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LAUDINE
MINNESPIEL





Swer getragener kleider gert,
der ist nit minnesanges wert!
die sol man stillen
durh Minne willen,
wan ir minnesang ist wibes schände.


    ULRICH VON BAUMBURG


Wer Lohn für Lieder nimmt,
Die Harfe bloß verstimmt,
Ihm heiße schweigen
Im Minne-Reigen,
Weil solches Lied die Frauenhuld beleidigt.


    NEUHOCHDEUTSCHE FASSUNG
 

 

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PERSONEN
ARTUS, König von Britannien
GUINEVERE, seine Gemahlin
IWEIN, GAWAIN, LANZELOT, PELLEAS, Ritter der Tafelrunde
LAUDINE, Brunnenfürstin
ASKALON, ihr Gemahl
LUNETE, ihre Zofe
NIMUE, Dame vom See
ÄLTERE und JÜNGERE NICHTE
    des Grafen zum schwarzen Dorn
FRAU MINNE
DER DICHTER
WALDSCHRAT
LÖWE, DRACHE, RABE
RITTER, KNAPPEN, HEROLD
BURGFRÄULEIN, EDELKNABE
 

 

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PROLOG
Der Edelknabe der Königin Guinevere tritt im weißen Gewand vor den Vorhang.

EDELKNABE:
Das Stück, das meiner Herrin zu gefallen
Gedichtet ward und heute wird gegeben,
Mag Augen, den verwöhntesten von allen
Erscheinen als ein längst verwehtes Leben,
Doch möcht ich euch den Grabesruch vertreiben,
Nichts Antiquiertes, kein Histörchen wollen
Wir dieser Bühne ins Programmheft schreiben
Und grad wie bei den Ritterspielen tollen.
Es geht hier nicht um Rüstung, Helmbusch, Schwerter,
Nicht um die Bräuche in vergangnen Zeiten,
Es geht ums Glück, das allen Menschen werter
Als alle Mühn, die sie sich drob bereiten,
Das Glück der Lieb, das alle seine Kelche
Aufschlagen kann, eh sie im Gram verwelken,
Der Nase nach, und auch das Ohr hat welche,
Die Augenlust des Jove preisen Nelken.
Wenn hier von Minne fürder wird gesungen,
So meint das Wort die Zartheit, die dem Herzen
Wohl eignet, das, von einer Wahl durchdrungen,
Zu Licht wird wie des Doms bescheidne Kerzen.
Die Wahl frommt stets der Jugend, die das Ganze
Im Blick hat und nicht Kaufmanns Winkelzüge,
Sie schleudert weit und rückhaltlos die Lanze
Und fürchtet nicht des Sommerhimmels Rüge,
Sie ist im Herzen frei und kann verschenken,
 

 

10
 
Sie reitet auf dem Sturmwind zu erobern,
Sie braucht nicht des Vergangenen zu denken
Und scheut sich nicht vor Tadlern und vor Lobern.
Und doch wird sie zurecht der Reife weichen,
Denn sie verspielt, was ihr so leicht gefallen,
Dann muß sie im Gerausch der alten Eichen
Den Schlüssel finden in die holden Hallen.
Der trägt sie niemals in des Pfeiles Weise,
Nicht stürmisch noch im Glanze stolzer Schimmel,
Wer sich bewährt, vollbringt die Minne leise
Und Demut heißt sein Schlachtroß und sein Himmel.
Denn reif zu werden, heißt dem Herrn befehlen
Die Wege und die Weiser und die Brücken,
Das Heil ist nicht zu zwingen und zu stehlen,
Und was dir frommt, gibt sich aus freien Stücken.
Doch dient das Stück nicht nur allein den Questen
Des Ritters, der der Herrin Huld geschworen,
Denn wär von Fraun sie eine zwar der besten,
Wärs gleichwohl manches Wort zu viel verloren:
Sie ist viel mehr, sie steht für eine Seite
Des Daseins, der, versiegt, die Welt verdorrte,
Sie hat am kleinsten teil, an aller Weite,
Sie formt dem Dichter und dem Mimen Worte.
Sie sprudelt, und so nennt man sie die Quelle,
Das Wasser, dem das Leben ausbedungen,
Sie ist der Spiegel, ohne den das Helle
Blieb stumpf und rauh wie Wüsten-Dämmerungen.
Drum, wenn du meine Herrin bleich und röter
Erschaust, vergiß in menschlichen Belangen
Die Göttin nie, der front der Drachentöter
Und all die Minner, die seither gegangen.
(Er verbeugt sich und geht ab.)
 

 

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ERSTER AUFZUG
Ein Burghof im Morgendämmer. Im Vordergrund eine Zinnenreihe. In der Mitte ein Brunnen, der fröhlich sprudelt. Rechts daneben eine hölzerne Trage mit einem blutgefleckten weißen Linnen bedeckt. Darauf der offenbar schwer verwundete Askalon. Während der ersten Szene wird es langsam heller und man kann auf der linken Seite ein doppeltes Falltor entdecken, in der Torhalle Iwein gefangen mit einem toten Pferd. Laudine kommt eine Treppe heruntergerannt. Lunete verfolgt sie, hält sich aber im Hintergrund, als Laudine auf den Verwundeten zugeht.

Erste Szene.
Laudine, Askalon, Lunete.

LAUDINE:
O weh, ach nein – was ist das für ein Morgen?
Mein Traum war wüst, doch wüster war des Wecken.
Hat denn der Himmel nichts als Schmerz und Sorgen,
Nur Wolken schwer und prall von Angst und Schrecken?
Ich schlief und schwebte träumend über Ländern,
Die warn verheert von einem schwarzen Eber,
Und dessen Kinder, die zu Weidenschändern
Erzogen, warn die Gnadentodes-Geber,
Doch dann, es kam das Meer ein Liliensegel
Mit Rittern, die die Eberkinder schlugen,
Und dann, wer weiß, mit wessen Kunst und Regel,
Des Untiers Kamm als Jagd-Trophäe trugen...
Nicht weiß ich was von Ebern und von Rittern,
Kein Astrolog kann Rätsels Qual verkürzen,
Dann seh ich des Gemahles Schwert zerplittern,
 

 

12
 
Die Mähre vor dem Tor zusammenstürzen,
Die Knechte huben sanft auf eine Trage
Den Wunden, drum sich Tod und Leben streiten,
Und so die Nacht allmählich weicht dem Tage,
Erwart ich nur noch Not und Grausamkeiten.

ASKALON (mühsam sich erhebend):
Mein Brunnen, du muß freudig, hell und heiter
Die Wiese netzen, springend, sprudelnd, fröhlich,
Ich bin ein Wrack, ein Klumpen Grind und Eiter,
Von Gram und Schande ward das Blut mir ölig,
Ich werde nicht mehr an dein Lager treten,
Zu hoffen, daß die Bäche allen Meeren,
Laß mich allein, ich will zum Herren beten,
Daß er mich nehm und mir verzeih in Ehren.

LAUDINE:
Du wardst mir nicht gebracht, daß mir verborgen
Nun bleib, wer dich geschlagen und geschunden,
Folgt Traums Geheimnis weiteres am Morgen
Und nur als Vorwurf hab ich dich gefunden?

ASKALON: Die Fehde ist schon lang, die Artusritter
Und dann der Wilde Schrat im Buchendunkel,
Kalogrenant vertrieb nicht nur Gewitter,
Er bracht dem Clan des Riesensohns Gemunkel...

LAUDINE: Sag, wer ist Artus, nie noch war der Name
Genannt im Reich der Büsche und der Blumen,
Ins Ur-Uralte strömt dir Stolz und Same,
Wie kommst du da zu solchen Königtumen?
 

 

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ASKALON: Von Artus kann dir manches deine Zofe
Berichten, denn sie war vor manchen Lenzen
Im Auftrag und auch ohne dort am Hofe
Und liebte je den Prunk von Schwalbenschwänzen.
Der Widderfüßge schwatzte die Idylle
Des Brunnens in die Lanzenstich-Gemüter,
Und eh sich jeder dort das Trinkhorn fülle,
Stand ich bis heut als deines Brunnens Hüter.
Ich nahm dem ersten Frevler nur die Waffen,
Das Pferd, die Rüstung, denn von diesem Neide,
Mit dem sie alles, was sie wünschen, schaffen,
Erahnt ich nichts, dies ists, warum ich leide.
Doch nun, du weißt die Tat, und auch den Täter
Wirst du schon bald im Morgengrauen sehen,
Es gibt für mich in dieser Sach kein später,
Ich muß den Herren rufen und dann gehen.

LAUDINE (weicht zurück, zu Lunete):
Gibts keine Rettung, keinen Balsam, Öle,
Kein Kräuticht, das die Wunden weiß zu stillen,
Hat nicht der Eremit in seiner Höhle
Ein Wort zu stärken Geist und Lebenswillen?

LUNETE: Mir träumte diese Nacht ein wilder Eber,
Den früh die Artusritter niedermachten,
Das Blut quoll dunkel aus zerschrammter Leber,
Derweil sie ihn verhöhnten und verlachten,
Mit scheint, ein neuer Weltkreis wird begründet,
Da nutzt es nicht mit Öl und Kräutern wetten,
Denn wenn ein Fluß in größere Ströme mündet,
So halten ihn nicht Zähne, Klaun und Ketten.
(Laudine verhüllt ihr Haupt und geht ab.)
 

 

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Zweite Szene.
Lunete, dann Iwein.

LUNETE:
Die Neugier eines Weibs mag mancher schelten,
Doch Adam stünd ansonsten nackt und blöde
Wo seine Kräfte keinen Nickel gelten,
Und rundherum wärs menschenleer und öde.
Des Weibes Sache sind nicht Waffentaten,
Doch wer den Pflanzen und den Vögeln näher,
Der weiß zu urteiln, was da wohl geraten,
Am besten hegt den Frosch der Storchbein-Späher.
Laudine, ach, mich schmerzen deine Tränen,
Du wirst in deinem Schicksal Urlaub brauchen,
Doch wer da wüßte, was die Sterne wähnen,
Fänds rechtens, mal den Hals zurechtzustauchen.
Die Sitte heißt die Trauer selbst dem Tiger,
Der Springborn soll das Blut nicht übertönen,
Jedoch das Leben adelt nur den Sieger
Und was da lebt, gehört dem Lebensschönen.

IWEIN (aus der Torhalle, verhalten):
Lunete hilf, ich bin allein, gefangen,
Du weißt es, und dir ist die Macht gegeben.

LUNETE:
Noch lebt der Herr, drum kommt kein Knecht gegangen,
Es ginge dir sonst allzu rasch ans Leben.
(für sich)
Es ist ein Himmelswort, da fiel das schwere Gatter
Und traf das Pferd doch nicht des Reiters Schädel,
Gefangen zwar im Käfig ist die Natter
 

 

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Doch unversehrt für unser Witwen-Mädel,
Ich werd, da ich den Traum schon hab geplaudert,
In dieser Sache wohl noch manches fädeln,
Ich weiß bescheid, auch wenn mir manchmal schaudert,
Was gut ist Rittersleuten und den Mädeln.
(Sie tritt an das Gatter heran und reicht Iwein einen Ring.)
Hier nimm den Ring, er birgt dich allen Augen,
Askalon dämmert, im Gebet versunken,
Doch hüte dich, nicht alle Mittel taugen,
Laudine ist in Tränen fast ertrunken.

IWEIN: Ich danke dir, du wirst es nicht bereuen,
Ein Leben lang und dann als Geisterwesen
Werd ich nicht Mühsal oder Ungnad scheuen,
Zu dienen dir als Salbe, Schild und Besen.
(steckt den Ring an und wird unsichtbar.)


Dritte Szene.
Askalon, Laudine, Lunete, Ritter, Knappen, Burgfräulein, Iwein als Geist.

ASKALON (in jäher Euphorie):
Der Herr ist herrlich und in höchster Gnade,
Ich ließ die Furcht vor Tod und Höllenqualen,
Mir steht der Sinn nach einem heißen Bade,
Und Fackeln solln die Sonne überstrahlen!

LAUDINE:
Mein Herr, durchströmt euch neues, frisches Leben?
Was darf ich euch als Morgengabe reichen?
 

 

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ASKALON: Man möge mir viel heißes Wasser geben,
Denn sauber gibt man seinem Gott die Leichen.
Auch seien Blumen hier und Blätterkränze
Und alles, was da Quellen liebt und Wasser,
Denn wie der Schnee dahinschmilzt unterm Lenze,
Geh ich als Liebender und nicht als Hasser.

(Ritter kommen mit Laubkränzen und Blumen, die Knappen schleppen Eimer mit heißem Wasser herbei, sie übergießen den Verwundeten, ein Burgfräulein tritt in die Mitte der Bühne und stimmt Kyrie eleison an, ein unsichtbarer Chor fällt ein.)

LAUDINE: Es fehlte grade noch ein Weihrauchkessel.

LUNETE:
Ja, ihr seid Heidin, und vor Christenbräuchen,
Mögt Schierling ihr und Waberloh und Nessel,
Doch immerhin, bei dicken Rotweinschläuchen
Trefft ihr euch mit den Mönchen und Kaplanen,
Der Herr hat uns die Feier anbefohlen,
Da nutze jeder ihm gemäße Fahnen,
Gern will ich euch ein größres Wasser holen.

LAUDINE: Laß besser die Zisterne jetzt in Frieden.
Ich mag nicht rasen schon am Vormittage.

ASKALON: Ich will es heller als die Hesperiden,
Schafft allen Schatten weg von meiner Trage,
Macht hoch die Tür und alle Tore offen,
Die Sperren seien alle aufgehoben,
Ich darf vom Himmel Allerhöchstes hoffen
Und will den Herrn mit allen Sinnen loben.
 

 

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LUNETE (für sich):
Nun wird es ernst, denn Iwein kann entweichen.
Nun wird sich bald entscheiden, was geschrieben,
Bei Askalon vermehren sich die Zeichen,
Daß der Verstand beim toten Pferd geblieben.

(Knappen kurbeln das schwere Gatter hoch und räumen das tote Pferd weg. Iwein ist in eine dichte Nebelwolke eingehüllt, die mit sich herumträgt und die niemand zu bemerken scheint. Der Chor ist beim Agnus Dei angelangt, als Askalon noch einmal verzückt zum Himmel schaut und dann mit starren Augen rücklings fällt.)

LAUDINE: Er hats geschafft, ich schließe ihm die Lider.
(lauter in die Runde):
Und jetzt ist Schluß mit Herrgott und mit Himmel!
Räumt Gras und Zweige, schließt das Gatter wieder!
Ich brauch jetzt Ruh und leide kein Gebimmel.

(Stille. Es wird eine Zeitlang schweigend aufgeräumt, mitunter betet jemand heimlich.)

KNAPPE: Herrgott, o weh! Allmächtger sei gewogen!

BURGFRÄULEIN:
O schreck! es ist kein Zweifel, ja, er blutet!

ERSTER RITTER:
Wird hier das Aug, wird hier der Tod betrogen?

ZWEITER RITTER:
Was wird uns heute alles zugemutet?
 

 

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BURGFRÄULEIN:
Wenn Wunden bluten aus dem toten Leibe,
So ists ein sichres Zeichen, das zugegen
Der Mörder sei und sich die Hände reibe,
Weil ihm der Heimgang seines Feinds gelegen.

ERSTER RITTER:
Das Gatter ist längst zu und nichts zu sehen,
Vielleicht benutzt der Teufel Tarngewänder?

ZWEITER RITTER:
Wir kriegen ihn, er soll uns nicht mehr gehen,
Der unsrer Burg und unsers Burgherrn Schänder!

LAUDINE: Was soll das Lanzenstechen hier ins Leere,
Räumt weg das Grünzeug, nicht etwa Gespenster!

ZWEITER RITTER:
Der Leichnam sagt, der Räuber seiner Ehre
Sei hier und suche jetzt ein offnes Fenster.

LUNETE: O Herrin, hört mich an, denn diese Sache
Ist eilig und muß rasch entschieden werden,
Tot und im Himmel ist die Brunnenwache,
Und weitergehen muß es hier auf Erden.
Die Artusritter sind auf Quellen gierig,
Dies klar zu sehn, brauchts keinen Überflieger,
Verteidigung und Schutz sind jetzt sehr schwierig,
Nur einer könnte dies, das ist – der Sieger.

LAUDINE: Du redest mir von seltsam dunklen Dingen,
Als sei mein Kopf nicht ohnehin am Platzen.
 

 

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LUNETE: Askalon wird für dich nichts mehr gelingen,
Denn sieben Leben haben nur die Katzen.
Er war dir treu, drum soll man ihn in Ehren
Begraben und in reinem Leichentuche,
Dies darf dir den Gedanken nicht verwehren,
Daß du bedroht von einem schlimmen Fluche.

LAUDINE: Was soll ich tun? Was rätst du mir, Lunete?

LUNETE: Ein neuer Herr muß her und herrisch walten,
Uns hilft kein Jammer und auch nicht Gebete,
Sonst wird hier bald der letzte Herd erhalten.

IWEIN (der beim fortwährenden Hauen und Stechen in die unmittelbare Nähe von Laudine gelangt ist und ihr direkt ins Gesicht blickt, plötzlich unvorsichtig laut):
O je, das Weib ist lieblicher als alle,
Das Haar, die Augen, und die Hüften runder...

ERSTER RITTER:
Jetzt sitzt du, Mörder, endlich in der Falle.
Wir stechen zu.

IWEIN: Es ist das reinste Wunder...
(Er springt zur Seite und der Stoß geht ins Leere.)

ZWEITER RITTER:
Er kann nicht weit sein, stoße in die Runde!

ERSTER RITTER:
Jetzt gehts dir, Buhle, schrecklich an den Kragen!
 

 

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LUNETE: Laudine, tut was, eh die erste Wunde
Verunziert euch die Lust der nächsten Tage!
Der Sieger, der geerbt die Brunnenbürde,
Ist unter uns und flieht vor Lanzenstichen,
Bejah die Lieb und teile Burg und Würde
Und fahr bei dem Gemetzel rasch dazwischen.

LAUDINE:
Ja, Schluß mit dem Gestocher und Gescheppe,
Ab in den Saal, daß ich euch nicht mehr blicke,
Ihr Ritter, Knappen macht euch auf die Treppe,
Und auch das Fräulein in den Turm ich schicke.
(Alle außer Laudine und Lunete ab.)
Nun geh auch du, Lunete, schließ die Riegel,
Und dulde nicht, daß sie am Fenster gaffen,
Hol Wein und wirf was Gutes in den Tiegel,
Ich will die Sache gut zu Ende schaffen.

LUNETE: Ich wußte stets, daß euch die Menschendinge
Nicht blenden, eurem Range zu entsagen,
Manch einer steckt den Kopf in eine Schlinge,
Weils ihm zu schwer, ihn ganz allein zu tragen.
(Ab.)


Vierte Szene.
Laudine, Iwein, später ein Rabe.

LAUDINE: Nun, Ritter, zeig dich deiner Herrin leiblich!

IWEIN (tritt aus seiner Wolke und auf Laudine zu):
Ich bin ja froh, wenn ich des Ringes ledig!
 

 

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Ihr seid so hold, so hehr, so unbeschreiblich,
Ich faß es nicht, ich träum nicht, doch – ich seh dich!

LAUDINE:
Mein Urteil gründet sich nicht so aufs Schauen,
Die Taten sind des Ritters höchste Zierde.
Gleichwohl gefalln die hohe Stirn, die Brauen,
Ich spräch, wär es denn statthaft, von Begierde.

IWEIN: Wir brauchen nicht mehr Hof und Etikette,
Da schlüssig sind Lunetes Argumente,
So komm der Werbung zweiter Teil, der nette,
Wo Wasser zischt im heißen Elemente.

LAUDINE: Du bist ein Heißsporn, den die Nebendinge
Schwer hindern, ungezügelt loszuschlürfen,
Dennoch, das Lied der hohen Minne singe,
Daß wir uns auch vom Adel nennen dürfen.

IWEIN: So sei es, hab ich zwar nicht Klampf und Harfe,
Ist meine Stimme hell und meine Reime,
Die brauchen weder Mummenschanz noch Larve,
Denn solches lernt ich schon beim Haferschleime,
Ich ging zu Artus Hof, weil seine Runde,
Im Festland und auf allen Inselriffen
Bekannt und höchstes Lob aus jedem Munde
Verbuchen kann, die Jungfraun einbegriffen,
Doch wenn ich ansah dort die reinsten Bäche,
So trieb mich doch die Sehnsucht nach der Quelle,
Wer gegen Strom schifft, haßt die kleinste Schwäche
Und hebt den Blick nur immerfort ins Helle,
 

 

22
 
Dort war ein Bild der Weiblichkeit, den Engeln
Beschämung, da sie dies nicht preisen dürfen,
Und ich befand selbst Nachtigalln am Quengeln,
Weil ich erpicht, allein das Bild zu schlürfen,
Holdseligkeit, das Haar, das Laub des Leibes,
Es rief mir zu: Du bist am Ziel des Mannes.
Ich sagte meinem Minnelied: Beschreib es,
Doch nur ein Gran vom hohen Glück gewann es.
Wenn es versucht, die Reize aufzuzählen,
Mit denen euch die Götter ausgestattet,
Wärs schwer, die Reihenfolge auszuwählen,
Und schwerer End, eh jedes Ohr ermattet.
Für alle Welt setzt ihr die Sonnenseite,
Hephaistos hätt Pandora eingemottet,
Schlüg ihn der Glanz von eurer Oberweite,
Die Hüfte, die der Schaumentstiegnen spottet,
Wärt ihr dem Schöpfer, ehe Sonn und Himmel,
Er hätte auf ein Weitertun verzichtet,
Denn aller Reiche Vielfalt und Gewimmel
Wird ganz von euerm Augenglanz vernichtet.
Ihr seid die Anmut selbst und alle Musen
Vereint die edle Formung eurer Glieder,
Wie Strudel Schwimmer zieht der feste Busen,
Ich ließ mein Leben gern an eurem Mieder,
Euch dienen will ich stets auf jedem Posten,
Die Hölle hat nicht Glut wie mein Verlangen,
Und sollte es die Ritterehre kosten,
Ich bin von euern Lippen ganz gefangen,
Ich blute und ich werde selbst zur Quelle,
Mag mich eur warmes Nahn nicht herrlich stillen,
Ich knie und tus sofort und auf der Stelle,
Erahn ich nur den Hauch von eurem Willen.
 

 

23
 
LAUDINE: Das hast du schön und herzelig geflochten,
Ich mag es auch, wenn Männer übertreiben,
Denn anders als bei allzukurzen Dochten
Ists schmerzfrei, hier die Hälfte abzuschreiben.

IWEIN: O nein, Geliebte, Göttin, Wundersame,
Ich hab in keinem Punkte übertrieben,
Ich merkte eher sehr zu meinem Grame,
Daß ich von euch ein zwölftel nur beschrieben:
Ich sagte nichts zu euren edlen Füßen,
Auch nichts zu den verheißungsvollen Waden,
Ich muß mit einem schlechten Liede büßen,
Daß alles, was benannt, mir nur zum Schaden
Gereicht, denn jede Schönheit wird zur Fratze
Und jede Holdheit wird zur tumben Geste,
Erwähnt man sie mit euch in einem Satze,
Und jedes Wort vor eurem Glanz verweste.

LAUDINE: So schlugst du Askalon nur meinetwegen
Und nicht um Kalogrenants Schmach zu rächen?

IWEIN: Der wilde Hirte schuf mir Heil und Segen,
Denn alle Quellen gleichen trüben Bächen,
Ist die Idee von euch in uns gedrungen.
Mich grämte nicht der tölpelhafte Schwager,
Der wie ein Schaf von eurem Reiz gesungen,
Und fremd ward ich sogleich dem Artuslager.
Der Waldschrat, der halb Genius und halb Widder,
Ihm sind vertraut die Vögel und die Viecher,
Und unentbehrlich bleibt er für den Ritter,
Denn er hat immerfort den besten Riecher
Für Vorwelt-Reste und für Vorwelt-Wunder,
Aus Zeiten da die Felsen gülden glommen,
 

 

24
 
Drum ward mein Herz ein julidürrer Zunder,
Ohn Umschweif vor eur holdes Aug zu kommen.
Ich liebte euch, eh ich Askalon suchte
Ich war durch ein Gerücht in höchsten Nöten,
Und daß er meine Liebe wüst verfluchte,
Gab mir das Recht, im Zweikampf ihn zu töten.
Mag sein, ich schuf euch Schmerz mit diesem Morde,
Doch wär ein andrer schon sehr bald gekommen,
Von allzuvielen heißts in Artus Horde,
Daß Lanzen ihnen, doch nicht Frauen frommen.

LAUDINE: So hat er sich so wacker nicht geschlagen?

IWEIN: Ich möchte eure frühre Wahl nicht tadeln
Und hätt es gern vermieden, euch zu sagen,
Der Zweikampf konnt als Ritter mich nicht adeln,
Er floh nach erstem Streich, ich folgt der Mähre,
Ders blutig bloß am Bauche und am Schweife,
Mein Blick ward unscharf wie von einer Zähre,
Daß ich mich an solch armer Wehr vergreife.
Vielleicht war seine Stunde da, mein Streiten
Allein ein Urteil höherer Gewalten,
Ich glaube gern, er hatte beßre Zeiten,
Sonst hätte er dich keinen Tag gehalten.

LAUDINE: Lunete hat das Aug mir aufgeschlagen,
Daß wir in einem größren Spiel Figuren,
Der Weltgeist läuft durch Herrlichkeit und Plagen,
Nutzt Kaiser, Fürsten, Bettelmann und Huren,
Den Sinn in diesem Muster zu durchschauen,
Verlangt, sich gänzlich außer Spiel zu stellen,
Und vor dem Weltgeist gehts euch wie den Frauen,
Denn jeder Strom hat Strudel, Sumpf und Schnellen.
 

 

25
 
IWEIN: So wollte ihr mir vergeben, daß ich nahte?

LAUDINE:
Ich bin beglückt, daß du mir Schutz und Retter,
Ich stand am Abgrund und auf schmalem Grate,
Dabei noch blind nicht achtend Wind und Wetter.
Du wolltest mich aus der Gefahr erlösen,
Drum wähltest du den Artuskreis zum Wirte,
Und da mein Wohl sich neigte jäh zum Bösen
Betrat dein Gnadenfeld der wilde Hirte.

IWEIN: Wir sind bestimmt, vor aller Zeit, einander,
Die Vorwelt mischt sich ein in die Geschicke,
Daß Wotan, dem man sagt, daß er hier wander,
Die Götterminne noch einmal erblicke,
Das gibt ihm Kraft, den Fenriswolf zu halten,
Der nach der Sonne seine Zähne bleckte,
Und der nach Brand und aschenem Erkalten
Wohl meinen wird, daß ihm der Himmel schmeckte.

LAUDINE: Wir werden uns so lieben, daß die Sänger
Und auch die Nornen, die im Dunkeln walten,
Dank unsrer Glut nicht einen Stunde länger
Den Himmelsbrand für unausweichlich halten.
Denn größer ist der Brand, den starke Männer
Entfachen in den Herzen ihrer Frauen,
Es beugt sich selbst der Fenriswolf dem Senner,
Wenn aus den Augen Stern und Weltall schauen.

RABE (läßt sich auf den Zinnen nieder und hebt mit schimpfenden Gesten an):
Weh, weh, der Hüter schwelgt im Minnetraume,
 

 

26
 
Derweil ein Frevler naht dem weißen Steine.
Wer hält den Lästerer in seinem Zaume?
Ich sag, ein Heiltum schützt sich nicht alleine.
(Fliegt davon.)

IWEIN: Vorbei die Zeit der Traulichkeit, der Schwüre,
Ich sorge, daß bekannt im ganzen Lande,
Daß ich sehr gründlich meine Pflichten führte,
Und wer dareingreift, findet nichts als Schande.
(Ein gesatteltes Pferd erscheint, Iwein schwingt sich drauf.)
Mein Lieb, ich eil, ich richt und kehre strahlend,
Der Schelm kriegt keine Neider und Kopisten,
Und neigt der Nachmittag sich rot verfahlend,
Fühlst näher du denn je den jetzt Vermißten.
(Ab.)


Fünfte Szene.
Laudine, Lunete, Burgvolk, Herold, später Iwein.

LUNETE: Ihr rieft mich, Herrin, was ist zu bestellen?

LAUDINE: Ruf alles Volk, ich will den Leuten sagen,
Daß ich verlobt und Iwein jetzt der Hüter,
Drum soll kein Knappe und kein Ritter klagen,
Denn wohlversorgt sind wieder Burg und Güter.

LUNETE: Ich eile, das Befohlne auszuführen.
(Geht und kommt bald zurück. Der Hof bevölkert sich.)

LAUDINE:
Euch, Dienerschar des Brunnens, dem ich Seele,
 

 

27
 
Verkünd ich, daß des Feinds verwegne Krieger
Schon Schwert und Streitaxt spüren an der Kehle,
Denn unser Brunnenhüter ist – der Sieger.
Die Welt der Götter, Riesen und Dämonen
Hat unser Fähnlein herrlich aufgerichtet,
Drum danket, daß ihr Diener seid den Kronen,
Die tausend Jahr Poetenreim bedichtet.

ERSTER RITTER:
O sagt, was gab euch Grund zu solcher Eile,
Askalon liegt im Hof noch unbestattet,
Die Sitte heißt uns trauern gute Weile,
Wo ihr doch Freud und große Stütze hattet,
Es macht dem Heiland wenig Lob und Ehre,
Wenn Hingeschiedne nur als Altlast gelten,
Zerbrochen sind mit seinem Geist die Speere
Und Eiswind weht in unsern Klagewelten.

LAUDINE: Ich sage euch, auch Christen müssen saufen
Wie alles Vieh, wie Gras und Dornenranken,
Wo nähm der Heiland Wasser her zu Taufen,
Müßt er es nicht dem Fleiß der Quellen danken,
Derweil ihr müßig sitzt in eitlem Zagen,
Schlägt Iwein euch des Feindes Frevlerrotte,
Er tut was not in unheilsschwangren Tagen,
Er rettet euch und hält euch euerm Gotte.

ZWEITER RITTER:
Sollt man nicht wenigstens die Glocken läuten,
In der Kapelle eine Nische mauern,
Den Priester holn, die Heilge Schrift zu deuten,
Daß hier nicht länger Totengeister lauern?
 

 

28
 
LAUDINE: Ihr Selbstverliebte seid zu gar nichts nutze
Als zu Gewäsch und weibischem Gejammer,
Ihr dankt nicht, daß ich Weib zu euerm Schutze
Wie Donar schwing den harten Eisenhammer,
Man schicke einen Boten nach dem Kloster,
Die Keuschen solln Askalon sich als gleichen
Gern holn und in des Friedhofs grün bemooster
Grabsstill bedecken mit dem Kreuzes-Zeichen.

ERSTER RITTER:
Ihr sprecht verächtlich von des Meisters Lenden,
Zwar ward dem Thron kein Folger hier geboren,
Doch wollt ihr seinen sterblich Rest versenden,
Habt ihr das Maß und Anstand ganz verloren.

LAUDINE: Ihr hörtet selbst die letzten großen Worte,
Er wollte fliegen, fort aus dieser Enge,
Drum kommt er nach dem ihm gemäßen Orte,
Und muckt ihr auf, gibts dort recht bald Gedränge.

LUNETE: Nur rasch getan, ich schicke nach dem Abte.

LAUDINE: Das soll ein Ritter, seiner Lieb zu frönen,
Ich duld nicht Meuterei, auch nicht verkappte,
Kein Klagwort soll mir mehr im Burghof tönen.
(Erster Ritter ab. Die anderen schweigen betreten.)

LUNETE:
Soll Hochzeit sein? Das Mahl ist schon bereitet.

LAUDINE: Es ist seit alters Brauch bei den Germanen,
Daß das Verlöbnis den Vertrag bestreitet,
 

 

29
 
Drum schmücke man die Burg mit neuen Fahnen.
Den neuern Bräuchen bin ich nicht gewogen,
Denn mehr als Priester mag ich weiße Schwäne,
Das Glück ist mir ein Pfeil am straffen Bogen
Und von den Glocken krieg ich bloß Migräne.

(Zweiter Ritter und einige Knappen entrollen schweigend die Lilienfahnen Iweins und befestigen diese auf mehreren Zinnen. Fanfarenstoß. Ein Herold tritt in die Mitte der Bühne und wendet sich zum Publikum.)

HEROLD:
Dem Land, dem Volke am verborgnen Brunnen,
Mach ich bekannt, daß nun der Lilienrecke,
Der die Normannen schlug und auch die Hunnen,
Uns hüte und die Feinde niederstrecke.
Drum rauscht der Quell gar herrlich, hell und heiter,
Und auch die Herrin ist in gutem Hoffen,
Dem Arm des Fürsten gleicht gewiß kein zweiter,
Der alte ist im heißen Bad ersoffen,
Er ward vom Herrn der Welten abgehoben,
Nachdem er seinen Pflichten nicht gewachsen,
Nun solln die Bäche reine Kühle loben
Mit Äschen, Schmerlen, Barschen, Plötzen, Lachsen,
Nun singt der Klarheit neu die Bachforelle,
Und mit ihr singen Ritter, Fraun und Knappen,
Dem Sieg sich Gnad und hohes Glück geselle,
Befreit sind wir von einem morschen Lappen.
Es gibt nur eine Treu, die fußt auf Stärke,
Die Schwäche trübt die Augen wie die Auen,
Drum soll hier jed Geschöpf bei jedem Werke
Nur immer auf das Lilienschwert vertrauen.
 

 

30
 
IWEIN (in den Hof hereinreitend):
Ein neues Glied im Buch der Weltgeschichte
Ward heut gefügt, ihr seid dabeigewesen,
Der Ritter Keye mit dem Schiefgesichte
Trank heut den letzten Honigwein am Tresen,
Daß Artus schickte solchen Spießgesellen
Zeigt schon des Hofes andere Prämissen,
An unserm Brunnen, an dem sprudelnd hellen,
Wird nun von dort kein Ritter mehr verschlissen.
Auch sagte mir Gawain, mir einst Gefährte,
Mein Reich würd dort von keinem mehr bestritten,
Darum ich rasch mit Friedensbotschaft kehrte,
Daß ich die Mähre fast zuschand geritten.

LAUDINE: Da du uns Frieden gabst mit deinen Kräften
Die Ritter hier, senil und abgestanden,
Die Frömmelein des Altherrn wideräfften,
Auf daß die frohe Botschaft werd zuschanden,
Mit Widerworten, offnen Meutereien,
Zwang man das Weib, das Sühneschwert zu zeigen,
Sie wagten, mich der Buhlerei zu zeihen,
Und wollen Krypten statt Verlöbnis-Reigen.

IWEIN: Ihr Ritter, danket Gott, daß euch das Übel
Wie Fönwind zog vorbei, kaum zu gewahren,
Der Krieg, ein Unhold mit gewaltgem Kübel
Voll Brandschatz, Hunger, Pest und Mörderscharen,
Blieb euch erspart, mit dem beherzten Handeln
Gab ich euch Frieden und Gedeihn auf Jahre,
Das Land wird sich in Milch und Honig wandeln,
Eh noch dem ersten von euch grau die Haare.
Wir müssen nur zusammenstehn und sorgen,
 

 

31
 
Daß jeder sei auf seinem Platz der erste,
Dann muß der Schmied nicht mehr beim Juden borgen,
Und Kinder essen Weizenbrot statt Gerste.

BURGFRÄULEIN:
Ich glaube ihm, sein Aug ist hell und leuchtend,
Er zeigt mit fester Stimme uns das Rechte,
Mit Freudentränen mir die Wangen feuchtend,
Erfahr ich, daß uns abgewehrt das Schlechte.

ZWEITER RITTER:
Ihr sprecht die Sprache, die wir gut verstehen,
Die Herrin stichelt wider unsern Glauben,
Einst kommt für uns die Stunde auch zu gehen
Dorthin, wo nie die Kampfesrosse schnauben.

IWEIN: Wir wollen hier nicht über Bräuche zanken,
Die Welt ist groß, und Gottes Wege krümmer
Als jeder Bischofsstab, wir wollen danken,
Wers anders tut, der ist darum nicht dümmer,
Vergeßt nie, daß in eurer Herrin dauert
Ein Schrein, der euch mit Fruchtbarkeit und Güte
Begabt, und wenn ihr jeden Quell vermauert,
So fragt euch nicht, warum kein Veilchen blühte.
Die Quellengeister wolln euch nicht berauben,
Zwar kennt sie nicht das Schrifttum der Hebräer
Doch soll kein Mensch sich in Gewißheit glauben,
Was Gottes Anlitz fernsteht und was näher.

ZWEITER RITTER:
So wollen wir zum Schwur die Hand erheben,
Denn Iwein sind wir größte Treue schuldig,
 

 

32
 
Weil er den Frieden gab und so das Leben
Und nimmer zagte, säumig und geduldig,
Wo sich der Feind erhob als Kinderschänder,
Tyrannisch sandte Drachen und Skorpione,
Wir dienen ewig unserm Lebensspender
Und knien in Demut vor der Fürstenkrone.

IWEIN: Dies ist ein gutes Wort, ich will ihm danken,
Doch schließt die Herrin stets in eure Eide,
Denn ihr zur Ehr wies ich dem Feind die Schranken,
Und ihr Gedeihn ist höchstes für uns beide.

ALLE RITTER UND KNAPPEN:
Der Herrin wolln wir unsern Eid erneuern,
Solang die Welt besteht mit See und Quellen,
Wolln wir den Feind des Lebensborns befeuern
Und unser Fleisch zu einem Walle stellen.
Und den sie wählte und mit ihm den Frieden,
Wolln wir mit ihr als Einheit stets betrachten,
Solange uns ein Atem ist beschieden,
Geheiß und Ansporn stets als höchstes achten.
Kein Schwert erlös uns je von diesen Bändern,
Vergessen laß uns Schierling nicht noch Mohne,
Wir dienen ewig unsern Lebensspendern
Und knien in Demut vor der Doppelkrone.

IWEIN: Nun laßt uns froh sein, weil das Land befriedet,
Wir wollen Wein und den geschmorten Eber.

LUNETE: Das Fleisch ist gar, die Pfeffersuppe siedet,
Und endlich, endlich spricht der Hinweisgeber.
(Man bringt einen Bratenspieß und Weinfässer.)
 

 

33
 
IWEIN (reicht Laudine einen Kristallkelch mit Wein):
Mein Augenstern, Orphanus meiner Krone,
Das Herz, erleuchtend alle Mitternächte,
Der tiefste Höllenkreis den Undank lohne,
Wenn ich nur eine Stund nicht deiner dächte.
Nimm diesen Wein, als seis mein Blut, vergossen
Am Hochaltare deiner milden Tugend,
Was jemals ich erring auf Lebenssprossen,
Ist dein, o Quell und Lebensgeist der Jugend.

LAUDINE (trinkt): Ich spüre in den Adern deine Minne
Und zittre wie die Espe vor den Sehnen,
Was mir das Herz verspricht und alle Sinne,
Soll sich durch Nacht und Tag unendlich dehnen.
Wir wollen eins sein und uns flutend lösen,
Vom Neid des Lichts, den Kronen und den Ständen,
Wir wissen nichts vom Guten und vom Bösen,
Wenn wir zur Nacht die Lieblichkeit vollenden.

IWEIN: Doch morgen darf ich, wie Gawain geraten,
Nicht ausruhn mich als Landesherr und Hüter,
Der Sieg ist immer nur ein Ruf nach Taten,
Sonst schwillt der Leib und trüb sind die Gemüter,
Drum werd ich dich, mein Herzblut, früh verlassen,
Daß dir zur Ehre Zeichen sein und Wunder,
Ich geh zur See und schau in allem Nassen
Nur dich als Perle und als flinke Flunder.

LAUDINE: Ich ahnte fast, daß dieser Tag noch Schatten
Mir würfe in die Falten meiner Röcke,
Das Los, das allezeit die Frauen hatten,
Warn Reiterstiefel oder Wanderstöcke,
 

 

34
 
Es ist mir nicht gegeben, dich zu hindern,
Doch setz ich Jahr und Tag als höchste Fristen,
Sonst siehst du nie das Aug von deinen Kindern,
Und kein Vertrag gedenkt noch des Vermißten.

IWEIN: Ich werd zur rechten Zeit den Torweg finden,
Das Tuch zu fangen, das du wirfst vom Fenster,
Ich werde Drachen und Tyrannen schinden,
Doch dann begrüß ich fröhlich meine Wänster.
Ein Mann, dem seiner Herrin Frist nicht heilig,
Käm selbst zu spät bei Heilands Weltgerichte,
Der hat es wie Ahasver immer eilig,
Und kommt doch niemals raus aus der Geschichte.

LAUDINE: Ich üb mich von der Liebesnacht zu zehren
Im Lenz, im Sommer und in Herbst und Winter,
Ich träume von Gefechten, Ruhm und Ehren
Und hoffe, daß ein größres Glück dahinter.
Und wenn die Frist sich neigt, da werd ich schauen
Ob sich im West dein blauer Helmbusch zeige,
Ich werde dir durch jeden Tag vertrauen,
Denn Zweifel ist der Suppentopf für Feige.

IWEIN: Nun laß die Ritter rülpsen, furzen, schmatzen,
Es ist nicht not, daß uns das Schauspiel klammer,
Wir sind ganz einfach fort so wie die Katzen,
Die Stiege führt recht rasch in deine Kammer,
Dann sollst du deinen ganzen Reichtum kennen,
Wenn das Verlöbnis sich mit Blut besiegelt,
Denn wenn wir ohne Licht und Zeugnis brennen,
Scheint uns die Welt ganz fremd und eingeigelt.
 

 

35
 


ZWEITER AUFZUG
Ein Wald mit Eichen und Buchen, fest geschlossenen Kronen, sehr dunkel. Im Hintergrund Laute von wilden Tieren und rasender Galopp verfolgten Wildes. In der Mitte der Bühne Iwein, schlafend und nur mit einem Eberfell bekleidet. Der Dichter und Frau Minne treten auf und treffen sich in der Mitte vor dem Schlafenden. Der Dichter trägt im Gegensatz zu allen mittelalterlichen Figuren Jeans und T-Shirt, Frau Minne trägt ein sehr buntes Kleid mit lauter Vogelmotiven.

Erste Szene.
Dichter, Frau Minne, Iwein schlafend.

DICHTER:
Als Verseschmied, erst recht als Bühnenschreiber
Ist mir der Kummer eine feste Größe,
Mal zetern rings die aufgeklärten Weiber,
Ich zeigte Frauen als Geburtenschöße,
Und immer heißts, ich hätt nicht recht begriffen,
Welch großes Heil uns läg im Kaufmannsstande,
Dann wieder tönts: Nicht rauchen und nicht kiffen,
Und Alkohol sei stets die größte Schande,
Ich eß schon nur noch heimlich Schweinsgehacktes,
Mach auch die Suppe erst im Teller schärfer,
Als Religion such ich mir höchst Vertracktes,
Sonst heißt es Fundi und dann Bombenwerfer.
Das alles läßt mich nicht mehr sehr verzagen,
Weil jedes Spiel ins größre Spiel gebunden,
Wenn wir die Masken aufzusetzen wagen,
Begegnet uns, was sonst wir vorgefunden.
 

 

36
 
Doch ists ein eigen Ding, wenn man gebastelt
Den ersten Aufzug rund und ohne Lücke,
Und dann sich wild verzettelt und verhaspelt
In der Figuren eigenmächtger Tücke.
Da hat der Held, der klug und maßvoll waltet,
Den Sinn für Zeit verlernt in den Turnieren,
Und merkt nicht, wie ein Frauenherz erkaltet,
Und über Frist stehn Wochen schon zu vieren.
Da klagt Lunete vor der Artusrunde,
Und auch Laudine weigert ihm die Schwelle,
Und was geschieht: Mit weißem Schaum am Munde
Verwildert er und schläft im Eberfelle.
Da kann der Dichter nicht mehr komponieren,
Wenn Irrsinn heißt der Königsweg der Sühne,
Mit Rasenden und gar mit wilden Tieren
Gabs nie noch Glück auf einer deutschen Bühne.

FRAU MINNE: Daß die Figuren aus der Feder laufen,
Ist ein Geschick, das alt wie das Theater,
Kopien kann man in vielen Läden kaufen,
Doch ungewiß das Schicksal ist als Vater,
Was wir bedingen, steht in eignen Regeln,
Und zwischen Zeilen webt das Ungesprochne,
Nicht neun sind möglich einzig wie beim Kegeln,
Im eignen Safte schmort das Angebrochne.
Wenn wegen Schicklichkeit und Langerweile
Der Vorhang fällt, spinnt sich das Spiel im Dunkeln,
Wir meinen, daß das Aug die Gänze teile,
Und sehn doch manches unerwartet funkeln.
Du sagst dir, daß nach Schwur und Komplimenten
Kein weitres Hinschaun not, um zu begreifen,
Dies heißt, das Schicksal auf den Aszendenten
 

 

37
 
Zu reduziern und auf die Sinne pfeifen.
Wenn Liebende im Minnespiele fließen,
Die Ober- und die Unterwelt durchrauschen,
Dann mag es sein, daß sie die Brust verschließen,
Und vorher sie die Herzen sich vertauschen.

DICHTER: Du meinst, der Kerl, der mir zum Saboteure
Geworden, täts mit einem Weiberherzen?
Und ich, der dieses Indiskrete höre,
Solls fülln mit Ulk und ein paar Schwulenscherzen?
Es gilt als die Domän des Komödianten,
Zu spielen mit Geschlecht und Travestieen,
Doch wenn man auch gern schaut die wilden Tanten,
Wird jeder Ernst dabei nicht gern verziehen,
Frau Minne darf nicht tun bei Gaukeleien,
Der Julier Venus steht nicht in Bordellen,
Den Minnetempel darf kein Licht entweihen,
Drin Käufliche ihr Angebot erhellen.

FRAU MINNE: Die Rede setzt in irrige Verbindung,
Was weder tief in eins fällt noch im Scheine,
Es geht hier nicht um Rollenüberwindung
Und auch nicht drum, wer spreizen darf die Beine.
Der Herztausch ist ein mystisches Vernabeln,
Unkund der Menge und sogar dem Träger,
Daß sich in andrer Weis die Pfade gabeln
Für Schwert und Schild, für Wager und für Wäger,
Im Herz ist das Geschlecht ein andres Wesen,
Als im Gehirn und gar im Unterleibe,
Wer ihm vertraut, ist wahrhaft auserlesen,
Und findet bei Frau Minne seine Bleibe.
(Geht ab.)
 

 

38
 
DICHTER (zum Publikum):
Was soll das? Hat hier jemand eine Ahnung,
Wie man am klügsten solchen Ratern fromme,
Wie Wotan fühl ich mich nach Erdas Mahnung,
Die nutzlos tönt, das bald das Chaos komme.
Ich denk, ich laß dies aus bei meinen Rollen,
Ein Zufall wars, daß wir zusammentrafen,
Doch will ich mich jetzt von der Bühne trollen,
Denn dieser Krieger hat bald ausgeschlafen.
(Ab.)

IWEIN (erwachend):
Mir träumte süß, ich sei ein stolzer Ritter
Am Hof des Artus, wo die Lanzenstecher,
Daß im Gewölb der Marmelstein erzitter,
Mit Taten würzen die gefüllten Becher,
Und eine Dame wär mir ganz gewogen,
Ein Wunderbronnen und ein Quell der Jugend,
Ich bin als großer Herr durchs Land gezogen,
Ehrgeizig nur nach Wohltat und nach Tugend.
Doch ich erwach, von der Kultur verlassen,
Im finstern Wald, im tierischen Gewande,
Ich walte fern der Höfe und der Gassen
Und meine Zukunft sagt mir nichts als Schande.
Wohl hab ich manches Mal mich aufgerappelt,
Focht manche Dame frei und schlug Tyrannen,
Ein Hamster bin ich, der im Käfig zappelt,
Ein Halm, der niemals Korn fühlt unter Grannen.
Was hilft es mir, das manche, die ich schützte,
Die Eh mir bot und auch die Landeskrone?
Ich weiß wohl, daß ein Weib mir gar nichts nützte,
Weil ich in einem fremden Herzen wohne.
 

 

39
 
Seit mir der Leichtsinn hat Laudin entrissen,
Ist mir die Zukunft scharfer Rauch und schwärzlich,
Ich bin ein Knoten aus Gewissensbissen
Und werd verlegen, meint es jemand herzlich.
So flieh ich Menschenhäuser, Türme, Brücken,
Ich brauche keinen Schlachter, keinen Bäcker,
Ich bin im Wald und brauch mich nur zu bücken,
So find ich Eicheln oder Buchenecker.
(Läßt sich mutlos fallen.)


Zweite Szene.
Iwein, der Löwe, später ein Drache.

LÖWE (drängt hastig dicht an Iwein heran):
Ich bin der Tiere König steht geschrieben,
Das gilt für alle Tiere wohl im Brehme,
Und wär der Schöpfer stets dabei geblieben,
Wär meine Lag wohl eine angenehme,
Dort drängen aus den Tiefen des Verdrängten
Gestalten, die man hielt für ausgestorben,
Wie sie die Flügel ins Reale lenkten,
Erfährt man nicht, so viel sie auch verdorben.

IWEIN: Was drängst du her, als seist du eine Dame,
Die grad ein Ries zu speisen hat beschlossen,
Ich bin kein Schutz, ich bin nicht mal ein Name,
Ich bin der Wein, den man zu viel genossen,
Und der nun nichts als Schmerzen bringt und Schwäche,
Statt Schlaf-Vergessen taugt kein andres Mittel,
Glaub nicht, daß ich den Königsthron dir räche,
Noch gönn ich dir vom Schlafensplatz ein Drittel.
 

 

40
 
LÖWE: Du weißt nicht deinen Rang, da dir Frau Minne
Mit einem Tranke hat das Herz zerteilet,
Jedoch die Tiere haben feinre Sinne,
Sie riechen, daß in Bälde du geheilet.
So ich als König kann mich nicht mehr retten,
Hilft mir allein der Held im Tier-Habite
Zwar löst du nicht allein die eignen Ketten,
Doch keine sonst ist, die dein Schwert nicht schnitte.

IWEIN: Die Furcht umsäuselt dich mit Wahngestalten,
Ich habe keinen Rang, ich bin geschlagen,
Ich habe keine Früchte zu erhalten,
Und warum sollte ich noch etwas wagen?

LÖWE: Der Rabe sagts, der weiseste der Künder,
Ihm ist die Zukunft klar und unverschlossen,
Und auf dem Strom, da sprechen Nattermünder,
Daß Leu und Iwein werden einst Genossen,
Zum Mythenborne hat kein Tier den Riegel,
Du hast nicht Macht, das Licht des Monds zu finden,
Ich diene dir als Wappenschild und Siegel,
Wenn die Chimären aus der Zeit verschwinden.

IWEIN: Wohl möglich ists, das wir zu zweien stärker,
Und daß im Tierreich Kraft mich zu ergänzen,
Zwar hörte ich von keinem der Berserker,
Daß ihms gefehlt an Mähn und Leuenschwänzen.
So sei gewagt ein neues Buchkapitel,
Nachdem des letzte sprach von Schlaf und Reue,
Denn weiß die Poesie ein neues Mittel,
Heißt dies dem Helden immer Ehr und Treue.
(Er erhebt sich und nimmt das Schwert aus der Scheide.)
 

 

41
 
Furchtbare Winde streifen durch die Buchen,
Die Grabesstarre dräut aus hohlen Eichen,
Ich glaub, ich brauch hier nicht recht lange suchen,
Die Mutter lehrte einst mich solche Zeichen.
(sehr laut)
So komm, du feige Mißgestalt, verdorbnes,
Gebräu der Hexe, zeig die Echsenzacke,
Zwar mag mein Schwert gewiß nichts Abgestorbnes,
Doch bleibt die Klinge rein in jeder Kacke.
Was säumst du, traf dich unterwegs ein Spiegel,
Daß du erschrakst vor deinen Scheußlichkeiten,
Ich hab hier Speere, daß du gleichst dem Igel,
Wenn dann die Geier zur Zerlegung schreiten.

DRACHE: Daß ich dich Winzling nur als Nachruf sehe,
Bedaure ich, denn wenn ich bei dir lande,
Bist du verbrannt vom Scheitel bis zur Zehe,
Ein Aschehäuflein, das da liegt im Sande,
Den Ring hat dir Lunete abgenommen,
Weil selbst dein eignes Volk dich nicht mehr achtet,
Aus reiner Großmut bin ich hergekommen,
Damit dich nicht der Wahnsinn nur umnachtet.
Ja, selbst der Zauberring würd dir nichts nützen,
Weil du als Schwätzer kannst das Maul nicht halten,
Aus solchen macht mein Weib mir sonntags Grützen,
Die lasse ich im Firneis gern erkalten.

IWEIN: Was soll der Singsang? Sind wir Advokaten
Die vor Gericht für Milderung plädieren,
Mein Schwert ist grad zu schad für dich, ein Spaten
Täts auch, dich für die Schnecken zu garnieren.
 

 

42
 
(Eine Feuersbrunst wogt über die Bühne. Als sie verebbt, sitzen Iwein und der Löwe auf je einem Baume. Eine zweite Feuersbrunst, dann völlige Dunkelheit. Am Rand der Bühne schlagen zwei Lanzen ein. Man hört jede Menge zerbrechendes Holz, dann ein Geräusch, als würde ein riesiger Ballon entkorkt, dann strömt eine Flüssigkeit. Es wird langsam wieder hell und man sieht einen völlig zerstörten Wald, lauter abgeknickte und verbrannte Bäume, in der Mitte liegt der tote Drache, daneben Iwein mit dem Schwert und der Löwe.)

IWEIN (wischt sich den Schweiß von der Stirn):
Es war haarscharf. Gut, daß ich ausgeschlafen.

LÖWE: Wie fandst du so genau den Herzensflecken?

IWEIN: Er trug ein Mal, das war des Schwertes Hafen,
Ich mußte es nur in die Grube stecken.

LÖWE: Wie wußtest du von diesem Herzenszeichen?
Wie fandest dus in diesen Finsternissen?

IWEIN: Es sagten mir die todgeweihten Eichen,
Daß mich gleich ihm die Schlange hab gebissen,
Mein Muttermal, ein Halbmond auf den Rippen,
Nannt meine Mutter einst den Gruß der Natter,
Ich fänd es selbst auf unbehausten Klippen
Und weiß darunter tobt das Herzgeratter.
Da ich von Schlangenbissen sonst nichts wußte,
Hab ich die Eichensprüche so gedeutet,
Da wo sichs fühlt wie in der eignen Kruste,
Ist Ziel, wo ihm die Totenglocke läutet.
 

 

43
 
LÖWE: Der Rabe sagte wahr und war im Bilde,
Er meinte auch, dies kreischen schon die Möwen,
Du trägst mein Antlitz nun in deinem Schilde
Und nennst dich stets der Ritter mit dem Löwen.

IWEIN: Nun laß uns ruhn, die Schlächterei war gräßlich,
Ich dank dir für Bewährung, Nam und Wappen,
Solche Stunde eint, wir bleiben uns verläßlich,
Und ich brauch niemals wieder einen Knappen.
(Beide legen sich zum Schlaf nieder.)


Dritte Szene.
Dichter, Frau Minne, Iwein und der Löwe schlafend.

FRAU MINNE (zum Dichter vor den Schlafenden):
Was sagst du nun? Das Herz hats ihm gewiesen.

DICHTER: Im Eichendunkel, wie ich prophezeite.

FRAU MINNE: So wir die Szenerie gemeinsam kiesen,
Fügt sich das Dach genau der Unterseite.

DICHTER: Ich hielt nie viel von kollektiven Werken,
Drum ging ich in den Achtzgern auch nach Bayern.

FRAU MINNE: Das ist grad diesen Jahren anzumerken,
Die ziellos, das doch recht geschickt verschleiern.

DICHTER: Bin Thema ich und weniger Laudine?

FRAU MINNE: Dein Wirken preiset immerfort dieselbe.
 

 

44
 
Und nur durch sie bracht ich dich auf die Schiene,
Ein frührer Rat, der war doch nicht das Gelbe.

DICHTER: Wir können uns die Liebe nicht erfinden,
Wenn wir sie nicht im Übermaß empfangen,
Es nutzt nichts, einen Flaschenzug zu winden,
Es bleibt doch nur ein Fliegendreck dran hangen,
Daß ich zum Drama kam und im Gedicht viel weiter,
Das lehrten mich nicht Schiller und nicht Rilke,
In diesen Himmel bleibt die Jakobsleiter
Allein und auch in Zukunft meine Hilke.

FRAU MINNE:
Ja, hättst du dies dir früher eingestanden,
Dann wäre diese Szene jetzt entbehrlich,
Ob Weimar, Wien, ob in den Niederlanden,
Das Publikum bevorzugts klar und ehrlich.
(Beide ab.)


Vierte Szene.
Iwein und der Löwe, Lunete.

LUNETE (die Iwein nicht erkennt, wirft sich vor ihm hin):
Mein Herr, mein Held und großer Drachentöter,
Ich brauch für den Gerichtskampf einen Recken,
Sonst bin ich nicht mal ein verlauster Köter,
Und bald wird man den Feuertod vollstrecken.
Ich tat, was mich belastet, nicht fürs meine,
Nur für Frau Minne braucht ich List und Lüge,
Und wär der Minner noch der Herr im Haine,
So drohte mir kein Zorn und keine Rüge.
 

 

45
 
Ich hab ihn einst im Torhaus mit dem Ringe
Befreit, als alle ihn als Mörder suchten,
Ich sorgte, daß die Werbung gut gelinge
Um meine Herrin, einer gut Betuchten.
Es sah so aus, als würd dem Lande Frieden
Und dauerhaftes Glück dem jungen Paare,
Doch dann hat er uns Jahr und Tag gemieden,
Daß sich die Herrin rauft die goldnen Haare,
Nun hat man mich verraten, daß der Liebe
Ich damals half und sprach auf Scheiterhaufen,
Allein ein Mann mit einem starken Hiebe
Vermag es, mich der Flamme loszukaufen.

IWEIN: Das Urteil ist ein Irrtumsspruch und sündlich,
Glaubt mir, der Henker hat euch schon verloren,
Ich stritte für euch täglich oder stündlich,
Statt eurer werden die Verleumder schmoren.
Geht heim und seid gewiß, daß eure Taten
Nicht unrecht warn, und Gott wird es erweisen,
Gebt meinem Leun nur die genauen Daten,
Dann werden wir zu eurer Rettung reisen.

LUNETE: Habt Dank, o Herr, es gibt im ganzen Reiche
Wohl keinen, der mich je so hold beschämte,
Ich rannte wie vernarrt an manche Eiche,
Weil ich mich so um diese Schande grämte,
Hier steht geschrieben, was den Richtern billig
Erschien und dieser Sache angemessen.
(Sie gibt dem Löwen ein Pergamentrolle mit kgl. Siegel.)
Doch niemand ist am Artushof mir willig,
Und dem ich half, den haben sie gefressen,
Daß ich ihm selbst entzogen Huld und Zauber,
 

 

46
 
Macht wilder noch, daß man mich ganz verdamme,
Und mörderisch wie dieses Walds Entlauber,
Wünscht man mir rasch und wirkungsvoll die Flamme.

LÖWE:
Mein Herr kämpft für die Witwen und die Waisen,
Die Mägde der Frau Minne sind ihm heilig,
Er fürchtet nicht das Feuer und das Eisen,
Und dieses unerschrockne Dasein teil ich.
Ihr seid von Sorge frei bei solchen Bürgen,
Und wird beim Gotteskampfe gar betrogen,
Werd ich die Richter ohn Verzug erwürgen,
Und jeden, der zu euch je ungezogen.

LUNETE: Ich werd euchs nie vergessen, die ihr streitet
Für ein verächtlich Ding mit härner Schürze,
Und wenn mir jetzt das Leben nicht entgleitet,
Vielleicht, daß ich es einmal für euch kürze.
Ich bin geringen Stands und voller Schwäche,
Doch regen Geists und dabei unerschrocken,
Und wenn ich mich an einem Feinde räche,
So bleibt gewiß darob kein Auge trocken. (Ab.)


Fünfte Szene.
Iwein und der Löwe, Nimue.

(Die Dame trägt ein blaues Gewand und eine Burgunderhaube. Gewand und Haube sind mit silbernen Halbmonden besät. In der Rechten trägt sie einen silbernen Stab mit einem silbernen Handmond an der Spitze. Bei innerer Bewegung bewegt sie den Stab. Dann erscheinen Moor-Irrlichter im Hintergrund.)
 

 

47
 
NIMUE: Sieh einer an, der Löwe ward zum Knechte!

LÖWE: Zur Stunde der Gefahr gabs nichts als Blasen
In Schlick und Schlamm vom wässrigen Geschlechte,
Und jetzt nennt das Gequak die Kämpfer Hasen.

IWEIN: Du solltest derart nie die Frauen schelten,
Auch wenn sie spitzen Munds die Taten pönen,
Mißachte nie den Rat der Schattenwelten,
Denn schäbig fahlt das Licht, das bar der Schönen.

LÖWE: Die Schönheit der Natur weiß ich zu schätzen,
Doch die Magie ist Ärger mir und Blendung,
Und Hexen, die da Buchenstäbe wetzen,
Verderben aller Ritterschaft die Sendung,
Gedenk Merlins, den in die Weißdornhecke
Gebannt die Arge, die ich so umschmeichelt,
Ich schlief wohl gern auf meinem Laubichtflecke,
Wär nicht der Wald vom Drachenbrand enteichelt.

IWEIN: Du sagtest jüngst, dem Tiere sein die Mythen
Verschlossen, drum bemüh dich nicht um Sagen,
Der Ritter soll die Ehr der Frauen hüten,
Mit Schelten nicht und Schmähung um sich schlagen.
(zu Nimue):
Nun Edle sprecht, was führt zu später Stunde,
Solch feine Damen in das Haus der Schlächter,
Seid sicher, daß wir ernsthaft eurer Kunde
Und stets der Tugend und des Mitleids Wächter.

NIMUE: Ich bin nicht bar des Beistands und des Mannes
Und ich begehr von euch nicht Schutz und Rache,
 

 

48
 
Gewappnet unterm Mondgeleucht des Bannes
Ist Frieden lang schon unter meinem Dache.
Ich hörte nur, daß ihr zur Artusrunde,
Mögt ziehn, und hoff, ihr könnt Pelleas schauen,
Daß ihm von meinen Einsamkeiten Kunde,
Die mählich mir verunziern Wang und Brauen.

LÖWE: Pelleas hat sie bös mit Haß geschlagen,
Daß er Arcade, die in Liebe schmachtet,
Für immer hat verbannt aus seinen Tagen,
Daß sie verwelkt und nach dem Grabe trachtet.
Sie spinnt durch Nacht und Nebelfrühen Ränke,
Und hinterläßt ein Meer von Schmerz und Träne,
Drum keinen Wimperschlag den Reizen schenke,
Verhüll dein Haupt im Gold der Löwenmähne.

IWEIN: Schluß jetzt mit Klaggeraun und wüstem Hader,
Ich hab genug von dämmrigen Geschichten,
Und öffnet sich Arcane selbst die Ader,
So ist Nimues Schuld dies doch mitnichten,
Dies Mädel hat Pelleas abgewiesen,
Um ihn zu spotten, noch Gawain verführet,
Bewahr dir deine Ehrsucht für die Riesen,
Eh solcher Mißmut werde hier geschüret.
(zu Nimue):
Ich weiß nicht, was da heut in ihn gefahren,
Mag sein, ihn ritzte eine Drachenzacke,
Und Pestgewölke, die vergiftet waren,
Verharzten sich im Hirn zu solcher Macke,
Hört einfach weg, es ist mir große Ehre,
Für euch die strenge Mahnung zu verbreiten,
Es ist Pelleas sicher Nutz und Lehre,
 

 

49
 
Erfährt er eure Traurigkeit beizeiten.
Da wir uns grad so unverhofft begegnet,
Bitt euch ich auch um eine Grußeskunde,
Ich denk die Geister, die das Feuchte segnen,
Versammeln sich gelegentlich zur Runde:
Laudine, Herrin am verborgnen Borne,
Sagt, wenn ihr sie an frohem Tage treffet,
Sie richte ihren Huldenblick nach vorne,
Das Schattensegel sei recht bald gereffet,
Ihr Glück gedieh, entsagte sie dem Schmollen,
Denn keiner Frau ihr Lehnsmann sich verfügte,
Und große Dinge noch geschehen sollen,
Wenn für die Schuld die Tilgung nicht genügte.

NIMUE: Da muß ich dich enttäuschen, holder Recke,
Ich tät euch vieles gerne zu Gefallen,
Doch gelb blüht dort die Oleanderhecke,
Der Bach führt tropisch warm jetzt Würfelquallen.
Ich brächte jedem Wasserwesen Grüße,
Ob Seestern, Muschel, Krabbe und Languste,
Doch dorthin wagt sich nimmermehr das Süße,
Denn jeder Gruß zerspellt an dieser Kruste.

IWEIN: Dies weiß ich wohl, doch mögen Tage kommen,
Da sie die Wehmut faßt am goldnen Schopfe,
Ihr würdet meinem Wunsche trefflich frommen,
Behieltet ihr mein Wort im Hinterkopfe,
Denn das Geweb des Lebens läßt nicht schauen,
Was für ein Tag wird kommen noch und gehen,
Ins Ungewisse heiß ich euch vertrauen,
Bereit zu sein und weiter dann zu sehen.
 

 

50
 
NIMUE: Dies will ich gerne hoffen und bewahren
Den Gruß, bis er bereit ist auszufliegen,
Das Glück mög sich mit euren Wegen paaren,
Und euer Schwert soll wetterleuchtend siegen.


Sechste Szene.
Iwein und der Löwe, Waldschrat mit Widderfüßen.

WALDSCHRAT (mit unechter Empörung):
Mein Haus ist gastlich stets für Mensch und Tiere,
Und manchem ohne Obdach wards hier wohnlich,
Freigiebig bin ich, daß ich mich nicht ziere,
Weiß jeder, der mir gütig frommt und schonlich.
Auch ihr, Herr Ritter, durftet euren Grillen
In meinem Hause ohne Sorge frönen,
Ob hoch, ob niedrig, ich bin stets zu Willen
Und nehm nicht nur die Starken und die Schönen.
Der Undank doch ist oft der Langmut Erbe,
Man feiert hier und gibt sich ausgelassen,
Man sorgt dafür, daß hier das Dammwild sterbe,
Und weiß, die Eichen wissen sich zu fassen.
An mich, meint man, ist keinesfalls zu denken,
Weil mein Geschäft Geselligkeit nicht fordert,
Und würde ich euch alle Bäume schenken,
So seis, daß ihr noch weitre Gaben ordert.
So bin ich zwar gewöhnt an reichen Kummer,
Ich scheu nicht Müh, die Schäden auszubessern,
Doch heute riß mich Lärm aus meinem Schlummer,
Als sei die Luft erfüllt von tausend Messern,
Ich sehe, euer grimmiger Kollege,
Hat sich bei der Zerstörung übernommen,
 

 

51
 
Und liegt nun abgewrackt und tot am Wege,
Unfähig, für den Schaden aufzukommen.
Es wäre nun gerecht und dabei schicklich,
Beglicht ihr rasch des Abgeschiednen Schulden,
Ich rechne noch und stehe augenblicklich
Bei schätzungsweise zwanzigtausend Gulden.

IWEIN: Mein Herr, ich bin ein fahrend armer Ritter,
Mein Knappe hier hat auch kein Bankgewerbe,
Es gab in diesem Waldstück ein Gewitter,
Wir kriegten Schläge schon genug und herbe.

LÖWE: Und überdies wir zählen nicht zu Würmern,
Auch nicht zu Echsen oder Krokodilen,
Drum haften wir auch nicht, wenn solchen Stürmern
Die Flügel grad in deinen Eichwald fielen.

WALDSCHRAT:
Wer hier gehaust, hat Frechheit auch zu schwindeln,
Dies ist nicht neu, doch war es selten dümmer.
Ihr haltet mich wohl für ein Kind in Windeln?
Und wollt gar leugnen, daß der Hag voll Trümmer?
Die Armutsthese läßt mich lauthals lachen,
Für alle Welt gebt stündlich ihr Audienzen,
Sag ihr da stundenlang nur: Nichts zu machen,
Wir sind gemäht, bei uns ist nichts zu sensen?
Und dann der Trick mit Echse, Wurm und Flügel,
Wie sind doch Birk und Fliegenpilz verschieden,
Doch Roß und Reiter eint nicht nur der Zügel,
Sie sind sich eins im Kriege wie im Frieden.
Ähnlich verhält sichs mit dem dreisten Flieger,
Wir haben alle Woche hier Gewitter,
 

 

52
 
Das kostet Blätter und schafft manchen Bieger,
Doch heute haben wir den Löwenritter.
Ich denke, es ist schlüssig klargeworden,
Daß ein Zusammenhang von diesem Gaste
Und euch besteht, weshalb ihr dafür haftet,
Was jener hier im Übermut verpraßte,
Ich tat schon dar, daß ihr das wohl verkraftet.

IWEIN: Bevor ihr weiter rechnet und mit Zinsen,
Ists besser, daß man friedlich sich vergleiche,
Dies Abenteuer ging wohl in die Binsen
Und teuer ist recht oft des Feindes Leiche.
Wir haben Bargeld keins, nicht Ländereien,
Nicht Unterhalt, noch sonstwie feile Pflichten,
Wir können uns nur aus der Schuld befreien,
Wenn ihr uns Arbeit gebt, die wir verrichten.

WALDSCHRAT:
Was liegt euch außer Eichenhaine köpfen?
Ich möchte keine Personalie mästen,
Die mir den Honig kocht in Waben-Töpfen
Und prunkvoll deklamiert vor meinen Resten...

IWEIN: Genug! wir haben unsre Schuld gestanden,
Da ists nicht not, hier alle Einzelheiten,
Die sich in summa heut zusammenfanden,
Zu unsrer Schand akribisch auszubreiten.

WALDSCHRAT: So reichet mir Diplome und Patente
Und was sonst dient, die Arbeitskraft zu schätzen,
Ich setze immer auf Spezial-Talente
Und mag kein Reitpferd auf den Acker hetzen.
 

 

53
 
IWEIN: Herr Oberförster, frei heraus zu sagen,
Ist hier, daß wir nur stets im Kriegsdienst fronten,
Und wir verstehns, dem Feinde an den Kragen
Zu gehn, obgleich wir ihn doch meistens schonten.
Wir sind, wards auch nicht glaubhaft im Prologe,
Für Frieden und den Beistand schwacher Frauen,
Und geht mal was zu Bruch im Kampfgewoge,
Sind wir bereit, nach Besserung zu schauen.

WALDSCHRAT (düster):
Das reicht mir nicht, die Schuld ist aktenkundig,
In großer Runde klagen schwarze Eichen,
Es wäre katzig (oder sagt man: hundig?),
Sich heimlich in der Nacht davonzuschleichen.

IWEIN: Bei meiner Ehr als Rittersmann beeide
Ich feierlich, daß dies nicht unser Sinnen,
Wir wollen nach dem angehäuften Leide
Nach Kräften eine Besserung beginnen.

WALDSCHRAT (dessen Gesicht sich aufhellt, lebhaft):
Nun gut, ich sagts, ich plan mit Professionen,
Auch Pilz und Eichbaum brauchen Leut fürs Grobe,
Der Riese Harpin will uns schimpflich lohnen,
Das wir ihm stellten Bauholz, Fleisch und Robe.
Er ist ein Tölpel, der von Nutz und Frieden
Nichts wissen will, er pfeift auf Treu und Ehre,
Drum wärs gescheit, wir hättens gern vermieden,
Man zög ihn restlos rasch aus dem Verkehre.
Daß morgen er ein großes Waldstück rode,
Hat er gesagt, zu baun sich eine Mühle,
Drum hat es große Eile mit dem Tode,
Und erst die Leiche schafft uns Glücksgefühle.
 

 

54
 
IWEIN: Dies ist ein leichtes, wenn die Sonnenröte
Sich leuchtend zeigt im Ost am Firnamente,
Stehn wir am Platz, daß man den Unhold töte,
Und fürder keiner sorg um seine Rente.

WALDSCHRAT (erleichtert):
Wir sind uns einig, aber bleibt gewärtig,
Ihr steht im Eid bei diesem Ungetüme,
Macht ihr den Kerl bei Sonnenaufgang fertig,
Seis, daß ich fürder euren Mut nur rühme.
(Geht ab.)

LÖWE: Mir ist, als fraß ich eine scharfe Kresse,
Der Gnom mit seiner Klagen-Ouvertüre
Hat bloß getarnt, und dies mit Raffinesse,
Wohin die ganze Rede endlich führe.

IWEIN: Ach je, dies soll uns nicht besonders grämen,
Hat er uns listig auch zur Tat bewogen,
So braucht sich doch ein Ritter niemals schämen,
Spannt ihm ein Intrigant den großen Bogen.

LÖWE (rollt Lunetes Pergament auf):
Nur leider seh ich uns in dem Konflikte,
Daß morgen, wenn die Sonne zeigt sich rötlich,
Lunete uns in den Gerichtskampf schickte,
Der ohne uns für diese sicher tödlich.

IWEIN: O weh, ich bin vernichtet und bezwungen,
Ein Eidbruch-Sammler, der in allen Näpfen
Herumtritt, rings von Wahn und Schmach umschlungen,
Der Trielen selbst zu ehrlos und den Schnepfen.
 

 

55
 
LÖWE: Ich denk, es gibt vielleicht ein Stück zu hoffen...

IWEIN: O nein, mein Leu, bei diesem Nornenspruche,
Bleibt auch kein Fünkchen Deutungshoheit offen:
Nur tiefer kracht mein Fall nach erstem Bruche.
Ich glaubte frech, ich fänd als Löwenritter
Mit neuem Namen neue Selbstbedeutung,
Doch aus der Jugend treffen mich die Splitter,
Und ganz mißglückt ist diese Schlangenhäutung.
Ihr wißt es nicht, was ich Lunete schulde,
War längst geschworn ihr, daß sie mich nicht kannte,
Verändert nicht, daß ich es ehrlos dulde,
Gewußt zu haben nicht, daß sie fast brannte,
Ich hab geschworn, leblang und noch gespenstisch
Im Dienst zu achten Mühe nicht und Schande.
Dies ist dein Schicksal, heißts und furchtbar nennts dich
Den letzten Schurken in der Höllenbande.

LÖWE: O haltet ein, es wird sich alles richten,
Wir sind der Hölle nimmer bar der Waffen,
Wenn sich die Aun im neuen Tage lichten,
So werden wir auch beide Werke schaffen.

IWEIN: Nein nein, es ist beschlossen und vollstrecket,
Der Aufschlag folgt dem Sturz wie Rausch dem Biere,
Daß jemand trickreich einen Spalt entdecket,
Das glaub ich selbst dem König nicht der Tiere.
Ihr wißt noch nicht das ärgste an dem Netze,
Drin ich gefangen, was schon weiß die Spinne,
Der Stein im Mosaik ist bloß der letzte,
Und ganz am Anfang stand der Rausch der Minne.
Lunete hat geschildert, wie da schändlich
 

 

56
 
Ihr Herr die Huld verspielt und ihr das Leben:
Geb ich mich echsig, wurmig, löwenländlich,
Ich bleibs, ich selbst bin dieser Ritter eben.

LÖWE: Ich danke dir für diese große Gnade,
Daß du mir gönnst den Blick in deine Tiefen,
Doch schlingt der Sumpf schon Füße ein und Wade,
Mag dennoch andres stehn in Heils Archiven.
Schon oft hat Gott, wenn das Verhängnis dichter
Sich zuzieht, noch den Einsamsten gerettet,
Und darum trau dem allerhöchsten Richter,
Daß lösbar sei, was rundum festgekettet.
Ich denk, wir sind schon lang vor Tag beim Riesen,
Mein Schrei muß selbst den Schlummrigsten erwecken,
Gehts auf mit guten Waffen und mit miesen,
Wird er vorm ersten Sonnenstrahl verrecken.
Dann sind wir noch zur rechten Stund am Platze
Und treten auf des Königs Eichenbohlung,
Denn liegt im Dreck des Riesentölpels Fratze,
Ist ein Gerichtskampf gradezu Erholung.

IWEN: Nun gut, ich will mich einmal noch ermannen,
Mißlingts, so soll mein gutes Schwert mich haben,
Wenn Nebel wabert aus des Buschweibs Kannen,
Sei unser Feind der Krähenschmaus im Graben.

LÖWE: Gemeinsam werden wir den Strauß vollenden,
Er ist direkte Folge unsers Bundes,
Dann werden sich auch Hof und Minne wenden,
Und Stück für Stück erbaut sich was Profundes.
 

 

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DRITTER AUFZUG
Hof des Artus. Im Hintergrund die kapitolinische Wölfin zu Ehren der Königin, davor eine Darstellung des Schwertes Excalibur, das von einer Hand aus dem See gereicht wird. Rechts und links davon jeweils sechs Fahnen der Tafelrunden-Ritter. All dies befindet sich auf einem Podest hinter der Kampfarena. Dort begegnen sich die Ritter Lanzelot und Pelleas.

Erste Szene.
Lanzelot, Pelleas.

LANZELOT: Hallo, ich grüß den mondenhellen Reiter,
Wie geht es meiner Pflege-Mam am Weiher?

PELLEAS:
Den Gruß zurück, der Fürst der Lanzenstreiter
Macht jeden Tag zur Sonnenwendenfeier.
Die Dame, der am See ich treulich diene,
Und die den Weg nach Avalun befriedet,
Sie leuchtet diesem Hof in jedem Kiene,
Weil sie dem König hat das Schwert geschmiedet,
Ich ritt erst jüngst in ihre Nebelfluten,
Da mich zu ihr der Löwenritter sandte,
Sie pflegt die Wunden und die Unbeschuhten,
Und sie begrünt das Drachenloh-Verbrannte.

LANZELOT:
Vom Löwenritter weiß ich nichts zu sagen.
Wer ist der Mann und was wird er uns bringen?
 

 

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PELLEAS: Er nahm den Schemel Iweins ein im Hagen,
Und seiner werden einst die Barden singen.

LANZELOT: Da Iwein seine Dame bös betrogen,
Der Kuppelei ward überführt die Zofe.

PELLEAS:
Nein, der Verdacht ward sichtbar aufgewogen,
Als uns der Löwe hat gebrüllt am Hofe.
Zu lang hast du die stolze Burg gemieden
In Fährnis, der ich besser nicht gedenke,
Doch in der Tat, Lunete schiens beschieden,
Daß man sie gleich am nächsten Morgen henke.
Der Löwenritter kam wie Tau auf Blätter,
Die Tracht war schon ein Stückchen abgerissen,
Daß er Harpin, den Riesen, gleich zerschmetter,
Ließ den vor vier der Löwenrachen wissen,
Die Macht der Kläger war schon überwunden,
Eh alle hier die Plätze eingenommen,
Denn Recht und Wahrheit herrlich zu bekunden,
Ist er uns wie ein Hagelschlag gekommen.
Seither hat ihm die Lanze kaum geschlafen,
Zur Mangelware werden Ungeheuer,
Heut kämpft er für das jüngste Kind des Grafen
Vom Schwarzen Dorn, zum schlimmen Abenteuer
Nannt sich die Burg, dreihundert edle Damen
Er hat befreit, nachdem die beiden Riesen,
Die dort zu hausen sich die Freiheit nahmen,
Verrotten auf den blutbefleckten Wiesen.

LANZELOT:
Wer wagt es, wider diesen Held zu streiten?
Weß Sohn ists, und wer ist sein Auftraggeber?
 

 

59
 
PELLEAS: Den Ritter sah man nie in unsern Breiten,
Im Schild führt er das Blümlein und den Eber,
Der Graf vom schwarzen Dorn vererbte Nichten,
Das Land, die Burg und Truhen voll Geschmeide,
Drum tobt der Streit, die Teile zu gewichten,
Tat jede was der anderen zum Leide.
Manch Zeugnis und manch Wink ward ausgelotet,
Und konnte doch die Wahrheit nicht erhellen,
Inzwischen ist die Sache so verknotet,
Daß Artus sprach, man möge Kämpen stellen.
(Ein Horn ertönt.)

LANZELOT:
Man gibt Signal, den Kampfesplatz zu räumen,
Dort nahn die Maiden, die sich so bedrangen,
Wenn Lanzen splittern und sich Rosse bäumen,
So wird ein Herz frohlocken und eins bangen.


Zweite Szene.

(Die beiden Ritter gehen ab und erscheinen auf dem Podeste erneut, wo sie sich im Hintergrund halten. Es treten auf König Artus, ein Herold und die beiden Nichten des Grafen von schwarzen Dorn. Auf der anderen Seite versammeln sich Ritter und Damen, man erkennt Laudine mit Lunete. In der Arena Gawain mit geschlossenem Visier und dem Eberschild, auf der anderen Seite Iwein mit dem Zeichen des Löwen.)

HEROLD: Im Streite der zwei Erbinnen des Grafen
Sein nun die Streiter rüstig aufgestellet,
Der König wird beschaun, wie sie sich trafen,
 

 

60
 
Auf daß der Wille Gottes werd erhellet.
Nun tretet Kläger vor und schwört dem Richter,
Daß euer Zeugnis mög davor bestehen.
Ihr Ritter und ihr Damen, die Gesichter
Merkt gut und schaut, was urteilnd soll geschehen.

ARTUS: Ich bin bereit, die Klagenden zu hören.

ÄLTERE NICHTE:
Mein König, groß in Waffenruhm und Ehre,
Kein feiges Zagen soll das Recht betören,
Der Eberritter mir die Mißgunst wehre.

GAWAIN: Ich streite für das Zeugnis und die Rechte
Der hohen Frau, die mich in Huld erwählte,
Die Lanze zeig das Falsche und das Echte,
So wahr der Himmel mir die Schwerthand stählte.

JÜNGERE NICHTE:
Mein König, eure Weisheit zu bekrönen,
Gab Christus euch die Demut vor dem Worte
Des Höchsten, drum die Engelschöre tönen,
Drum helf er uns an diesem Kampfesorte.

IWEIN: Der Wahrheit will ich und dem Herrn vertrauen,
Ich heische nichts und beug mich dem Geschicke,
Und steh ich vor dem Sensenmann, dem rauen,
So sag man der, die ich nicht mehr erblicke,
Daß ich im Feuer und im Höllenschlunde
Nicht aufhörn werd, sie immer nur zu preisen,
Wenn mich besiegt des Feindes Todeswunde,
So mög ein Dornbusch meine Treu beweisen.
 

 

61
 
LUNETE (nur zu ihrer Herrin):
Hört, Herrin, wie der Mann, der mich befreite,
Gedenkt der Frau, die ihm die Huld entzogen,
Er dient ihr treulich noch im Todesstreite,
Und ist ihr mehr als allem sonst gewogen.

LAUDINE: Ich sagte dirs gewiß zu andern Malen,
Daß mich verstört solch Los und solch Mißhandeln:
Wie kann ein Aug in einem Antlitz strahlen
Und abhold diesen Herrlichkeiten wandeln?

(Fanfarenstoß. Die beiden Ritter reiten gegeneinander los und brechen die Lanzen, ohne daß einer vom Pferde stürzt. Sie machen kehrt und jedem wird eine neue Lanze zugeworfen. Sie reiten erneut gegeneinander und brechen die Lanzen. Nach erneuter Wendung kurze Pause.)

GAWAIN:
Ihr führt zurecht im Schild das Bild des Leuen,
Dies wird ein langer Kampf um unsre Frauen.

IWEIN: Auch ihr schafft es, die Huldin zu erfreuen,
Doch sollte sie nicht euch vor Gott vertrauen.

GAWAIN: Was macht euch in der Sache eurer Dame
So sicher, daß ihr wähnt euch Gott im Bunde?

IWEIN: Mit gab der Löwe Leben, Ehr und Name,
Drum geh ich auch nach Löwenart zugrunde,
Wenns Gott gefällt, daß euer Schwert mich fälle,
Mags Weisheit und Erleuchtung sein den Großen,
Doch euer Mut bezwingt mich an der Stelle
Der Herrin, die mich gnadenlos verstoßen.
 

 

62
 
LUNETE (zu Laudine):
Hört, Herrin, wärs nicht Ärgernis und Schande,
Wenn so geschmäht der hehre Held verdürbe,
Wenn er gerichtet dort im blutnen Sande
So fern von Trost und Frauengnade stürbe?

LAUDINE: Wir hoffen, daß die Jüngere der Nichten
Ihn nicht verschleißt in diesem Lanzenreiten,
Dann wird dies sicher Groll und Gram vernichten
Und auch der harten Dame Herz erweiten.
(Laudine und Lunete ab.)


Dritte Szene.

(Im Vordergrund warten die Ritter auf das Signal zum nächsten Lanzengang. Auf dem Podest Artus mit den feindlichen Nichten. Die Königin Guinevere tritt mit Gefolge auf.)

ÄLTERE NICHTE (zu Artus):
Die Ritter halten ein – was soll das sagen?
Den Leuen-Kasper dürstets nach dem Sande,
In meiner Sache allzulang zu tagen,
Bereitet Schmerz mir und dem Hofe Schande.

ARTUS: Der Kampf geschieht nach überkommner Sitte,
Nicht eure Hoffahrt ist dafür das Muster,
Drum überlegt euch künftig solche Bitte,
Ich bin nicht euer Wagner oder Schuster.

EDELKNABE (tritt an den König heran):
Mein König, hart im Richten und Verhandeln,
 

 

63
 
Zu stören zwingen mich Gehorsams Pflichten,
Ihr seht die Herrin in der Nähe wandeln,
Sie möchte Gruß und Huldwort an euch richten.

ARTUS: Dies kommt mir recht, da mir die Zornesader
Zu schwellen droht in Gängelein und Klagen,
Es tut mir gut, wenn zwischen Trutz und Hader
Ein Fraunherz wagt, ein Friedenswort zu sagen.

GUINEVERE:
Schirm dieses Lands und Bürge meines Glückes,
Ich seh euch früh gezäumt für Recht und Ehre,
Es wär ein Makel dieses Minnestückes,
Sagt ich euch nicht, wie sehr ich mich verzehre,
Daß sich da Fremde eigennützig drängeln
Um eure Stirn, sie vorschnell zu ergrauen,
Ich mag euch nicht mit meinen Sorgen gängeln,
Es bleibt mir, dem Gebete zu vertrauen,
Doch ließ der Herr es zu, daß mich Geschicke
In diesem Sommer wüst und hart bedrängten,
Daß wie bei einer Nonne sich die Blicke
Auf meiner Kammer blanken Boden senkten.

ARTUS: Der Himmel sei mir gnädig, wenn ich fehlte,
In Demut lausch ich eurem strengen Mahnen,
Dem Kriegsmann leicht geschiehts, daß ihn entseelte
Das Spiel der Schilde und der hellen Fahnen.
Drum sagt, was ich so schmählich übersehen
Im Raten und im Tun der reichen Pflichten,
Eur Wohl soll mir vor allem andern stehen
Und eure Sorg möcht ich sehr rasch vernichten.
 

 

64
 
GUINEVERE:
Euch ist bekannt, der Graf zum schwarzen Dorne,
Starb jüngst und so der Länderein Verwaltung,
Manch Unrecht hob sich aus vernarbten Borne
Und Schrecken kamen plötzlich zu Entfaltung,
Im Eichenhaine hauste gar ein Drache,
Was uns seit Altern nicht mehr vorgekommen,
Und auch ansonsten häuft sich manche Sache,
Die argtut den Geduldigen und Frommen.
Gar dunkle Brut entstieg dem Höllenfeuer,
Erstarkt und frech gebärden sich die Riesen,
Und in der Burg zum schlimmen Abenteuer,
Da schmachteten in finsteren Verliesen,
Dreihundert Damen aus den besten Kreisen,
Solch Schrecknis wagt kein Dichter zu erkiesen,
Er würde solche Stoffe von sich weisen.
Auch mein Gefolge ward hier nicht geschonet,
Die Gräfin, die mir sonst die Strümpfe bindet,
Nach der Befreiung bei den Alten wohnet,
Im Herz gebrochen und im Aug erblindet.
Sie sprach mir kaum von den erlittnen Qualen,
Doch hörte ich, die ältere der Nichten
Steht in dem Ruf, die Riesen zu bezahlen,
Die Schimpf und Schrecknis um das Gold verrichten.

ÄLTERE NICHTE:
Wer tölplig wagt, solch krudes Zeug zu dichten,
Der kenne meines Ritters Mut und Waffen,
Gleich Hyderhäuptern wuchern die Geschichten,
Ehs einer gilt, sie aus der Welt zu schaffen.

ARTUS: Schwer wiegt der Vorwurf, den ihr vorgetragen,
 

 

65
 
Auch wenn er nur gerüchteweis vernommen,
Ich mag in dieser Sache jetzt nichts sagen,
Doch werden wir gewiß noch dazu kommen.
Wir müssen erst die Klag zuende führen,
Der schon die ersten Lanzen sind gebrochen,
Wers wagte, uns den Riesenbrand zu schüren,
Sei ohn Verzug ein Urteil dann gesprochen.

GUINEVERE:
Ich will mich deinem Wohlerwognen fügen,
Doch schiens mir nötig, den Verdacht zu künden,
Ich glaube fest, daß Freveltat und Lügen
Vor deinem Schwert in harte Strafe münden.
Doch wärs mir ungeacht der Riesenschrecken,
Lieb, wich der König öfter dem Gemahle,
Dürft ich mal wieder den Vertrauten wecken,
Wär leichter mir die Suche nach dem Grale,
Denn Rittertum und Friedenstat der Krone
Sind gottlos, wenn sich Frauenherzen härmen,
Daß minniglich er bei der Huldin wohne,
Sollt immer auch des Königs Blut erwärmen.

ARTUS: Dies zuerkennend will ich bald zu Ruhe
Hier blasen lassen, daß in trauter Stille,
Ich unbeschaut zu eurer Freude tue
Und einzig für mich gelte euer Wille.

GUINEVERE: So ein Gesag behagt den Römerinnen,
Frau Minne seid ihr Diener ohne Tadel,
Solang in Adern solche Ströme rinnen,
Wird achten man und dienen auch dem Adel.
(Geht mit Gefolge ab.)
 

 

66
 
Vierte Szene.

(Laudine und Lunete kehren zurück. Fanfarenstoß. Die Ritter brechen wieder zwei Lanzen. Dann springen sie vom Pferd und gehen erhobenen Schwertes aufeinander zu.)

GAWAIN:
Im Lanzenreiten wird sich nichts entscheiden.
Drum möge unser blankes Eisen kosen,
Daß Streit nicht länger Fraun und König leiden,
Und wir uns Ehr und Untergang erlosen.

IWEIN:
Reicht eure Kraft, daß mir der Schild zum Fetzen,
So findet auch den Halbmond eure Klinge,
Die ältre von den Nichten wird es schätzen,
Daß euch der letzte Natterbiß gelinge.

GAWAIN: Was traut ihr euch, in Rätseln zu verflechten,
Wo mich der Halbmond mahnt an den Gefährten,
Ein Mutterblick wollt da mit Nattern rechten,
Wo Siegel das Verletzlichste bewehrten.

IWEIN: Verletzlich ist der Liebende im Bette
Noch ärger als die Reinliche im Bade,
Wenn Lieb Pelleas noch ein Stückchen hätte,
Wärs ihm um die Gelegenheit nicht schade.

GAWAIN: Ihr wißt um meine Liebesabenteuer,
Wie einer nur, dem ich die Schmach gestanden,
Drum seid ihr ohne Zweifel mein Getreuer,
Der sprach vom Mal an seinen Rippenbanden.
 

 

67
 
IWEIN: So ists, und ihr in fremder Eberlarve
Wart mein Geleit in frohn und harten Zeiten,
Doch soll allhie der Klingentanz, der scharfe,
Der Brüderschaft den Todestrank bereiten.

HEROLD: Die Streitenden, die Kläger und die Zeugen
Der König bis zum Mittag ruft zur Pause,
Eh eine der Partein sich hat zu beugen,
Der davor wie vor Schmach und Ungnad grause.

GAWAIN: Laßt uns zum König gehn und ihn befragen,
Ob da ein Ausweg sei im Bruderstreite,
Denn daß die Weisheit wüchs in solchen Lagen,
Hoff ehr ich, eh ich ganz ins Dunkel schreite.
(Mit Iwein ab.)

LUNETE (zu Laudine):
Nur kurz gebremst sind Schicksals Dornenwege,
Der Löwenritter ist des Tods schon inne.
Schwört mir, o Herrin, daß ihr ihm zur Pflege,
Daß er die Minnehuld zurückgewinne.

LAUDINE: Nicht nur, daß er sich königlich geschlagen,
Auch den geraden Sinn muß ich erhören,
Drum sei mirs ernst, dem Hoffen und dem Wagen,
Den Beistand bei dem Minneglücke schwören.

LUNETE: Geh vor den König um dies zu beeiden,
Daß Frohwort ihn erfrische im Gemüte,
Noch kann der Tag von Schmerz und Trübsal scheiden,
Drin sich Verzweiflung um das Recht bemühte.
(Laudine nickt. Lunete winkt Lanzelot herbei.)
 

 

68
 
Herr Ritter, bitte führt zum König diese Dame,
Sie sah den Kampf, der wogte lang und bitter,
Sie möchte, daß erlöst von seinem Grame
Und wieder heiter sei der Löwenritter.

LANZELOT: Ich werd Pelleas bitten, euch zu frommen,
Ich war zu lange fort, als daß sichs schickte
Nun gradenwegs mit fremder Sach zu kommen,
Eh mich der König selber ganz erblickte.
(Geht kurz zu Pelleas und kommt mit diesem zurück.)

PELLEAS: Ja, hohe Frau, Verwandte der Nimue,
Der ich zu jedem Dienste bin verbunden,
Wie Hermes flügle ich mir meine Schuhe,
Dem König eure Absicht zu bekunden.


Fünfte Szene.
Artus, die beiden Nichten, Frau Minne und der Löwe.

FRAU MINNE: Mir ist es Recht, zu allen Tageszeiten
Ganz unvermittelt Herzen, Höfe, Klausen,
Zu suchen und zu sprechen und zu weiten,
Und niemand weiß, wos mir beliebt zu hausen.

ARTUS: Ihr seid Frau Minne, die mir wohl bedeutet,
Die Mahnung meiner Gattin ernst zu nehmen,
Schon ward des Kampfes Ruhzeit eingeläutet,
Ich werd mich gleich in das Gemach bequemen.

FRAU MINNE:
Dies ist sehr löblich, weil die Frauenehre
 

 

69
 
Die höchste Zierde ist im Rittersaale,
Doch vorher ich noch einen Dienst begehre,
Der Lanzenbrecher mit dem Halbmondmale,
Hat mir mit seiner Klage um Laudinen
Im Eichenhage einen Kranz gewunden,
Daß es mir recht und billig war erschienen,
Euch sei ein Band vom Augenpaar entbunden,
Drum hört, was dieser Leu euch mag entdecken,
Vom Ritter, der an eurem Hofe streitet,
Ein neues Licht fall so auf diesen Recken,
Und eurer Weisheit Leuchtkreis sei geweitet.
(Geht ab.)

ÄLTERE NICHTE:
Hier geht es grade wie im Taubenschlage,
Hier tummeln sich die Schwätzer aller Kasten,
Ich glaube, ich vertändle meine Tage
Am Hof Utopias unter den Phantasten.

JÜNGERE NICHTE:
Ich weiß zwar nicht, wie dieses Stück soll enden,
Doch macht mir das Geflecht geringre Sorgen,
Als der zerbrochne Krug in meinen Händen,
Der mir vermiest den Frühtau heute morgen.
Es scheint, als seien Geister ihm entsprungen,
Die tanzen, daß da Blut und Schmerz vermieden,
In Jahr und Tag Frau Minne ward besungen,
Doch zeigte sie sich nie zuvor hienieden.

LÖWE: Ich bin ein König, doch ich beug mich gerne
Dem Großen, den Frau Minne mir gewiesen,
Wer deuten kann die Wandelspur der Sterne,
 

 

70
 
Der weiß, die Zeit der Drachen und der Riesen,
Neigt sich vor Altern, da sich Ritter beugen
Vorm Leuchten deß, der auf dem Eselsrücken
Befahl der Stadt, für Leid und Tod zu zeugen,
Und Lahmen sprach: Nun laufe ohne Krücken!
Noch unklar ist mir, wie sich diesem Zeichen
Das Reich der Tiere werde stelln und mählen,
Doch lockte mich der Glanz aus euern Reichen,
Auf dieser Seite Weg und Haus zu wählen.
So hab ich einem Ritter Treu geschworen,
Der euch wie keiner trefflich ficht und streitet,
Ich hab das Gold der Krone ganz verloren,
Daß er mit mir auf seinem Schilde reitet.
Er trägt die Lanze voller Gottvertrauen,
Bleibt Sieger vor den Riesen und den Echsen,
Doch wirkungslos sind Muskelkraft und Klauen
Vor bösen Müttern, uns bekannt als Hexen.
Denn wie Frau Minne sich ins Licht erhöhte,
Verbohrte sich ein Gegenbild im Schatten,
Zum Weiß des Schwanes kam das Gift der Kröte,
Und wo das Licht verfahlt, gehörts den Ratten.
Derselbe Pfeil, der flügelt Herz und Schuhe,
Läßt Neid und Ränke wuchern und verpesten
Das Licht des Himmels und die Waldesruhe,
Derweil sich Monster am Zerschlagnen mästen.
Die Minnen, die verschmäht und abgewiesen,
Begabt oft Gram mit bösem Mut und Stärke,
Drum ruhe uns die Sorgfalt stets auf diesen,
Daß sie nicht falln in unheilvolle Werke.
Es macht mir Kummer, da mein Herr da fechtet,
Obgleich Frau Minne nicht geweiht die Waffen,
Und todessüchtig mit dem Heile rechtet,
 

 

71
 
Als sei er zur Vernichtung ganz geschaffen.
Und diesen Dämmer kann allein Laudine,
Die euch an diesem Hofe ist zugegen,
Mit Licht, als ob die Mittagssonne schiene,
Ins Helle und ins Lebenswerte legen.

ARTUS: Der Tag entbehrte nicht die Warnerstimmen,
Mich dünkt, das alles im Zusammenhange,
Ich hoff, zur Lohe bäumt sich noch das Glimmen,
Daß der Erleuchtung harren wir nicht lange.
Das Wort des Tieres soll nicht dem Konzerte
Verloren sein, wo Flöte froh der Leier,
Was immer mir die Sicht ins Helle sperrte,
Ich ahn, daß sich schon bald erhebt der Schleier.


Sechste Szene.
Pelleas vor dem König, dann Laudine, Gawain, Iwein.

PELLEAS: Frau Minne seis verziehen, wenn ich störe,
Es geht um einen Ritter, hier am Streiten,
Daß euer Ohr ihr Hilfserbieten höre,
Hätt ich gern eine Frau euch zugeleitet.
Die Holderin ists vom verborgnen Quelle,
Die hier am Hofe weilt schon manche Tage,
Mir taugts, daß eurer Weisheit sich geselle
Das Fraunherz, bisher ungehört im Hage.

ARTUS: Gern hör ich an, was ihr zu sagen wichtig,
Wo sonst hier bloß die Klagen wiederkehren,
Sie nah, auf Fristen und Gewähr verzicht ich,
Geleite sie und führe sie in Ehren.
 

 

72
 
ÄLTERE NICHTE:
Was soll das werden, Aufschub, neue Zeugen,
Mir werden Last die endlosen Verhöre,
Man will mich, bis ich mürbe werd, beäugen,
Daß ich zuletzt mein gutes Recht verlöre.

PELLEAS: Ich bring zu euch jetzt ohn Verzug Laudine,
Sie wird in ihrer Sache selber sprechen,
Ihr Klägrin hofft, daß euch der König diene,
Es sei denn, euch führn Meineid und Verbrechen.
(Zurück zu Laudine):
O kommt, und sagt dem König ohne Sorge,
Was zu bekennen euerm Herzen Bürde,
Denn daß der Herr die Frauenweisheit borge,
Ihm Sitte nicht und Amt verbieten würde.

LUNETE: O Herrin, daß ihr froh dem Edlen frommet,
Schafft Ehre euerm Haus und allen Rittern,
Was immer da vergeht und was da kommet,
Solch hohes Tun kann keine Zeit verwittern.

LAUDINE (die schweigend mitgeht, zum König):
Heil, König Artus, Herr der Tafelrunde,
Von der in jedem Land die Dichter schwärmen,
Ich wünsch euch viele Sommer und gesunde,
Mög lang noch euer Herz den Hof erwärmen,
Ich weil seit manchem Tag an euerm Herde,
Weil mir daheim die Einsamkeiten bitter
Und eh mein Wort entsagt der Menschenerde,
Heb ich die Hand für euern Löwenritter.
Er ward von seiner Dame hart verstoßen
Und scheint mir an dem Gram noch zu erblinden,
 

 

73
 
Ich hülfe gern bei Niedrigen und Großen
Dem Ritter ihre Huld erneut zu finden.

ARTUS: Der Löwenritter ist hier grad zugegen,
Ich denk, daß eure Worte ihn wohl freuen,
Denn wenn wir seine Huld gemeinsam pflegen,
Solls künftig nicht noch heute mich gereuen.
(Er winkt Iwein und Gawain herbei.)

ÄLTERE NICHTE (zu Gawain, vor Zorn außer sich):
Was tut ihr mit bei tölpligem Klamauke,
Statt jenen Herrn schon längst vom Pferd zu stoßen,
Ein Irrenhaus fand ich in diesem Haugke,
Vom Weiten sieht mans, mit dem Aug, dem bloßen.

ARTUS: Grad sagtet ihr zum hohen Schwurgerichte,
Ihr wärt fast blind, so konnt die Jüngre rauben,
Nun heißts, ihr hättet tiefere Gesichte,
Als alle die hier mit dem König glauben.

ÄLTERE NICHTE (springt in plötzlicher Panik von dem Podeste in den Graben):
Hier ist kein Recht, hier sind nur Gichtgeplagte,
Die jämmerlich mein gutes Recht verhöhnen,
Mein König ist nicht jener Hochbetagte,
Der säuselt mit den Jungen und den Schönen.

ARTUS (der Pelleas von der Verfolgung abhält):
Laß sie doch ziehn, wir kommen so zum Rechte,
Und die zwei Kämpen, die sich trefflich stritten,
Sind dort, wo ich sie gern schon lange dächte,
Als beider Freund geehrt und wohlgelitten.
 

 

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GAWAIN (nimmt den Helm ab und kniet hin):
Mein König, ich war euer Ritter immer,
Ich fehlte, da ich in den Kampf gezogen,
Die Weisheit gab, daß dieser Kampf nicht schlimmer
Geführt ward um das Weib, das uns betrogen.
Vergebt mir, Herr, daß ich der Frau gegeben
Den Arm und all die Lanzen, die zerbrochen,
Ich knie und will mich nimmermehr erheben,
Bevor ihr euer Urteil habt gesprochen.

IWEIN: O König, laß mich für den Ritter bitten,
Er ist von edlem Mut und unverdächtig
Des Vorteils in den harten Kampf geritten.
Die Weiberlisten sind für uns zu mächtig,
Daß Unvermählte könnten frei erkennen
Und wären nicht im Urteil zu behexen,
Denn leichter ist, wenn rings die Bäume brennen
Im Giftgeloh der fürchterlichen Echsen.

ARTUS: Ich will nicht Gawain zürnen und nicht pönen,
Doch laß auch du, da hier dich Freunde grüßen,
Den Helm, daß wir uns freien Augs versöhnen,
Und länger nicht den bösen Irrtum büßen.

IWEIN: Ich heiße Iwein, Ritter einst der Runde,
Doch dann gefalln, dem Wahnsinn Lust und Beute,
Ich glaube nimmermehr, daß ich gesunde,
Denn meine Herrin weist mich ab bis heute.
Nur ihr allein gilt all mein Tun und Trachten,
Drum wärs mir lieb, ich wär im Kampf gefallen,
So werd ich noch im Liebesleid verschmachten,
In Tobsucht mittnachts auf den Zinnen lallen.
 

 

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ARTUS: Gemach, es schwor mir deine Herrin eben,
Sie hülf dir, die entzogne Huld zu retten,
So wird euch beiden jetzt ein neues Leben,
Der König selbst wird euch zusammenketten,
Ein neuer Bund von Brunnen und von Tafel
Sei heut in eurer Ehe hier geschlossen,
So hat der ältern Nichte Haßgeschwafel
Zuletzt noch edlen Wein für uns vergossen.
Doch eh ich euch bekränz mit meinem Segen
Will ich ein Weilchen heim in die Gemächer,
Es ist der Welt an Herrschern nicht gelegen,
Die nicht zu weigern wissen sich dem Becher,
Frau Minne warf ihr Tuch mir von den Zinnen,
Ich eile, daß ich mannhaft mich erweise,
Denn fahln vor Ritt und Rüstung Lied und Linnen,
Sind ihrer Mitte bar des Königs Kreise.
Es kann ein Herrscher nicht die Frauen ehren,
Wenn seine eigne schaut ihn aus der Ferne,
Drum will ich nun in meine Wohnung kehren
Und mich erneun im Ausschaun und im Kerne. (Ab.)

LAUDINE: Auch ich befolg das Urteil von Frau Minne,
Das aus des Königs Mund ward mir verkündigt,
Ich bin nicht mehr des bösen Grolles inne,
Der sprach, da sich mein Ritter hat versündigt,
Ich will den Treuschwur gern erneut vernehmen,
Jüngst konnte mich Nimue nicht erweichen,
Doch heut will ich mich gar zur Eh bequemen,
Und diesem Hof von meinem Brunnen reichen.

IWEIN: Dies ist fürwahr ein Gotteskampf geworden,
Nicht nur daß ich dem Leben und dem Glücke,
 

 

76
 
Im freien Tun ganz ohne Streit und Morden
Schlug Christus in das Heidentum die Brücke,
Verfügt Laudine sich den Sakramenten,
So wird der Born gewahrt im neuen Glauben,
So steht Natur nicht mehr im Abgetrennten,
Daß wir, die Menschen müssen sie berauben.
So werden nicht gelöscht die alten Runen,
Die frohe Botschaft macht sie nur noch wahrer,
Der Mensch wähnt sich nicht länger im Immunen,
Er sieht die Ganzheit offener und klarer.
Wenn wir uns binden und in Minne ehren,
So tauschen wir nicht nur die Weltenmuster,
Wir tauchen in die ungesprochnen Lehren,
Und auch die Stummen werden weltbewußter.
So wird erfüllt, daß Wotan hing am Baume
Wie Christus in des Opfers reiner Sendung,
Und unser Neid verflüchtigt sich im Schaume,
Denn unsre Zwietracht dankte sich der Blendung.