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DER ARME HEINRICH
MIRACULUM





Bist fremd du eingedrungen,
So fürcht Erinnerungen,
Sie stürzen auf Waldwegen
Wie Räuber dir entgegen.

Willst du im Walde weilen,
Um deine Brust zu heilen,
So muß dein Herz verstehen
Die Stimmen, die dort wehen.


LENAU   
 

 

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PERSONEN
BURKHARD, Graf von Hohenberg
HEINRICH von Aue, sein Sohn
ALBRECHT von Zollern
WULF, Meier
KONRAD, Stallknecht
MARGARETE, Magd
MARTHA, Kupplerin
SALERNUS, Wundheiler
ALFANUS, Einsiedler
GEIGER
PRIESTER

 

 

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PROLOG
BURKHARD: Der Autor dieser Mär von Gottes Gnade
Fands gut, zuerst Gebrechen zu kredenzen,
Blutunterlaufen schmerzt mich meine Wade
Und nur die Vögel singen mir von Lenzen.
Oft geht die Red, der Sprung, der löwengleiche,
Führ gradenwegs zur Ruh als Bettvorleger,
Und zeigt der Morgenspiegel eine Leiche,
So macht mich die Verzweiflung auch nicht reger.
Ich bin ein Mann, deß Tage auf der Erde
Gezählt, es ächzt und knackt an allen Kanten,
Ich trau mich nicht mehr durch das Tor zu Pferde,
Und fast ein Toter bin ich den Verwandten.
Den Bruder wirds nicht kratzen, denn geschieden
Sind wir schon lang im Streiten um die Gaue,
Den Kirchhof hab ich lange Zeit gemieden,
Daß ich nun heut fast täglich dahin schaue.
Mein Weib ist tot, mein Sohn ist abgehauen,
Die Herrschaft ist im höchsten Maß verkommen,
Des Bruders Erben kommen schon und schauen,
Ob mich der Herr noch nicht zu sich genommen.
Ich hab gestritten jung und voller Hoffen,
Doch mit dem Sohne ließ ich meinen Erben,
Mir schien das Schicksal lange frei und offen,
Doch nun heißts einsam und vergessen sterben.
Daß er noch käm, ich mag es nicht mehr glauben,
Als er noch jung, da gab es oft Gewitter,
Er stahl sich vom Turnier in seine Lauben,
Und mehr als Lanzen liebte er die Zither.
 

 

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Es ist nicht so, daß ich der Kunst Verächter,
Ich mag gern alte Weisen und Balladen,
Doch ist der Graf zuerst des Landes Wächter
Und folgt dem Falken eher als dem Raben.
Wenn sich die Jugend, statt den Zaum zu packen,
Verspielt in Grillen und in Tändeleien,
Da brauchts schon mal den harten Griff im Nacken,
Daß es nun Zeit, die Mehrerin zu freien.
Das väterliche Schelten oder Mahnen
Hat freilich ihn nicht aus dem Haus gestoßen,
Der Herrgott selbst durchkreuzte meine Bahnen
Und nahm dem Sohne alle Lust zum Großen.
Im Alter, da der Bursch zum Schürzenjäger
Allmählich wird, getrieben vom Geschlechte
Da ward ein Fluch des Unentschiednen Wäger
Und spottete der wohlgehegten Rechte.
Ein Aussatz nahm mit gelblich braunen Flecken
Dem Antlitz alles Liebliche und Helle,
Auf daß mein Sohn, sich selbst der größte Schrecken,
Verzogen hat ins Dämmerlicht der Ställe.
So ging das eine Zeit, bis das Gesinde
Zu witzeln anfing, eine Magd erschrocken
Ließ fallen ihren Krug und das Gebinde,
Und nur die Katz blieb unbeeindruckt hocken.
Da nahm mein Sohn die heißgeliebte Laute
Und einen härnen Beutel trockner Birnen,
Und ging davon, noch eh der Morgen graute,
Und seine Spur verlor sich in den Firnen.
Die besten Heiler hatt ich ihm gedungen,
Die Taler flossen wie vom Berg die Bäche,
Ob Kräuterhex, ob Alchymist, gelungen
War einzig und allein die fette Zeche.
 

 

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Dann sprach uns aus der Sarazenen Wüste
Ein Magier, wohlbewandert in den Sternen,
Wenns eine Jungfrau mit dem Leben büßte,
Würde das Gesicht gewiß zu trocknen lernen.
Gäb sie ihr Blut zu dem erhofften Heile,
Wär selben Tags das Antlitz rein und linden,
Nun fürcht ich, ging der Tor so manche Meile,
Am Weltenend die Törin aufzufinden.
Ihr Leute mögt es schauen auf der Reise,
Derweil ich mich in meinen Mauern gräme,
Zur Neugier bin zu alt ich und zu weise,
Doch arg wärs, käm zum Unglück noch die Häme.
Wies ausgeht, werd ich wohl nicht mehr erfahren,
Ich glaubt auch ehr, es ist schon ausgegangen,
Mein einzger Reichtum ist nun der an Jahren,
Und solch ein Wrack vermag kein Glück zu fangen.
 

 

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ERSTER AUFZUG
Eine schwäbische Meierei. Konrad striegelt eine Mähre.

Erste Szene
Wulf, Konrad.

WULF: Du mußt es tun. Es wird sich ungeheuer
Für alle auf dem Acker, auf der Weide,
Im Stall, im Brauhaus und am Schmiedefeuer
Auszahln und ganz besonders für uns beide.
Ich habe keinen herrschaftlichen Boten,
Doch Gott bedient sich gerne des Geringen,
Den falben Halm zum puren Gold zu schroten,
Dem Fürsten seinen Almandin zu bringen.

KONRAD: Ich kann die Rosse füttern, striegeln, reiten,
Dazu bin ich gewachsen und geboren,
Ich pfleg den Stall und weiß das Stroh zu breiten,
Doch bei Magistern hab ich nichts verloren.
Ich spreche deutsch. Latein ist mir wie Quaken
Der Frösche oder Federvieh-Geschnatter,
Ich schlief noch nie in einem weißen Laken
Und keine Hofburg zog mir je das Gatter.
Jenseits der Alpen haust mir die Legende,
Ich bleibe gern auf den gewohnten Pfaden,
Am Horizont ist jeder Wunsch zu Ende
Ich wollte nie im Weltenmeere baden.

WULF: Hat nicht das Mitleid uns der Herr gelehret?
Das Unglück unsers Prinzen jammert jeden.
 

 

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Was ist die Not, die dir den Dienst verwehret,
Du bist doch frisch im Reiten wie im Reden?

KONRAD: Ich denk, ich bin der rechte nicht, zu fahren
Ins Wunderland der Sonne und der Zauber,
Daß sich die Störche nach dem Süden scharen,
Wenn sie Herbstwind jagt, der Wald-Entlauber,
War mir seit je ein Sprechen aus Gefilden,
Die ferner als der Sensenmann am Raine,
Ich trag nicht Ehrgeiz nach den Forscher-Gilden,
Drum folge anderswer dem Sonnenscheine.

WULF: Und doch, du mußt! Ich habe meine Mittel,
Es scheint mir gar nicht not sie auszusprechen,
Bis Sonntag schaffst du schon ein Weges-Drittel,
Denn alles ist bereit, um aufzubrechen.

KONRAD (sehr langsam):
Wohl wahr! Ihr habt die Macht und auch die Laune,
Doch ists Gewalt und segensferne Sünde,
Trägt mich auch fort der Glänzende, der Braune,
Euch wird es reun, wie auch die tiefern Gründe.

WULF: Dies sei nicht deine Sach! Es ist beschlossen!
Salerno heißt das Ziel, du trägst das Siegel,
Das Gold dazu, drum reite unverdrossen!
Ich selber reich dem Herrn danach den Spiegel.

KONRAD: Nun also hebt das Haupt der alte Drache.
Er faucht. Ich werd am Gletscherrand verbluten.
Ich nehme Abschied vom geliebten Dache,
Ehs euch gefällt, noch ärgres zuzumuten. (Ab.)
 

 

200
 
Zweite Szene.
Wulf, Margarete.

MARGARETE (schleppt einen Eimer Wasser):
Dem Herrn sei Ehr und Wohlsein dem Herrn Meier!
Ist Konrad fort? Der stumme Peter nickte.
Mir scheint, der Himmel rüstet sich zur Feier,
Da er mir meine große Stunde schickte.

WULF: Jawohl, er ist grad eben pfeilgeschwinde
Zum Doktor nach Salerno aufgebrochen,
Nur Wochen noch, dann fällt die trübe Binde,
Ich denk, es wird, wie alles abgesprochen.

MARGARETE:
Ein guter Tag, bei mir brauchts kein Gegängel.
Ein heller Tag, so sagen mirs die Schwalben.
Wer etwas weiß vom ganzen Glück der Engel,
Der will nichts mehr vom irdischen und halben.

WULF: Der Himmel lacht im höchsten Wohlgefallen,
Auch wenn der Pfaff in unserm Dorf im Scheine
Der Sonne weiß die Fäuste nur zu ballen,
Denn seine Weisheit endet stets im Weine.

MARGARETE:
Er ist ein Kleingeist, der die großen Wunder
Des Heilands deutet wie die Spinnerinnen,
Er sinnt ums Rad und hofft, es liefe runder,
Die kleinste Münze sucht er zu gewinnen.
Ich denke, selbst im Heil, im Paradiese
Fänd er nicht Äpfel, sondern Preiselbeeren,
 

 

201
 
Ihn schauderts, daß ein Engel ihn erkiese,
So spricht der Kern der Erbsenzähler-Lehren.

WULF: Jawohl der Fromme brauch nicht den Stupiden,
Sein Heiland trägt das Kreuz nicht, ehr die Windel,
Der Sinn fürs Opfer ist ihm nicht beschieden,
Ochs, Esel spricht sein Herz und Krippenkindel.
Doch ist die Kirche mehr als Dorf und Pfaffe,
Die Schrift ist nicht als Ammensinn zu deuten,
Und daß der Mensch das Wandlungswunder schaffe,
Muß sich die Schlange manche Male häuten.

MARGARETE:
Wir wollen beten, daß auch ihn erwecke
Die Botschaft, die uns loht im Himmelszelte,
Daß er nicht mehr den Finger nach uns strecke,
Und auch die Mutter nicht mehr schimpflich schelte.

WULF (holt eine Münze aus der Hosentasche)
Fürs erste gib Frau Marten diesen Gulden
Und sag ihr Dank für deine gute Seele,
Wir wissen stets, was wir ihr alles schulden,
Und suchen, was zur ganzen Tilgung fehle.
(Ab. Margarete gießt das Wasser in eine Wanne.)


Dritte Szene.
Heinrich, Margarete.

HEINRICH: Gelobt sei Gott! Ein wunderbarer Morgen,
Vorbei die Nacht mit Zweifel und mit Bangen,
Die Lerche sagt uns nichts von Gram und Sorgen
Und möglich scheints, das Hehrste zu erlangen.
 

 

202
 
MARGARETE:
Wie schön, daß ihr so frisch und ausgeschlafen,
Ihr habt wohl Grund, den Morgen hochzuschätzen,
Der Konrad ritt im Kleide eines Grafen,
Die Mähre sprang mit Himmelsstürmer-Sätzen.

HEINRICH (unwillig)
Vom Arzt zu sprechen, mahnt mich an das Leiden,
Das wähnte ich gelassen in der Decke,
Nun kehrt es als das Bundesband uns beiden,
Daß ich es wieder scharf im Munde schmecke.

MARGARETE:
Seid traurig nicht, es ist bald ausgestanden,
Ihr werdet wieder prinzlich sein und heiter,
Und kam euch erst der Prüfungsschmerz abhanden,
Fragt niemand mehr nach eurer Jugend weiter.
Ich aber, der kein Erdenlos geworfen,
Das mich verpflichtet wie den holden Prinzen,
Mag unerinnert unter Stein verschorfen,
Wenn sich am Weiher langsam bräunt der Binsen.

HEINRICH: Das Wunder, das die Ärzte mir verprechen,
Es will mir nicht in reinsten Farben leuchten,
Fast scheint es mir, als kröche ein Verbrechen
In meine Seele mit dem Dunkelfeuchten.

MARGARETE:
Das glaub ich nicht. Es ist doch Gottes Wille,
Daß Niedres fall und sich das Hohe recke,
Was immer gilt, wenn auch in aller Stille,
Vollzieht sich auch, bringt mich der Schnitt zur Strecke.
 

 

203
 
HEINRICH:
Das mag wohl sein, doch was sich sonst natürlich
Vollzieht in einem großen Spinnennetze,
Erscheint dem Menschen also ungebührlich,
Erkühnt er sich, daß er die Zeichen setze.

MARGARETE:
Ihr irrt euch. Nicht ein frevles Überheben
Vollzieht uns das Miraculum des Heiles,
Das Land verlangt, der Erbe solls erleben,
Und denkt nicht an die Größe meines Teiles.
Daß ihr in diese Wirtschaft kamt geschritten,
War doch ein Wink, nicht etwa böse Listen,
Und daß ich selbst vom Lichte abgeschnitten,
Beweist genug des Herrn verfügte Fristen.

HEINRICH:
Wenn wir die Zeichen unsres Herrgotts deuten,
So streiten selbst in Rom die Kardinäle,
Und was dann fraglos bleibt den Kirchenleuten,
Weht blanken Hohn in unsre Rittersäle.
So ringen Papst und Kaiser um die Rechte,
Und Ost und West, und Ackerland und Städte,
Und besser scheints, eh man den Zank entflechte,
Daß man den Himmel nicht gedeutet hätte.

MARGARETE:
Nur selten ist das Wort des Herrn der Welten,
So klar wie hier, drum meidet die Bedenken,
Ihr werdet unserm Land noch groß entgelten,
Was euerm Mut die kleinen Leute schenken.
(Beide ab. Es wird ganz finster und wieder hell.)
 

 

204
 
Vierte Szene.
Heinrich, Salernus.

SALERNUS:
Dem Wohl des Herrn, der unsre Kunst gerufen,
Sei heut der Tag der allerschönsten Wende,
Erklommen hat die Müh die höchsten Stufen,
Nun bring ich das ersehnte Werk zuende.

HEINRICH: Der Tag ist fast so hell wie jener Morgen,
Da Konrad ritt, und auf der Stirn die Runzel,
Mir raunten in der Nacht die schwersten Sorgen,
Ich stieg am Haar, jedoch nicht zu Rapunzel.
Die Hexe Gothel stieß mit Hohn und Häme
Mein Augenlicht ins Dornicht, es zu nachten,
Und daß ich mich in meinem Aussatz schäme,
Reicht nicht ans Leid, daß solche Wunden brachten.

SALERNUS: Vertraut, wir sind in jeder Kunst erfahren,
Es schlossen Jud und Rom und Sarazene
Den Pakt, verstreuten Weisheitssinn zu scharen,
Daß uns das Hirn vertraut sei wie die Vene.
Wir kennen das Gebräu der scharfen Säfte,
Uns schreckt nicht des Vulkans geballtes Fauchen,
Wir bündeln Licht und alle Lebenskräfte
So gut, daß wir uns nicht den Fuß verstauchen.
Schaut an, wie reinlich blinkts in den Laboren,
Nicht speckig wie der Pfuhl der Dilettanten,
Wir bannen alle Krätze in den Foren,
Daß die Olympier wurden zu Verwandten.
Erkenntnis fühlt aus allem dumpfen Schmachten,
Das Schicksal, ein Gespenst, zog vom Kamine,
Was wir ersannen und zur Klarheit brachten,
 

 

205
 
Entschlackt nun einer freiern Menschheit diene.
Die Finsternis und banges Nägelkauen
Ist uns verhaßt, wir wollens hell und reinlich,
Und Schritt für Schritt vertreiben wir das Grauen,
Dies ward sogar dem Klerus augenscheinlich.

HEINRICH:
Ist Christ nicht feind, wenn alle Demut löste
Der forsche Griff ins Dunkle und Geheime?
Trägt nicht wie Babel jeder Schritt ins Größte
Zum frevlerischen Übermut die Keime?

SALERNUS: Wie es der Heilge Thomas hat gefunden,
Daß Gott dem Menschen hat Vernunft gegeben,
Daß er sie nutze wider Schmerz und Wunden,
So ist Vernunft das Innerste im Leben.
Gott mischt sich nicht mehr grob in die Geschichte,
Seit ihn der Mensch in solcher Weis verstanden,
Kein Schwefelregen macht die Stadt zunichte,
Wo sich Vernunft und Redlichkeit verbanden.
Weiß wies Labor, die Salben und die Linnen,
Ist die Magie, die nicht wie Hexenringe
Versucht des Mondes Anusschleim zu minnen,
Daß Dunkelheit sie bald darauf verschlinge.
Wir setzen nicht auf Heuchelei und Ränke,
Wir klären auf und leuchten in die Grotte,
Setzt so der Mensch sich auf die Sonnenbänke,
Wird die Vernunft zum eigentlichen Gotte.

HEINRICH: Ich hab das nicht in allem Sinn verstanden,
Auch ist mein Bangen innerst nicht geschwunden,
Doch seid berühmt ihr doch in vielen Landen,
Und also hoff ich selber zu gesunden.
 

 

206
 
SALERNUS:
Seid ohne Sorg, wie alles hier vom Feinsten,
Die Möbel, Instrumente und das Wissen,
Sind eure Wangen bald die Allerreinsten,
Und schöne Frauen werden nichts vermissen.
Ich geh ans Werk, denn ohne Scham und Säumen
Vollbringt der Arzt den Schnitt, der alles rettet,
Wir brauchen die Vollendung nicht zu träumen,
Ist unser Geist nicht mehr durch Furcht gekettet.
(Ab.)


Fünfte Szene.
Heinrich.

HEINRICH: Nun also seis. Die blinde Dirne findet
Des Licht der Engel und das Land den Erben,
Wenn solcherart sich Welt dem Heil verbindet,
Dann kann der Vater auch beruhigt sterben.
Mich reizt es, die Vollendung anzuschauen,
Ein Astloch in dem Tore zu der Kammer
Wird mir den ganzen Anblick anvertrauen.
Der Doktor schwingt wie Jove fast den Hammer.
Mit festem Schritt verband er das Tradierte
Und fügt sich dem Erkannten unverdrossen,
Ein neues Licht erstrahlt uns im Gevierte,
Wenn sich die Denker so zusammenschlossen.
(Er schaut durchs Astloch.)
Die Bluse knöpft sie auf, die blonden Haare
Hat sie zu einem hellen Kranz verflochten,
Und weiß wie Schnee ist ihre weiche Bahre,
Sie wird vom Alter fürder nicht befochten.
 

 

207
 
Sie stellt die Schuhe sorgsam in die Ecke,
Die Strümpfe streift sie leicht wie lenzne Winde,
Der Doktor ist bereit, daß er sie wecke,
Der Rock – ach, daß mir doch die Sehkraft schwinde!
Ich reib das Aug, so ist ja nicht zu fassen
Die Lieblichtkeit der aufgeblühten Wangen,
Fast muß ich Zeit und ihre Eile hassen,
Wenn strahlend ihre jungen Brüste prangen.
Sie legt sich hin, an Anmut nicht zu messen,
Sie schmiegt sich auf den Tisch wie die Liane,
O welch ein Bild! Wer könnte es vergessen?
Solch holder Mut, der siedelt nah am Wahne!
Sie öffnet ihr Lippen, um zu hauchen
Stoßweis, sie ist gerötet vor Entzücken,
Die Finger, fein und bald nicht mehr zu brauchen...
Hört sie die Engel schon mit ihren Glücken?
(Pause. Er sinnt und schaut.)
Die Klinge in des Doktors Hand mir blinzelt,
Sie schickt in Licht herum in alle Ecken.
O nicht ein Opfertier, das blökt und winselt,
Wie wächst der Mensch doch mit den hohen Zwecken!
Ein leichter Schnitt, Präludium uns zum Heile!
Ein rotes Rinnsal auf dem weißen Leibe,
So schön war nie ein Traumbild! O verweile!
Noch heftiger ich mir die Augen reibe.
Doch, ach, wird dieser Spiritus zu heftig?
Der Endlos-Schärfer uns verdirbt die Klinge?
Der Doktor, der mal sinnend, mal geschäftig,
Erscheint mir ein Fuchs in einer Schlinge...
Und böse Bilder nagen mir am Herzen,
Ich seh das junge Blut im Grab verrotten,
Die Würmer ihre weißen Schenkel merzen,
 

 

208
 
So wie ihr Kleid die fraßentschloßnen Motten.
O nein, die Kunst, die solchen Weg beschreitet,
Ist ganz verrucht und kann mir niemals frommen!
Drum sei dem Treiben rasch ein End bereitet,
Eh wir gemeinsam in die Hölle kommen.
(Er schreit laut, reißt die Tür auf.)
Schluß! Ende hier! Ich stehe und befehle,
Den Opfer-Spuk zur Gänze abzubrechen,
Wenn dieser Dolch noch näher kommt der Kehle,
So säum ich nicht, den Doktor abzustechen.
Ich zahle keinen Heller für die Bande,
Ich wende mich von diesem Teufelsbuhlen,
Ich melde dies als ketzerische Schande
Und laß verfolgen alle Magierschulen!
(Er geht ab. Es wird mit einem Schlag dunkel.)


Sechste Szene.
Alfanus, Konrad am Lagerfeuer.

KONRAD:
Das Recht ist blind und zu erraten schwierig,
Wulf jagte mich, den jungen Herrn zu suchen,
Die Höllen-Krater offen und begierig,
Ich werd nicht müd, mein Mittun zu verfluchen.

ALFANUS: Laß ab vom Hetzen, iß mit mir Forelle,
Ich hatte heute Glück bei diesen flinken,
Bei Wellengang ist Mitgehn mit der Welle
Das beste, um nicht hilflos zu ertrinken.

KONRAD: Ich hab gehorsam hergeholt den Schlächter,
Doch dann hat sich der junge Herr besonnen,
 

 

209
 
Nun aber stellt zur Rede mich der Wächter
Und meint, ich hätte den Verrat begonnen.

ALFANUS: Hast du ein reines Herz, so fürchte keinen,
Denn unser Herr läßt alle Teufel scheitern,
Und mußtest du bei einem Auftrag weinen,
So glaube mir, es gibt da keinen weitern.

KONRAD: Gehorsam schulde ich dem strengen Meier,
Die Magd lief in das Buhlhaus hinterm Haine,
Jedoch der Herr folgt einer kruden Leier,
Der ich mich keinen Deut gewachsen scheine.

ALFANUS: Der Meier harr gelassen seiner Ehren
Und acht, daß er nicht blöd dazwischenschieße,
Er lasse, was beschlossen ist, gewähren.
Nicht Öl noch Wasser in das Feuer gieße!

KONRAD: So will ichs tun und deiner Weisheit trauen.
Es kehre jeder brav an seine Stelle.
Der Herr der Welten wird auch kleinstes bauen,
Denn nicht die Größe macht den Geist der Welle.
(Ab.)


Siebente Szene.
Alfanus, Heinrich.

ALFANUS: Es fügt sich, was gerade erst versprochen,
Schon tretet ihr persönlich in mein Lager.
Ihr habt gewiß mein Abendmahl gerochen,
So kommt herbei, ihr wirkt gefährlich mager.
 

 

210
 
HEINRICH:
Ich bin verflucht von mörderischem Hoffen,
Ich spielte mit naiven Untertanen,
Ich sah die Hölle und den Eingang offen,
Drum sollst du mich zu Reu und Buße mahnen.

ALFANUS: Laß alles ruhn, den sündigen Gedanken
Verleihe nicht Gewicht durch Wiederkäuen,
Nutz deine Zeit, dem Himmelsherrn zu danken
Und dich an seinem großen Tun zu freuen.

HEINRICH: Was die Doktoren selbst und die Lakeien
Beschworen, mir den Aussatz fortzunehmen,
War ein Versuch, das Schicksal zu beleihen
Für den Moment, den sorgenfrei bequemen.
Wahrhafte Heilung ist nicht so zu zwingen,
Daß man mit Gleichmut laß das Opfer laufen,
Sie läßt sich nicht mit Witz und Macht erringen,
Sie ist mit Gold und Ländern nicht zu kaufen.

ALFANUS: Fürwahr, es gibt kein Lied sie anzulocken,
Doch kommt sie wie das Glück von ganz alleine,
Ein Frühlingswind zerbröselt Brand und Pocken,
Trennst du dich von dem Hochmut und dem Scheine.
Sei wahrhaft, Freund, und trenne dich vom Wahne,
Die Wohlgestalt sei Unterpfand des Glückes,
Dann folgst du einem vorbestimmten Plane
Und bist zugleich der Autor deines Stückes.
Denn alles, was zum Heil dir not und trächtig,
Liegt tief in deiner Seele, es zu wecken,
Sei niemals gramvoll oder übernächtig,
Der hellste Weiser ist der Wanderstecken.
 

 

211
 
HEINRICH: In welche Aue sollte ich mich wenden?
Ich lauf davon, so scheint es mir gefährlich,
Ich decke meine Augen mit den Händen
Und halte sie für tückisch und entbehrlich.

ALFANUS: So wechsle deine Richtung, wenn Entrinnen
Ist nicht der Weg, den dir das Herz gewiesen,
Es kommt die Kreuzung, deinen Stern zu minnen,
Dann weißt du auch, du wähltest stets nur diesen.

HEINRICH: So laufe ich zurück zu meinen Schwaben,
Allein, ich fürcht, ich werd vorüberwallen,
Und an der Kreuzung warten bloß die Raben
Gefräßig auf mein letztes Niederfallen.

ALFANUS: Geh nur zurück aus diesem tiefen Haine
Und dann verweil und leg zur Nacht dich nieder,
Das erste Haus am Wege sei das deine,
Dort findest du das Wort des Herzens wieder.
Denk immer dran: durchquer den Wald gerade,
Dann führt dich in die Au ein altes Pflaster,
Schaus erste Haus und sieh, daß man dich lade,
Und fürchte nicht um Stiefel, Wams und Zaster.

HEINRICH: Ich will versuchen, was ich nicht begreife,
Was dort geschehn soll, was mich dort erwartet,
Vielleicht zieht dort sich zu die Henkerschleife
Im Spiel, das mit den Knechten abgekartet?
Vielleicht auch steht dort eine dunkle Tränke,
Daß ich vergeß, was ich einst war und wollte,
Daß ich die Seele, die mir Last, verschenke,
Und auch das Schicksal, das mir immer grollte.
 

 

212
 


ZWEITER AUFZUG
Ein Holzhaus, man schaut in die Stube im Erdgeschoß. Überall Polstermöbel mit Kissen, die von rötlichen Ampeln beschienen werden. Man hört eine sentimentale Melodie und einige weibliche Seufzer. Zu sehn ist niemand.

Erste Szene.
Heinrich, Martha, Geiger.

HEINRICH: Dies ist das erste Haus an meinem Wege.
Verrucht scheints mir, grad alles riecht nach Sünde.
Undenkbar, daß ich mich hier schlafen lege!
Begreif den Weisen wer und seine Gründe!
Die Pforte offen, so als würd man warten
Auf späte Gäste oder nächstens Irre.
Nun also reih dich ein bei den Genarrten!
Frommt Klarheit nicht, so fromme mir das Wirre!

MARTHA (tritt im Kleid mit roten Rosen auf):
O junger Mann, nicht spät, ihr seid zu frühe,
Der Mond noch zagt, sich auf sein Roß zu schwingen.

HEINRICH: O macht euch keine Umständ, keine Mühe,
Mir hieß man, hier die Nachtstund zuzubringen.

MARTHA: Oja ganz recht, dies ist der rechte Hafen,
Vom Philosophen-Weltei ists das Gelbe,
Wer hier hereintritt, um sich auszuschlafen,
Der ist am Morgen nimmermehr derselbe.
Ich hole Wein aus meinem Felsenkeller,
 

 

213
 
Legt ab und laßt euch in das Polster sinken,
Ich war in meiner Jugend einmal schneller,
Ich hol auch Eier, weißes Brot und Schinken.
(Sie eilt davon.)

GEIGER (tritt mit ein paar Akkorden auf)
Ich spiele euch von allen Paradiesen
Und zeige euch die Harmonie der Sphären,
Der Zwerg wird im Gegeig zum Seelenriesen,
Ein größres Glück kann keine Kunst gewähren.
(Nach einem Vorspiel beginnt er zu singen)
Die Nachtigall singt niemals auf der Buche,
Sie schlägt die Lieder gern im Haselbusche,
Sie schweigt bei ihrer hoffnungsfrohen Suche
Und auch, daß niemand ins Revier ihr husche.

MARTHA (kommt zurück, der Geiger bricht ab)
Nun laßt euchs schmecken, laßt den Staub der Straße
Zerwehn wie einen schlechten Traum am Morgen,
Kaut gut und spürt wie sich in selbem Maße
Zerstreun die Kümmernisse und die Sorgen.

HEINRICH: Ich bin ein Pilger, krank und ohne Güter,
Es ist nicht recht, mich haltlos zu verwöhnen,
Am Ende grünt die Galle die Gemüter,
Daß ich nicht reich, die Kosten zu versöhnen.

MARTHA: Seid sorglos, daß wir böse Habgier zeigen,
Gebt, was ihr könnt entbehren und verwinden,
Uns ist nun mal die große Geste eigen,
Wir werden drum den armen Gast nicht schinden.
(Sie grinst beiseite zu dem Geiger hin.)
 

 

214
 
GEIGER (singt erneut):
Die Nachtgall singt niemals auf der Tanne,
Sie hält es lieber mit der Haselgerte,
Der Lauscher ward in dieser Nacht zum Manne,
Daß auch die Maid nur seufzend sich beschwerte.

HEINRICH (läßt den Geiger mit einer Geste verstummen):
Mir scheint, hier zieht ein Teufel die Register,
Mir schwant da Ärger, ein Skandal-Erwachen,
Der Schultheiß und selber der Minister,
Sie werden diesem Spuk ein Ende machen.

MARTHA: Was ist so arg, wenn ein paar nette Reime
Das Herz erfrischen und den Puls bewegen,
Es ist so einsam hier in meinem Heime.
Wollt ihr euch wirklich gleich zur Ruhe legen?

HEINRICH: Zu Ruhe? Ja, an Ruh ist nicht zu denken,
Hier geht es zu wie grad im Taubenschlage,
Ich wollte mich in mein Gebet versenken,
Weshalb ich keine Ballmusik ertrage.

MARTHA:
Nun gut, wir gehn, wenn wir euch unerträglich,
Wir warn bestrebt, den Abend zu vergolden,
Die Sehnsucht nach Musik erreicht uns täglich,
Denn alle Welt sucht nach dem nächtlich Holden.
Doch wer gehetzt, vermags nicht zu begreifen,
Der Wein wird euch auf weiße Wolken betten,
Und später werden weitre Wünsche reifen,
Ich möchte drauf mein Seelenheil verwetten.
(Mit dem Geiger ab.)
 

 

215
 
Zweite Szene.
Heinrich, Margarete.

HEINRICH:
Dies war zu viel. Was sind das für Manieren?
Grad so, als wollt sie mich im Sturm vernaschen,
Erst eins, dann zwei, am Ende wohl zu vieren?
Ich will mir erst mal meine Hände waschen.
(Geht zu einer Wanne und wäscht die Hände, lacht)
Grad so in Unschuld wie des Landes Pfleger?
Die haben Öl, als tropfte es vom Dache,
Niemals zuvor sah ich die Lampen reger,
Sie auszulöschen scheint hier niemands Sache.
Das rote Licht ist wohlfeil wie die Geige.
Ist dies ein Haus der Geister, der Dämonen?
Nun, irgendwann geht jede Nacht zur Neige,
Und besser ist es als im Wald zu wohnen.
(Man hört erst fern, dann näher die Geige.)
So furchbar ist sie nicht und das Gefasel
Gemahnt mich seltsam an die Kinderzeiten.
Was sang der Sänger vom Gedicht des Hasel?
Ich höre wen in meine Nähe schreiten.

MARGARETE (nicht zu sehen, singt mädchenhell):
Die Nachtigall singt niemals auf der Eiche,
Sie lockt das Glück auf einem Haselaste,
Wer lieben kann, der sorg, daß sie nicht weiche,
Wo Mond weiß, daß die Nacht zu kurz dem Gaste.

HEINRICH: Was ist das für ein selig sanftes Wiegen,
Gesang, der mich zersprengen läßt die Kruste,
Solch Streicheln könnte Drachengrimm besiegen,
Von solchem Singen ich bis heut nichts wußte.
 

 

216
 
MARGARETE:
Die Nachtigall singt niemals auf der Esche,
Sie zwingt die Hörer auf dem Haselzweige,
Heut tanzt die Maid, doch morgen gerbt sie Wäsche.
Wer wünschte nicht, daß sich die Stimme zeige!

HEINRICH: Oja, o komm aus deinen Finsternissen,
Und laß mich einen scheuen Blick erhaschen,
Du hast mich aus dem tiefen Schlaf gerissen,
Mit Gold bestreut, das nimmer abzuwaschen.

MARGARETE:
Die Nachtigall singt niemals auf den Rüstern,
Sie hat im Hasel Bühne und Zuhause,
Erst tönt sie hell und endlich wird sie flüstern,
Und wer sie flieht, bleibt ewig ein Banause.

HEINRICH: Ich liebe dich und fleh um Christi Leiden,
Komm aus dem Dunkel in die helle Stube,
Ich möchte meine Knechtschaft dir beeiden,
Solang die Sense nicht bestimmt die Grube.

MARGARETE (zeigt sich auf der Türschwelle)
Die Mutter sprach, ich solle prüfend schauen,
Ob alles sei dem Gaste angemessen,
Wir wollten längst das Haus hier größer bauen,
Doch die Dukaten sind rasch aufgegessen.

HEINRICH: So tretet doch herein, so rasch zu sagen,
Sind meine Wünsche nicht und meine Sorgen,
Ich dacht ja bislang nur an den Magen,
Auch ist kein Nachbar da, um was zu borgen.
 

 

217
 
MARGARETE:
Das tu ich gern, der Kelch ist leer, vom Weine
Nahmt ihr noch nicht genug nach diesem Staube,
Auch leg ich Holz nach, denn auf nacktem Steine
Hat auch das Feuer nimmer Mut und Glaube.
(Sie füllt den Kelch und legt Scheite nach.)

HEINRICH: Wer lehrte euch so singen, daß die Seele
Meint, alle Fesseln würden ihr zerspringen?
Ich hab nicht Scham genug, daß ich verhehle,
Ich hörte euch gern immer weiter singen.

MARGARETE (stutzt, dann verlegen)
Der Nachtigall hab ich gelauscht im Lenze,
Der Mensch, der singt, will ganz dem Vogel gleichen,
Und wirklich, dieser Wunsch bezwingt die Grenze,
Die Schwere bannt aus diesen Flügelreichen.
Ich werde gehn und unsern Geiger bitten,
Daß er mir wieder anstimm seine Weise,
Ich hoff, er ist noch nicht zu weit geschritten,
Denn nach dem Dorfe führte seine Reise.
(Sie geht hastig ab. Der Vorhang fällt.)


Dritte Szene.
Vor dem Vorhang.
Margarete, Martha.

MARGARETE:
Ich kann nicht, Mutter, jedenfalls nicht heute,
Ein Feuer flammt aus seinen seltnen Sprechen,
Als ob mich eine Bogenschützen-Meute
Beschöß, fühl ich die Pfeile mich durchstechen.
 

 

218
 
MARTHA: Drum grade! Ist dir Amor so gefällig,
Wird dieser Herr gewiß darob nicht knausern,
Schwärz dir die Wimpern, mach die Locken wellig,
Wir werden uns zu größtem Wohlstand mausern.

MARGARETE:
Er will Gesang. Ich muß den Geiger suchen.
Ich hoff, er schloß noch nicht den letzten Laden.
Er wird gewiß ob dieser Laune fluchen,
Und doppelt uns berechnen seinen Schaden.

MARTHA: Das ist doch Unsinn mit dem Geigenspieler!
Zeig unserm Gast die rechten Flötentöne!
Ich sah die Launen nahn und weichen vieler,
Doch bleibts dabei: der Mann begehrt das Schöne.

MARGARETE:
Wie soll ich singen und dabei noch flöten?
Wie soll ich lieben und dabei auch zocken?
Der Abend wird mich unausweichlich töten,
Willst du nicht aufhörn, mein Gemüt zu schocken.

MARTHA: Nun also gut. So lauf nach deinem Geiger,
Doch ihn zu wecken ist gewiß nicht sittlich.
Dabei bedenk, auch wenn der Turmuhr Zeiger
Dir unsichtbar, er schreitet unerbittlich.

MARTHA: Ja, Mutter, um den Musicus zu holen,
Ging ich der Meilen tausend allzugerne.
Du mußt verstehn: er hat es mir befohlen,
Das echon mir vom Himmel alle Sterne.
(Beide ab. Vorhang hebt sich wieder.)
 

 

219
 
Vierte Szene.
Heinrich, Martha.

MARTHA: Die Tochter ist ins Dorf hinabgeschritten,
Um unbedingt den Geiger herzuschaffen,
Ich hoff, sie wir nicht übereifrig bitten,
Sonst gibt es wieder Ärger mit dem Pfaffen.

HEINRICH:
Ich Narr! Was wollte ich der Bäume sechsten
Erfahren, der dem Hasel nicht gewachsen!
Um Kiefern, Fichten, Lärchen zu betexten,
Bricht sich das Kind zur Mitternacht die Haxen.
Dabei ists ihre Stimme, unbegleitet
Vom Reim und von der wohlgestimmten Geige,
Was mir die Lust der Engelsscharn bereitet.
Doch das zu sagen, war ich wohl zu feige.

MARTHA:
Erfahrne Fraun sich drüber niemals täuschen.
Doch seis! Der Umweg macht die Glut nicht schwächer.
Ich lobe mir den Wein. Bei diesen Räuschen
Gesellschaft mehrt, denn einsam mags kein Becher.
(Sie gießt sich ein und prostet Heinrich zu.)
Seid froh, die Liebe habt ihr heut gefunden,
Sie rast, ein Füllen, und ihr werdets zähmen,
Ihr werdet ihr in jeder Weise munden,
Sie wird sich solcher Dinge niemehr schämen.

HEINRICH:
Was redet ihr? Jedoch, ich kann nicht sagen,
 

 

220
 
Mir käm das alles völlig unvermutet.
Ihr seid das Ohr nicht, um darein zu klagen,
Wie sehr das Herz mir bange macht und blutet.

MARTHA: So lös euch Wein die Zunge und die Hände,
Doch hütet euch vor allzuvielen Bechern!
Er hat auch Kraft, daß er recht jäh beende
Das Spiel mit Kleidern, Ringen oder Fächern.
Ich geh hinauf, sie wird bald wiederkehren,
Ich möchte euer junges Glück nicht stören,
Ich werde meinen guten Schlaftrunk leeren
Und dann selbst den Weltuntergang nicht hören.
(Ab.)


Fünfte Szene.
Heinrich, Margarete.

HEINRICH: Die Kupplerin will nicht vergessen werden,
Wenn wer sich liebt, meint sie, sie hätts erfunden!
Was für ein Pech, daß dieser Platz auf Erden
Nicht einzger ist für süße Schläferstunden!
Doch wenn ich auch den frechen Anspruch pöne,
Es ist ihr Haus, drein mich Alfanus winkte.
Wer hätte auch gedacht, daß sich die Schöne
Bereithält, wo die rote Lampe blinkte?

MARGARETE (abgehetzt):
Umsonst. Es gibt kein Mittel, ihn zu wecken!
Er schläft, grad so, als lägen drauf Granite,
Nur eine Eule konnt mein Lärmen schrecken,
Vielleicht auch manchen, der bewacht die Sitte.
 

 

221
 
HEINRICH: Ach, hätt ich euch gehalten mit dem Arme,
Zwar ist Musik euch wohl wie alle Kleider,
Doch brauchts kein Überhöhn, wo eure warme
Gestimmtheit weckt im Engelschor den Neider.
Selbst wenn ihr schweigt, seid ihr die Violine,
Und seit ich euer blaues Aug getrunken,
Bin ich gar wie im Löwenzahn die Biene
In eine Sphäre aus Gesang versunken.

MARGARETE:
Ihr liebt die Bilder, deren Böden doppelt,
Und manches schreckt, was ich von weitem ahne,
Ich bin kein Has, der vor dem Jäger hoppelt,
Drum sagt: Was wollt ihr nun im Löwenzahne.

HEINRICH: Mir kam der Wille ganz und gar abhanden,
Ich bin so selig, daß ich nichts entbehre,
Ich falle und ich hoff, ich werd nicht landen.
Ein langer Faden ruft nach einer Schere.

MARGARETE:
Schaut wie der Mond sich grad vom Wolkenrande
Ins Offne löst zu ungebremstem Strahlen!
Zu solchen Künsten sind wir nicht imstande,
Wir können keine solchen Bilder malen.

HEINRICH:
Vollkommnes ist im Himmel und auf Erden,
Wir meinen oft, es fehlte dem an Dauer,
Jedoch die Zeit, das Zugpferd für das Werden,
Liegt einzig im Betrachter auf der Lauer.
 

 

222
 
MARGARTE:
Ihr meint, es wär nur unsre eigne Schwere,
Wenn Blumen welken und von Stoppelfeldern
Die Vögel fliehn, daß sich der Baum entleere,
Wenn der November hofhält in den Wäldern?

HEINRICH:
Es kann so sein, denn hinter allem Scheinen,
Mit dem wir unsre Dürftigkeit bedecken,
Kopfschüttelt Gott bei unserm dummen Weinen,
Denn nur am Saum berührn uns Schmerz und Schrecken.
Doch manchmal, wenn das Herz so voll und trunken,
Zerreißt der Schleier aus Verfall und Wechsel
Und läßt die Lippen in den Odem tunken,
Dem ich kein Bild aus dürren Versen drechsel.

MARGARETE:
Du singst und machst das Hören hell und selig,
Wenn mein Vibrieren kehrt aus deinem Lauschen,
Solch ein Gesang ist immer doppelkehlig
Und gibt sich nur im doppeltfrohen Tauschen.

HEINRICH (legt seinen Arm über ihre Schultern)
Dies ist der tiefste Auftrag, der dem Pfade
Zugrundeliegt, den wir durch Zeit mäandern,
Und er allein die Krümmung macht gerade,
Daß wir am Ziel von allem Welten-Wandern.

MARGARETE: Ich will dir ganz und unverzagt gehören,
Denn ich erkenn dich als seit je Bestimmten,
Ich kannte dich schon in den Engelchören,
Bevor die ersten Erdenwinter grimmten.
 

 

223
 
Sechste Szene.
Heinrich, Margarete, Geiger.

GEIGER: Der Abend spät, doch nie für meine Pflichten.
Ich hört die Herrin wohl und all ihr Flehen.
Doch ich vermocht den Riegel nicht zu richten,
Im Dunkeln war der Schlüssel nicht zu sehen.
Ich suchte einen Kien und etwas Zunder,
Auch war der Talg verkrustet in der Lampe,
Ich bin meist unterwegs, drum nehmts nicht wunder,
Wenn ich dabei in meinem Hausrat schlampe.

MARGARETE: Ja ja, das ist, das ist sehr schön und alle
Sind froh, daß ihr den Kien habt noch gefunden,
Bevor ihr grifft in eine Mausefalle,
Ich hoff, ihr habt die Knie euch nicht zerschunden.

GEIGER:
Nein, nicht der Red, nur blieb ich etwas säumig,
Ich hätte euch gerne durch den Hag begleitet,
Doch nun sei für Musik das Haus geräumig,
Und ohn Verzug das große Werk bereitet.

HEINRICH:
Mein guter Freund sag an, was sind wir schuldig,
Fürs Aufstehn, Wirrnis, Weg und Wiedergehen,
Es tut mir leid, wir waren ungeduldig,
Doch wie er kommt, der Wunsch liebt das Verwehen.

GEIGER: Ihr haßt mich, Herr, solch widerliche Kette
Von Aufruf und Zurückgewiesen-Werden
Erträgt nicht mal ein Dickhornschaf, ich wette
 

 

224
 
Dies reizte eine Maus zu Drohgebärden.
Wir Künstler wissen wohl, daß wir verachtet
Wie sonst nur Diebe oder Mordsgesindel,
Und was ihr uns zu überlassen trachtet,
Wär von dem Dach nicht mal die kleinste Schindel.
Ihr wollt, daß wir die Träume euch erwecken,
Dann sorgt ihr euch, wir könnten uns vergucken,
Und ihr verbannt uns mitleidlos wie Zecken,
Ist euch zumut, recht gut zusammzurucken.
Ich spuck auf eure schäbigen Dukaten,
Daß ihr euch freikauft, werde ich nicht dulden,
Euch ist der Beutel viel zu klein geraten,
Denn unbezahlbar drücken euch die Schulden.
Gott wird es richten, daß ihr mich zu schinden,
Die Heiligkeit der Christenruh geschändet,
Die Heilige Cäcilia wird euch finden,
Dann wird der Hochmut dauerhaft beendet.

HEINRICH:
Das seht ihr falsch, nicht eure Kunst zu pönen,
Bat ich um Abschied nach dem großen Hetzen,
Es steht mir fern, den Advokat des Schönen
Wie einen Hofhund vor die Tür zu setzen.
Nur manchmal sind die Kurven unsres Lebens
Abrupt und schroff und wie aus eitler Bläue
Verkehren sich die Richtungen des Strebens
Und kennen nicht die Heiligkeit der Treue.
Ich habe in der Stunde eurer Rüste
Gefunden, was ich suchte lange Jahre,
Glaubt nicht, daß ich von eurem Schmerz nichts wüßte,
Ich wähnte, daß er bleib mir bis zur Bahre.
 

 

225
 
GEIGER: Nun ja, ich nehms schon ruhiger und linder,
Was ihr da sagt, ward mir schon oft beteuert,
Der Weiser wurde nicht gemacht zum Finder,
Sooft er auch den rechten Weg erneuert.
Ich will als guter Christ die Schmäh vergeben,
Doch euerm Geld werd ich mich nicht bequemen,
Ich hoff, wir sehn uns nicht erneut im Leben,
Beim Freund bevorzug ich den angenehmen.
(Ab.)


Siebente Szene.
Heinrich, Margarete

HEINRICH: Ein hartes Wort belastet unsre Liebe.
Was mußte ich so unwirsch ihn bestechen!

MARARETE:
Die Schuld getrost auf seinen Eifer schiebe,
Verteidigung ist niemals ein Verbrechen.
Ich muß dich anschaun, Liebster, komme näher,
Ich will dich ganz im Innersten begreifen,
Wie Zirbenzapfen für den Eichelhäher,
Ist mirs, durch alle Windungen zu streifen.
Sie greift ihm mit gespreizten Fingern ins Gesicht, befühlt alle Partien, während er die Augen geschlossen hat.)
Du bist so schön. Grad wie ich träumend dachte,
Die Brauen herrisch, und die Nas noch kecker,
Doch als der Herr dir deine Lippen machte,
Da war der Apfel nicht nur süß und lecker.
Ein leises Weh, das nicht zu unterdrücken,
Zieht beide Winkel hart und mischt ins Linde,
 

 

226
 
Ein Warnwort, das mein taumendes Entzücken
Zum Ranken macht wie eine Trichterwinde.
Denn ich gewahr nicht schattenfreie Größe,
Du hast gelitten und das Leid bezwungen,
Ich glaub, dies bringt mehr Segen in die Schöße
Als pures Gold, das ohne Dämmerungen.

HEINRICH:
Du bist verliebt, drum siehst du, was zu sehen
Du wünschst und nicht die Pusteln und die Flecken,
Ließ nicht dein Herz die Nüchternheit vergehen,
Du würdest vor der kranken Haut erschrecken.
Doch will ich nicht von meinen Narben sprechen,
Und Dunkles mischen in die hellen Worte,
Es redet nimmermehr von den Gebrechen
Der Adler, der gelandet ist im Horte.
(Er küßt sie lang.)

MARGARETE:
Wie ist mir? Dieser Kuß, ach, diese Lippen,
Vom Lebensborn zu trinken ist nicht holder,
Ich spür die Bank, die Hüttenwände wippen,
O meines Himmels trunkener Vergolder!
(Sie springt auf, schlägt sich die Hände vors Gesicht.)
Es ist so hell, so lohend wie im Feuer,
Die Dinge stürzen auf mich ohne Gnade!
Weh mir! Der Ansturm ist so ungeheuer!
Ich glaub, ich nutz die Wanne mir zum Bade!
(Sie springt mit den Händen vor Augen ins Wasser.)

HEINRICH:
Was tust du, Gretchen, ist dir schwarz vor Augen?
 

 

227
 
MARGARETE: Nein heller als es je zuvor im Leben.
Ich wußte nie, wozu die Wimpern taugen,
Jetzt weine ich und will mich nicht erheben.

HEINRICH:
Komm aus der Wanne, laß dich trocken reiben,
Eh du mir frierst und krank wirst an dem Eifer,
Du mußt, mein Engel, mir erhalten bleiben,
Denn meinen Sommer macht kein Tag mehr reifer.
(Er holt ein großes rotes Tuch und umschlingt sie.)

MARGARETE (lächelt):
Nun muß ich wohl die nassen Sachen lassen.
Es ist so hell. Ich will mich selber sehen.
Such nebenan den Spiegel dir zu fassen!
Ich denk heut gar nicht dran noch auszugehen.
(Heinrich ab. Sie läßt unter dem Tuch die Kleider fallen.)

HEINRICH (kommt mit dem Spiegel):
Was willst du anschaun, meine wilde Liebe?

MARGARETE:
Ich war von klein auf blind und ohne Sonne
Und dachte stets, daß dies mir immer bliebe,
Nun freue ich mich an der eignen Wonne.
Dein Kuß vollzog die unverhoffte Wende,
Mir wurde feurig heiß und angst und bange,
Jetzt nehm ich ohne Scheu hinweg die Hände,
Und schau dich anders, doch vertraut schon lange.

HEINRICH: Als blindgeboren konntest du nicht wissen,
Daß mich der Aussatz ekelhaft entstellte,
 

 

228
 
Nun wirst auch du vom Drachenzahn gebissen,
Und alle Liebe wandelt sich in Kälte.

MARGARETE: Was redest du? Es lacht gesunde Röte.
Frag diesen Spiegel, ob ich dich belogen!
Du atmest rein. Daß mich der Blitzschlag töte,
Verlang ich, zeigt der Prüfer dich betrogen.
(Sie hält ihm den Spiegel vors Gesicht.)

HEINRICH: O weh! Die Wunder jagen ihresgleichen.
Es ist ein Traum, Alfanus wird mich wecken.
Doch wenn auch! Die mir solche Krüge reichen,
Sie sollen auch den heimlichsten entdecken.
Wer so beschenkt wird wie wir beide heute,
Der nimmts und läßt im Kelche keine Neige,
Eh morgens mürrisch kommen fremde Leute,
Den ganzen Reichtum deines Leibes zeige!
(Er umschlingt sie wild und küßt sie. Das Licht auf der Bühne wird langsam schwächer und erlischt ganz. Nach einer Weile hört man wieder die Geige.)

MARGARETE (singt):
Die Nachtigall singt niemals auf dem Baume,
Der nicht der Hasel, denn dort kommt der rechte,
Wenn du ihn einmal angeschaut im Traume,
So hoff und harr, daß ihn der Himmel brächte.
Dir ist bestimmt ein Los, ein Heil, ein Friede,
Und alles kommt zusammen mit der Minne,
Drum singe stets, erkenne dich im Liede,
Darin sichs reimt am End und am Beginne.
(Vorhang fällt.)
 

 

229
 


DRITTER AUFZUG
Das Bühnenbild wie im zweiten Aufzug. Es ist heller Morgen.

Erste Szene.
Martha, Albrecht.

MARTHA: Es ist zu glauben nicht und nicht zu fassen,
Ein großer Segen kam in meine Stube.
Da sag noch wer, sie wäre gottverlassen,
Ein Sündenpfuhl und eine Mördergrube.
(Eine Glocke wird geschlagen.)
Die Tür ist unverriegelt und im Zimmer,
Bin einzig ich, die Herrin dieser Klause,
Geehrtet ist der hohe Gast hier immer,
Und heut ists ganz besonders froh im Hause.

ALBRECHT (tritt auf):
O meine Treu, allein und frohen Mutes,
Ich hoff, es geht dem Kind wie immer prächtig,
Ich bin in Eil, darum nicht bar des Hutes,
Die Last des Staates macht mich übernächtig.
Ich bringe dir die wohlverdiente Rente,
Dann muß ich wieder allzurasch entschwinden,
Denn seit sich das Geschlecht in Linien trennte,
Ists schwer, die Lust mit Nutzen zu verbinden.

MARTHA: Halt ein, die frohe Botschaft zu vernehmen!
Dein Kind ward sehend. Gottes große Gnade
Goß Rot und Blau und Grün in blasse Schemen
Und wandelte ihr das Gesicht beim Bade.
 

 

230
 
ALBRECHT:
Wärs möglich denn? Des Herren krumme Wege
Den Weisen überführen als den Toren!
Wer hoffte je, daß sich das Übel lege?
So hat sie ihre Blindheit doch verloren!

MARTHA: Dies wär der rechte Augenblick zu zeigen
Welch hoher Herr der Vater dieser Schönen,
Ich hoff, euch ist Gerechtigkeit zu eigen,
Sich heute mit dem Schicksal zu versöhnen.

ALBRECHT: Dies würde sie verwirren und erschrecken,
Sie steht im Alter, einen Mann zu finden,
Da bleib sie frei vom Hof und seinen Zwecken,
Sie soll sich ohne Politikdruck binden.
Was mir verwehrt war und nur im Geheimen
Geschehen konnt, hab sie mit gut Gewissen,
Kennt sie den Vater, wird sie sich was reimen,
Viel besser wärs, sie würde nichts vermissen.

MARTHA:
Ich glaub, sie hat den Liebsten schon gefunden,
Ein feiner Herr, der gut verschweigt den Namen,
Doch mein Geschäft schaut gut auf seine Kunden,
Drum glaubt nicht, daß wir nicht dahinterkamen.
Ein Taschentuch, das achtlos fortgeschmissen,
Ich fand es auf dem Weg zum Felsenkeller,
Ein Wappen ließ mich nicht im Ungewissen.
Ich lachte, es er sprach, ihm fehlten Heller.

ALBRECHT: So kann ich also bald vorüberbringen
Das Gold, das ich gehegt für diese Stunde,
 

 

231
 
Seh ich die beiden vorm Altar mit Ringen,
So bring ich von der Vaterschaft die Kunde.
Doch jetzt, o Martha, muß ich wirklich eilen,
Die Kutschenpferde reiben sich die Hufe,
Ich werd mich in der Sache noch zerteilen,
Jedoch zuerst nach einem Priester rufe.
(Eilt davon. Der Vorhang fällt.)


Zweite Szene.
Vor dem Vorhang.
Priester, später Heinrich.

PRIESTER: Das Haus am Wald, es ist ja für die Sünde
Recht gut plaziert, so fern von meinen Schafen,
Denn wenn es mitten grad im Dorfe stünde,
Dann könnten auch die Frömmsten nicht mehr schlafen.
Wir an der Kirche, jene bei den Tannen,
Das könnte gutgehn, gäbs nicht Übergriffe,
Und wenn die ein gewisses Maß gewannen,
So wird es ungemütlich in dem Schiffe.
Der Orgelspieler geigt auch manchmal draußen,
Ich bräuchte das nicht unbedingt zu wissen,
Doch wenn da Boten nachts durch Gassen sausen,
So wird der Schlaf vom Stechinsekt gebissen.
Ich kann nicht dulden, daß die Sündenkuhle
Grad wie Frau Percht die Grenzen überschreitet,
Da fordert wer den Geiger für die Buhle,
Und schon wird meine Herde fehlgeleitet.
(Er stößt an ein Seil, schaut nach oben, und bemerkt verwundert, wie Heinrich zu ihm herabgleitet.)
Der Morgen, junger Mann, ist voller Wunder,
 

 

232
 
Ich dachte doch, im Haus gäbs eine Stiege,
Erscheint euch solch ein Auswärtsgehn profunder
Oder kommt Scham nun auf nach leichtem Siege?

HEINRICH: Herrschaftlich ist Besuch im Erdgeschosse,
Drum hab ich diesen Ausweg vorgezogen,
Wo hohe Leut verhandeln mit dem Trosse,
Ist man dem Störer keineswegs gewogen.

PRIESTER:
Ihr macht mich lachen. Von dem hohen Berge
Seid ihr der Prinz. Ist drin etwa der Kaiser?
Heut halten sich die Landesherrn für Zwerge,
Ich glaub, ich werd in dieser Welt nicht weiser.
Doch sagt mir, eure Krankheit ist geschwunden,
Wer hat gefunden das gesuchte Mittel?
Ihr habt euch hoff ich nicht erneut verbunden
Mit diesem Satan in dem weißen Kittel?

HEINRICH:
Da sei Gott vor. Der Aussatz ist geschwunden,
Als ich die Liebe traf in diesem Hause.
Ich merkt es nicht, doch plötzlich warn die Wunden
Verflogen wie ein Kater nach der Sause.
Doch größres noch hat Gott im Liebesglücke
Vollzogen, denn der Wirtin blindes Mündel
Ward sehend, um zu schauen, was mich schmücke,
So ward aus einem Glück ein ganzes Bündel.

PRIESTER:
Bei solcher Botschaft kann ich kaum noch schelten
Die Kupplerin für nächtliche Exzesse,
 

 

233
 
Mein Sprengel wär die beste aller Welten,
Vollzög sich solches einmal bei der Messe.
Ich werde schaun, was dieser Tag noch bringe,
Euch rat ich, nicht zu weithin fortzuwandern,
Denn mir erscheints, als lös sich eine Schlinge,
So findet endlich jegliches zum andern.
(Beide ab.)


Dritte Szene.
Martha, Priester.

PRIESTER: Gott sei gelobt. Ich hörte von dem Segen,
Der unvermutet auf das Haus gefallen,
Fanfare sei er, fleißge Hand zu regen
Und abzusehn vom Sündigen in allen.

MARTHA: Das Wort zum Sonntag! Ich erführe gerne,
Wie möglich sei die Ehre ohne Hunger,
Euch ist gewiß die Nachricht nicht so ferne,
Daß ich zum Spaß am Waldesrand nicht lunger.

PRIESTER:
Das Kind ward sehend und der Prinz gefällig.
Vielleicht, daß sich die Brüder nun versöhnen?
Ihr glaubt es nicht und zeigt die Stirn mir wellig.
Meint ihr, die Welt sei einzig Leid und Stöhnen?

MARTHA: Der Albrecht will die Vaterschaft bekennen
Wenn ihr in Christo habt getraut die Liebe,
Den Bruder einen Lügenbold zu nennen,
Wird er wohl fortfahrn und mit all dem Kriege.
 

 

234
 
PRIESTER: Nun holt zuerst im ungewissen Tanne
Den Flüchtling, der hier besser aufgehoben,
Dann haut ihr etwas Gutes in die Pfanne,
Den Abend sollt ihr wie den Morgen loben.
Verlaßt euch auf den guten Diplomaten,
Ihr kümmert euch um die verliebten Kinder,
Ich werd indeß die Hofkanzlei beraten,
Denn hohe Kunst erfordert dies nicht minder.

MARTHA: Ist Grete denn allein in ihrer Kammer?
Ich meinte doch, die könnten sich nicht trennen!
Was in der Welt verfügte ihm den Jammer,
Wie ein Verbrecher in den Wald zu rennen?

PRIESTER: Die Grete hatte Furcht vor euerm Gaste,
Das hat sich auf den Schatz wohl übertragen,
Er floh am Seil, wo ich ihn fast verpaßte,
Als ging es ihm gefährlich an den Kragen.
Doch denk ich, er ist gar nicht weit gegangen,
Ich hab zerstreut die finsteren Bedenken,
Euch wird es leicht, ihn wieder einzufangen,
Ihm Stunden mit der jungen Braut zu schenken.

MARTHA: Nun gut, so seht, was ihr bei Hofe richtet,
Ich kümmer mich und geh so ich im Wege,
Wie seltsam ists, wenn sich ein Vorhang lichtet
Und man sich fühlt, als wärs in höchster Pflege.

PRIESTER: Gelobt sei Gott. Ich komme heute wieder.
Es ist kein Wahn, die Zeichen ernstzunehmen,
Wer ging vorbei und blickte gar nicht nieder,
Den zeih ich, unsern Heiland zu verfemen. (Beide ab.)
 

 

235
 
Vierte Szene.
Heinrich, Margarete, Martha.

MARTHA: Was findet ihr an den Versteckensspielen?
Ein Glück, der Priester kam vorbeizuschauen.
Er widmet sich Verpflichtungen gar vielen,
Doch kommt er bald, das junge Paar zu trauen.

HEINRICH: O weh, mein Vater wird es nicht ertragen,
Daß ich getraut so abseits seiner Halle,
Er wird mal wieder von dem Bruder sagen,
Der hab gebastelt diese böse Falle.

MARTHA: Der Priester kümmert sich um all die Dinge,
Derweil er meint, es sei von Gott beschlossen,
Drum glaubt, daß ihm das Kunststück wohl gelinge,
Und liebt euch währenddessen unverdrossen.

MARGARETE: Ja lebenslang geliebt an deiner Seite?
Ich bin ein Mädchen von geringem Stande,
Ich fürchte doch, es kommt zu bösem Streite,
Wenn du der Graf bist irgendwann im Lande.

MARTHA: Um deinen Stand mach dir geringe Sorgen,
Mir sind die Lippen da zwar fest verschlossen,
Doch möglich scheints, daß du erführst bis morgen,
Daß du geborn auf deutlich höhern Sprossen.

HEINREICH: Ach Grete, dies ist alles null und nichtig,
Wir sind von Gott getraut bis zum Gerichte,
Das Herz allein erkennt die Dinge richtig.
Was kümmert uns die äußere Geschichte?
 

 

236
 
MARGARETE: Ich wills ja glauben wider alle Regel!
Kaum kann ich sehn, schau ich den schönsten Helden!
Hochwasser im Gefühl sagt mir der Pegel,
Hochzeit die Glocken weithin schwingend melden.
(Sie fällt Heinrich um den Hals.)

MARTHA: Ich geh derweil ein bißchen in den Garten,
Zu lange steh ich säumig schon im Zimmer,
Das Unkraut läßt gewiß nicht auf sich warten,
Und Arbeit ruft die Müßige doch immer.
(Ab.)

MARGARETE:
Ich hab mein Kleid für diese unsre Stunde
Wohl fertig und ich möcht es gern dir zeigen,
Daß du erkennst, daß ich bereit zum Bunde,
In welchem ich mit Haut und Haar dein eigen.

HEINRICH:
O Grete, ach, mir schwinden fast die Sinne,
Denk nur, ich darbte gestern voll Verzagen,
Doch glaube mir, was ich mit dir beginne,
Daß wird uns weiter als der Westwind tragen.
(Margarete macht sich los und geht ab.)
Was sind das doch für seltsam tiefe Wogen,
Die uns erheben und, wer weiß es, stürzen.
Doch selbst wenn überdehnt zerbräch der Bogen,
Ich würde meine Spannkraft niemals kürzen.
Ich war mir nie so sicher im Betonen,
Daß diese Wahl die rechte und gemäße,
Allein in diesem Herzen will ich wohnen,
Und ohne Reiz sind andere Gefäße.
 

 

237
 
MARGARETE (kommt im Brautkleid):
Nun schau mein Ritter, ob ich dir gefalle,
Ob du dich schämen müßtest vor den deinen,
Ich ständ viel lieber auf der Burg, dem Walle,
Dort könnt ich dir als Traumgesicht erscheinen.

HEINREICH:
Die hohe Minne braucht nicht Requisiten,
Doch dieses Kleid, aus Feenstaub gewoben,
Hätt mich, wär ichs nicht ohnehin, erstritten
Und jedem Maß der Sterblichkeit enthoben.
(Er hebt sie auf und trägt sie im Kreise.)


Fünfte Szene.
Heinrich, Margarete, Albrecht.

ALBRECHT:
Ich seh, der Priester hat mich nicht belogen,
Weshalb ich mich dem großen Wunder beuge,
Ich bin persönlich in den Wald gezogen,
Auf daß ich sei der Liebesheirat Zeuge.

HEINRICH:
Welch unverhoffter Gast? Daß ich mich füge
Nicht Plänen, Strategien und hohem Rate,
Ruft Prominenz zu Mahnung nicht und Rüge?
Der Onkel wird dem Liebeskind der Pate?

ALBRECHT:
Sehr gern und glaub, was Gott mit dir beschlossen,
Ist segensreicher als ein andrer Rater,
 

 

238
 
Vollzög sich dies mir nicht als Zeitgenossen,
Ich hielts für überzogenes Theater.

MARGARETE:
Noch fehlt mir zum Verständnis jene Leuchte,
Die Marthas Wink verschwiegen angedeutet,
Jedoch mein Ohr ein solches Trumm nicht bräuchte,
Weil ihm die große Kirchenglocke läutet.

ALBRECHT:
Der Priester wird schon bald des Amtes walten,
Er sprengte fort, noch Burkhard herzuschaffen,
Wo Jugend liebt, da wollen auch die Alten
Die Bande, die zerknittert wurden, raffen.

HEINRICH: Dein guter Wille ehrt dich ohne Frage,
Doch Onkel glaub, ich kenn den Vater besser,
Seis in der Nacht und seis am hellen Tage,
Er wetzt in Feindschaft wider dich das Messer.

ALBRECHT:
Sei nicht zu hart mit meinem Bruderherzen,
Die Sorge, das Geschlecht droh auszusterben,
Bereitet ihm die allergrößten Schmerzen,
Er meinte stets, mir ging es nicht um Erben.
Ich hatte meine Lieb geheimzuhalten,
Dies schuf mir böses Wort und auch Gerüchte,
Doch Gottes großes gnadenreiches Walten
Hat es gefügt, daß ich nicht länger flüchte.

HEINRICH: Geheimnisreich ist oft des Menschen Wille,
Er setzt verborgne Zeichen, sät ins Dunkel,
 

 

239
 
Und ruht das Ohr in Harmonie und Stille,
Da leuchtet aus dem Kräuticht ein Karfunkel.
Die Liebe weiß die Erde aufzusprengen,
Daß komme, was da schlief für beßre Tage,
Sie scheint dir oft die Finger zu versengen,
Doch wider sie mit keiner Faser klage.
Mir ist das Glück in höchstem Maß begegnet,
Ich muß mein Herz nicht mehr zusammenklauben,
Doch daß der Herr die Bruderbande segnet,
Will ich nicht mal am Hochzeitstage glauben.

ALBRECHT: So freue dich des Glücks und sei gelassen,
Gar Großes ward für diesen Tag bereitet,
Kein mindres Gold soll euch als Trauring passen,
Wenn ihr gemeinsam zum Altare schreitet.


Sechste Szene.
Heinrich, Margarete, Albrecht, Burkhard, Priester, Martha.

BURKHARD (stürzt auf Heinrich zu):
Mein Sohn, der Fluch, der Aussatz ist verloschen,
So stark und ritterlich dich noch zu schauen,
Ist größte Gnade dem, der ausgedroschen
Die Tage wähnte und sich wand im Grauen.
Ich wähnte dieses Stück recht überflüssig,
Denn vieler Augen nicht bedarf die Bahre,
Ich glaubte nicht, des Lebens überdrüssig,
Daß mir der Herr noch Großes offenbare.
Nicht kleinster Mißklang pöne dein Betragen,
Denn Gottes Wahl ist dem Geschlecht der Retter,
 

 

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Dies läßt mich tiefe Überzeugung sagen
Und nicht die Referenz an Bühnenbretter.
(Er wendet sich Albrecht zu.)
Doch nun mein Bruder, was ich hab erfahren,
Es sei erst nach der Trauung ausgesprochen,
Ich hab geirrt und schon in jungen Jahren,
Es reut mich, daß ich solches hab verbrochen.
Du hieltest stand, du trugst die bösen Worte,
Und dies beweist das edelste im Stamme,
So ungewöhnlich wie die Wahl der Orte
Soll sein die Narbenfreiheit dieser Schramme.

ALBRECHT (umarmt Burkhard):
Ich danke Gott, daß er ein langes Leben
Gab dir und mir, um endlich zu versöhnen
Die Irrenden, wo dichte Nebel schweben,
Am Tage, wo die Hochzeitsglocken tönen.
(Man hört die Glocken.)

PRIESTER (schwingt den Weihrauchkessel):
Das Brautamt fordert beider Wort, das klare,
Die Zeugen mögen jeden Einwand zeigen,
Wer Christum liebt, erklär sich dem Altare,
Um dann für immer wie ein Grab zu schweigen.
Ich höre keinen Einspruch also frage
Ich Margarete vor des Heilands Bluten,
Willst du den Heinrich frein für alle Tage
Und folgen ihm im Argen und im Guten?

MAGARETE (fest und laut)
Ich will es bis die Engel mich entführen.
 

 

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PRIESTER: Und also frag ich Heinrich bei den Wunden
Des Heilands, ob er Margareten küren
Zur Gattin mag für alle Lebensstunden?

HEINRICH: Ich wills und werd zu keiner Stunde zagen.

PRIESTER: So knieet nieder an der Lebensschwelle.
Ich will euch aus der frohen Botschaft sagen,
Daß eurem Bunde werd des Heilands Helle.
Im heilgen Evangelium des Johannes
Gebietet Liebe, wie er selbst sie spendet,
Der Herr, so sei des Weibes wie des Mannes
Das Leben um der Liebe willn geendet.
Er nennt euch seine Freunde, nicht mehr Knechte,
Weil er vom Vater alles hat gekündet,
Weil er euch hat erwählt in seinem Rechte,
Daß euer Aufbruch auch in Früchten mündet.
Wenn ihr euch liebt und also streckt die Hände,
Wird euch um ihn der Vater alles geben,
Und findet eure Liebe nie ein Ende,
So wird sie euch in seine Nähe heben.
An seiner Statt erklär ich allen Wesen,
Ihr geht als Mann und Weib in dieser Stunde,
Von Vater, Sohn und Heilgem Geist erlesen,
Die Kirche ist mir eurerm Pfad im Bunde.
Ich spende euch den unumschränkten Segen
Der Dreifalt, die vor allem Menschensinnen,
Er möge sich auf viele Häupter senken,
Ein Großgeschlecht soll mit dem Tag beginnen.

ALBRECHT: Ich reiche den Vermählten nun die Ringe,
Die ich schon lange für den Tag bewahrte,
 

 

242
 
Im Nam des Herrn das Herrlichste gelinge,
So wie es uns der Heiland offenbarte.

HEINRICH (zu Margarete):
So reich ich dir, mein Augenlicht, im Golde
Den Reif, daß er mit seinem Sonnenschimmer
Dir sage, daß ich denk und träum die Holde
Von wannen ich auch geh und wie auch immer.

MARGARTE:
So bind ich auch mit Güldenem den Finger,
Der mich so lieb gefaßt und meinem Wege
Der Weiser sei, und danke dem Beringer,
Daß ich gefaßt ins wonnigste Gehege.

ALBRECHT:
Nun darf mein Part in diesem Lied nicht fehlen,
Um den ich schon seit vielen Jahren bete,
Ich will nun länger nicht dem Volk verhehlen,
Daß ich dein Vater, liebste Margarete.
Ich grollte meinen Eltern, die vermählen
Mich wollten nach dem eigenen Ermessen,
Jedoch für mich war gar nichts mehr zu wählen,
Denn eine Liebe hat mein Herz besessen.
Sie stammte ab von hart bekämpfen Grafen,
Ich hatte keine Hoffnung auf Verzeihen,
Doch ich vermocht es nicht, mein Herz zu strafen,
Ich trotzte gar mit heimlichem Gedeihen.
Aus diesem Bunde bist hervorgangen
Du Grete, als wir frech bei Marthen schliefen,
Der Sensenmann griff ihre roten Wangen,
Als deine Schreie nach den Brüsten riefen.
 

 

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Ich danke Marthen, daß sie dich gezogen
Mit dem Geheimnis, das mir allzu teuer,
Ich wollte dein Erwachen unverbogen,
Die Gattenwahl allein aus innrem Feuer.
Es tat der Herr, daß ich dich seh und herze
Und das Geheime breiten kann ins Helle,
Nun Martha zünd der Mutter eine Kerze,
Denn sie verstarb genau an dieser Stelle.
(Martha zündet eine Kerze an. Albrecht umarmt Margarete.)

BURKHARD: Der Priester hat mir alles schon berichtet,
So daß ich ungeachtet der Gebrechen
Des Alters ward zum Eilbesuch verpflichtet
Und auch vergaß die meisten meiner Schwächen.
Die Ehe, die an diesem Ort geschlossen,
Versöhnt nicht nur die Brüder, die geschieden,
Der Herr hat seinen Segen ausgegossen
Und gab uns Kraft, die Lande zu befrieden.

PRIESTER: So einen in der Tat sich Land und Ferge,
Und die Geschlechter finden sich im vollern,
Der Zollern und der Herr von Hohenberge,
Sie einen sich zum Born der Hohenzollern.
Der Herr tat Wunder ohne Maß und Schranken,
Dies schafft den Glauben, der Geschichte meistert,
Jahrhunderte solln strahlen, ihnen danken
Wird der Chronist am Weltend noch begeistert,
Denn wo auf Gottes unbedingten Willen
Sich das Geschlecht in reinster Liebe gründet,
Vollzieht die Schöpfung sich im heimlich Stillen,
Die schließlich in den Strom der Welten mündet.
 

 

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Siebente Szene.
Heinrich, Margarete, Albrecht, Burkhard, Priester, Martha, Geiger.

GEIGER: Nun wie? Ein Lied zum träumerischen Ende?
Ich hab doch ein Gespür für solche Szenen,
Das Publikum hebt nicht im Zorn die Hände,
Wenn wir die Mär ein bißchen überdehnen.

MARGARETE: Ich hab dir übel mitgespielt, Beherzter,
Du warst mir Trost, der einzge oft in Jahren,
Drum bitt ich neu nach Freundschaft, bös verscherzter,
Die Reue mehrts, wird so viel Glück erfahren.

HEINRICH:
Auch ich muß um Verzeihung nochmals bitten,
Den Kerl, der ehrbar, hält man nicht zum Narren,
Wos einem wohl, hat anderswer gelitten
Und nicht als Ochs spann man ihn vor den Karren.

GEIGER: O Margarete, glaub nicht, daß ich fluche
Dein Glück, und daß es meins nicht sollte werden,
Ich bin ein Gast in diesem Wunderbuche,
Verströme mich an manchem Ort auf Erden.
Ich fahre und dies schafft mir manchmal Weinen,
Wenns aussieht, als sollt stillestehn der Wandel,
Ums angestammte Los beneid ich keinen,
Weil ich mit Märn und dunklen Träumen handel.
Was hier geschieht und fort in vielen Tagen
Sind meiner Sphäre schillernde Akkorde,
Hälts Gram für gut, an meiner Seel zu nagen,
So glich doch Halten dem Begabungsmorde.
 

 

245
 
Auch du bist meinem Lied nur eine Note,
Ich danke dir, doch Heinrich drob nicht minder.
Ich weiß es nicht, von wannen ich der Bote,
Doch mancher wird in meiner Näh zum Finder.

PRIESTER:
In Gottes Welt geht manches durch die Wände,
Das uns gemahnt, daß blind wir seinem Wollen,
Drum falten wir in Demut unsre Hände
Und überblenden mit der Lieb das Grollen.

GEIGER:
Wenn schon die Orgel darf dem Paar nicht singen,
Weil dieser Ort die Mitte blieb dem Netze,
Soll doch die Geige uns am Ende klingen,
Denn sie kennt keine ausgewählten Plätze.
Sie ist ein Vogel, der im Offnen nistet,
Sie fliegt davon, wohin ist nicht zu wissen,
Wer weiß von solchem Schalk sich überlistet,
Sieht Anlaß nicht, die Klärung zu vermissen.

BURKHARD:
Zur Hochzeit meines Sohnes darf die Muse
Nicht ausgesperrt sein, ist er doch ihr Streiter,
Auch bebt der Braut, die stimmenfein, die Bluse,
Daß ihrem Ton die Saite dien als Leiter.

MARTHA: So spiele uns, du Vogel aus den Weiten,
Die wir nur manchmal angedeutet mögen,
Auch wenn wir durch die Eichenwälder schreiten,
Vertraun wir blind der Tragekunst der Bögen.
(Der Geiger spielt.)
 

 

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MARGARETE (singt):
Die Nachtigall singt niemals auf der Weide,
Sie schlägt die Lieder stets im Haselstrauche,
Der Mann erkennt das Ziel nicht, daß er leide,
Jedoch das Weib erspürts im tiefen Bauche,
Die Lieb vereint das Nehmen mit dem Geben
So sehr, daß wir den Unterschied vergessen,
Und ihr beliebts, das Sagengarn zu weben,
Daß die darinstehn nicht mehr wissen, wessen.
Doch wenn das Garn auch löchrig werd und risse
Und im Betrachter Staub wird und Verfallen,
Das Haselvolk bleibt ewig das Gewisse,
Und auf den Zweigen singen Nachtigallen.