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SIEGFRIEDS TOD
TRAUERSPIEL






Zweierlei Arten von Liebe gibt es. Die eine bemächtigt sich irgend eines einzelnen Wesens, das in die Lücke des Herzens ganz oder teilweise hineinpaßt, umspinnt und umschlingt es und läßt es nicht wieder los. Dies Lieben ist eigentlich ein Selbst-heilen. Die andere wagt sich in den Kampf mit der ganzen Welt.

HEBBEL   
 

 

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PERSONEN
SIEGFRIED, Drachentöter
GUNTER, König von Burgund
UTE, seine Mutter
KRIEMHILD, seine Schwester
GERENOT, GISELHER, Brüder
HAGEN, Ritter am Hof
BRUNHILDE von Isenland
VOLKER, Sänger
ZIRPZALP
KNECHTE
 

 

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PROLOG
VOLKER: Der Sänger steht am Anfang und am Ende
Des Spiels, das schaurig zeigt, was zu vermeiden,
Die Leute vor und nach der Zeitenwende
Das Vorgesetze mit Geduld erleiden.
Allein die Liebe kann das Herz verführen,
Das es durchkreuz die fest gefügten Kreise,
Doch dies heißt immer auch: den Weltbrand schüren,
Daß alles stürz aus seinem Weggeleise.
Drum klag nicht über Schwammige und Feige,
Die Größe mißt sich immer nur nach Leiden,
Ob solches an der Fülle, an der Neige,
Das Trauerspiel verdingt sich allen beiden.
In unserm Stoff, den jeder schon vernommen,
Wird meist gesagt, der Sänger hab verschuldet
Die Gier des Königs, und was dann gekommen,
Das hätten die Figuren nur geduldet.
Der Sänger hat noch niemands Gier gestachelt,
Sein Werk ist nur ein Steinbruch für das Laster,
Wer sich den Spind mit Amors Bräuten kachelt,
Berauscht sich an dem Sieg, der ein verpaßter.
So wie das Kraut nicht Sucht macht und Ergeben,
So schafft die Kunst nicht Kriege und Intrigen,
Ihr ziemts allein, dies in ein Licht zu heben,
Wo Gut und Böse beieinander liegen.
Sie kann die Schuld vom Gläubiger nicht trennen,
Das Gut nicht von dem Stöhnen seiner Knechte,
Doch wird sie sich noch eher selbst verbrennen,
Als auszuspieln das Edle für das Schlechte.
 

 

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Im Menschen ist stets beides fest verwoben,
Jedoch das Maß folgt immer dem Ertrage,
Das Amt des Sängers bleibt zuerst das Loben,
Und nur im Schatten walte seine Klage.
Drum ist ein Spiel, drin alle Streiter sterben,
Kein Ding, das fruchtlos fordert, sich zu grämen,
Des Kruges Schönheit preisen noch die Scherben,
Des Scheiterns soll kein Sterblicher sich schämen.
Denn immer ist der Sinn nicht bloßes Ende,
Das jedem Stück die Mitternacht verfügte,
Dies wärs nur, wenn sich keine Strophe fände,
Drin die Figur dem hohen Traum genügte.
Dem Traum, daß wir nicht Käuze sein und Knoten
Verwirrten Garns, von dunklen Fraun gesponnen,
Daß wir des Muts zur Freiheit stolze Boten
Und uns begreifen als der Wunderbronnen,
Daraus die Ströme Zeit und Raum und Muster
Durchwalln was gleichsam oder fremd durchdrungen,
In Träumen blind und manchmal auch bewußter
Als Sagengold und Not der Nibelungen.
 

 

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ERSTER AUFZUG
Eine Brandrode im Wald, im Vorderrund ein mächtiger schwarzer Baumstamm, der einen See staut. Darin sitzt Siegfried so, daß man den nackten Oberkörper sehen kann. Auf dem Rücken das Lindenblatt. Im Hintergrund über die ganze Breitseite die Leiche des Lindwurms, faltig und zusammengefallen wirkend, also sei ihr eine riesige Menge Blut entflossen. Im Verlaufe der ersten Rede wird es immer dunkler, dann erscheint hell angeleuchtet Siglinde auf dem toten Lindwurm stehend. Ihr langes Kleid ist so weiß wie ihre Haare. Die Ärmel sind so lang, daß man beim Gestikulieren keine Hände sieht.

Erste Szene
Siegfried.

SIEGFRIED:
Die Sonne sinkt. Der Herbst tritt in die Haine.
Ich tats, nun muß ich selber wohl versiechen,
Von außen und von innen starke Weine,
Ich mag nur tiefer in das Dunkel kriechen.
Bin ich erschöpft von diesem Strauß? Ach nimmer
Hat mir das Herz so wonniglich geblutet,
Erinnerung und Plan? Da ist kein Schimmer
Von Wollen, daß sich zur Vollendung sputet.
Ist dies der Tod? Der Mutterschoß der Erde?
Hab ich mich selbst mit diesem Feind gerichtet?
Ich hör nicht mehr das Horn des Morgens: Werde,
Die Nacht hat dürre Reiser aufgeschichtet,
Sie nimmt mich ganz zur Beute und zum Weibe,
 

 

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Ihr Balsam duftet frisch nach Lindenblüten,
Ich frag mich nicht mehr, wo ich bin und bleibe,
Fremd sind mir die Gedanken, die sich mühten.
Ein Knäul ists, wollig und nicht zu entzausen,
Es führt den Helden nicht aus diesem Horte,
Und hört ich gar den Wind am Ausgang brausen,
Ich hätt nicht Kraft der Klinke dieser Pforte.
Ich bin am Ziel. Ein Reisender im Hafen,
Am Kai vertaut mein abgewrackter Kutter.
Ich irrte lang und möchte endlich schlafen,
Denn tief im Traum erwartet mich die Mutter.

SIGLINDE:
Ich bin wie stets bei dir, mein holder Knabe,
Ich leuchte dir durch alle Höllenschlünde,
Was dich umgreint, es haust in meiner Wabe
Und spricht vom Blut, drein alle Lichtscheu münde.

SIEGFRIED:
Ach Mutter, die ich niemals traf auf Erden,
Was hast du mir für Wege aufgetragen?
Statt daß ich wie ein Hirt mit seinen Herden
Bloß glücklich sei und haßte alles Wagen?

SIGLINDE: Dich treibt umher nicht mütterliches Erbe,
Auch nicht mein Bruder, der mich sanft berührte,
Denn Wotans Speer, der sorgte, daß ich sterbe,
Schuf auch die Lust, die mich zu dir verführte.
Ich seh mit Freuden deine starken Arme,
Dein helles Aug und deiner Schrecken Bersten,
Ich hoffe, daß der Herr sich dein erbarme,
Doch böser Rausch klebt manchmal an den Gersten.
 

 

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SIEGFRIED: Du sprichst mir, Selige, vom Mutterkorne,
Doch scheints mir, daß ein andres Kraut mich leitet,
Nichts weiß ich von beserkerhaftem Zorne,
Ich spüre eher, wie das Herz sich weitet,
Grad so, als sagte es dem Speer des Schurken:
Mich wird kein Schild und auch kein Zauber schützen,
Dies ist, als wüchsen Bohnen aus zu Gurken,
Und weiche Stellen dehnten sich zu Pfützen.

SIGLINDE: Dies ist nur eine Stunde, daß du heller
Erkennen mögest, was dich bannt und bindet,
Ich groß dir niemals Grütze auf den Teller,
Doch dies wird tun, was das Erwachen findet.

SIEGFRIED: Sag Mutter, bist du bei den Engelschören,
Im Garten, wo nicht Tag und Freude weichen,
Kannst du der Sterne Schöpfungsfrühe hören,
Und fandst den Bruder, dem die Augen gleichen?

SIGLINDE: Ich leide nicht, allein um dich die Sorge
Ist der Erlösung mauerstarke Hürde,
Ich mag nicht, daß ich mir das Heil erborge
Um Zins, daß ich dich ganz verlieren würde.

SIEGFRIED:
Was sorgst du dich? Ich ging heut früh zur Beichte,
Der Herr Kaplan sprach frei von allem Laster,
Wenn mich der Senser grad zur Stund erreichte,
Verfiel der Kirche auch der Drachenzaster.

SIGLINDE:
Wohl hat man dich zur Gottesfurcht erzogen,
 

 

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Doch Asen, die im Banne Würfel werfen,
Sie haben dich ums Mutterherz betrogen,
Um Baldung mit dem Rächerhaß zu schärfen.
Drum glaube nie, die Zeichen recht zu deuten,
Die Wahrheit ist allein im Herz zu finden,
Du sollst nicht Thron und Siegerkranz erbeuten,
Doch sollst du dich der Liebe selbst verbinden.

SIEGFRIED: Ich bin der Liebe voll zu dir alleine
Und sehn mich nur zurück zu deinem Borne,
Die Vogelstimmen sagten mir im Haine,
Das Bad geb, daß die Haut mir ganz verhorne.

SIGLINDE: Dies sei nicht deine Sorg, wo eine Mauer
Ist immer auch, ob weit, ob eng, die Pforte,
Sei nicht der Narr, der Zauberkraft-Vertrauer,
Bedenke immer meine letzten Worte.
Und sagt die Not, ich weiß gewiß nicht weiter,
Du findest mich im Schatten jeder Linde,
Doch trenn dich dabei erst von jedem Streiter,
Und auch am Quell begleit dich kein Gesinde.
(Ab. Es wird hell. Siegfried reibt sich die Augen.)

SIEGFRIED:
Sie sprach allein, am Quell und unter Linden,
Doch vorher sprach sie mir von der Lieb in Bälde,
Da frag ich mich: wie sollt ein Weib mich finden?
Dies ist kein Fest, ich stehe nackt im Felde!
(Man hört knackende Äste.)
Was da? Ein Wild? Ich habe Bärenhunger,
War auch der Wurm ein Appetitvernichter,
Der Magen sagt, wenn ich hier weiterlunger,
 

 

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So seh ich bald im Kreis die Albenlichter.
Ein Truthahn, ein Kaninchen, eine Katze,
Sogar der Schwan fänd vor dem Pfeil nicht Gnade,
Der Hunger ist gewiß die ärgste Fratze
Und gönnt die Führung keiner andern Frage.
Drum auf! Hier war gewiß schon lang kein Jäger.
Der Wald ist reich, der Sehne juckts zu sirren,
Ich habe keinen Mundschenk, keinen Träger,
Drum muß ich selber mein Gedärm entwirren.
(Ab.)


Zweite Szene
Kriemhild, Zirpzalp.

KRIEMHILD:
Ein Tümpel auf der brandgeschwärzten Rode?
Vielleicht seh ich den Feuersalamander!
Zwar ist es in Burgund nicht Frauenmode,
Jedoch ich mag nun mal das Rumgewander.
Die Mutter meint, der Wildfang sei zu zähmen,
Die Brüder schicken mich auf meine Kammer,
Allein im Wald brauch ich mich nicht zu schämen,
Das Eichhorn lauscht gewiß auf meinen Jammer.
Nur traurig, daß ich von dem Seidenschwanze
Und von der Amsel nur erfahr die Weise.
Ach, wäre mir verständlich doch das ganze
Im Sinne dunkle Minnelied der Meise!
Auch Volker, dem die Rätselrunen raten,
Kann mir nicht frommen zum Verstehensziele,
Ich mag nun mal die Vögel nicht gebraten,
Und tu, als taugten mir die Sangesspiele.
 

 

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So gab ich ein Sonett dem Star, dem Finken
Wies ich in meiner Einfalt gar Rondelle,
Und seh ich einen roten Kehlkopf winken,
Hab ich Terzinen für den Fall der Fälle.
Ich mag nicht die Berichte von den Kriegen,
Wo alle nur verliern, die sich begrüßen,
Und hab mich nie zum Hymnischen verstiegen,
Die harte Klinge vorzuziehn dem Süßen.
Vielleicht bin ich verwöhnt bei meinem Taumeln
Im Unernst und im Pflegen meiner Grillen,
Doch laß ich nur zu gern die Seele baumeln,
Und sie besieht am liebsten sich im Stillen.
Die Waldesstille ist ein andrer Rahmen,
Als eine Nacht so einsam in der Stube,
Ich murmel öfters einen Vogelnamen,
Der Bruder meint, es sei ein böser Bube.
Wenn ich mal einen Mann frei, dann von Herzen,
Er muß nicht reich sein oder groß in Waffen,
Am Hof nicht prunken mit den tollsten Scherzen,
Noch mit den Freuden, die er wem geschaffen.
Er darf auch fremd sein oder gar verstoßen,
Von Eltern, die gar niemand will hier kennen,
Er geh zerrißnen Schuhs und gar mit bloßen
Schon wunden Füßen, die von Nesseln brennen,
Er sei gering, doch sagte mir Frau Minne,
Sein Herz sei rein und ganz mir ausgebreitet,
Mir schwünden bei dem ersten Kuß die Sinne,
Geflügelt, wenn mich dieser Ritter leitet.
Denn wer es wagt, das Herz so frei zu schenken,
Beweist mehr Mut als eine scharfe Klinge,
Ich bete oft, es mög der Herr es lenken,
Daß dem Gefühl der große Wurf gelinge.
 

 

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(Sie steckt den Finger in das Blut, wundert sich, sucht ihn irgendwo abzuwischen und leckt ihn schließlich ab.)
Was ist das? Blut? Wer ist da so gestorben,
Daß sich ein ganzer kleiner Weiher rötet?
Und dieses Blut? Als hätt es mich geworben,
So leckt ichs ohne Furcht, das es mich tötet.
Es ist wohl süß und eklig, etwas brenzlich,
Ich werd wohl Durst bekommen von der Schärfe,
Und nun verwirrt sich der Geschmacksinn gänzlich,
Daß ich den Blick nach einer Quelle werfe.
Doch hör nun da, der Zirpzalp auf der Weide
Hat jäh die Unsprach in mein Deutsch gewandelt,
Drum will ich lauschen, eh ich von hier scheide,
Wovon sein aufgeregtes Zirpen handelt.

ZIRPZALP:
Zum Zausen ists, zum zwischendrin Verzagen,
Potztausends Ziffern zählen zu den Zerrern,
Die Pagen plappern von den Plauderplagen,
Und profiliern sich popelweis zu Plärrern.

KRIEMHILD:
Mein heller Werber auf den Weidenkätzchen,
Wenn du mir so verständlich weißt zu zalben,
Ist dann die Rede nur von Kindermätzchen,
Daß ich vom Sinn vorliebnehm mit dem halben?

ZIRPZALP:
Prinzessin, bräutlich brennen euch die Brüste,
Ihr bringt euch ein in ein gar brandig Brodeln,
Würd man den Held im ganzen Hain nicht kennen,
Es hieß, das Lob, ich würd es launig lodeln.
 

 

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KRIEMHILD: Du stellst mir einen Bräutigam zur Seite,
Von dem im Reich der Vögel wohl zu singen,
Hast du gelauscht wie ich die Herzensleite
Beschrieb und meinst, es sollt mir doch gelingen?

ZIRPZALP: Uneins sind die Dämonen und die Mächte,
Der frühen Himmel und der heutig späten,
Doch einig ist sein Herzraum, und ich dächte,
Er hätt das Zeug zu einem Zugenähten.

KRIEMHILD:
Es ist nicht wohl, das Herz gar fest zu schließen,
Ich brauche keinen Stein und keine Mauer,
Das Blut muß frei und ohne Hemmung fließen,
Sonst ist der Schlag des Herzens nicht von Dauer.

ZIRPZALP: Ich bin nicht so gewandt in euern Bildern,
Ich künde euch das Künftge nur in Splittern,
Ich wollte euch mit meinem Bilde schildern,
Daß er euch treu in allen Sturmgewittern.
(Ab.)

KRIEMHILD:
So ist er nah, vielleicht schon an der Quelle,
Die aufzusuchen riet der blutge Finger,
Gibts irgendwo das Reine und das Helle,
Weiß dies zuerst der Mai und seine Singer.
So will ich freudig folgen einer Stimme,
Die mir im Herzen sagt, so mög es werden,
Nicht schrecke mich der Bär in seinem Grimme,
Denn alles Brummen preist den Herrn auf Erden. (Ab.)
 

 

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Dritte Szene
Siegfried, Kriemhild.
Die Bühne dreht sich und zeigt nun eine sprudelnde Quelle im Walde. Siegfried sitzt an einem Feuer, über dem ein bereits enthäutetes Tier schmort. Er hat ein etwas albern wirkendes Gewand an, mit lauter lebensgroßen Tauben darauf. Er summt fröhlich und beginnt dann zu singen. Später Kriemhild.

SIEGFRIED (singt): Alle Brünnlein raunen mir
Vom Holunder-Hildchen,
Und ich hoff, es käm nach hier,
Wies im Traum verspach das Tier,
Das mir gab sein Bildchen,
Ach, mein Los sei herzig hold
Das Holunder-Hildchen.
Maitag träumt im Blütenschnee
Vom Holunder-Hildchen,
Eh ich von der Erde geh,
Ich noch diese Augen seh,
Die mein Herzens-Schildchen,
Mehr als alles Gut und Gold
Das Holunder-Hildchen.
Ringsum jauchzt das Lenzgesind
Vom Holunder-Hildchen,
Eh der Herbst die Nebel spinnt,
Komm es nächtens Linden-lind,
Milchweiß als mein Mildchen,
Weil es Heil und Heimat zollt,
Das Holunder-Hildchen.
Wind erzählt mir immer neu
Vom Holunder Hildchen,
Ihm sei alle Ehr und Treu,
 

 

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Ob es auch versteckt und scheu
Fernbleib dem Gefildchen,
Wo vernichtet sei, wem grollt
Das Holunder-Hildchen.
(Es raschelt, er lauscht und spricht dann.)
Es springt in diesem Hain so viel des Wildes,
Daß ich die Quelle brauchte nie verlassen,
Mein Lauschen hofft auf Trautes und auf Mildes,
Ich hab nicht Lust, noch Pfeile zu verpassen.
Doch, ach – was tritt durchs Unterholz, das finster?
Was leuchtet wie ein Pilz aus dem Moraste?
Wer neigt mit seinem sanften Schritt den Ginster?
Was fang ich an mit unverhofftem Gaste?
Ein Elbenweib? Sie trägt Burgunder Kleider.
Welch Vorwitz läßt sie unter Buchen streifen?
Sie schreitet stolz und weiß um ihre Neider.
Sie ist gewohnt, Begehrtes zu ergreifen.
Die Mutter warnte mich von Quell und Linde,
Ich sollte dorten keinem Wesen trauen,
Doch eh ich der Begegnung mich entwinde,
Sie ist so hell und lieblich anzuschauen.
Ich muß, der Mutter arg zuwider, hoffen,
Ihr Warnwort gelte einer andern Stunde,
Denn, sieh, mein Herz ist nichts als rot und offen,
Und braucht nicht erst von außen eine Wunde.
Sie ist gewohnt die Männer und die Waffen,
Allein mein Aufzug wird sie wohl erheitern,
Was Passenderes war nicht anzuschaffen,
Ich nahms und suchte da nicht lang nach weitern.

KRIEMHILD:
Verzeih der Herr, ich möchte an der Quelle
Den Schlund, der arg verbrannt, ein wenig kühlen,
 

 

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Es drängt mich hier und jählings auf der Stelle,
Ein bittres Kraut mir aus dem Zahn zu spülen.

SIEGFRIED:
Wohlan, mein Horn soll euch zum Trunke frommen,
Ich füll es frisch aus Gottes reinem Sprudel,
Dies Wasser läßt die Lebensgeister kommen,
Da jauchzt selbst in der Suppe noch die Nudel.

KRIEMHILD: Es ist sehr lieb, daß ihr um Christi Willen
Erbarmt euch meines Leichtsinns, loh im Lenze,
In Gottes Garten folg ich meinen Grillen,
Wenn ich da Spinnrad und Kaminbank schwänze.

SIEGFRIED:
Mich freut es, wenn die Maid sich sonder Zagen
Traut in das Feld, sonst Männern vorbehalten,
Dies schafft ihr erst Gesicht für unser Wagen,
Damit die Augen nicht darum erkalten.
Doch eure könntens nie, sie sind vulkanisch,
Daß man erahnt den Feuerschlot dahinter,
Der Lenz ist da, jedoch nicht minder manisch
Bezwäng ihr Glanz, regierte auch der Winter.

KRIEMHILD (trinkt, nach einer Pause):
Ihr sagtet wahr, der Trank ist ungewöhnlich,
Er spornt, wohin er kommt, sogar der Magen
Belebt sich und er rechtet unversöhnlich,
Er stellt dem Gaumen altbekannte Fragen.
Drum will ich unverzagt zum Hofe kehren,
Und, was man stellt auf hell gebleichtes Linnen,
Bis auf das Zinn mit meinem Hunger leeren,
Ich wende mich mit Gottes Gruß von hinnen.
 

 

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SIEGFRIED:
Wollt ihr den Jäger einen Stümper schelten,
Das Fleisch ist gar und tropft mit seinem Fette,
Das Tier war groß, die Ahndung zu entgelten,
Daß ich beim Mahle noch Gesellschaft hätte.

KRIEMHILD:
Ich schieb die Schuld dem Trank zu, der dem Mute
Gab auf, Gegartes mit dem Mann zu teilen,
Der unter Waldes grünem Wipfelhute
Mich einläd, an der Quelle zu verweilen.

SIEGFRIED:
So ist es recht. Was leben will, muß nehmen,
Was uns der Herr im Offenen kredenzte,
Denn nur wer frei ist, ähnelt nicht dem Schemen
Die vorjahrs schon der bleiche Schnitter senste.

KRIEMHILD (errötend):
Nun ja, die Freiheit ist der Schmuck des Christen,
Doch gab der Herr auch allen die Gebote,
Für alles gibt es Wohnungen und Fristen,
Daß nicht der Mensch grad wie ein Heid verrohte.

SIEGFRIED:
Sprach ich zu wild, die Schicklichkeit verletzend,
Fürwahr, ich muß euch um Verzeihung bitten,
Schon manchem Jäger ist, den Hasen hetzend,
Zu früh der Pfeil aus Köchers Hut entglitten.

KRIMHILD:
O nein, ihr sprecht recht artig und gebunden,
 

 

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Auch stehn für Frieden eures Kleides Tauben,
Ich glaub, ich hab ein gutes Herz gefunden,
Unfähig, eine Jungfrau zu berauben.

SIEGFRIED:
Die Tauben, ja, ich sag es euch ganz ehrlich,
Mein Jagdgewand verbrannte mir zu Fetzen,
Und also ward Gefundnes unentbehrlich,
Die Sitte nicht mit Nacktheit zu verletzen.

KRIMHILD: Wie konnte euch das Feuer so bedrängen?
Mit wird ganz angst beim Denken an die Lohe.
Wenn sich die Kleider sich am ganzen Leib versengen,
Wird auch verletzt der Heldische und Frohe.
Brauchts Balsam, sagt, mich lehrte wohl die Mutter,
Die Kräuter, die verschließen ärgste Wunden,
Ich löse die Essenzen euch in Butter
Und salb den Brand zu raschestem Gesunden.

SIEGFRIED:
Nichts Grasendes gibt Butter eurer Stimme,
Die heilt die Wunden Leibes wie der Seele,
Kein Honig ward gesucht von einer Imme
Wie jener, den ich eurerm Dufte stehle.
Und auch kein Kraut trägt zaubrisch dunklen Samen,
Der mich zum Traum wie euer Atem führte,
Doch sagt mir bitte euren holden Namen,
Daß Hirn benenn, was ihm der Herzschlag kürte.

KRIEMHILD:
Ihr seid ein Kämpfer, der gewohnt, mit Flammen
Zu spielen, auf der Jagd wie in der Liebe,
 

 

94
 
Jedoch bei Hofe nimmt man sich zusammen,
Es steht ein andrer Sinn in dem Betriebe.
Gleichwohl, es leuchtet aus dem Aug ein reines
Beständiges und treues Gottvertrauen,
Drum will ich ungeacht des Quellenweines
Auf eure schlichte Seelengröße bauen.
(Sie verstummt plötzlich und lauscht auf die Laute des Zirpzalps. Dann stockend):
Und euer Rang gebietet es, den Damen
Zu huldigen im schönsten Brauch der Minne,
Einfältgen, die das allzu wörtlich nahmen,
Vergehn dabei wohl manches Mal die Sinne...
(Sie weint.)

SIEGFRIED:
Mein Herzblatt, mein unendlich holdes Gurren
Des Täubchens, was, um aller Höllen Kessel,
Vermochte widers Sonnenlicht zu murren,
Daß Träne sprengt des Augenlichtes Fessel?
Was für ein Dämon stieg aus seinem Pfuhle,
Und lehrt den Vogel schändliche Tiraden,
Was sagt euch, daß ich falsch und ehrlos buhle
Und meine Lieb euch bald gereich zum Schaden?

KRIEMHILD: Der Vogel sprach von euern Heldentaten,
Die nie sich mit der Maid begnügen werden,
Die immer, wenn auch halbwegs gut geraten,
Ein schlichtes Weibsbild bleiben wird auf Erden.

SIEGFRIED:
Was gibt es schlichtres überm Wald als Sonne?
Sind ärmlich, weil alltäglich, die Gestirne?
 

 

95
 
Wer sagt, daß im Gesuchten wohn die Wonne,
Und nicht in Apfel, Zwetschge oder Birne?
Warum kann ich, der vor des Nachbars Jungen
Den Baum erklomm und weiter sah im Nebel,
Der Gottesfurcht nicht teilsein und durchdrungen?
Ich wähnte mich doch nie am Weltenhebel!
Warum muß ich an meinen Kräften leiden,
Als seien sie nicht fromm und allen Nutzen?
Muß ich mir erst, eh alle Maiden scheiden,
Die Adlerflügel aufs Gewohnte stutzen?

KRIEMHILD:
Dies sei wies sei. Doch ist es nicht zu glauben
Ihr wärt ein Ritter, wie da viel im Heere,
Und machtet euch nichts aus Burgunderhauben
Und fragtet nicht nach Mitgift und nach Ehre,
Gleichwohl es käm ein Weib im Hain geschritten,
Bedürftig nach dem Quell bei euerm Feuer,
Gewöhnlich wie die Schlehen und die Quitten,
Doch Amor nennt dies alles ungeheuer.

SIEGFRIED:
Ich weiß, ich hab zu früh mein Herz verraten,
Ich bin ein Heißsporn und ein Fahnenjunker,
Ich brauch das Weib, zu schleifen an den Graten,
Doch kenne ich kein Falsch und kein Geflunker.
Ich wußte gleich, als euer Haar von Buchen
Sich abhob, daß schon vor dem Mutterschoße
Die Wahl war gültig und nicht mehr zu suchen,
Denn ihr seid mir das Lebensglück, das große.
Wir waren schon vereint, eh alles Werden
Gestalten schuf und Licht, sie zu beschauen,
 

 

96
 
Ehs Himmel gab und je ein Wort auf Erden,
War ausgemacht, das wir uns ganz vertrauen.
Dies glaub ich, ob ein Priester nenn mich Ketzer,
Es ist mein Herz, das also spricht und handelt,
Eh der Versucher Schlange ward und Hetzer,
Sind wir auf Wolken engelsgleich gewandelt.

KRIEMHILD:
Ich habe, was du sprichst, schon mal vernommen,
Und weiß nicht wann und nicht an welchem Orte,
Sind wir gemeinsam aus dem Licht gekommen,
Und suchen nun vereint die enge Pforte?

SIEGFRIED: So muß es sein, es fügt sich ineinander,
Die Mutter auf dem toten Lindwurm wachte,
Als Weiser nannte sie im Weltgewander
Das Herz, das sie zu meinem Leitstern machte.
Kaum war ich auf und fand die erste Quelle,
Da trat aus Traum und Wahn mir das Erhoffte,
Grad so als ob das Mutterwort, das helle,
Sich mit dem ersten Hahnenschrei verstoffte.

KRIEMHILD:
So sei es. Und ich werd mich nicht verweigern,
Jedoch mein Bruder ist der Herr des Landes,
Er spricht sich aus in Sängern und in Schweigern
Und ist der Hirte allen Volks und Standes.
Gelingt es dir, sein Jawort zu erreichen,
Soll meins ihm folgen bis zum Weltenende,
Er gibt nicht viel auf Würden und auf Zeichen,
Dafür recht viel auf Augen und auf Hände.
(Beide ab.)
 

 

97
 
Vierte Szene
Gunter, Gerenot, Hagen, Volker.
Die Bühne zurück zum Lindwurmbild. Vier Reiter erscheinen.

GUNTER: Was ist das für ein Pestgestank im Walde,
Man spürt der Fliegen jauchzendes Frohlocken,
Abdecker haben auf der Ratten-Halde
Gewiß nicht solche fetten Eiterbrocken.

GERENOT:
Ein Teich von Blut, o Bruder, daß nicht netze
Der Unrat dich, hab acht in deiner Eile,
Und dann das Viech! Daß sich der Christ entsetze
Und selbst der Heilge zweifle an dem Heile.

VOLKER: So ists geschehn. Brunhilde, deine Jugend
Ist hin, der Recke, dich vom Gurt zu schnallen,
Bezeugt die Früchte seiner Mannestugend
Dem Himmel und auch nebenbei uns allen.

GUNTER: Was faselt der Poet? Und was für Reifen
Sind da zu öffnen mit der Kraft des Recken?
Ist jemand da, das Rätsel zu begreifen,
Daß er uns rat von den geheimen Zwecken?

HAGEN: Es geht ein altes Lied vom Drachentöter,
Auf den die Asen ihre Hoffnung setzen,
Der Wächter, der nun bloß ein toter Köter,
Verhinderte, daß sie den Bann verletzen.

VOLKER: Und jener wird die holdeste der Maiden,
Die alle Freier schlägt bei Waffenspielen,
 

 

98
 
Gewinnen, daß das Land gehör den beiden,
Der Himmel jenen, die vor Zeit verfielen.

GUNTER:
Wer wagt hier Anspruch auf das Land? Doch sage
Was ist an jener Maid so ungewöhnlich?

VOLKER: Wer sie begehrt, dem ist sie Todesplage,
Denn sie enthauptet Werber unversöhnlich,
Als Jungfrau ist sie allen überlegen
Im Lauf, im Steinwurf und im Ruderboote,
Doch dem Bezwinger wird die Wehr zum Segen,
Zu Lust und Kraftborn, was davor bedrohte.
Die Erde selbst schuf ihre Weibeswonnen,
Die Götter legten Schwert und Schild zusammen,
Daß ihre Hochzeit alle Weltensonnen
Beschäm und alle, die von solchen stammen.
Sie bleibt so mailich wie das Dommelflöten,
Sie geht, als sein beflügelt ihre Schuhe,
Der milde Dunst beschämt die Morgenröten,
Ihr Schoß ist aller Seligkeiten Truhe.
Die Mitgift, dem Geschlecht die Weltenkrone,
Hat nicht den Preis, den sonst Beschenkte hatten,
Denn was so hold, daß es unendlich lohne,
Geht mit der Ehe gänzlich auf den Gatten.
Drum steht ein harter Strauß vor diesem Siege,
Nur jener, den die Asen auserkoren,
Verliert sein Leben nicht im Minnekriege
Und tritt als Herr in aller Höfe Foren.

GUNTER: Was bin ich König noch, um eine Krone,
Die hehrer als die meine, auszuschlagen,
 

 

99
 
Mich schreckt kein Kampf und keine Todeszone,
Dies Weibsbild in mein Schlafgemach zu tragen.
Drum, Hagen, sinn, wie balde steht das Segel,
Daß Wein und Vorrat sei dem Schiff im Rumpfe,
Und schaff mir Macht auch wider alle Regel,
Daß ich die Spröde herrlich übertrumpfe.

HAGEN:
Gemach, solch Ding ergibt sich nicht im Sturme,
Es braucht hier Überlegung wohl und Listen,
Mein Lindenspeer begehrt das Blut vom Wurme,
Daß er vergeß die letzten Schweigefristen,
Derweil ich Holz anhier am Safte tränke,
Vermähl sich Pflanzenstärke mit dem Tiere,
Begehrt ihr, daß die Göttliche sich schenke,
Ist Ungeduld der Pfad, daß man verliere.

GERENOT: Was willst du Bruder solches Abenteuer,
Du herrschst in deinem Lande unbestritten,
Verschleuderst du die Kräfte ungeheuer,
Ists meist Verlust zur Freud allein des Dritten.

GUNTER:
Nun gut, die Sache muß man wohl bedenken,
Gibt es ein Ziel, so finden sich die Pfade,
Und Hagen, der versteht den Stern zu lenken,
Findt sie, so wie der Speer zu seinem Bade.

VOLKER: Mir ists, als hätte ich zu hehr gesprochen,
Derweil ich meine alten Stäbe klampfe,
Ich wiederhole, eh der Bann gebrochen,
Bedarf es erst des Muts zum Drachenkampfe.
 

 

100
 
HAGEN: Was soll das, Volker, sieh das alte Leder
Ist mausetot und niemands Ziel zu schlachten,
Ein Reich bezwingt das Schwert und eins die Feder,
Dies ist kein Ort, um hier zu übernachten.

VOLKER: Ist tot der Drache, ist der Prüfung Träger
Der Zwinger, dessen Werk wir schaun mit Grausen,
Und darum spricht der halbwegs kluge Wäger,
Ich laß die Sache unverzüglich sausen.

HAGEN:
Der König braucht nicht Weibsgezag und Wimmern,
Der König braucht die Helden, die ihm streiten,
Drum spar das weitre auf den Frauenzimmern,
Eh wir zu ernstern Schweigemitteln schreiten.

GUNTER: Dies ist ein Wort, den Ausritt zu beenden,
Es fügt die Nacht, was Morgen offenbarte,
Laßt uns zum Hof die müden Pferde wenden,
Dort tropft gewiß vom Spieß die Eberschwarte.
 

 

101
 


ZWEITER AUFZUG
Der fest leere Rittersaal der Hofburg. In der Mitte eine Wendeltreppe zum Turm, die Kriemhild heruntersteigt. Ute sitzt auf einem Schemel und schaut mißmutig drein.

Erste Szene.
Ute, Kriemhild.

UTE: Du wirst dich in dem Sturme noch erkälten,
Wenn du nur immer runterschaust zum Hafen,
Es gibt im Leben nicht nur Liebeswelten,
Auch wär es an der Zeit jetzt, mal zu schlafen.

KRIEMHILD:
Was soll ich schlafen und sein Horn verpassen,
Ich bin nicht Witwe und wie du versteinert,
Die Frische dieses Westwinds nimm gelassen,
Weil er das Glühn in meinem Herz verkleinert.

UTE: Ihr werdet nach der Hochzeit bald verreisen,
Und ich verlier mein Töchterchen, mein kleines.
(Sie tupft mit einem bestickten Tuch ihre Augen.)

KRIEMHILD:
Wozu die Eil? Ach, nirgends sind die Meisen
So sangfroh wie im Gau Burgunderweines.

UTE: Nesthäkchen, du mußt deinen Mann begleiten
In seine Burg und einen andern Garten.
 

 

102
 
KRIEMHILD:
Ich lieb der Brüder Arm und Albernheiten,
Mein Schatz wird drob gewiß ein Weilchen warten.

UTE: Dies ist nicht gut. Wenn Gunter sich vermählte,
So ist am Hof die fremde Frau die hohe,
Schaut sie den Helden, den mein Kleines wählte,
Mag Neid im Herzen steigern sich zur Lohe.

KRIEMHILD:
Ich werd ihr stets um meines Bruders willen
Die Achtung zeigen, die dem Hof ich schuldig,
Und Siegfried weiß den Tatendrang zu stillen
Bei Bärenjagd und ist sonst so geduldig.
Die Jugend ist ihm peinlich, die verlottert,
Und er studiert mit Eifer die Manieren,
Er ist so schamhaft, das er manchmal stottert,
Da wird gewißlich kein Skandal passieren.
Auch Hagen ist am Hof, obgleich an Kräften
Dem König und den Brüdern überlegen,
Und keiner meint, daß Gunter den Geschäften
Gewachsen nicht, das ganze Land zu hegen.

UTE: Bei Hagen liegt die Sache recht verschieden,
Gar mancher meint, er sei ein Sohn der Alben,
Sein Blut ist kalt und wird auch niemals sieden,
Er strebt nach Kronen, ganzen oder halben,
Im Herzen nie, er treibts recht gern im Schatten
Der Mächtigen und gönnt den Herrn die Sonne,
Wenn sie wie Zufall seinen Einfall hatten,
Schafft dies für ihn die allerhöchste Wonne.
Er lenkt uns weibisch und gemeßen Schrittes,
 

 

103
 
Er achtet auf Gefahren und auf Zeichen,
Er wird niemals ein Opfer seines Rittes,
Noch wird er je vor einer Schande weichen.

KRIEMHILD: So meinst du, Siegfried sei dagegen hitzig
Und weckte selbst die Toten in den Grüften?
Ach, oder du vermeinst, ich fänd es witzig,
Ein unheilvoll Geheimnis ihr zu lüften?

UTE: Du kennst die Weiber nicht, weil ich nur Jungen
Hab sonst geborn, du Wildfang dem nicht ferne,
Von Dünkel sind die einen ganz durchdrungen,
Die andern fordern himmelher die Sterne.
Wenn sie der Konkurrentin etwas lassen,
Dann nur, was ihnen eklig und verächtlich,
Ihr Anspruch ists, in ihrem Arm zu fassen,
Was groß am Tage oder mitternächtlich.
Die fremde Frau, von der man sagt, die Werber
Hab sie geköpft und aufgespießt die Schädel,
Vermißte deinem Fell den scharfen Gerber,
Denn allzu frech bist du, mein liebes Mädel.
Das Glück steht dir zu deutlich in den Augen,
Sie wirds mit üblen Ränken dir vermiesen,
Wie Männer arglos zu dem Spiele taugen,
Das hat sich stets in Tag und Jahr bewiesen.

KRIEMHILD:
Laß gehen, Mutter, seit ich mich verlobte,
Will ich nicht wildtun oder töricht schwatzen,
Es ward mir fremd, daß Zorn und Prahlsucht tobte,
Und spitze Nadeln können mich nicht kratzen.
 

 

104
 
UTE: Dein Wort in Gottes Ohr! Doch viele Jahre
Belehrten mich: zwei Fraun in einem Dache
Versengen Männern und sich selbst die Haare
Und spein mehr Feuer als der ärgste Drache.
(Man hört ein Horn. Kriemhild rennt die Treppe hinaus zum Turmfenster und stößt einen Freudenschrei aus.)


Zweite Szene.
Ute, Kriemhild, Siegfried, Gunter, Gerenot, Giselher, Hagen, Brunhilde.

KRIEMHILD (umarmt Siegfried:
Mein Schatz, ich hab gehofft, gebangt, gebetet...

BRUNHILDE: Was ist das hier für seltsam freie Sitten?
Es hat kein Herold in den Saal trompetet,
Noch ließ der Herr die Knechte zu sich bitten.
Eh noch der König die Versammlung leitet
Und dem das Wort erteilt, der wünscht zu sprechen,
Wird den Erstaunten Unzucht ausgebreitet,
Darüber wird uns noch das Reich zerbrechen.

GUNTER:
Wir sind zuhaus. Und meine kleine Schwester
Fühlt nirgendwo sich wohler und zuhauser,
Für steife Regeln gab sie kein Semester,
Das Land ist warm, mit Freimut ich nicht knauser.
Gleichwohl ich möchte Ute stolz verkünden,
Daß Hochzeit sei, dem Land die Mutter werde,
Die Amnestie vergeb geringre Sünden,
Und Frieden walt auf unsrer Heimaterde.
 

 

105
 
UTE: Ich danke dir, mein Sohn, für diese Stunde,
Die nah am Grab ich hoffte zu erleben,
Und hoffe, Gott, der wohl vernimmt die Kunde,
Gesell zu deinem großen Glück den Segen.
Doch schafft das nahe Fest der Hausfrau Pflichten,
Weshalb ich bitte, den Empfang zu kürzen,
Ich so viel zu schaffen und zu richten
Und will mich gleich in meine Arbeit stürzen.
(zu Brunhilde):
Doch dich, mir Tochter bald in diesem Hause,
Heiß ich willkommen zwischen meinen Ahnen,
Man liebt das Leben hier und lobts beim Schmause
Viel lieber als bei kriegerischen Fahnen.

BRUNHILDE: Warn eure Ahnen auch so frei und lustig,
Wie es mir scheint recht unerhörte Mode?
Im Norden ist nicht nur das Eismeer krustig,
Man schämt sich leicht und sucht dann nach dem Tode.

UTE: Wo Frost nicht sehrt die angepflanzten Reben,
Dort gibt der Wein sich billig und alltäglich,
Ein fühllos strenges, festgesetztes Leben
Erscheint hier allem Volke unerträglich.
Hier glitzern nicht des Eises Diamanten,
Hier ruft der Spröde meistens nach dem Lacher,
Hier duzen sich im Hause die Verwandten,
Und angestaunt wird allenfalls der Macher.
Wer wieselflink die Laus jagt von dem Weine,
Ist König hier und darf die Fässer stechen,
So zahm ist das Getier in unserm Haine,
Daß wir die Lanzen tauschten gegen Rechen.
Der Gunter ist beliebt bei allen Ständen,
 

 

106
 
Weils ihm mit Maß und ohne Raufereien
Gelang die Zwiste friedlich zu beenden
Und alles nutzlos Toben oder Schreien.
Drum seid gewiß, daß eure Wahl die beste
Für dieses Land und euch ein langes Leben,
Gar traulich wohnt sichs in dem weichen Neste,
Und Gunter wird euch viel Behagen geben.
(Alle ab.)


Dritte Szene.
Siegfried, Hagen.

SIEGFRIED (stürmt herein):
Ich tus nicht, nein, das kann man nicht verlangen,
Solch Tun ist wider Ehre und Gewissen,
Ich laß mich nicht für solche Dienste fangen,
Und wers versucht, da ist das Band zerrissen.

HAGEN: (folgt bedächtig):
Schrei nicht so laut, die Frauen könntens hören,
Aufregung nutzt nicht, ruhig Blut ist alles,
Wenn sich die Helden allzu wild empören,
Trägt dies in sich den Keimling des Verfalles.
Wer einen Bogen spannt, der laß dem Pfeile
Auch Freiheit, seiner Beute Herz zu treffen.
Wer mag auf Fahrt, zupaß dem Seelenheile,
Als wärs an Land, das Gaffelsegel reffen?
Der König kann die Ehe nicht vollziehen,
Auf hoher See wars ihm alleine schimpflich,
Auch seiner Schwester Ehre wird bespiehen,
Gelingts uns nicht, daß dieser Schaden glimpflich.
 

 

107
 
SIEGFRIED:
Daß Kriemhild hab des Bruders frohen Segen,
Versprach ich, euch nach Isenland zu führen,
Dann Gunther einen schweren Stein bewegen,
Verborgen, nicht zu schauen, doch zu spüren.
Ich ruderte für ihn und alle Wetten,
Die hatte sich die Spröde ausbedungen,
Hab ich, als obs die seinen Muskeln hätten,
Auf seiner Brautfahrt ehrenvoll bezwungen.
Und Kriemhild billigt solche List im Kriege,
Weil so ein Mannweib, das die Männer schlachtet,
Nicht Anspruch hat, daß Treu im Handeln liege,
Drum schlag sie Schand, weil sie nach solcher trachtet.
Es mag ein Mann, seis auch im Tarngewande,
Die Keule führn, die Schleuder und den Degen,
Doch ist es ihm die allergrößte Schande,
Ein fremdes Weib ins Ehgemach zu legen.

HAGEN: Der zweite Teil des Werks, das du begonnen,
Ist wesentlich verschieden nicht vom ersten,
Zu früh ists, im Triumpfe sich zu sonnen,
Erst muß der Reifen um den Nabel bersten.
Den Gurt, der sie bewahrt, mit Macht erbeuten,
Ist Krieg wie jeder und nicht Wollust-Pflege,
Drum wenn wir erstens den Betrug nicht scheuten,
So sollten wir nicht abseits gehn vom Wege.

SIEGFRIED: Ich räng mit ihr, ansichtig ihrer Formen,
Ich träfe sie am Eingang des Geschlechtes,
Dies ist ein Spott für Sitte und für Normen,
Unmännlich ists und ganz gewiß nichts rechtes.
 

 

108
 
HAGEN: Mit Weibern kämpfen ist nicht Männersache,
Doch die Verkehrung geht auf ihre Kappe,
Du tatst es längst. Darum ein Ende mache
Und füg ihr zu die allerletzte Schlappe.

SIEGFRIED:
Sie zwingt mich und ich spüre Haß genügend,
Den Gürtel ihr vom nackten Leib zu kratzen,
Doch säh ich mich dem Willn des Königs fügend,
Für Kriemhild wärs gewiß ein arger Batzen.

HAGEN: So sag ihr nichts von diesem Niederringen,
Du schonst sie nur und niemand wird euch schelten,
Dem Frieden dient das Werk vor allen Dingen,
Und der wirds euch mit langem Glück entgelten.
So will ich gehn, der König in der Halle
Schon wartet, ich vermeld ihm deine Treue,
Um Mitternacht liegt Brunhild in der Falle,
Beherztes Tun vermeidet stets die Reue.
(Ab. Es wird langsam dunkel.)

SIEGRIED (während er die Ampeln im Saal entflammt):
Der Segen Gottes und der Welten-Segen
Sie Dinge, die wohl nie gemeinsam wirken,
Ihr Blauaug hieß, den Arm um sie zu legen,
Doch ich verirr mich in den Hof-Bezirken.
Da herrscht die Liebe nicht im reinen Schauen,
Die Ehrsucht und der Dünkel spinnen Ränke,
Verführung tritt an Stelle von Vertrauen,
Und alles scheint, als obs der Teufel lenke.
Warum mußt ich die Bruderliebe achten,
Die mich zum Schelme machte in dem Stücke?
 

 

109
 
Wärs, daß die Rolle, die sie mir erdachten,
Mir heimlich meine Eitelkeit entzücke?
Ich hab gefehlt, will Kriemhild dies nicht deuten,
Ists in der Tat kein weiteres Verschweigen,
Vermeid ichs, diesen Trug an allen Leuten
Der Herzensschwester deutlich anzuzeigen.
Jedoch mein Aug wird mich sehr bald verraten,
Es ist nicht schändlich nur, es ist betrüblich,
Und wenig hilfts, daß solche Meucheltaten
An allen Höfen und an diesem üblich.
(Er verharrt in nachdenklichem Schweigen.)


Fünfte Szene.
Siegfried, Ute.
Ute, im Nachthemd, schlurft mit einem Kerzenlicht herein.

SIEGFRIED:
O weh, so spät, du wirst dich hier erkälten,
Hier, hüll dich rasch in diesen fuchsig warmen
Ornat und sag, um was in allen Welten
Mußt du in diese Finsternisse barmen.
(Legt ihr einen Mantel aus Fuchspelz um.)

UTE: Ich bin nur etwas rasch die steile Stiege
Emporgetappt, man soll mich nicht bemerken,
Ich muß dich warnen vor dem falschen Kriege,
Ein Unheil schwant mir über diesen Werken.
Noch eh ihr alle ankamt, hab mein Liebes
Ich angefleht, ihr beide möget scheiden,
Inzwischen brauchts die Hastigkeit des Diebes,
Das Schlimme, das ich kommen seh, zu meiden.
 

 

110
 
SIEGFRIED:
Was denkst du dir? Am Sonntag die Kapelle
Erfleht für uns den allerhöchsten Segen.
Wir sollen fort? Und dieses auf die Schnelle?
Was konnte dich zu solchem Rat bewegen?

UTE: Brunhilde ahnt Betrug und wird nicht ruhen,
Eh alles ist ans Tageslicht gekommen,
Als wär nicht schon genug an Gift in Truhen,
Hast du noch schlimmern Auftrag angenommen.

SIEGFRIED:
Wer sprach dir dies? Wars Gunter oder Hagen?

UTE: Ich hab zum Lauschen meine eignen Knechte,
Ein Name kann da wirklich wenig sagen,
Ich fürcht, daß man dich gar ums Leben brächte.

SIEGFRIED (lacht):
Man will mich töten? Meine liebe Güte
Im Dämmer reifen wunderliche Blüher,
Ein Nachtmahr wars, der dich zur Treppe mühte,
Ein Unerlöster, der hier hauste früher.

UTE: Der Hochmut vor dem Fall sieht bloß Gespenster,
Wo Überlegung weiß das Netz am Zuge.
Nicht merktest meinen Boten du am Fenster,
Doch stets Brunhildes Künder von dem Truge?

SIEGFRIED:
Ich wollts nicht tun, doch Hagen hat erwiesen,
 

 

111
 
Die Staatsräson gebietet dieses Opfer,
Man scheut nicht kindisch vorm Geruch, vorm miesen,
Denn Unbill trägt ein jeder Steineklopfer.

UTE: Es geht hier nicht um Anstand, Würde, Ehre,
Ein noch Bedenken würde euch vernichten,
Flieh! Kriemhild nehm, was immer sie begehre,
Ich trag die Schuld und werd mich selber richten.

SIEGFRIED: Gar gottlos ist es, ungetraut zu lieben,
Zu fliehen die Familie und die Brüder,
Schlägst Häupter ab, erst eins und schließlich sieben,
Das neunte ist unsterblich bei der Hyder.

UTE: Du selber hast dich aufgebäumt dem Erbe,
Wurdst nicht der Zeuger für die Riesenheere,
Nun sagst du: Besser, daß ich selber sterbe
Als daß da leide die Familienehre.
So denk an Kriemhild, die dich also schätzte,
Daß sie nicht merkt, wie dir das Garn gewunden,
Sag ihr die Wahrheit, daß es sie entsetzte,
Dann seid ihr weit schon in den Morgenstunden.

SIEGFRIED: Ich hab mich oft empört, es abzustreiten,
Wär lächerlich, dies gab mit die Gebete,
Ich leb in Eintracht mit dem Herrn der Zeiten,
Ich glaub, Gott gibt, was ich so heiß erflehte.
Nun soll ich König, Kirche, Gattin schänden,
Ein Flüchtling sein, weil was geheim nicht sicher,
Ich muß was ich begann vernüftig enden,
Sonst hör ich in der Hölle das Gekicher.
 

 

112
 
UTE: Du endest nichts, du weckst nur weitre Schlangen,
Nicht der Kaplan und Gunter Christ vertreten,
Du bist den Weg des Heilands weit gegangen,
Nun schwenkst du auf den Weg der Exegeten.

SIEGFRIED: Ich suchte nie Passion und Weltentsagen,
Ich wollte Teil sein im gewöhnlich Heilen,
Drum werd ich mit dem König mich vertragen,
Und auch dem Schoß der Kirche nicht enteilen.

UTE: Ist dies dein letztes Wort? So sind wir alle
Verloren, das Gesetz von Blut und Rache
Verfeinert nur noch seine Mausefalle,
Und unser Tod ist ausgemachte Sache.
(Beide nach verschiedenen Seiten ab. Die Ampeln erlöschen.)


Fünfte Szene.
Kriemhild, Brunhilde.
Es wird wieder hell. Man sieht Kriemhild mit Stickereien beschäftigt. Brunhilde tritt wie zufällig herein.

BRUNHILDE:
Die Schwester, ach, stets fleißig und geduldig,
Der Herr Kaplan lobt sicher deine Tugend.

KRIEMHILD:
Ich bin dem Herrgott nur zu danken schuldig,
Ich hatte eine unbeschwerte Jugend.
Auch kam das Glück von selbst im rechten Alter,
Ich trag nicht Arg, es könnte jemals enden,
Drum ist mein Lied bei Handarbeit der Psalter,
Und, was ich hab, will ich den Armen spenden.
 

 

113
 
BRUNHILDE:
Gewöhnlich wählt aus königlichem Hause
Die Tochter Eh mit wem vom gleichen Adel,
Weshalb ich deine Wald-und-Wiesen-Flause
In Sorge um die Ehr des Hauses tadel.

KRIEMHILD:
Was pönst du Siegfried? Hat er deine Würde
Je angegriffen oder bös mißachtet?
Dein Maß der Welt ist niemals dessen Hürde,
Der nach dem Beistand unsers Heilands trachtet.
(Für sich)
Ich bin gewarnt, und Ute ist erfahren,
Sie übertrieb nicht bei den Weiberränken,
Zwar bin ich unterlegen ihr an Jahren,
Jedoch die Falle kann ich mir wohl denken.

BRUNHILDE:
Daß nicht ein Souverän dein neuer Gatte,
Verschmerzbar wär, wenn die Vasallentreue
Verdienste aufwies, die kaum einer hatte.
Jedoch dein Fall erwartet nichts als Reue.
Es war die pure Gnade Gunters, jenen
An seinem Hofe dienstlich aufzufangen,
Und eingedenk der Umständ, unter denen
Er ankam, ists ihm viel zu gut ergangen.

KRIEMHILD:
Du haßt ihn. Seis drum! Müssen wir besprechen,
Was ihn in deinen Augen macht zum Knechte?
Scheint dir des Königs Großmut ein Verbrechen,
Bedenke, daß dies eines seiner Rechte.
 

 

114
 
BRUNHILDE:
Des Königs Pflicht, der Staat, bereitet Sorgen,
Wenn Launen, die der Billigkeit, dem Brauche
Ein Hohn, sich breiten, daß vielleicht schon morgen
Der ganze Hof erstickt in dieser Jauche.

KRIEMHILD: Du pönst den König. Dies mir anzuhören
Hab ich nicht Lust noch schwesterliche Freude,
Such dir wen anders, um ihn zu betören,
Damit ich meine Stunden nicht vergeude.

BRUNHILDE:
Du irrst. Dies zielt nicht auf des Königs Rechte,
Von finsterm Rat wird dieser Hof verdunkelt,
Du bist zu gut und siehst drum nicht das Schlechte,
Das schlangenäugig aus den Ritzen funkelt.

KRIEMHILD:
Wen willst du einen schlechten Rater schelten?

BRUNHILDE:
Die Männer nicht, die sind ja nur am Jagen,
Sie mögen nicht den Stachel der Intrige,
Sie führen aus und haben nichts zu sagen,
Doch Weibern liegt die Bosheit in der Wiege.

KRIEMHILD:
Dies hörte ich schon mal zu meinem Kummer.

BRUNHILDE:
Von wem, das brauche ich dich nicht zu fragen.
Du meinst, die Alte dämmerte im Schlummer.
Glaubs weiter! Sie kann allerhand vertragen.
 

 

115
 
KRIEMHILD: Was willst du wider meine Mutter hetzen,
Ich glaube dir kein Wort und führ die Nadel
Hier fort für Leut, die etwas Schönes schätzen
Und nicht begehrn verleumderischen Tadel.

BRUNHILDE:
Sie sprach dir, du seist besser ausgerissen.
Ist dies nun Dichtung und erfundne Sage?
Mich wunderts nicht. Sie plagte das Gewissen,
Daß sie gefädelt, was da war im Hage.

KRIEMHILD:
Was war im Hag? Was soll die Rätselkunde?
Muß ich zum Sticken andern Schemel suchen?
Nie noch vernahm ich aus dem Schlangenmunde
Solch Rumgedeut und hinterrücks Verfluchen.

BRUNHILDE:
Die Gattenwahl der Schwester gab zu denken.
Drum forschte ich und merkte, wessen Buhle
Der Fremde ist, sich Schläferstund zu schenken,
Zog ihn die Alte in die Heimatkuhle.

KRIEMHILD: Was du beginnst, erstunken und erlogen,
Ist alles, und naiv ist es, zu glauben,
Mir könnten diese Rauch- und Nebelwogen
Ein Gran von meinem Gottvertrauen rauben.

BRUNHILDE:
So frag dich selbst, wer ließ dich fort zum Haine,
Grad als der Fremde gar das Fleisch gebraten,
Und wer befahl den König zu dem Scheine,
 

 

116
 
Daß er erklärt, die Wahl sei wohlgetaten?
Wen plagte schließlich furchtbar das Gewissen,
Daß er zur Flucht riet wider alle Gründe?
Und wer ist hier so weibisch und gerissen,
Daß austauschbar der Anstand und die Sünde?

KRIEMHILD:
Es ist nicht wahr und ein Gespinst von Mären,
Nur tief gekränkt kann ein Gemüt so denken.

BRUNHILDE:
So bitt ich dich, mir schlüssig zu erklären,
Was Guntern sprach, dem Xanthner dich zu schenken.

KRIEMHILD:
Er schuldet Siegfried Dank für seine Siege,
Er hat das Land befreit von einem Wurme.

BRUNHILDE:
Ein Wurm bewacht nicht Rindsviech, Schaf und Ziege.
Was war an Gold in seinem stolzen Turme?

KRIEMHILD:
Kein Turm, die Grotte barg der Nibelungen
Verschollnen Schatz aus leuchtendem Geschmeide.

BRUNHILDE:
Wo ist der jetzt? Was solcherart besungen,
Birgt diese Burg nicht, was ich gern beeide.

KRIEMHILD:
Mein Siegfried ist des Schatzes froher Hüter.
 

 

117
 
BRUNHILDE:
Dies also läßt ihn stolz das Haupt erheben:
Er stielt dem König aus dem Land die Güter,
Da wird die Schwester noch dazugegeben.
Du solltest dich zur Wahrheit mal bequemen,
Du attestierst dem König nur Versagen,
Wärs wahr, so frommte Siegfried nur das Nehmen,
Der König hätte alles zu ertragen.
Wie konnte mich der König herrlich schlagen
In Isenland im Wurf, im Lauf, am Ruder?
Gleichzeitig hat nur Siegfried was zu sagen,
Wie du erklärst, du grundverlognes Luder.
Der Wurm mag sein, der Schatz, gewiß darunter
Auch magisches Gerät, das unanständig.
Ich frage noch einmal: Was kriegte Gunter,
Das er infolg davon so wetterwendig?

KRIEMHILD (bedrückt und leise):
Ein Schiff nach Norden, wo die Heiden wohnen.
Nun denk dir, was du willst, ich werde gehen,
Du wirst mir finster alle Worte lohnen,
Vom Scheitel spür ichs bis in alle Zehen. (Ab.)

BRUNHILDE (langsam und furchtbar akzentuiert):
Ich sehe klar. Der Hort der Nibelungen
Barg auch die Waffe, die das Aug verblendet,
Ein andrer hat den Junfernstolz bezwungen,
Mein Leben für ein Tauschgeschäft gespendet.
Ich ahnt es lang, doch deutlich die Motive
Gewichtend ists der Schlüssel zu dem Schlosse,
Und gibt es nichts, was mich nach Hause riefe,
So zahle mir der falsche Kampfgenosse. (Ab.)
 

 

118
 
Sechste Szene.
Gunter, Gerenot, Giselher, Hagen.

HAGEN: Wir wissen alle, was uns hergerufen.
Die Königin wird bald des Hungers sterben,
Was man ihr bringt, steht achtlos auf den Stufen
Des Turms, bis wir den Grund dafür verderben.

GERENOT:
Ich seh nicht ein, daß um der Weiber Grillen,
Die besten Mannen werden hingeschlachtet,
Man lasse ihrem Geiste diesen Willen,
Denn der ist ohne Frage wahnumnachtet.

HAGEN:
Es ist nicht Wahn, sie kam uns auf die Schliche,
Aus Ehrsucht hats die Schwester ausgeplaudert,
Ich prophezei euch Aufruhr, füchterliche
Thronkämpfe, die mir auszumalen schaudert.

GERENOT:
Es gibt doch Fraun genug für Gunters Erbe.
Die Kirche wird sie eine Heidin schelten.

HAGEN: Der Frevel, daß die Königin uns sterbe,
Rührt an die Festen unsrer Herrschaftswelten.
Es nützt nichts, daß die Kirche sie verdamme,
Sie hegt das Heil, das Recht ist ihr entzogen,
Verfällts, erwacht der Wolf sogar im Lamme,
Und niemand weiß, was ganzbleibt in den Wogen.
(Er macht eine große Geste, die anderen schweigen bedrückt.)
 

 

119
 
GISELHER:
Doch Siegfried ist nicht schuld an dieser Fratze.

HAGEN: Er hat der Frau das Wissen übermittelt,
Bedenkend nicht, daß Weibes Wesen schwatze,
Drum sei die Schuld nun gegen ihn getitelt.
Er hafte für die Frucht der Schwärmereien,
Auch war sein Tarnhelm Erstgrund aller Stricke,
Wir müssen uns dem Rettungsplane weihen,
Daß man sein Haupt der Landesmutter schicke.

GUNTER: Dies ist nicht möglich, weil wir alle Eide
Ihm schworen, daß er brüderlich willkommen,
So bleibt uns nur, daß ich die Schande leide,
Denn dieser Eid wird nie uns abgenommen.

HAGEN: Schon als er aus dem Dickicht sich gesellte
Dem Hofe, wußt ich, daß er bald schon störte,
Drum kann ich wuchern heut mit dem Entgelte,
Daß ich nicht zu der trunknen Schar gehörte.
Ich habe mich beim Eide ausgenommen,
Weil ich in Treu und Glauben etwas reifer,
Nun ist die Hoffnung ganz auf mich gekommen,
Weil ihr gelähmt durch euren blinden Eifer.

GISELHER: Ich brauche keinen Eid, um dem Genossen
Nichts böses zuzumuten und zu lassen,
Und wer zu diesem Widersinn entschlossen,
Den werde ich aus tiefster Seele hassen.

HAGEN: Die Sache wird kein Kinderherz entscheiden,
Der König spricht, wenn nicht, tu ichs alleine,
 

 

120
 
Ich kann die Folgen übersehn und leiden,
Man werfe keinen Klotz vor meine Beine.

GERENOT:
Nun Gunter sprich und lasse nicht befehlen
Dein Schweigen über uns und unsre Kinder,
Die Wahrheit mag dem Diener sich verhehlen,
Der König aber ist bestimmt zum Finder.

GUNTER: Ich meine der Konflikt betrifft Instanzen,
Die nicht Burgund und vielleicht überweltlich,
Drum bin ich nicht der Richter überm Ganzen,
Dies Recht ist nur von anderswo erhältlich.
Die Kontrahenten: Siegfried und auch Hagen
Sind zwar mit meinen Hofstaat hier verbunden,
Doch kann ich nicht von der Familie sagen,
Hier gründete ihr Wolln und ihre Wunden.
So mögen jene beiden sich bezwingen,
Ich nehm es, wie es komm, und werd nicht klagen.
Im tiefen Wald, bedacht von Adlerschwingen,
Wird sich zuletzt der Fragen Antwort sagen.
 

 

121
 


DRITTER AUFZUG
Krimhilds Kammer. Sehr bescheiden. An den Wänden zwei Kupferstiche: ein riesige Linde und das Einhorn. Sie sitzt auf dem Bett und reibt sich die Augen. Siegfried kommt in stahlender Laune herein.

Erste Szene.
Kriemhild, Siegfried.

SIEGFRIED:
Mein Schatz, ich komme kurz, um gleich zu scheiden,
Denn Waidmannsheil ruf ich mit meinem Kusse.

KRIEMHILD (schluchzt):
O Siegfried bleib und laß mich so nicht leiden,
Die Tränen sind mir schon im breiten Flusse.

SIEGFRIED:
Hast du geträumt? Ich öffne mal den Laden.
Mit frischer Lust kannst du den Alben scheuchen.

KRIEMHILD:
Schweißnaß ich bin vom Haupte zu den Waden,
Komm näher, denn ich kann nur stoßweiß keuchen.

SIEGFRIED (setzt sich zu ihr, sie krallt sich fest):
Was ist dir nur, sag, soll ich Ute fragen,
Sie weiß gewiß ein Kraut, das dir zum Heile.
 

 

122
 
KRIEMHILD:
Nein Siegfried, ach, ich fürchte mich vor Hagen,
Wir sollten fliehen, jetzt in aller Eile.

SIEGFRIED: Hat Ute dich mit ihren Schreckvisionen
Jetzt angesteckt? Du stehst im Fieberwahne.

KRIEMHILD: Im Traume litt ich alle Höllenzonen,
Drum stand ich auf und schaute nach der Sahne.
Die war verdorben, was ein schlechtes Zeichen,
Da trat ich auf den Hof, zum Mond zu schauen,
Ich hatte die Vision von vielen Leichen,
Auch meine Brüder warn zusammgehauen.
Am Tor saß auf dem Pfeiler keck ein Rabe,
Er krächzte, daß dein letzter Tag gekommen,
Seit ich genippt vom Drachenblute habe,
Hab ich die Vögel oft und klar vernommen.
Du merktests selbst, als mir der Zirpzalp sagte,
Daß du den Drachen totschlugst dort im Haine,
Und so erfuhr ich manches Ungefragte,
Denn friedlich ist die Welt allein im Scheine.
Brunhilde weiß nichts, aber reimt sich alles,
Die Männer meinen, daß Brunhilde wüßte,
Sie ißt allein bei Kunde deines Falles,
Drum Hagen meint, daß er dich fällen müßte.

SIEGFRIED:
Du weiß doch, ich bin hart verhornt und sicher,
Da fällt es schwer mich einfach totzuschlagen.

KRIEMHILD: Die ganze Wahrheit ist viel füchterlicher,
Drum will ich sie dir ungeschmälert sagen.
 

 

123
 
Ich habe in einer allzu schwachen Stunde
Bei Hagen Schutz gesucht um deinetwillen,
Ich brachte ihm vom Lindenblatte Kunde
Und ließ so das Geheimnis nicht im Stillen.
Ich dachte, daß dein mächtigster Gefährte
Dich schützen könnt in jeglichem Gefechte,
Doch nun, da sich die Lage so verkehrte,
Ists mir, als ob ich so zu Fall dich brächte.
Drum flieh mit mir, wir haben unsre Liebe,
Das andre wird der Himmel uns besorgen,
Auch wenn mir außer dir kein Fetzen bliebe,
Reit nicht allein in diesen grauen Morgen.

SIEGFRIED:
Wenn Hagen weiß von meiner weichen Stelle,
So ists nicht schlimm, ein jeder soll es wissen,
Es war nicht recht, daß ich mit fremdem Felle
Hab solcherweis mich Menschenart entrissen.
Vielleicht braucht diese Stelle meine Seele,
Damit sie einst zu unserm Herrn gelange,
Und wenn ich meine Sterblichkeit verhehle,
Ists Lästerung und macht mir eher bange.
Als Mensch und Christ bin ich nicht jedem Streiche
Gewachsen, aber Hagen, mein Gefährte,
Hat Kräfte, daß ich weit darüberreiche,
Daß er die zweite Probe nicht begehrte.

KRIEMHILD:
Wenn offen du zu stark, gelingts der Tücke
Von hinten dir den Speer ins Mark zu bohren,
Vertraue nicht dem unverbürgten Glücke,
Denn wenn du fällst, so bin ich auch verloren.
 

 

124
 
SIEGFRIED:
Unchristlich ists, auf Monde, Träume, Raben
Zu achten und das Schicksal so zu wenden,
Wenn wir doch beide nichts verbrochen haben,
Wird Gott uns heil durch die Gefahren senden.
Brunhilde schmollt, das ist ein nordisch Leiden,
Der Hunger wirds zum Besseren bekehren,
Die Freunde sind gebannt mit festen Eiden,
Bei Sünden zählt der Aberglaub zu schweren.

KRIEMHILD: Doch, Liebster, wäre alles unbegründet,
Was ich da fasle, fürchte oder fieber,
Willst du, daß es in nackten Wahnsinn mündet?
Sind dir die Jagd und die Gefährten lieber?
Ich bitte dich, bevor ich niederfalle,
Erinnre dich an die geschloßnen Bande,
Laß alles ziehn und meid bei Hofe alle
Und flieh mit mir sofort aus diesem Lande.
(Sie läßt Siegfried los und starrt gebannt ins Leere.)

SIEGFRIED:
Du machst mirs schwer, allein ich muß dich lassen,
Käm ich zu Tod an diesem schönen Tage,
So wär die Welt dafür so sehr zu hassen,
Daß ich sie ließ und ohne alle Klage.
Wenn aber, was du sprichst, ein falsch Vermuten,
So wirst du einst vermissen all die deinen,
Dann wird der Vorwurf aus der Liebe bluten,
Und was mir bleibt, das ist dein bittres Weinen.
Die Mutter riet, daß ich dem Herzen glaube,
Es sagt, der Morgen ruft den Waidmann heller
Als ein Besinnen, daß ich mir erlaube,
Bis ich vergreis in der Verzagtheit Keller.(Ab.)
 

 

125
 
Zweite Szene.
Kriemhild, Volker.

VOLKER:
Verzeiht mir, wenn ich durch mein Kommen störe,
Ich denk, ihr sitzt allein mit bösen Geistern,
Vielleicht ists gut, wenn ich mal etwas höre,
Statt andrer Leute Hörbedarf zu meistern.

KRIEMHILD:
Achje, ich glaub, ich habe nichts zu sagen,
Ich sagte alles und es war vergeblich,
Ging schon die Sonne auf? Ach, würds nicht tagen,
Das Tränenaug sieht wolkig oder neblich.

VOLKER: Wenn ihrs erlaubt, so spiel ich auf der Zither,
Vielleicht falln dann die Worte wie die Tränen,
Was uns geschieht, das ist so oft so bitter,
Doch bittrer ists, daß wirs vergeblich wähnen.
(Sie nickt, er beginnt zu spielen.)

KRIEMHILD: Alle Brünnlein raunen mir
Sieg, dem Frieden ferne.
Ach, das Horn, des Einhorns Zier,
Liebt zu rein und hold für hier
Wie die Wandelsterne.
Glaube, Hoffnung, Treu und Ehr,
Sieg, dem Frieden ferne.
Süße gab das bittre Weh,
Sieg, dem Frieden ferne,
Liebe gab das Ja zur Eh,
Doch der Jäger trifft das Reh
 

 

126
 
Und versehrts im Kerne,
Daß es blute, mehr und mehr,
Sieg, dem Frieden ferne.
Herbstrot lacht im Blustgebind,
Sieg, dem Frieden ferne,
Daß wir alle sterblich sind,
Ahndet schon das jüngste Kind,
Das da lacht so gerne,
Und die Hand ist abends leer,
Sieg, dem Frieden ferne.
Auch der König, auch der Leu,
Sieg, dem Frieden ferne,
Weiß vom Adler im Gebläu,
Daß der Schatten Buß und Reu,
Und kein Aug bleibt hell und hehr,
Sieg, dem Frieden ferne. (Die Zither verklingt.)
Sag, ritten alle aus von unserm Hause?
Ist Ute ganz alleine wie mein Jammer?

VOLKER: Nein Giselher verriet, daß ihm es grause,
Auch Gerenot schwingt hinterm Stall den Hammer.

KRIEMHILDE:
So so, ich brauche Männer, keine Tröster,
Sag Gerenot, er möge mich besuchen,
Die Zeit ist knapp, es wär der Fehler größter,
Jetzt sinnlos auf der Stube rumzufluchen.

VOLKER: Ich will ihn sehn und ihm auch gerne sagen,
Daß ihr ihn her in eure Kammer bittet,
Doch glaubt mir, er hat auch sein Kreuz zu tragen,
Drum wärs nicht fein, wenn ihr gewaltig strittet. (Ab.)
 

 

127
 
Dritte Szene.
Kriemhild, Gerenot.

GERENOT:
Ach, Schwester, unser Haus ist voll Dämonen,
Der stille Friede, den wir einst genossen,
Er ist dahin, ich mag im Stalle wohnen,
Weil dort noch nicht so viele Tränen flossen.

KRIEMHILD:
Du weißt bescheid und ich bin auch im Bilde,
Gar schändlich ist der Plan, den man ersonnen,
Du mußt das schlimmste wehren mit dem Schilde,
Eh allzu viele Stunden sind verronnen.

GERENOT:
Wer sollte einem Meer den Zugang wehren,
Wenn ringsumher der morsche Damm gebrochen?
Ists gut, vor einem Bierfaß, einem leeren,
Zu tönen, man habs wenigstens gerochen?

KRIMHILD:
Nein, Hagen wirds nur wagen, wenn ihr alle
Euch scheu zurückzieht, bleib ihm an der Seite,
So kommt es heute, eh das Hifthorn schalle,
Gewißlich nicht zum hinterhältgen Streite.

GERENOT: Was hülfe dies? Die Würfel sind gefallen.
Wir können nur die Augen drob verschließen.
Ich hör den Rächer schon im Westwind hallen,
Es müsse Blut heut in die Erde fließen.
 

 

128
 
KRIEMHILD: Bist du von Sinnen? Du erträgst geduldig
Das große Unrecht, Mord an dem Verwandten?
Was bleibst du unserm Herrn und Heiland schuldig,
Wenn deine Lebenstage einst verbrannten?

GERENOT:
Ich weiß, auch mein Verzagtsein fordert Buße,
Ich werde beichten und sie gerne tragen,
Wir leben alle auf zu großem Fuße,
Und unvermittelt gehts uns an den Kragen.

KRIEMHILD: Ausflüchte nenn ich deine Bibelworte,
Du gibst dich fromm und bist doch abgefallen,
Heißt es nicht deutlich, daß gar eng die Pforte,
Du kannst dir keine Mogelpackung krallen.

GERENOT:
Mag sein, mein Glaube hat das Blut gelassen,
Die Hülse fliegt im Wind wie weißer Pollen,
Doch manchmal will ein andres Bild mich fassen,
Da reibt sich Eis von den zerbrochnen Schollen.

KRIEMHILD:
Du willst dich selbst und mich zum Narren halten,
Von Hirnerweichung scheint das Land betroffen,
Bei deiner Poesie, der eisig kalten,
Muß ich wohl auf den kleinen Bruder hoffen.
Drum tu mir, wenn du sonst zu nichts zu brauchen,
Die Geste, daß er komm auf meine Stube,
Bei dir hör ich den alten Drachen fauchen,
Der fand noch jedes Haus und jede Grube.
 

 

129
 
Vierte Szene.
Kriemhild, Giselher.

GISELHER:
Was kann ich für die Schönste aller Schönen
Wohl fangen, fordern, häufen oder hetzen?
Nicht oft will mich dein lieber Ruf verwöhnen,
Drum weiß ich die Gelegenheit zu schätzen.

KRIEMHILD:
Dein Bruder riet mir wortreich zu verzichten
Auf alles Handeln, wo die Not ein Schrecken,
Er meint, es ging ein Wind durch die Geschichten,
Vor dem wir uns am besten nur verstecken.
Drum seh ich klar, allein der jüngste Reiter
In unbetroffen vom Verfall der Sitte,
Und also hilft er mir alleine weiter,
Daß ich die Rettung unserm Recht erstritte.

GISELHER: Was soll ich tun? O Schwester, ich begehre
Zu bringen alle Orchideen des Gaues,
Ich denk, dein Auftrag schafft mir Ruhm und Ehre,
Drum dein Begehr, mit freiem Mut vertrau es.
(Er streckt seine Hand aus.)

KRIEMHILD:
Du sollst zur Jagd dich eilen, die im Gange,
Der König, Siegfried, Hagen sind im Haine,
Reit zu der Schar und säume gar nicht lange,
Sonst triffst du sie nicht mehr im Sonnenscheine.
Dann bleib an Siegfried dran so wie ein Schatten,
Er soll allein nicht trinken an der Quelle,
 

 

130
 
Verlaß ihn nie, und ruht er auf den Matten,
Reiß dich die Blase nicht mal von der Stelle.

GISELHER:
Dies ist ein Auftrag, schön und leicht zu machen,
Wenn niemand weiß, warum ich solches tue,
Da werden wohl die andern herzlich lachen,
Weil ich wie närrisch nimmer steh und ruhe.
Das juckt mich nicht, weil ich die Schwester sehe,
Die schaut von ihrem Fenster auf den Kleinen,
Und bin ich auch nur eine Schrumpelschlehe,
Der Kürbis soll um diese Ehre greinen.
(plötzlich ganz düster)
Allein ich kann den Siegfried nicht beschirmen,
Der König hat verboten Eskapaden,
Erst übers Jahr wird der Kaplan mich firmen,
Dann habe ich genug von diesem Laden.
Bis dahin aber bleibt mein Radius schändlich,
Den Adel würd im Kloster ich verlieren,
Denn Gunter sagte allerbest verständlich,
Ich störte ihn nur einmal beim Regieren.
Im Geiste Hagens heißt die nächste Runde,
Die Staatsräson sei unbdingt zu wahren,
Was dabei alles gehe vor die Hunde,
Darüber ist sich keiner recht im Klaren.

KRIEMHILD:
Ach, Giselher, mein Reiter auf der Mauer,
Von Hagens Politik sind wir die Sklaven,
Von ganzem Herzen ich es hier bedauer,
Daß wir uns so nicht schon viel früher trafen.
Wenn dich der König in ein Kloster steckte,
 

 

131
 
Mein Siegfried holte dich am nächsten Tage,
Für heute aber ist, was ich bezweckte,
Das letzte Rettung, darum sei die Klage,
Die Gunter gegen Widerstände richtet,
Getrost durch mich und Siegfrieds Kraft gebrochen,
Doch säumst du, ist der Retter uns vernichtet,
Und Hagen kann allein sein Süppchen kochen.

GISELHER:
Doch Schwester sag, wie soll ich heute reiten,
Der Bruder hat die Ställe fest verriegelt,
Und sag ich was, verweist er auf die Zeiten,
Bis ihn der König heimgekehrt entigelt.

KRIEMHILD: Ja, allzufein ward dieses Garn gesponnen,
Ich suchte es nicht früher zu vernichten,
Mir bleibt zu warten, bis der Tag verronnen,
Und Volker wirds mit hohem Ton bedichten.
(Sie weint bitterlich.)


Fünfte Szene.
Kriemhild, Giselher, Ute.

GISELHER:
Horch nur, wer kommt, die Mutter wird uns retten,
Sie kommt, wenn man vermeint, es geh nicht weiter,
Sie kennt die Lösung für die schwersten Ketten
Und macht dich auch im tiefsten Grame heiter.

KRIEMHILD:
Ich höre nichts, nur Wind in alten Eichen,
Der singt vom Tod, und drunter schmatzen Schweine.
 

 

132
 
Was hoff ich Närrin auf ein Rettungszeichen?
Der Himmel blaut und sagt mir: Trag das deine.

GISELHER: Die Mutter kam noch nie zu spät, ich ahne
Ihr Schlurfen, keine Reiterhorde würde
Sie überholen, keines Weltenfürsten Fahne.
Sie kommt gewiß und nimmt dir deine Bürde.
(Ein Knarren auf der Stiege.)
Da hör, sie kommt behutsam raufgeschritten,
Sie wird nicht stolpern und zulange weilen.
Sie kommt, du brauchst die Hilfe nicht erbitten,
Sie kennt die Wunde und sie wird sie heilen.

KRIEMHILD: Sie hat mir früh den Königsweg bedeutet,
Ich aber war von kindlichem Vertrauen.
Erst heute, wo die Totenglocke läutet,
Zwing ich mich, aus der Täuschung aufzuschauen.
Wird sie nicht sagen, daß ich es versäumte
Ins Rad zu greifen, eh zu rasch die Speichen?
In frevlerischem Leichtsinn weiterträumte,
Bis unentwirrbar dicht die Todeszeichen?

GISELHER:
Kein Knäul, daß sies nicht mühelos entzwirne!
Sie weiß den Schleichweg jeder Dornenhecke.
Schwappt dir das Moor schon Flecken auf die Stirne,
Sie führt dich wie ein Schmetterling vom Flecke.

UTE: Ich denk, da ihr so lange seid zusammen,
Es wäre an der Zeit, euch was zu raten,
Nur Dinge, die aus raschem Einfall stammen,
Sind ausersehn zu Fügungen und Taten.
 

 

133
 
KRIEMHILD: Wie wahr du sagst, den Meuchelmord, beschlossen
An Siegfried, will uns Giselher vermeiden,
Doch Gerenot ist grämig und verdrossen,
Die Pferde müssen seinen Kerker leiden.

UTE: Ihr meint, ich wüßte wohl zum Stall die Schlüssel,
Dem Wächter wär ein Schlaftrunk nicht von Schaden,
Nun wohl, ich leg sie euch in eine Schüssel,
Der rechte, merkt es, trägt den blauen Faden.
Bleibt ruhig, wenn ihr Schnarchen hört von draußen,
So wißt ihr, daß der Trank mir wohlgetaten,
Dann hindert nichts mehr, in den Wald zu brausen,
Zu säubern ihn von Hexen und von Schraten.
(Ab.)

GISELHER:
Sie zaudert nicht, sie kommt sofort zum Kerne,
Schon leiser wird im Hof das Hundebellen.
Die Rettung, liebe Schwester, ist nicht ferne,
Wir müssen nur noch lauschen nach den Ställen.
Dann flieg ich und ich weiche nicht vom Rücken
Dem Drachentöter, dem am Horn zu kratzen,
Nicht mal dem kleinsten Käfer könnte glücken,
Erst recht nicht irgendwelchen Bärentatzen.

KRIEMHILD: Ja Giselher, du meinst, es sollt gelingen,
Es gäb im Netz für unsern Traum die Lücke,
Ich bin erschöpft und müd vor allen Dingen,
Denn gar zu mächtig ist das Reich der Tücke.
(Sie warten und lauschen)
 

 

134
 
Sechste Szene.
Kriemhild, Giselher, Gunter, Hagen.

GISELHER:
Ich höre Schnarchen, Schwester, ich beginne
Den Ausritt und ich werd das Pferd nicht schonen.

KRIEMHILD:
Fahr wohl, fahr rasch, daß nicht die Zeit verrinne,
Die Sonne seh ich weit im Westen wohnen.
(Ein Horn ertönt.)

GISELHER:
Was war das grad? Ich glaub ich höre Gunter.

KRIEMHILD:
Dies kann nicht sein. Sie kommen nie so frühe.
(Ein zweiter Hornstoß.)

GISELHER:
Kein Zweifel. Er ist heimgekehrt und munter.
Dies zu erkennen, schafft mir keine Mühe.
Was wir geplant, war heute nicht zu machen,
Doch glaube ich, es war auch nicht vonnöten,
Wenn man da heimkehrt noch im Sonnenlachen,
War Zeit gerad, ein großes Tier zu töten,
Nicht noch für andre Händel oder Frevel,
Der Krug ist noch einmal vorbeigesangen,
Das Horn klingt nicht nach Feuer und nach Schwefel,
Drum röte deine allzu bleichen Wangen.
(Gunter und Hagen treten ein. Knechte bringen Siegfrieds Leiche auf einer Trage aus Lindenästen.)
 

 

135
 
GUNTER: Ein furchbar hartes Unglück ist geschehen.
Den Jagdgefährten riß ein wilder Eber...

KRIEMHILD: Ich kenne ihn. Ihr könnt ihn alle sehen.
(zu Hagen):
Hier tritt herbei und hilf dem schwachen Heber.
(Hagen tritt an die Trage.)
Ich sag es laut und sag es alle Tage:
Die Wunde blutet, weil der Mörder nahe,
Und dieses Haus ist eine Landesplage,
Eh jener nicht gehenkt ward an der Rahe.

HAGEN:
Was schreist du rum. Du selber bist die Schande,
Die ihm die Jugend und die Kraft zerstörte.
(Er nimmt das Schwert von Siegfrieds Leiche und geht ab.)

KRIEMHILD:
Jetzt auch noch diebisch wird die Mörderbande,
Ich werd es schrein, bis es noch jeder hörte.
Was Gunter? Bist du König oder Schächer?
Was trittst du wie ein Knab auf deine Füße,
Bist du mein Bruder, dann bist du mein Rächer.
Wenn nicht, dann deine Spießgesellen grüße.

GUNTER: Wir müssen ruhn, ich werde Ute schicken,
Sie wird dir weisen die verbliebnen Rechte,
Du solltest dieses Pflänzchen nicht zerknicken,
Denn lang sind außer Haus die Winternächte.
Den König darf das Schwesterglück nicht wehren,
Zu sorgen für das Reich und für den Frieden,
Den Bruder muß dein hartes Los beschweren,
Doch meine Pflichten sind davon verschieden.
 

 

136
 
KRIEMHILD:
Bevor du gehst, nimm meinen Schwur der Rache,
Von diesem Haus soll keiner überleben,
Ihr wart mit großem Eifer bei der Sache,
Drum werdet ihr im Höllenkessel schweben.
Der König, seine Jäger, seine Mannen,
Sie lachen, daß ein schwaches Weib so drohe,
So zieht in eurem Übermut von dannen,
Aus einem Funken kam noch jede Lohe.
Nichts bannt, wenn wer zum äußersten entschlossen,
Der Zeitpunkt macht die Flocke zur Lawine,
Und ist der Pfeil erst einmal abgeschossen,
Zeigt sich erbärmlich die Entsetzensmiene.
Ich werde selbst den Teufelsbund nicht scheuen,
Daß euch die Rache ungeschmälert richte,
Und keinen schon, der etwas zu bereuen,
Und von Burgund, da bleiben nur Gedichte.