möglichkeit erwägen,
Daß Sie, derweil sie Ihre Waffen schärfen,
Am Ast, auf dem sie fröhlich sitzen, sägen,
Denn Ihre Panik ruiniert die Nerven
Viel eher als ein Molekül am Leinen
Und dieses Odium sündigen Genusses.
Als Neid will mir die Aggression erscheinen,
Und gar nicht als der Stolz des Überflusses.

KUNDE: Ihr Überfluß erscheint mir überflüssig,
Und die Geduld wird gleich mir überfließen,
 

 

96
 
Ich hab nicht Zeit für Schwachsinn überschüssig,
Bis Sie sich zur Entschuldigung entschließen.

ANTIQUAR:
Da muß ich Sie enttäuschen, lieber Kunde,
Ich zahl den Kaufpreis und ich nehm die Ware,
Doch mein Gewissen bleibt das höchst gesunde,
Wenn ich auch künftig wie gewohnt verfahre.
Wenn die Verbieter mich belehren wollen,
So frag ich, was sie drob als Ausgleich bieten,
Denn immer nur die Augen bös zu rollen,
Ist Angewohnheit bei den reinen Nieten.
(Er zählt das Geld ab, der Kunde steckt es ein.)

KUNDE:
So hab ich noch den Spott zu meinem Schaden,
Sie sind Gefahr für Ordnung und für Sitten,
Ich werde jeden warnen vor dem Laden,
Und wünscht, ich wäre niemals reingeschritten.
(Ab.)


Zweite Szene.
Antiquar, Anwalt

ANWALT: Na, lieber Joseph, immer sehr zum Wohle,
Sind Umsatz und Gewinn wie immer prächtig?
Dem Anwalt sagst, daß ihn der Teufel hole,
Du aber bist Vertreterpakts verdächtig.

ANTIQUAR: Du bist in einem Umfeld aufgewachsen,
Da Bücher noch begehrt und voller Adel,
 

 

97
 
Heut heißts, man bricht sich an dem Zeug die Hachsen,
Grad wieder gabs für meine Praxis Tadel.

ANWALT: So, Tadel, so. Den Tadel spricht der Neider,
Ich wüßte kein Geschäft im ganzen Gaue,
Wenn man so selten kriegt die Antwort: leider!
Und der Empfehlung ich auch blind vertraue.

ANTIQUAR: Du kündest als Relikt aus Mangelzeiten,
Ja, das Fossil ist treffender Metapher,
Heut tätowiert man sich die Rückenbreiten
Und jagt den Puls mit der Musik der Kaffer.
Hingegen wird, was einst uns gab Behagen,
Verteufelt und es bleibt nur untertauchen,
Daß es dir geh an Ehr und an den Kragen,
Genügt es schon, sein Pfeifchen still zu rauchen.

ANWALT: Mei, Joseph, gehn wir hinter in die Kammer,
Es schwätzt sich besser beim gemeßnen Paffen,
Verzage nicht am öffentlichen Jammer,
Denn unsereins hat damit nichts zu schaffen.
(Sie gehen ein paar Stufen hoch und nehmen in Sesseln Platz. Pfeifen werden gestopft und zunächst schweigend geraucht.)

ANTIQUAR:
Wie friedlich ists, die Bücher sind nicht böse,
Auch wenn die Geister drin recht häufig fiese,
Wenn ich mich von der Kundentheke löse,
So bin ich gleich in meinem Paradiese.

ANWALT: Man muß in allem stets das Beste sehen,
Auch die Verfemung unsrer blauen Nebel,
 

 

98
 
Kommt uns nicht nur als Abendrot zu stehen,
Nach allen Winden weist des Palmbaums Wedel.
So sah ich jüngst recht spärlich nur bekleidet
Ein Mädchen rauchend stehn am Straßenrande,
Und daß die Arme Winterskälte leidet,
Schien ärger als des Eigennutzes Schande.
Das Tanzlokal hatt sie hinausgestoßen,
Kein Kavalier, der teilte diese Feme,
Da brauchte es der Gesten keine großen,
Daß sie sich meinem Mannesschutz bequeme.
Ein wollner Mantel, der im Wagen döste,
Ward rasch der kleinen Göttin umgehangen,
Und was sie von dem Schneegestieb erlöste,
Hat sie sofort in Dankbarkeit gefangen.
Sie baute mir auch gleich die nächste Brücke,
Es sei da drinnen laut und auch recht teuer,
Und, recht verblüfft vom unverhofften Glücke,
Schlang ich den Mantel enger mit dem Feuer
Der Rede, daß ein guter Rotwein schmachtet
Zuhause, wo sich seltne Platten türmen,
Und der Kamin, wo man das Holz betrachtet,
Macht zur Musik das winterliche Stürmen.
Kurzum, sie stieg schon rasch in meinen Wagen,
Und über alles weitre schweigt der Kenner,
Das Rauchverbot hat sie mir zugetragen,
Sagt mir der Fabel allergrößter Nenner.

ANTIQUAR: Ja, die Apartheid für die Tabaktreue,
Hat was für sich, so ist auf den Empfängen
Nur dort was los, wo Öffentlichkeitsscheue
Sich mit dem dichten Rauch zusammendrängen.
Schon mancher, dem das eklig und erbärmlich,
 

 

99
 
Verpaßte das Geschäft des ganzen Jahres,
Das große Los bekleidet sich oft ärmlich,
Man weiß, der größte Dreck bevorzugt Bares.
Auch muß, wer bahnfährt, unbedingt erfahren,
Das Raucherviereck ist so schmal bemessen,
Der Nacken dient nicht nur den eignen Haaren,
Ein Tolpatsch läßt den Zufall sagen, wessen.
Und wer nicht schwul, wird eine Holde finden
Und spüren auch den Muskel des Gesäßes,
Auch darf die Bluse seine Augen schinden,
Nur ein debiler Tattergreis vergäß es.
Hier wird Frottierer, wer ansonsten scheuer
Sich setzt an einen Tisch, der unbegastet,
Darum bekennt ein Ehemann, ein treuer,
Daß Amor auf den Reisen niemals fastet.
Da wiegts gering, daß man im Gelb der Juden
Begrenzt wird und zur Schau gestellt als Laster,
Hier ist mehr los als an den Fastfood-Buden,
Und dies verdankst du alles bloß dem Knaster.

ANWALT: Sei achtsam mit verbotnen Parallelen,
Der gelbe Stern ist nichts für den Poeten,
Sonst heißts, er wolle Ärgeres verhehlen,
Zumindest wird zur Kasse er gebeten.

ANTIQUAR: Gerichtet sei die Klage und das Richten,
Nur wo es stinkt, ist Polizey zugange,
Und eh wir unser Stück zuende dichten,
Ists draußen offenbar, und zwar schon lange.

ANWALT: Red lieber weiter von den schönen Frauen,
Der Autor hat ein Lustspiel uns befohlen.
 

 

100
 
Ob anzurühren oder anzuschauen,
Kein Anekdötchen werde mir verhohlen.

ANTIQUAR:
Nun ja, die Zeiten wollen nichts verschonen,
Das Gleichmaß prägt sich aus an allen Orten,
So sind auch bald die Fraun, die ringsum wohnen
Gleichförmig wie die Zigarrettensorten.
Daß eine ein Geheimnis weiß zu tragen,
Daß man riskier Jahrzehnte Alimente,
Ist heute nur im Ausnahmsfall zu sagen,
Ich denk, das sind doch höchstens zwei Prozente.

ANWALT: Ich bitte dich, mein Joseph, bei Millionen
Sind zwei Prozent noch immer eine Menge,
Daß beim Versuche, ihnen beizuwohnen,
Uns allenfalls erstickte das Gedränge.

ANTIQUAR: Ich bleib dabei, die Vorred der Mechthilde
Hat sich gewaltig in der Zeit vergriffen,
Mir schiens, sie suchte sich mit Ihrem Schilde
Grad eben nach Ostindien einzuschiffen.
Ehr für ein Stück, das in Napoleons Kriegen
Sich austobt, scheint die Rede angemessen,
Daß Takt und Degen heut im Streite liegen,
Meint Blindheit wie auch sonstige Noblessen.

ANWALT:
Wer weiß, was uns noch blüht, obs einst uns dämmert, Daß diese Jahre noch die toleranten?
Vielleicht wird schon am Gitterkreuz gehämmert,
Das übertrifft die Horrorfabrikanten?
 

 

101
 
ANTIQUAR: Nicht wieder Pessimismus, meine Pfeife
Will neu gestopft sein, das sind die Probleme,
Legt mir der Henker um den Hals die Schleife,
Erinnre ich mich an das Angenehme.


Dritte Szene.
Antiquar, Anwalt, Hausfrau.

HAUSFRAU:
Hallo, was hockt ihr Männer hier beisammen,
Gewißlich, um der Fraun gemein zu lästern,
Den Dunstkreis, draus die Männerträume stammen,
Zeigt uns die Leinwand ungeschminkt im Western.

ANTIQUAR:
Wir sprachen von den neuesten Schikanen,
Die ringsum wider Raucher ausgebrütet,
Man merkt nicht, welcher Pöbel schwenkt die Fahnen,
Wenn man das Haus an Tag und Abend hütet.

HAUSFRAU: Das war schon wieder eine freche Spitze!
Wer bügelt dir die Hemden, die Krawatte?
Ich hab nicht Zeit, daß ich bei Büchern sitze,
Und rauch nicht faul auf einer Seidenmatte.
Schon gar nicht hab ich Zeit für Litaneien
Der Politik, der Presse, der Vereine,
Nur Männer dürfen solchem Zeug sich weihen,
Und daß dies Arbeit, meinen sie alleine.

ANWALT: Nun halt mal im Rundumschlag etwas inne,
Die Unvernunft macht aus den Differenzen
 

 

102
 
Grad wie der Grantler aus der Morgenspinne
Den Ideologen wirksame Essenzen.
Wenn Mann und Frau sich streiten um die Rollen
Im Hause und auf öffentlichen Brettern,
Dients jenen, die uns abkassieren wollen,
Wenn wir uns im Vereinzlungswahn verheddern.

HAUSFRAU:
So arg wars nicht gemeint, ich bin doch keine
Von all den Lesben und den Männerfressern,
Und ich bevorzug stets die Wäscheleine
Als Gottes Plan für Mann und Weib zu bessern.
Nur heute war das Chaos wieder heftig,
Drum muß ich jetzt ein Zigarettchen rauchen,
Zwar ist der Krauser nicht wie früher kräftig,
Doch für uns Fraun ist er wohl noch zu brauchen.

ANTIQUAR:
Mich wundert, daß der Advokat dem Zanke
So abhold, daß Versöhnung ihm gelegen,
Als ob er nicht dem Streit das Brot verdanke,
Das Mißverständnis gleichsam Standessegen.

ANWALT: Du irrst dich, Joseph, in der Analyse,
Zwar mancher, der da abmahnt, liebt die Tücke,
Doch echtes Recht ist keine Jagdgift-Drüse,
Es zeigt sich und beweist sich in der Brücke.

ANTIQUAR: Kein Wunder, daß du bei der hehren Milde
Mußt Wert auf meine Schmuddelbude legen,
Dir fehlt am Ende in Justitias Gilde
Die rechte Konfession für Mammons Segen.
 

 

103
 
ANWALT: Mag sein, doch ist die Welt so vielgestaltig,
Daß ich noch nie erfuhr, wo seis am besten,
Ich glaub, wir werden haarlos, taub und faltig
Bei dem Versuch, den kleinsten Teil zu testen.
Wie Ringe, die im Rauch wir kurz erahnen,
Erscheint dem Astronom der Sternennebel,
Dies muß den Frechsten noch zur Demut mahnen,
Er dank dem Herrn, daß er nicht selbst am Hebel.
(Die Ladenglocke tönt.)

ANTIQUAR:
Der Hebel war das Stichwort, der Betrachter
Ist nicht identisch mit dem Weg-Bestimmer,
Der Ruf der Pflicht ist meist ein ungeschlachter,
Vernehmlich und verdrießlich aber immer.

HAUSFRAU:
Bleib sitzen, Joseph, ich will runterschauen,
Noch hab ich meinen Tabak nicht entzündet,
Ich geh, bevor verdroßne Leute klauen,
Weil ohne Ohr die Ladenglocke kündet.


Vierte Szene.
Kunde, Hausfrau.

KUNDE:
Recht schönen Tag der schönen Frau, ich brachte
Vor einer Stunde Ihrem werten Gatten,
Ein Buch zurück, das mich ganz närrisch machte,
Weils Raucher böse angeblasen hatten.
Im Ärger über diese Kräuterbräune
 

 

104
 
Vergaß ich, was mich erst gedrängt zu wissen,
Nun ist mir Tor der Weizen samt der Scheune,
Die Antwort samt dem Pergament entrissen.
Ich weiß die Seite wohl und auch die Stelle,
Die es verdiente, klarer mir zu werden,
Erlaubten Sie ein Reinschaun auf die Schnelle,
Sie machten mir das größte Glück auf Erden.

HAUSFRAU: Ja gern, der Herr, es ist uns größte Freude,
Wenn sie den Schatz, den wir bewahren, nutzen,
Sie glauben nicht, was ich an Müh vergeude,
Zu tilgen, was die Vorbesitzer schmutzen.
Radiert wird manch Geschwätz und Unterstreichen,
Mit Spiritus gelöst die fetten Finger,
Für manchen Duft will Rosenöl nicht reichen,
Obwohls im Reich der Nas der Löwenzwinger.

KUNDE:
Ich wußte nicht, wie hier die Hausfrau schuftet,
Ihr stilles Mühn bleibt oft ganz unbeachtet,
Und daß ihr Tun vor allen Störern duftet,
Bezweifelt, wer den Preis zu drücken trachtet.
Es ist ein gänzlich schändliches Betragen
Zu mäkeln, wo die Anmut sich verbreitet,
Wie es mir leid tut, möchte ich Ihn sagen,
Ein böser Geist hat mich dazu verleitet.

HAUSFRAU:
Sie müssen nichts entschulden oder tadeln,
Wer Bücher gilbt, entehrt den Geist-Verweser,
Allein die Kunden einen Laden adeln,
Die Bücher sind Papier nur ohne Leser.
 

 

105
 
KUNDE: Der Freundlichkeit muß jeder Tadel weichen!
Ich seh, das Buch liegt hier noch ausgebreitet,
Ich fürcht, ein rascher Blick wird doch nicht reichen,
Drum seh ich mich zur Revision verleitet.
Ich will, verzeihn Sie bitte das Gemecker,
Das gute Buch doch unbedingt besitzen,
Grad wie mein Leibmahl schmeichlerisch und lecker
Aus diesen Bögen mir Sentenzen blitzen.

HAUSFRAU:
Wärs besser nicht, ich würd noch einmal lüften,
Die stark verqualmte und gebräunte Schwarte,
Es wär mir arg, lägs an Benutzerdüften,
Daß sich der Reiz gemindert offenbarte.

KUNDE: Dies ist nicht nötig, weil ich mir gestanden,
Mein Herzblatt raucht, ich mags dafür nicht pönen,
Es hält mein Herz in solchen Wonnebanden,
Daß einst Gemiednes teil gewann am Schönen.
Eh meine Bibliothek von diesem Laster
Ganz unbetroffen und ihr abgeschlossen,
Erscheint es meiner Liebe angepaßter,
Sie riefe sie als schmauchenden Genossen.
Drum ists nicht Mindrung, sondern Bonusgabe,
Wenn dieses Buch mit ihrem Atem säuselt,
Versilbert sind mir meinen alten Tage,
Seit blauer Dunst sich in der Stube kräuselt.
Hier ist das Geld, zum Glück noch unvermindert,
Ich hoff, der Preis ist noch nicht angestiegen,
Und dann Lebwohl, auf daß mich nichts mehr hindert,
Nun zu Marie zu stiefeln und zu fliegen.
(Er legt das Geld auf den Tisch.)
 

 

106
 
HAUSFRAU: Dies ist ein gutes Wort und werde Segen,
Wenn man der Liebe folgt wohin auch immer,
Fliehn Groll und Übel von den Lebenswegen,
Und Wohlbehagen wohnt in jedem Zimmer.
Ich wünsche Ihn und Ihrem Sonnenscheine
Viel Freud bei allem, was da aufgeschieben,
Denn tiefer als die Weisheit, die im Weine,
Ist jene, die uns anvertraut das Lieben.