247
 


EREX SAGA
PARABEL





Gegen die Männerkrankheit der Selbstverachtung hilft es am sichersten, von einem klugen Weibe geliebt zu werden.

NIETZSCHE
 

 

248
 


PERSONEN
ARTUS, König von Britannien
GUINEVERE, seine Gemahlin
ELAINE, ihre Zofe
EREC, Prinz von Karnant
PELLEAS, Ritter
KORALUS, verarbter Edelmann
ENITE, seine Tochter
IDERS, Sohn des Niut
MALICLISIER, sein Zwerg
MABONAGRIN, ein Riese
RÄUBER, BRUNNEN, MÄDCHEN
 

 

249
 


PROLOG
KORALUS: Wie sich Korallen tief im Ozeane
Zur Reigen fügen, Reisigern und Riffen,
Hast du im Glanz des Ersten bei der Fahne
Noch nie den Fug des Rittertums begriffen.
Denn was mit Initialen auf Follianten
Gedruckt wird sind allein des Eisbergs Spitzen,
Drum richt den Blick auf all die Unbekannten,
Die wenig mehr als ihren Mut besitzen.
Sie tragen wie das Roß den stolzen Reiter
Den Glauben, daß die hohe Minne lohne,
Und sind die Sprossen einer Gnadenleiter,
Die Edelmut entrückt dem Gassenhohne.
Darum verfall vor dem Gestank Gemeiner
Nicht in den Wahn, nur Einzigart zu achten,
Die Einzigart hat in der Welt nur einer:
Der Sohn, den sie im Dornenkranz verlachten.
Doch wie am Kreuze klagten Fraun und Schwache,
So steht oft nicht im Licht die wahre Größe,
Der deutsche Mut ist keine schlichte Sache,
Und höchst Verschiednes kreißt der Schoß der Schöße.
Es soll nicht heißen, daß ich selbst mich rühme,
Wenn ich aus den bescheidnen Mauern trete,
Doch wie die Vielzahl Macht der Ungetüme,
Blühn Lilien auch im abgelegnen Beete.
Ich mach in diesem Stück nicht viel Getöse
Der Herr nahm mir die Eitelkeit des Reichen,
Doch eh ich mich von Form und Großmut löse,
Will eher ich noch diese Nacht erbleichen.
Mein Gram ist bloß mein Töchterchen in Lumpen,
Brokat stünd besser honigblondem Haare,
 

 

250
 
Sie rührt, wems Herz nicht nur ein roter Klumpen,
Doch daß ich sie behalt bis an die Bahre,
Erscheint mir Frevel, da sie doch geboren,
Dem Jungmann seine Bogenschnur zu spannen,
Deß Pfeile sich den Gral als Ziel erkoren,
Daß ohne Säumnis schnellen sie von dannen.
Nun meint man, den Berufnen zu erkennen,
Erdächt ich mir viel Prüfungen und Ränke,
Doch Gott allein kann mir den Namen nennen,
Weshalb ich nicht an große Umständ denke.
Ein Ritter, der von bösem Schimpf getrieben
Den Rat sucht, wie ein Gotteskampf entscheide,
Muß dabei wohl gewappnet sein und lieben,
Die Wehr, die Tochter schenke ich ihm beide.
Als würfe ichs ins Meer, so mag euchs scheinen,
Dies macht allein, daß ihr zu schwach im Glauben,
Ich weiß nur Dank und bin mit Gott im reinen,
Nur wer verschenkt, den kann man nicht berauben.
Geliehn ist alles, was uns ruft zur Pflege,
Und nackt erscheint der Fromme zum Gerichte,
Was aber wohl, das schick auf seine Wege,
Denn faul im Schuppen machts die Zeit zunichte.
Der Vorspann im Theater ruft den Narren,
Der gibt die Rüstung und des Hauses Seele,
Doch aus den Feldern, die vor Waffen starren,
Ich meinen Part und meine Unschuld stehle.
Ich sink zurück ins Meer der Namenlosen
Und weiß, ich gab den Tropfen Öl der Leuchte,
So wie ein Hauch, entströmt aus reifen Rosen
Die Sehnsucht trägt aus aller Lebensfeuchte.
 

 

251
 


ERSTER AUFZUG
In Wald von Karadigan.

Erste Szene
Guinevere, Elaine, Erec, Maliclisier, ein Mädchen.

GUINEVERE:
Ihr seid so still, Herr Erec, und ich glaube,
Ihr trauert, und der Grund ist leicht zu wissen,
Des Waidmanns Heil, das ich dem Jäger raube,
Schafft euch Verdruß und plagt mir das Gewissen.

EREC: O nein, die Freuden all in Wald und Heide
Erscheinen mir als Stein in einer Kirsche,
Denn schon allein der Duft von euerm Kleide
Ist holder als der herrlichste der Hirsche.
Was mich betrübt, das ist allein die Schande,
Daß ich so wenig tat, um euch zu frommen,
Drum streift mein Blick mit Ungeduld die Lande,
Es möge meine große Stunde kommen.

GUINEVERE (lacht):
Der Frühling, der euch neckt in allen Gliedern,
Meint wohl, ihr solltet eine Dame wählen,
Die frei ist, einen Reiter zu befiedern,
Der mögt ihr euern Minneleich erzählen.

EREC (betont ernst):
O Königin, nicht Leichtsinn spannt den Bogen
Der Jugend, die mir allzu unbefochten,
 

 

252
 
Ein Staubkorn bin ich gern und zugeflogen,
Wenn größere das Herz mir unterjochten.
Die Räusche, drin das Volk die Nacht verkleckert,
Erscheinen mir nicht wert, sie zu erwähnen,
Grad wie die Ziege auf der Weide meckert,
Tun jene, die verwechseln sich mit Schwänen.
Ich will nicht schlürfen, wo das ganz Sublime
Viel holder weiß, daß alle Gnade Dienen,
Der Christ sucht nicht die Wollust der Muslime,
Er sing am großen Wasser Melusinen.

GUINEVERE (deutet in die Ferne):
Es ist schon recht, doch seht ihr dort im Grunde,
Dort bei dem Zwergen stehn die junge Dame?
Sie ist so schön, ein Stern in dieser Stunde,
Ich wüßte allzugerne, wie ihr Name.

EREC: Ich will gleich reiten und den Zwerg befragen,
Befehl ist mir der Wunsch in euerm Sinne,
Unkenntnis soll euch länger nicht benagen,
Drum will ich sehn, daß Kunde ich gewinne.

GUINEVERE: Nein, junger Herr, ich habe keine Nöte
Daß euer Schlachtroß sich dazu bemühte,
Daß meine Zofe ihren Gruß entböte,
Scheint passender zu dieser Märzenblüte.
Darum Elaine, geht in dieses Lager
Und fragt den Zwergen, wer des Mädchens Ritter.
Gewißlich ist nicht fern der junge Wager,
Und meine Neugier seinem Stolz nicht bitter.
(Elaine geht zu dem Zwerg mit dem Mädchen.)
 

 

253
 
ELAINE (zu Maliclisier):
Bei Gott, ich grüß euch freundlich und bescheiden,
Ihr dient gewißlich einem großen Helden,
Des Mädchens Schönheit viele Fraun beneiden,
Ich möcht den Namen meiner Herrin melden.

MALICLISIER:
Verschwinde bloß du unverschämte Dirne!
Daß dir die Lust vergeh herumzuschwätzen,
Trag dieses Zeichen an der Torenstirne
Und säum nicht, deiner Herrin das zu petzen.
(Er schlägt die Zofe mit der Peitsche.)

EREC (läuft zu Fuß in die Szene):
Was tut ihr da? Das arme Kind zu schlagen,
Ist bös. Sie sprach euch höflich und gesittet.
Was geht ihr einem Mädchen an den Kragen,
Und noch dazu wenns freundlich grüßt und bittet?

MELICLISTER:
Du Tölpel sollst sogleich ihr Schicksal teilen
Wie ihre Blödheit und ihr freches Gucken!
Ich hoff, ihr werdet dann zum Teufel eilen,
Daß mir nicht wag ein Dritter aufzumucken.
(Er versetzt Erec ebenfalls einen Hieb.)

EREC (weicht zurück, für sich):
Es wäre höchlich unklug sich zu schlagen,
Ich hab kein Schwert und bin ganz ungerüstet,
Es frommt allein dem Torn, sofort zu wagen,
Was seinem Stolz und seinem Grimm gelüstet.
(geht mit dem Mädchen zur Königin zurück)
 

 

254
 
Es wäre unnütz, wenn ich frech bestritte,
Was euren Augen hat sich dargeboten,
In eurer und in eurer Damen Mitte
Hat man mich um die Ritterehr betrogen.
Ich bin vernichtet und die heiße Wunde,
Verlangt sofort mir Waffen zu verschaffen,
Darum entlaßt mich noch in dieser Stunde,
Erlaubt dem Knecht, sich zornig aufzuraffen.
Eh ich den Ritter dieses Zwergs nicht fegte
Vom Pferd und danach schlug mit meinem Schwerte,
Erlaubt der Schatten, der sich auf mich legte,
Nicht daß ich irgendetwas sonst begehrte.
Eh ich nicht wiederfand zu meiner Ehre,
Kann ich kein Stückchen Brot am Hofe kauen
Darum erlaubt, daß ich mich ehrbar wehre
Und ihn verfolg und jag in allen Gauen.

GUINEVERE:
Mir ist nicht wohl, euch ohn Verzug zu lassen,
Allein ich kann die Bitte nicht versagen,
Mag sie auch nicht in meine Hoffnung passen,
Kein Mensch verwehrt dem Wunden sich zu schlagen.
Gott wollte, daß der Frieden dieser Stille
Höchst unverhofft sich wandle zu Gefahren,
Nicht unserm Plane fügt sich dieser Wille,
Obgleich wir ohne Arg und Jähzorn waren.
So zieht, doch kehret wieder mit dem Monde
Zur Tafel in den wohlbewehrten Mauern,
Wenn euch das Glück in dieser Frist nicht lohnte,
So werd ich mit dem ganzen Hofstaat trauern.
(Alle ab.)
 

 

255
 
Zweite Szene.
Guinevere, Elaine, Pelleas.

GUINEVERE (mit Elaine auftretend):
Die Rotwildjagd beschäftigt uns seit Tagen,
Als hätten wir noch Wand frei für Trophäen,
Mir scheint, als wolle sich die Runde plagen,
Den Hirschgeweihe dieses Lands zu mähen.
Der Gatte schläft im Wald bei seinen Rittern,
Die Burg faßt nur noch Alter und Gebrechen,
Ich fühl mich wie ein Vogel hinter Gittern,
Ich leide lieber Würfelspiel und Zechen.

ELAINE: Seht dort, Pelleas, naht sich aus dem Osten,
Vielleicht weiß er von Erec zu berichten,
Ich lade ihn, von unserm Wein zu kosten,
Dann wird sich die Erinnerung ihm lichten.

GUINEVERE: So bitte, daß wir kurzerhand erfahren,
Der hehre Strauß sei furchtbar schiefgegangen.

ELAINE: O nein, er wird uns herrlich offenbaren,
Daß große Taten unserm Held gelangen.

PELLEAS: Gott schütze unsre Königin und mache
Daß stets sie bleib so jung und froh zu schauen.

GUINEVERE:
Willkommen froher Held am Zweifelsbache,
Wir rasten hier und freuen uns der Auen.

PELLEAS: Gefährlich ists so fern von dem Palaste.
Gibts keinen Ritter, der die Fraun begleitet?
 

 

256
 
GUINEVERE: Ja, Erec mit der scharlachroten Quaste
Hat unsern Zug durch Wald und Feld geleitet.
Doch leider hat ein Winzling sich erdreistet,
Dem jungen Herrn die Wange zu beschmutzen,
Weshalb er einen Waffengang sich leistet,
Ich denk, die Kunde ist zu euch gedrungen.

PELLEAS: O ja, ich hörte manches von der Sache,
Ein stolzer Ritter ist der Herr des Zwergen,
Gefährlich, daß man ihn zum Feind sich mache,
So spricht man hier und hinter sieben Bergen.
Sein Name Iders steht für forsches Reiten,
Genaue Lanzen und die Wucht im Schlagen,
Seit Jahren will, mit seinem Sinn zu streiten,
Landauf landab noch kaum ein Heißsporn wagen.
Der Herzog von Tulmein setzt einen Sperber
Als Schönheitspreis der Freundin einem Tjoste,
In diesem Jahr man dacht gäbs keinen Werber,
Ein solcher wär auch sicher nicht bei Troste.
Schon zweimal ging an Iders die Trophäe,
Im dritten Jahr soll er sie ganz behalten,
Jedoch nun hört, daß Erec in die Nähe
Hat sich gewagt, um eines Kampfs zu walten.
Der währt nun schon den zweiten Tag verbissen,
Und Tod und Leben um die Herrschaft streiten,
Die Lanzen und die Schilde, die verschlissen,
Sie sind ein Berg, recht lang darumzureiten.
Zur Stunde ist der Ausgang völlig offen,
Erschöpfung, Ruhe und dann neues Wüten,
Wer solche Schlacht noch niemals angetroffen,
Der meint, dies gäbs in Märn nur oder Mythen.
Drum seid bereit für alles Wohl und Wehe,
Was auch geschieht, wir werden es erfahren.
 

 

257
 
GUINEVERE:
Was ihr da sagt, wie ichs auch wend und drehe,
Die Zweifel mehren sich zu dichten Scharen.
Herr Erec will den Schönheitspreis erfechten?
Soweit ich weiß, hat er der Freundin keine.

PELLEAS:
Grad wie um hier den Handlungsstrang zu flechten,
Gab hier Koralus, den ich traf, das seine.
Der Edelmann, verarmt durch böse Ränke,
Nahm Erec auf und sahs als Gottes Winken,
Daß er ihm seine holde Tochter schenke,
Und Waffen, die wie frisch geschmiedet blinken.
So fügte sich, daß jäh der Unbehauste
Zum Fordrer ward, zur Spannung im Turniere,
Doch wie das Glück an seine Seite sauste,
Mags sein, daß er es ebenschnell verliere.

GUINEVERE: So ist es also wahr, daß unerschrocken
Der Junge kämpft um die beschämte Milde,
Und während wir im Frühlingsflöten hocken,
Strömt harter Schweiß ins Wappenblech der Schilde.

PELLEAS: Darüberhin, es häufen sich die Wunden,
Wird ohne Gnade bis zum Schluß gefochten,
Die Hölle weiß, was gestern sie geschunden,
Eh heute neu die Streiterpulse pochten.

GUINEVERE: Dies ist niemals die Sitte von Turnieren,
Der Herzog sollte diese Schmach beenden,
Denn wenn die Ritter bärengleich vertieren,
Dann harft kein Minnesänger drum Legenden.
 

 

258
 
PELLEAS: Dies mag so sein, jedoch vom Waffenspiele
Zum Glaubensstreit ists oft nur eine Elle,
Der Herr allein weiß die geheimen Ziele,
Und kennt die Dauer wie das Allzuschnelle.

ELAINE: So laßt uns beten, daß in diesem Falle
Sich alles füg, wie es zu Wohl und Sitte,
Und uns vertraun, daß unsre Schritte alle
Der Heiland lenkt, der stets in unsrer Mitte.


Dritte Szene.
Artus und Iwein treten auf.

IWEIN: Gelobt sei Gott. Daß ich mit froher Kunde
Die Herrin darf beglücken, macht mich heiter.
Nicht länger sollt ihr warten eine Stunde,
Denn ausgejagt der letzte hat der Streiter.
Der König, Ruhm der Ritterschaft, den preisen
Noch Zeiten werden, die uns ganz verschieden,
Der nicht nur Heer und Land und Hof zu weisen
Vermag, hat sich zu neuer Ehr beschieden.
Die Tafelrunde, jagdlich wohl erfahren,
Brach auf und jedem diente Gott zum Glücke.
Jedoch so groß auch ihre Taten waren,
Zum Preis des Siegers klaffte eine Lücke.
Kein Hirschgeweih war so das kapitale
Wie jenes, das die Knappen nun betrachten,
So etwas sieht der Mensch nur seltne Male,
Selbst wenn ihn stark und flink die Gaben machten.
Hört, Artus, der den Preis der Jagd errungen,
Hat nichts geschont, sich selbst zu überragen,
 

 

259
 
Drum werde ihm ein neues Lied gesungen,
Dem Ausharrn, dem Entscheiden und dem Wagen.

GUINEVERE:
Dies stimmt mich froh und scheint ein gutes Zeichen
Für alles was noch frei und unentschieden,
Mög alles Dunkel von dem Lande weichen,
Auf daß das Glück beständig sei im Frieden.

ARTUS:
Der Brauch sagt, daß der Sieger von den Maiden
Die schönste küßt, ich hoff, die alte Sitte
Wird euch am Fest die Freude nicht verleiden,
Denn Schmerz ist mir, was euer Wohl bestritte.

GUINEVERE:
O nein, die Huld die dauernd ihr bewiesen,
Vertrüg sich nicht mit eitlem Spielverderben,
Nicht frommt dem Ruhm, aus Rücksicht zu vermiesen,
Was Adel sich verschafft in seinem Werden.
Nicht jene, die der Ehrn und Würden meiste
Auf sich vereint, soll eure Wahl beglücken,
Die Unschuld, die von Eitelkeiten freiste,
Sollt ihr ins Licht des ganzen Hofstaats rücken.
Ihr wäret in der Sache gut beraten,
Vertrautet ihr dem Blick, der Frauen eigen,
Denn schaut ihr unbestechlich auch bei Taten,
Will ich mich hier als beßrer Richter zeigen.
Nicht alles, was dem Aug gefällt und leuchtet,
Ist auch ein Bronnen, der von reinem Grunde,
Drum hört, eh ihr die Lippen euch befeuchtet,
Die tiefre Weisheit an aus meinem Munde.
 

 

260
 
ARTUS: Die Rede zeugte Weisheit zur Genüge,
Wüßt ich nicht lang, daß euer Rat der beste,
Drum sparet nicht mit Reife und mit Rüge,
Daß wir uns alle freun an diesem Feste.

GUINEVERE: Ich bin in Sorg um Erec, meinen Ritter,
Drum bitte ich um Aufschub von zwei Tagen,
Sein Schicksal ist im Aug mir arger Splitter,
Nach seinem Streit laßt mich zur Sache sagen.

ARTUS: Was streitet er, der euerm Schutz befohlen,
Mit scheint der Junge völlig pflichtvergessen.
Warum hat man mir den Verrat verhohlen,
Der mir verleidet Jagd wie Trank und Essen?

GUINEVERE: Verzeihet, daß die übergroße Tücke
Mich hinderte, des Rats von euch zu harren,
Nicht rief den Held die Sucht nach großem Glücke,
Ich sah sein Aug in größten Schmerzen starren.
Ein Zwerg, bedenkt o König, nicht ein Gleicher
Hat ihn erniedrigt, wüst und heidenartig,
Der Schlag von einem Waschweib wäre weicher,
Denn sein Gesicht war grindig wund und schartig.
Ich sah es selbst und alle meine Damen
Beschämte dies, daß ich den Wunsch nach Rache
Gewährte, denn an seinem edlen Namen
Klebt Schmutz, und Blut allein wäscht diese Sache.

ARTUS: Ists so, so hab der Edle meinen Segen,
Gut soll sich ihm der Waffengang entscheiden,
Der Herr der Himmel mög das Los bewegen,
Daß ihn als Sieger alle hier beneiden.
 

 

261
 
Vierte Szene.
Iders tritt auf.

IDERS: Ich such den Hof Karadigan, ihr Jäger.
Weist mir den Weg, ich bitt euch, nach dem Throne.
Ein Herold in der Schlacht bewegt sich träger
Als ich, der ich in Wind und Wetter wohne.

PELLEAS: Gott führte auf den rechten Weg, der Recke,
Den jeder Ritter preist, ist hier zugegen,
Denn unser Herr mißt aller Sehnsucht Strecke,
Und wer ihn trifft, der danke für den Segen.

IDERS: Ich dank euch, doch der Königin zu fronen,
Bin ich gesandt, drum sagt mir ohne Säumen,
Welch Weg soll mir und meinem Pferde lohnen
Zu ihr, von der die Schmerzgeplagten träumen.

PELLEAS: Sie ebenso, ihr müßt vom langen Reiten
Ganz blind sein, ihren Glanz zu übersehen,
Gibts weise Fraun auch in verschiednen Zeiten,
Wirst du doch nie vor einer weisern stehen.

IDERS (tritt zu Guinevere)
Herr Erec, dessen Gnad mein Leben eigen,
Befiehlt mir, ganz in euerm Dienst zu fronen,
Ihr mögt mir Haus und meine Pflichten zeigen
Und einzig euer Wohl soll mich belohnen.

GUINEVERE:
Ist es verpönt, den Boten schlechter Dinge
Zu strafen, ist es wohl erlaubt, dem zweiten,
 

 

262
 
Der uns von Sieg und Glück die Nachricht bringe,
Ein Gran davon als Finderlohn zu breiten.
Ich bin in dieser Stunde so beschenket,
Daß ich euch heiße, euch zum Fest zu kleiden,
Wenn ihr verwirrt die Königin euch denket,
Bin ich bereit, dies ohne Klag zu leiden.

ARTUS: Mag auch die Queen vor Freude fast erblinden,
Daß sie dem Feind vergibt mit Christi Milde,
So müßt ihr freilich euren Zwergen schinden,
Der wie ein Schmutzfleck klebt an eurem Schilde.

IDERS: Dies ist geschehn, und kann es nicht genügen,
Erlaubt dem Herrn, die Schmerzen auszuhalten,
Denn meine Hoffahrt wußte es zu fügen,
Daß meine Diener übelsittig walten.

ARTUS: Sodann, wenn diese Sache ist bereinigt,
Erzählt uns von dem Strauß, der euch gedungen,
Euch wird im Land viel Tapferkeit bescheinigt,
Drum sagt, wie kams, daß Erec euch bezwungen.

IDERS:
Mein Stolz hat mich in dieser Schlacht geschlagen,
Ich höhnte dreist, ich gäbe kein Erbarmen,
Mein Gegner mußte nicht nach Wegen fragen,
Wie er den Leib behalt als einen warmen.
Wenn aber einer so, die Wand im Rücken,
Im Felde steht, nicht weichen kann und wimmern,
Wird Gott das Schwert mit Überkräften schmücken,
Aus einem Holzscheit einen Rammbock zimmern.
Und doch, geschah mein Freveln aus der Minne,
 

 

263
 
Mein Lieb, da galt mir Hölle nichts und Himmel,
Ihr zu gefallen, ließ ich Sinn und Sinne,
Umflochten wie der Rotfußpilz im Schimmel.

GUINEVERE:
Ich kann die Schönheit dieser Maid versichern,
Ich sah sie, was der Anlaß ward zum Kampfe,
Nicht selten kommts, daß meine Damen kichern,
Hier schwiegen sie, als tönte Sängers Klampfe.

ARTUS: Ich muß das Mädchen unverzüglich schauen,
Den Preis zu küren, ward mir aufgebürdet,
Drum Königin dem Blick, dem höchst genauen,
Wärs gut, wenn ihr die Freundin fordern würdet.

IDERS: Herr König, dies ist unnütz, weil entschieden
Hat doch der Sperberkampf, weß Dame lichter,
Steigt Gottes Geist im Schwerterklang hernieden,
Brauchts keinen zweiten königlichen Richter.
Drum schaut das Kind, zu dessen Preisgesange
Hieb Erec Tag und Stunde mir die Kräfte,
Ich weigerte mich dies zu glauben lange,
Doch steter Stoß zerbricht die Lanzenschäfte.

GUINEVERE:
Ja in der Tat, wo bleib der, den ihr kündigt?
Hat er den Weg nach Hause nicht gefunden?
Ists möglich, daß er wider mich gesündigt
Und ausbleibt, wo die Not schon überwunden?

IDERS: Dem Vater seiner holden Braut zu Ehren,
Bleibt er noch eine Nacht in dessen Klause,
 

 

264
 
Bedenkt, die Tränen sind nicht leicht zu wehren,
Weicht ihm die einzge Tochter aus dem Hause.
(Es wird mählich dunkel.)

ARTUS: So laßt uns in der Au das Lager schichten,
Der neue Tag wird Erec froh begrüßen,
Sein Nahn wird unserm Aug sofort berichten,
Was er gewann am Wonnigen und Süßen.
Es läßt sich viel vermuten und ersinnen
Im Dämmer, wo die Weisheit Wahn verfärbte,
Doch wie vom Tag des beste das Beginnen,
Den Thron der Nacht auch stets der Morgen erbte.
(Alle ab. Es wird ganz dunkel und dann nach geraumer
Weile wieder hell.)



Fünfte Szene.
Erec, Enite, dann Iders und Guinevere.

EREC: Wer früher aufsteht, schafft so manche Meile,
Derweil die andern noch im Traume dämmern,
Und also ist der Mann erwählt vom Heile,
Der vor dem Wolfe ankommt bei den Lämmern.
Nicht weit mehr bis zur Burg, in dieser Aue
Traf mich der Zwerg, wie schauerlich und ferne,
Ich ging den Weg, weil ich nicht rückwärts schaue,
Und heute grade mit dem Morgensterne.

ENITE: Wenns nicht mehr weit, so laß uns etwas rasten
Im Grase hier, eh wir die Burg erklimmen,
Mir scheint, das wir das Minneglück verpaßten,
Wenn wir uns so auf deine Herrin trimmen.
 

 

265
 
EREC: Ach fürchte nichts, sie wird dich sicher mögen,
Ihr guter Geist sandt mich zu deinem Vater,
Das hohe Schloß mit seinen stolzen Bögen
Macht dich zufrieden, wie der Herd den Kater.
Doch will ich etwas bleiben zu betrachten
Die Schöne, die mir fast wie zugeflogen,
Den Genien, die an deiner Wiege wachten,
War ganz gewiß der Höchste sehr gewogen.

ENITE: Du hast gekämpft, gestritten wie ein Tiger.
War dies um mich? Ich kann es gar nicht glauben.
Mein Vater wußt, er brachte mich dem Sieger.
Der innern Stimme traut er wie die Tauben.

IDERS (tritt mit der Königin auf)
Ich hört sie gleich, o Herrin meiner Schande,
Nun sagt: Hab ich zu Unrecht euch gewecket?
Der Blutzoll hinterläßt die stärksten Bande,
Sogar im Traum in mir der Stachel stecket.

GUINEVERE: Ich grüße Erec hier zur rechten Stunde,
Eur Bote brachte Frohsinn in die Herzen.

EREC: Der Platz am Bach ist seltsam uns im Bunde,
Vielleicht, ein Geist, der wagt mit uns zu scherzen.
So seid gegrüßt, ich hab mit euerm Segen,
Die Frau errungen, die es ohne Zagen
Gewagt, das Herz auf dieses Schwert zu legen,
Für sie und euch will ich noch alles wagen.

GUINEVERE:
Koralus' Tochter scheint nicht zu vergleichen,
 

 

266
 
Zwar Iders Mädchen hat sie angedeutet,
Nun will ich eine Mutterhand ihr reichen,
Der König hat den größten Hirsch erbeutet.
Ich sag das, weil damit das Recht verbunden,
Die schönste Maid im ganzen Land zu küssen.
Bedeutet dies für deine Seele Wunden,
Wirst du recht rasch das Land verlassen müssen.

EREC: Was sagt ihr, Königin, zu diesem Brauche?
Wenn ihr ihn gutheißt, taugt er mir zur Ehre,
Auch wenn ich ein paar Tage untertauche,
Bleibts, daß ich nichts als Dienst für euch begehre.

GUINEVERE:
Ich halt es für den eitlen Sinn des Gecken,
Die Bräuche, die jahrhundertalt, zu schelten,
Des Königs Tun gehorcht nicht niedern Zwecken,
Und darum hat er jedes Recht der Welten.

EREC: Und du, Enite? Ist des Königs Lippe
Der Jungfrau schändlich, daß wir sollten fliehen?
Ich weiß, der Herr schuf dich aus meiner Rippe,
Doch auch, die Frage hast du schon verziehen.

ENITE: Mein Herr, mein Ritter, der mit Todverachtung
Dem Stärksten trotzte, nur um mich zu preisen,
Ich stünde wohl in eines Wahns Umnachtung,
Würd ich die kleine Geste von mir weisen.

GUINEVERE:
Nun gut. Doch rasch, bevor der König munter:
Die Kleider sind zerlumpft und ohne Würde,
 

 

267
 
Ich geb euch etwas drüber, etwas drunter
Und merze aus euch jede Armutsbürde.
Genug ist da für Würdige auf Reisen,
Ich wähle selbst, wie euch bedeckt die Zofe,
Dann wird nicht nur der König auf euch weisen,
Denn schönste seid gewißlich ihr am Hofe.
(Mit Enite ab.)


Sechste Szene.
Artus, Erec, später Enite, Guineneve
und alles Gefolge.

ARTUS:
Zwar meint die Queen beständig, daß ich schliefe,
Doch bin ich wach und hör, was rings gesprochen,
Dies macht, weil ich in die Geheimarchive
Noch niemals als ein Tollpatsch bin gebrochen.

EREC: Mein König, solche Ränk mir zu vertrauen,
Ist unrecht, denn ich bin der Herrin Ritter,
Läßt mich der Gatte in die Karten schauen,
So wird mein Herz ein höchst verwirrter Zwitter.

ARTUS: Ihr seid ein Mann. Als solcher müßt die Frauen
Ihr nehmen wie sie sind nicht wie geträumet,
Wer schweigen lernt und auch genau zu schauen,
In jeder Welt zuletzt das Schlachtfeld räumet.
Drum hütet euch vor dürren Idealen,
Sie sind der Anfang aller Narreteien,
Wie tiefer schaut und dabei schont die Schalen,
Der wird mit sich auch seine Frau befreien.
 

 

268
 
Der Kluge erntet stets die reichsten Wunder,
Die sind ganz anders als der Schein des Neuen,
Der Narr jedoch verzehrt sich wie der Zunder,
Der nichts behält, um später sich zu freuen.

EREC: Vielleicht, daß älter ich die Weisheit spüre,
Jetzt stehe ich dem Reich des Zunders näher,
Geb Gott, daß ich dereinst ein Leben führe,
Das Hasel austreut wie der Eichelhäher.

ARTUS: Bleibt offen für des Herrn geheime Winke,
Dann wird sich euer Walten trefflich fügen,
Und schließlich geben Genien sich die Klinke,
Denn Weisheit ist das Gegenteil vom Lügen.

EREC: Ich dachte grad, ich wär nach Haus gekommen,
Ihr aber hier verheißt mir große Fahrten,
Doch herzuziehn, bis Jugendkraft verglommen –
Steht nicht Gefahr, im Fernweh zu entarten?

ARTUS: Es gibt so viel Gefahrn wie Jahrestage,
Und Gnade ists, wenn wir uns nicht verlaufen,
Was einmal Nutz, das ist zum andern Plage,
Und um zu fahrn, ists nötig, zu verschnaufen.
Mein leichtes Wort will keinen Grübler machen,
Vertraut, daß ihr das Rechte werdet finden,
Doch sich zu wehrn und auch darob zu lachen,
Kann kein Gebot und keine Treu entbinden.
Seid wacker und gemach dem Unverhofften
Und folgt den Zeichen, die euch deutlich scheinen,
Wie Gottes Pläne sich für euch verstofften,
Darüber seid ihr uralt erst im reinen.
 

 

269
 
Glaub niemals, eure Seelentiefe hätte
Nichts, was ihr habet längst bei Licht besehen,
Und euer Weib ist eines Weltwinds Stätte,
Und Boden manchen Samens aufzugehen.
Wer auslernt, ruft nur noch nach einem Schreiner
Der seinen Sarg mißt und ihn dann bescheidet,
Es sei gewiß der allerschönsten einer,
Daß jeder Tote ihn fortan beneidet.
Wer aber lernt, der hat um sich nicht Eiche,
Die Haut ist dünn und wund sind seine Lenden,
Und höchst verschieden von der schönen Leiche,
Kommt sein Gehäuse nie aus Meisterhänden.

EREC: Mein Vater sandte mich in diese Winde,
Um Sinn und Sitte Rittertums zu lernen,
Wenn ich mein Leben an Enite binde,
Mag ich mich länger nicht von ihm entfernen.
Er wartet sicher und er schaut nach Westen,
Kommt nicht der Sohn im Sonnenschein geritten,
Ich mein, es stünd im Herz mir nicht zum besten,
Wär mir egal, was er darum gelitten.
Drum will ich meine Braut zum Vater führen,
Die Jahre gehn, er wird wohl bald zum Greise,
Mein nächster Ritt will Heimaterde spüren,
Wie immer Gott gelegt hat meine Gleise.
Dort hab ich meinen Grund und meine Quellen,
Dort spricht der Bach die seltsamsten Geschichten,
Dort muß ich meine Weiser nicht erst stellen
Und meine Schritte täglich neu gewichten.

ARTUS: Dies ist vortrefflich. Aber schaut, es grüßen
Uns das Gefolge und die schönen Frauen,
 

 

270
 
Und von den Stunden, von den honigsüßen,
Ist eine die, wo wir dem Volke trauen.
Nun wird die Jagd von Hörnern abgeblasen,
Die Queen vertraut mir, wen ich ruf zum Kusse,
Und Blumen streun die Mädchen auf den Rasen,
Daß sanft wir uns berührn zum guten Schlusse.
Ich hab die Freudenfeuer schon gerochen,
Die Braten sollen schmoren, und die Fässer
Solln hergerollt sein und gleich angestochen,
Nach gutem Trunke rasch verlangts den Esser.
Wir müssen feiern, denn der Weisheit letzte
Ist Lob von allem, was der Herr uns machte,
Denn also überwältigt das Gesetzte,
Weil jeder seinen Teil der Ernte brachte.
Dies ist der Jäger und zuerst der Minner,
Denn Minne ist der Urgrund aller Werke,
Drum geh der frisch Verlobte und Beginner,
Daß er sich selbst und seine Gattin stärke.
 

 

271
 


ZWEITER AUFZUG
Im Wald von von Karnant

Erste Szene.
Zwei Knappen.

ERSTER:
Hallo, was fauchst du Blondschopf wie ein Drache,
Dem man sein Gold zu tragen hat befohlen?

ZWEITER:
Das Gold des Drachen? Daß ich da nicht lache,
Nur Eisen läßt man seinen Knappen holen.
Ich komm vom Schmied, du hasts nicht so gewichtig.
Was hat man dir zu schaffen aufgetragen?

ERSTER:
Die Schwerkraft schätzt du ohne Zweifel richtig,
Narzissen gibts und nichts für meinen Magen.

ZWEITER: Was für ein Luxus! Stehn vom Immergrüne
Nicht Blüten reihenweise an der Mauer?
So viele Fraun krieg nicht einmal der Kühne,
Der sonn- wie werktags tief vergräbt die Hauer.

ERSTER:
Grad mal zur Messe braucht er Wams und Schuhe,
Vielleicht auch zwischendurch zum Atzungszwecke,
Vom König weiß man nur, er pfegt die Ruhe,
Und seine Kurzweil ist allein die Schnecke.
 

 

272
 
ZWEITER: Die muß es faustdick hintern Ohren haben,
Das hält doch keine durch, sei sie auch läufig,
Nicht nur die Tauben, selbst am First die Raben
Sind ohne Rat: Wer brauchte's je so häufig?

ERSTER: Und bei Gericht nur Hörner und Fanfaren,
Der Richter fehlte wie beim letzten Male,
Vorbei die Zeiten, wo Turniere waren,
Stets aufgeräumt ist es im Rittersaale.

ZWEITER: Es wars im Stalle eng und winterwärmer,
Eh viele zogen fort wie mit dem Winde,
Wir sind nun hier an Konkurrenten ärmer,
Doch immer dreister wird uns das Gesinde. (Ab.)

ERSTER: Es geht wies geht und eine Weile lustig,
Doch irgendwann ists nicht mehr zu erzählen,
Zwar keine schweren Lanzen schleppen mußt ich,
Jedoch die Magd hieß mich die Bohnen schälen.
Ganz ohne König fällt die Ritterknute,
Dann fällt der Knappe und zuletzt der Bauer,
Mir wird ganz angst und bang dabei zumute,
Die Milch am Hof ist dick und nicht nur sauer. (Ab.)


Zweite Szene.
Enite, als Knappe verkleidet.

ENITE: Nun ist er fort. Das Tuscheln oder Starren,
Dies hält kein Stein aus und auch keine Säule,
Ein jeder Blick bewies, daß man für Narren
Uns hielt und unsre Burg für blanke Fäule.
 

 

273
 
Vielleicht ists Neid, vielleicht ists recht zu sagen,
Daß wir den Spaß gewaltig übertrieben,
Doch endet nicht die Eh das keusche Zagen?
Und ist es nicht Gebot, sich eng zu lieben?
Es sei wies sei, er nahm ganz leis die Waffen
Und stahl sich nachts von seiner Burg zur Heide,
Die Spur war mir nicht einfach zu verschaffen,
Doch eh ich ganz in Sorg und Trübsal scheide,
Gelangs mir für die Täuschung mich zu kleiden,
Ein Pferd zu finden, das mir ungefährlich,
Ich sah ihn grübeln an den Trauerweiden,
Nun gilts Beweis, daß ich ganz unentbehrlich.
Er ist Gesellschaft kaum recht aufgeschlossen
Und weiß auch nicht, wohin er reiten sollte,
Noch sieht man, daß mir Tränenströme flossen,
Daß er so wortlos floh und böse grollte.
So kann ich ihm begegnen nicht und fragen,
Er würde die Verstellung rasch bemerken,
Drum muß ich Dank zu der Entfernung sagen,
Die achten läßt, wie er bei seinen Werken.
Grad tut er wenig, rauft den Bart und tätschelt
Die Bäume, deren Festheit ihm entgangen,
Er hält sich wohl für feige und verhätschelt
Und darf mich so gewißlich nicht empfangen.
Mir gehts kaum anders und ich stapf im Grase
Zwar leise, doch ich acht kein Vogelsingen,
Nicht weiß ich, welchem Jäger ich der Hase,
Und wags auch nicht, zur Tat mich durchzuringen.
Da sieh! Jetzt wär ich fast recht tief gefallen.
Mir scheint, hier eine Bärengrube lauert.
Man sieht sie nicht, und ein Verhängnis allen
Ist dieses Loch, gegraben und gemauert.
 

 

274
 
Eh ich ihr ausweich, sieh, der holde Gatte,
Am Weiher wirft er Steine in die Brühe,
Nun wellt und kräuselt wachsend sich das Glatte,
Zu ihm zu gehn, ists ganz gewiß zu frühe.
Doch da! Ein Räuber tritt mit seinem Schwerte
An ihn heran, und schon ist nichts zu machen:
Entwaffnet und gefangen der Begehrte,
Ein König, der am Stricke folgt dem Drachen!
Was soll ich tun? Wohin wird er ihn führen?
Gewiß in seine Höhle, gräßlich finster.
O Herrgott hilf! Jed Lob soll dir gebühren!
Die Erle schweigt und ebenso der Ginster.
Ich muß doch etwas tun, und also rufe
Ich laut, sehr laut: Ich hab das Gold gefunden!
Und sieh, der Räuber lenkt schon seine Hufe
Dorthin, wohin ich ihn lenke unumwunden.
Das Gold! Es ist viel mehr als wir uns dachten,
Die Heiden müssen es vergraben haben,
Hol Knechte her, die Beute auszuschlachten!
Ich hör den Räuber immer schneller traben.
Gleich ist er hier, im Goldrausch blind geworden,
Er merkt nicht, was ihm droht zu seinem Wehe.
Der Sturz mit Pferd wird den Bedränger morden,
Nun hoff ich, daß dem Gatten nichts geschehe.
Er hängt an einem Seil und wehrt sich reichlich,
O Gott gibt Halt bei diesem straffen Zuge,
Nun naht sich die Entscheidung unausweichlich.
Nur wenig Trab entfernt ihn noch vom Truge.
Und da! Es kracht! Der Reiter stürzt ins Dunkel.
Ich eile, den Gefesselten zu lösen,
Ein scharfer Schnitt entfernt uns das Verrunkel,
Und leichter geht sichs losgelöst vom Bösen.
 

 

275
 
Dritte Szene.
Erec, Enite.

EREC: Das war sehr knapp. Was tatet ihr am Weiher?
Und ist hier Gold, wie ihr so laut gerufen?

ENITE: Der Räuber folgte eselbrav der Leier,
Die Nöte warns, die auch die List uns schufen.

EREC: Wie wußtet ihr von diesem Hexenkessel,
Der tief, auch einen König zu bezwingen?

ENITE: Mein Ritter starb in dieser bösen Fessel,
Erbarmungslos sind doch des Schicksals Schlingen.
Nun bin ich Knappe ohne Dienst und Wappen,
Will nicht ein andrer Ritter mich bestallen,
So schwing ich mich voll Schwermut auf den Rappen,
Um auf der Stell dem Herren nachzufallen.
Doch grad als ich die schwere Sünd bedachte,
Seh ich eur Leid am Stricke des Halunken,
Darum ich wieder scharf die Falle machte,
Damit sie euerm Glück ein Hoffnungsfunken.

EREC: Wenn euer Ritter also ist ist gestorben,
War euer Dienst zuletzt recht wenig nütze,
Drum schwant Verdacht, daß gleicherart verdorben
Ich werde, wenn ich schlechte Diener schütze.

ENITE: Schuldfrei der Knappe, der nach Gartennelken
Ins Dorf ging für des Ritters heiße Minne,
Wo die allein und ungereicht verwelken,
Ich nun als Lohn den Mordverdacht gewinne.
 

 

276
 
EREC: Dacht ich mirs doch, allein die Lust der Frauen,
Ist schuld am Tod und am Verlust der Ehre,
Drum Frauenwünschen immer zu mißtrauen,
Ich hiermit euch zu allererst belehre.

ENITE: Ich weiß von Frauen nichts und ich besorge,
Nur was mein Ritter mir benennt als Pflichten,
Ob er sich damit Heil und Segen borge,
Steht mir nicht an, zu klagen und zu richten.
Bevor wir aber weiter dies vertiefen,
So rat ich, daß der Magen erst sich fülle,
Des meinen Miene zeigt sich so im Schiefen,
Als ob der Wind ein Pergament zerknülle.
Ich fing beim Hergehn wohlgenährte Barsche,
Ein kleines Feuer soll mir rasch gedeihen,
Wenn ich entfern das Sperrige und Harsche,
Sagt ihr gewiß, daß sie vorzüglich seien.

EREC: Wohlan, wir lagern, denn für das Profane
Ist so ein Knappe sinnvoll zu belasten,
Bin ich auch stolz, so huld ich nicht dem Wahne,
Der Mut erlaubte ungebrochnes Fasten.
(Setzt sich nieder und beginnt zu essen.)

ENITE (nach einer Weile):
Nehmt euer Schwert, es nahen weitre Schelme,
Der ganze Wald ist voll von dem Gesindel,
Ich sorge, daß das Loch sich neu behelme
Und unserm Feinde gute Wege schwindel.

EREC (springt auf):
Dies wird nicht not sein, weil ich gleich erschlage,
 

 

277
 
Den Friedensstörer, der bei Tag sich tummelt,
Nur Röcheln will ich hörn und keine Klage,
Und dieses Mal wird nicht dabei geschummelt.


Vierte Szene.
Erec, Enite, drei Räuber.

ERSTER RÄUBER (springt vom Baum)
Laß fallen Schwert und alle Wehr und lege
Dich nieder, daß ich meine Beute habe,
Weil ich dich sonst wie einen Grashalm fege,
Wer Geier liebt, verlangt nicht nach dem Grabe.

EREC: Verfluchte Laus, ich spieß dich auf den Finger,
Mein Schwert ist viel zu edel für Insekten,
Und auch für euch bin ich der Todesbringer,
Die feige sich im Dickicht noch versteckten.
(Sie fechten.)

ZWEITER RÄUBER (tritt von hinten zu Erec
und hält ihm das Schwert an die Kehle)
:
Gib auf, du Großmaul, allzu viele stehen
Gewappnet hier und werden dich zertreten,
Machst Anstalt du, ein Stückchen vorzugehen,
Zu schwatzen, was uns gänzlich ungebeten.

DRITTER RÄUBER (hält das Schwert auf Enite):
Auch du wag nicht, dich etwa einzumischen,
Wir holen jetzt den Hauptmann, der entscheidet,
Und eh du mir versuchst rasch zu entwischen,
Denk an den Vogel, der sich an dir weidet.
 

 

278
 
(zum ersten Räuber)
Bewach die zwei, die Waffen in den Graben
Werf ich, bis später sie die Knechte holen,
Und eh wir den Befehl vom Hauptmann haben,
Wird nichts genommen oder fortgestohlen.
(Zweiter und dritter Räuber ab.)

ENITE (nach einer Weile)
Den besten Mann läßt man alleine wachen,
Doch gute Arbeit selten wird vergolten,
Nur darauf, seinen Eindruck gut zu machen,
Kommt alles an, sonst wird man nur gescholten.

ERSTER RÄUBER:
Schweig der Gefangne, denn ansonsten dürfen
Die Würmer künftig seinem Säuseln lauschen.
Doch nein, du sollst ein bißchen Wasser schlürfen.
Was rietest du, die Rolle zu vertauschen?

ENITE (trinkt):
Nun, wenn der Herr kommt, ist der Schmutz am Rocke
Unvorteilhaft, drum rat ich dir zur Bürste,
Schmutz aber ist oft ärgster Grund zum Schocke,
Die Schmutzigen hält man für arme Würste.

ERSTER RÄUBER:
Ich hab nicht solches Trum und bin beschäftigt,
Denn schließlich muß ich auf den Frechen achten.

ENITE:
Ich seh den Wunsch nach Reinlichkeit bekräftigt,
Der Schmutz läßt uns die eigne Grube schachten.
 

 

279
 
Die Müh, den Wams zu bürsten und zu richten,
Verseh ich gern, und bin geschickt und fleißig,
Ihr solltet auf den Frondienst nicht verzichten,
Der Reinlichkeit singt auch im Wald der Zeisig.

ERSTER RÄUBER:
Nun gut, doch keine Tricks, ich hab die Klinge
In fester Hand und stets bereit zum Schwunge,
Und wer da meint, daß er am schönste singe,
Hat unversehns das Eisen in der Lunge.

ENITE: O nein, ich werd euch nur ein bißchen hellen,
Vielleicht sagt ihr ein Wort für mich beim Herren.
Ich bin nicht blöd, mich wider euch zu stellen
Und später dies bereuend rumzuplärren.
(Sie bürstet seinen Wams und läßt dabei einige Goldstücke
dem Räuber in die Tasche plumpsen.)

So, nun seid ihr der schönste hier im Haine,
Der Herr wirds merken und euch rasch erhöhen,
Ein bißchen Müh bringt großes Ding ins reine,
Dagegen Schmutz schafft immer Furcht vor Flöhen.
(Sie begibt sich wieder in Gewahrsam.)


Fünfte Szene.
Zwei Räuber kommen mit dem Hauptmann.

HAUPTMANN:
Nun zeigt mir euer Gold, daß ich erkenne,
Ob mehr zu hoffen, daß man euch erlöse,
Und gibts kein Gold, so gilt für Hahn und Henne,
Die Raben werden preisen das Gekröse.
 

 

280
 
ENITE:
All unser Gold nahm schon des Wächters Klaue,
Und blieb kein Gran, wo wir doch reichlich hatten.

ERSTER RÄUBER:
Er lügt! Auf daß ich dich zu Boden haue,
Glaubt, Herr, von dem Geschätz nicht einen Schatten!

HAUPTMANN: Ich werde Helle in den Nebel bringen,
Und was geschehn ist, soll zur Sprache kommen,
Drum sag mir Knappe nun vor allen Dingen:
Wo ist das Gold jetzt, das euch abgenommen.

ENITE: Im Wamse hats der Wächter heimlich stecken
Und er verbot bei Todstraf dies zu sagen.

ERSTER RÄUBER:
Sprich nie mit dem Gewürm, sie sind wie Zecken,
Am besten wärs, sie wortlos zu erschlagen.

HAUPTMANN (zum zweiten Räuber):
Prüf er den Wams von seinem treuen Bruder!

ZWEITER RÄUBER (durchsucht ihn):
Jawohl, ich greife tief in seine Taschen.
Ich fasse Gold! Gestohlen hats das Luder!
Er suchte ganz allein den Fang zu haschen.
Schaut Hauptmann her! Schau her auch du bestohlen!
Viel Gold! Es blinkt und leuchtet in der Sonne.
Ganz feine Herrn, gewißlich viel zu holen,
Doch er vermieste uns die ganze Wonne.
 

 

281
 
ERSTER RÄUBER (faßt sein Schwert fest)
Ich hab das Gold noch niemals angehoben,
Ich sah es nie und würde dies nicht wagen.
Die Tücke hats mir trickreich unterschoben,
Um uns im Zwist zu schwächen und zu schlagen.
Mein Schwert bezeug im Kampfe meine Worte,
Von Raub und Mord ist randvoll mein Register,
Jedoch ich schwör euch bei der Höllenpforte,
Hier bin ein Opfer ich dem Überlister.

HAUPTMANN: Ich halt dagegen, du gemeiner Hetzer,
Am Golde stets erkenn ich den Verräter,
Zur Hölle fahr, ich brauche keine Schwätzer,
Wer dich betrog, das kannst du klagen später.
(Er dringt auf den ersten Räuber ein, die anderen kümmern sich um die Gefangenen. Das Gefecht zieht sich hin, und sie kommen der Bärengrube immer näher, bis sie schließlich mit einem Schrei einbrechen. Die beiden Wächter stürzen auf, um ihrem Hauptmann beizustehen. Erec holt seine Waffen aus dem Graben und stürzt den verstörten Räubern nach. Sie greifen nach ihren Schwertern und wehren sich schwach gegen den Ansturm.)

EREC: Jetzt wird die Rechnung abzuglos beglichen.
Wer da von hinten stark, der seh von vorne,
Daß besser er, als Zeit noch war, entwichen,
Auch ists zu spät, daß ihm die Haut verhorne.
Denn jetzt ist nah der Rächer aller Frevel,
Und ewge Pein wird diese Straf vollenden,
Ich riech um eure Füße schon den Schwefel,
Ihr werdet keine Reisenden mehr schänden.
(Die Räuber weichen vor den Schwerthieben zurück und stürzen schließlich in die Grube. Erec steckt sein Schwert in die Scheide.)
 

 

282
 
Die Grube schafft mir viel Verdruß, ich hätte
So gerne eure Schädel durchgespalten.
Nun aber gibts kein Mittel, daß euch rette
Und also mag die Hölle euch behalten.

ENITE: O nein, wir müssen in den Abgrund steigen,
Nicht einzusehn ist, daß das Gold verbleibe
Im Dunkel, soll sichs doch der Sonne zeigen.
Der Hauptmann trägts an seinem toten Leibe.

EREC: Zu recht gemahnt ihr mich ans rechte Sparen,
Der Einsatz soll zurück zu dem Proviante,
Die Räuber sind zur Hölle fortgefahren,
Jedoch das Goldstück wartet auf Verwandte.
(Mit Enite ab.)


Sechste Szene.
Erec, Enite, Iders.

IDERS: Gelobt sein Gott und alle Heldentaten,
Nur selten in den Jahren sah ich solche,
Durch Blut sehe ich den stolzen Kämpen waten,
Im Loche liegen fünf erschlagne Strolche.

EREC: Ich grüß den Sohn der Niut, freund geworden
Dem Hofe Artus, alle Königinnen
Verneigen sich vor unsrer, deren Orden
Uns jede Tat läßt enden und beginnen.

IDERS: Ja, in der Tat, mit allem Waffenruhme
Möcht ich der Herrin zeugen, die mir Leuchte,
 

 

283
 
Doch steh ich auch in ihrem Eigentume,
Für einen Wunsch ich eure Gnade bräuchte.
Mein Mädchen, das sich härmt, seit ich geschlagen,
Die Herrin meint, ihr müßtest es verstatten,
Ich möcht es über meine Schwelle tragen,
Das Glück zu krönen mir im Stand des Gatten.

EREC: Dies ist gewährt, verzeiht, daß ich im Lärme
Des ersten Aufzugs solches übergangen,
Es darf nicht sein, daß sich die Schöne härme,
Und Schwermut auszehrt rosenrote Wangen.
Grüßt sie noch heut mit farbenfrohen Blüten,
Daß sie sich selbst erkenn in einem Spiegel,
Denn Punier, Perser, Kolcher oder Skythen
Bemühn die Pflanzenpracht als Minnesiegel.

IDERS: Ich fahr zu Artus nach dem großen Feste,
Mabonagrin, der pergamentne Glimmer,
Lud ein den Hof und er beschert das Beste,
Die Bibliothek des Je und aller Immer.

EREC: Das Mädchen soll die schönste Blüte haben,
Den Lotos, den morgens sah im Weiher,
Nach ihm für euch ich sende meinen Knaben,
Ihr werdet schaun den Vorgeschmack der Feier.
(zu Enite)
Steigt auf den Erlenstamm, der weit ins Wasser
Sich legt, und streckt euch tüchtig, zu erreichen
Die Blüte, die ein wahrer Farbenprasser,
Sie wird gefordert als ein Liebeszeichen.

ENITE: Ich eile, das Begehrte zu erringen,
 

 

284
 
Doch ich bekenn, ich kann gewiß nicht schwimmen,
Verzaubern mich des Blustes feste Schlingen,
Vergeßt nicht, eine Messe zu bestimmen.

EREC: Dies ist nicht not, wenn Vorsicht euch geleitet,
Bedenkt, der Stamm ist oftmals glatt von Fäule,
Mit dem was uns der Nixenschwarm bereitet,
Hat keiner Müh, der zähmen kann die Gäule.
(Enite ab. Dann hört man sie ins Wasser stürzen.)
O scheck, der Tor hat seinen Part vermasselt,
Das kommt davon, wenn andern gräbt man Gruben,
Eh mir der Krieg des Abenteuers rasselt,
Vertu ich meine Tage mit dem Buben.
(Er stürzt davon.)

IDERS: Wohin ich komm, gibts Wirrnis und Versagen.
Was hielt mich ab, die Minne zu verhehlen?
Der ganze Hofstaat wartet schon seit Tagen,
Unmöglich freilich ists, sich fortzustehlen.

EREC (trägt Enite, die tot wirkt):
Wir wüssen ihn zum Leben neu erwecken,
Das Schlingzeug war so dicht und ließ ihn saufen.
Schick nie nach einer Blume einen Gecken!
Ich könnte mir den Bart zusammenraufen!
(Er massiert die Brust und drückt Wasser aus der Lunge.
Dabei öffnet er das Hemd und erschrickt.)

O nein! Es ist nicht wahr, ganz ausgeschlossen!
Was grüßen mich für Knospen steil und lieblich?
Was für ein Trug verschrieb mich dem Genossen,
Wo Mann und Frau doch gänzlich unterschiedlich?
O weh! ich bin genarrt, beschimpft, verspottet,
 

 

285
 
Ich pöbelte mit einer Amazone.
Nie ist ein Ritter so im Sumpf getrottet,
Und fand die Ehr als eine gelbe Bohne.

ENITE (hustet, spuckt Wasser, beschaut sich
und rafft das Hemd)
:
Nun also ist verfehlt nicht nur die Ernte
Aus dem Morast, ich bin entlarvt, entsiegelt,
Die Taufe Vorwand und Vertrag entfernte,
Weil Weihers Glätte Himmelswissen spiegelt.

EREC: Wie hehr, wie hold, beliebt es euch zu flöten!
Betrügerin, nun schweigt bei Todesstrafe,
Der Herr der Tafel soll die Hexe töten,
Ich geh zu ihm, bevor ich wieder schlafe.
Drum Iders zeigt mir, wo es geht zum Schlosse
Mabonagrins, wir wollen gehn und klagen,
Daß Unheil aus dem Minnespiel mir sprosse,
Wußt ich schon lang, doch nun gehts an den Kragen.
 

 

286
 


DRITTER AUFZUG
Im Schloß Mabonagrins, einer riesigen Bibliothek. Labyrinthisch, die Regale verschieben sich eigenmächtig, und geben immer neue Blicke auf Bücherfluchten frei. In der Mitte Artus am Pult mit einem Folianten, im Hintergrund schläft die Königin auf einem riesigen Buch. Weitere Ritter in angestrengter Lektüre. Alle Möbel scheinen aus Büchern zu bestehen. Wenn Artus oder sonstwer liest, verändern sich die Dinge im Raume.

Erste Szene.
Artus, Erec, Enite, Iders

ARTUS: Höchst wundersames Spiel, ich las soeben,
Ihr trätet ein, zwei Ritter und die Stumme,
Wer solches liest, der mag nicht länger leben,
Denn draußen in der Welt ist er der Dumme.

EREC: Der Dumme ja. Ich führe grimme Klage.
Mein Weib hat mich getäuscht und arg betrogen,
Daß eurer Richtspruch banne Schimpf und Plage,
Bin ich mit euerm Ritter hergezogen.

ARTUS: Ich bin nicht Herr in diesen hehren Mauern,
Die Bücher herrschen hier, wer sie geschrieben,
Gibts nirgends Hinweis, doch im Texte lauern,
Die Taten, die zu werden freigeblieben.
Drum lest! der Richtspruch und sogar die Buße,
Sind hier gebannt in sechsundzwanzig Lettern,
Da findet selbst der Törichste nicht Muße,
Nach eignem Sinn zu loben und zu wettern.
 

 

287
 
EREC: Ich glaub, den König hält man hier gefangen,
Mit einem Spuk im Auge und im Hirne,
Die Ritter scheinen tot wie aufgehangen,
Man hole Wasser für des Königs Stirne.

ARTUS: Ja Wasser, ja, der Brunnen wird uns lehren,
So sagen es die Jamben hier verläßlich,
Im fünften Auftritt wird die Sonne kehren,
So schrieb mans hier, für immer unvergeßlich.

IDERS: Wo ist die Königin? Auch bei Lektüre?
Sie hat Humor, den ich hier sehr vermisse,
Wie einen Fluch den Bücherstaub ich spüre,
Die Königin hat Sinn für das Gewisse.

ARTUS: Sie schläft, sie träumt sich ein in den Folianten,
Weil ihre Augen müde und verwundet,
Mein Herz vertraut dem Geist, dem unbekannten,
Daß sie im Traume wahrsieht und gesundet.

EREC: Was sind das hier für Sachen? Hört ich lese
Euch laut, das jeder hier den Schwachsinn merke:
Der wahre Dramaturg will Exegese
Und spielt mit seiner Zeit in jedem Werke,
Denn allem was gesagt wird und getrieben
Stellt sich die reine Möglichkeit zur Seite,
Und alle, die Verschwiegnes einzig lieben,
Sehn außerhalb der Tagtat das Gefeite.
Wie auch dem Held, der laut verklagt die Stumme,
Geflissentlich verschweigt, daß er gebetet,
Daß sie ihm folg und sich dazu vermumme,
So sag der Schrecken euch, was ihr erflehtet.
 

 

288
 
IDERS: Dies spricht gefährlich klar von unsern Dingen,
Der Autor scheint uns zuzusehn von oben,
Wenn alle Bücher wie Sirenen singen,
Bleib lieber ich beim ungebunden Groben.

EREC (schlägt das Buch zu und nimmt ein anderes):
Dies war ein Zufall. Werde wieder heiter,
Frappant zu sein, das reicht nicht zum Propheten,
Man mische Spinnweb, Krötengift und Eiter
Und danach wird der ganze Quark getreten.
Wer solches glaubt, der ist nicht mehr zu retten,
Der gute Wille, überall zu deuten,
Gibt dem Papier die Haltekraft von Kletten,
Was eingebildet, droht dich auszubeuten.

IDERS: Lies lieber vor als hilflos zu posaunen
Du stocherst im Vermuten und Verdammen.
Hilf lieber, daß wir nicht in Ohnmacht staunen,
Denn nur der Angriff bringt was rinnt zusammen.

EREC: Nun gut, hier heißts im selben Silbenmaße:
Die Stummheit ist ein Vorspiel zum Verschwinden,
Doch fällt ins Schloß das helle Licht der Straße,
Wird sie der Kläger vom Gebot entbinden.
Drauf mach dir deinen Reim ich kommentiere
Es nicht mehr, weil ganz offenkundig blöde,
Mag Artus es gefalln, ich steh nicht Schmiere,
Denn dieses ganze Schloß ist mir zu öde.
(Enite ist plötzlich hinter den Büchern verschwunden.)

IDERS: Da, Erec, die Gefangne ist entwichen!
Ward da nicht vom Verschwinden grad gesprochen?
 

 

289
 
Kaum liest man hier ein Wort vom Füchterlichen,
Und schon ists als Geschehn hereingebrochen.

EREC: Ich finde sie, ich werd den Trug zerreißen,
Und alle Schleier auftun, die hier hängen,
So lange will ich nicht mehr Erec heißen,
Wie alle Wünsche ins Geheimnis drängen. (Ab.)

ARTUS (zu Iders):
Laß ihn nur gehn. Er muß allein studieren.
Die Welt ist groß, auch hier auf engstem Raume.
Die Pforten, die wir hier im Lauf passieren,
Stehn anderswo uns offen nur im Traume.
(Ein Vorhang, mit Bücheregalen bemalt, fällt.)


Zweite Szene.
Vor dem Vorhang.
Erec, als Alchemist verkleidet, Mabonagrin.

MABONAGRIN:
Herr Doktor, sagt, wann wird die Stumme sprechen,
Ich geize nicht mit Perlen und Saphiren.

EREC: Sie wird mit der Verschwiegenheit nicht brechen,
Eh eure Kammer nicht die Misteln zieren.

MABONAGRIN:
Dies ist bekannt. Aus meinen Einsamkeiten
Kann treten ich, so ward mir oft gepredigt,
Wenn sich dem Adler seine Flügel breiten
Und einer Schönheit Stummheit sich erledigt.
 

 

290
 
Drum ruf ich euch, daß ihr zum Reden brächtet
Die Stumme, die sich endlich eingefunden.
Ich frage, was ihr denn zu tun gedächtet,
Daß sie von ihrem Fluche werd entbunden.

EREC: Wenn Prophetie Ereignisse verbindet,
Täuscht uns der Wahn, eins sei des andern Zwinger,
Was innerlich und was sich außen windet,
Zu trennen hüte sich des Arztes Finger.

MABONAGRIN:
So wollt ihr gar nichts tun, um mir zu frommen?
Verschwende ich die Zeit mit euern Stanzen?
Ihr habt euch mein Vertraun und Gold genommen
Blutsaugerisch wie Flöhe oder Wanzen.

EREC:
Schimpft nicht den Arzt, wo Reife not und Weile,
Die Seiten werden aufgeregt gewendet,
Es mehren sich die Zeichen von dem Heile,
In dem der Wahn der tiefen Spaltung endet.

MABONAGRIN:
Das seh ich anders. Nur die Kosten steigen.
Nicht etwa Mut und großes Heil vom Quelle,
Betrügern sind stets schöne Worte eigen,
Und eure Kunst ist Stillstehn auf der Stelle.

EREC: Mit Quellen spricht man nicht in unsern Lauten,
Allein die Stumme wird im Born verstanden,
Wer vorgreift, übergeht des Anvertrauten
Höchst eignen Takt und macht ihn so zuschanden.
 

 

291
 
MABONAGRIN: Die alte Leier. Ja, ich werd gedulden
Mich noch, doch platzt mir irgendwann der Kragen,
Eh mir das Schloß verpfänden meine Schulden,
Werd ich Lebwohl zu euren Künsten sagen.
(Beide ab. Der Vorhang hebt sich wieder.)


Dritte Szene.
Artus, Guinevere, Iders.

GUINEVERE (erwachend):
War ichs nicht, die dem jungen Recken sagte,
Die Augenschöne sei ein Schmuck der Ehre,
Und wars mein Zwinkern nicht, das ihn so plagte,
Gemeinsam mit dem Giftpfeil dieser Lehre.
Ich hör den Brunnen plätschernd mir verraten,
Im Schlosse gingen viele Mädchen tanzen,
Und eines wagt sich sprachlos an die Taten,
Weil ich ihm nahm die Lumpen und die Fransen.
O weh! sie kann den Born allein erwecken,
Der strömt sich fort in einem holden Paare,
Ob Träume oder Tage uns verstecken,
Ob eins das andre trag und offenbare,
Das fragt nicht mehr, wer Minne fand als Weiser
Im dunkeln wie im hellen Abenteuer,
Den alle Wasser werden leis und leiser,
Entbehren sie das Gegenstück, das Feuer.

ARTUS: Die Minne mag es heimlich und bedächtig,
Zuviel des Lichts bedeutet Langeweile,
Drum niemals mit dem Aberglauben recht ich,
Er fügt vortrefflich die getrennten Teile.
 

 

292
 
Ist Minne Wahn, so muß sie wahnhaft walten,
Erhellt sie uns, so darf sie herrlich lohen,
Jedoch sie wird gewißlich bald erkalten,
Willst Nacht mit Tag und umgekehrt bedrohen.
Laß das Geheimnis, laß das Offenkunde,
Gleichsam am eignen Widerspruch sich laben,
Dann wirst du den Verfall und das Gesunde
Im gleichen Spiegel als dich selber haben.

IDERS: Im Tanz der Körper suchen sich die Seelen
Und in dem Spiele sind wir die Statisten,
Grad gut für jene, die sich uns verhehlen,
Den Haushalt der Gefühle auszumisten.
Und was der Dichter ausdehnt manche Szene,
Ist vielleicht nur der Schwirrflug einer Motte,
Das Herz braucht beides wohl: Aterie, Vene,
Und Hell und Dunkel dienen einem Gotte.
Im Stück des Lebens scheint uns manches weise
Und andres töricht beigemischt dem Glanze,
Doch fährt dies Buch auf einem Doppelgleise
Und seine Botschaft lautet: Such das Ganze.

ARTUS: Der Schloßherr Mabonagrin lebt im Wahne,
Ihm sei das Glück der Minne ganz verwehret,
Er kann es nicht erkennen, und ich ahne,
Daß zuviel Wissen ihm die Schau verwehret.
Und Erec ist der Tor des Augenscheines,
Was jenem fehlt, ist diesem überzogen,
Drum gibt ein Ausgleich jedem Teile eines,
Eins sei am anderen zurechtgebogen.

GUINEVERE: Also entspricht der Stummheit der Enite
 

 

293
 
Der andern Frucht, sich offnen Augs zu zeigen,
Ein Mann verwehrt der Frau, daß sie sich biete,
Der andre heißt die seine stets zu schweigen.
So schützen beide sich vor ihrem Mahren,
Jedoch die Fraun sind freier nicht vom Banne,
Sie spieln das Spiel, das trefflich eingefahren,
Und trösten sich, das Wollen läg beim Manne.
Doch Manneswille, dem die Frau gefügig,
Verwechselt bald den Willen mit der Pose,
Doch widerspräch die Frau dem Ritus zügig,
So mischten sich zu neuem Glück die Lose.
Darum bedenkt, daß Minne nicht erstarre
Im Vorwand, daß erkannt sei das Bewährte,
Nicht tatenlos des hohen Glückes harre,
Das immer nur im Wollen wiederkehrte.


Vierte Szene.
Enite, das unbekannte Mädchen, später Erec
und Mabonagrin.
Der Vorhang schließt sich wieder und davor wird von oben ein Brunneneimer herabgelassen, in dem Enite sitzt. Sie verläßt den Eimer am Grund und vollführt einen stummen Tanz im Brunnen, zu dem sich nach einer Weile das unbekannte Mädchen gesellt. Der Brunnen spricht. Als er verstummt, verschwindet Enite, und Erec tritt auf und führt das unbekannte Mädchen zu Mabonagrin, der am Rand der Bühne wartet.

BRUNNEN: Wasser gießt sich in Gefäße,
Wasser hebt den Zweig ins Licht,
Alles Maß sucht das Gemäße,
Ohne Wasser geht es nicht.
 

 

294
 
Wasser rötet sich zum Blute,
Wasser grünt als Chlorophyll,
Wasser reizt zum Wagemute,
Wird im Löwen zum Gebrüll.
Denn sein Wesen ist Vermengen
Seine Tat Zusammentun,
Starr in Raum- und Zeitenfängen
Mußt du ohne Wasser ruhn.
Lösen ist die Kunst des Bades,
Daß sich neu zusammenfüg,
Was die Weglichkeit des Rades
Noch als Alter weitertrüg,
Wasser kann allein verjüngen,
Augen auftun tags und nachts,
Heiter und in großen Sprüngen
Seine vielen Wunder machts.
Bist du einsam und alleine,
Wasch die Augen, steh und schau,
Wasser trägt den Geist im Weine,
Wüsten machts zur goldnen Au.
Wasser ist das Weib dem Feuer,
Beiden nötig ist der Ring,
Denn bestimmt dem Ungeheuer
Ist, daß es dem andern sing.
(Pause.)
Brunnen heiß ich für die Helle,
Der ich Finsternis und Nacht,
Daß zum Sprudel werd die Welle,
Hat der Herr mein Aug gemacht.
Wo das Wasser heißt das rare,
Bin ich ewig hochgeehrt,
Mir allein gelingt das Klare,
 

 

295
 
Das dem Keim die Wunde wehrt.
Doch ich schmachte und ich schweige,
Weil ich weiter fließen will,
Wenn ich euch das Fließen zeige,
Horcht, ich tu es meistens still.
Ineinander, auf und nieder,
Tanzt, der Brunnen rufts euch zu,
Was dem Adler sein Gefieder,
Sind dem Tänzer seine Schuh.
Was der Schwerpunkt kann vollführen,
Was das Lot der Welle taug?
Euch im Tanze zu berühren,
Blicket tiefer als das Aug.
Mädchen muß der Brunnen spucken
Einem Aug und einem Ohr,
Feuerstirnen sollen zucken
Und im Wasser tönt der Chor:
Alles ist dir zugeflossen
Und verlangt nach deinem Reif,
Darum flink und siegentschlossen
In die Brunnenfluten greif!

DAS UNBEKANNTE MÄDCHEN:
Tanzen wolln wir tanzen, tanzen,
Alles winkt dem Tanze zu,
Südwind haben wir im Ranzen,
Goldnes Korn im roten Schuh.
Als des Wassers Sprudelgeister,
Als Fontänen und Geperl,
Macht uns weis kein Weitgereister,
Daß der Born ein trüber Kerl.
Übermut und Lust zu necken,
 

 

296
 
Ist des Wassers Eigenart,
Keiner soll sich noch verstecken,
Der sich mit dem Feuchten paart.
Plätschern, prasseln, überschwemmen –
Woge bis zu mein, ich dein?
Durch das volle Haar zu kämmen,
Stimmt mich auf das Wiegen ein.
Wiederkehr im Schrei der Wiege
Ist des Weibes Wissenschaft,
Wo ich durch die Lüfte fliegt,
Fehlts dem Boden nicht an Haft.
Denn zur Krume und zum Keimen
Kehrt was kehren will und kann,
Rauscht der Regen in den Reimen,
Kommt es auf die Erde an.

EREC (zu Mabonagrin):
Der Hymnus ist gesungen, Streit und Suche
Sind bloß Gefolgschaft nach den Elementen,
Nicht dunkler Botschaft weigre dich und fluche,
Denn dunkel ist sie bloß dem Abgetrennten.
Wer aber eintritt in das Reich der Wasser,
Der faßt das Licht mit einem andern Glase,
Der Geist wird ihm zum Wildfang und zum Prasser,
Und Blumen stehn nicht länger in der Vase.
Ich bringe euch die Braut, die eure Augen
Nicht fassen konnten, eh der Staub gewaschen,
Sie hat das Salz, das Urgestein zu laugen,
Vermögt ihr mehr, als nur davon zu naschen.
Denn ein Zuviel ist nur bei Sucht gegeben,
Dieselbe ist ein Fliehn ins Nebeltrübe,
Wer aber jede Faser tränkt mit Leben,
 

 

297
 
Weiß, daß ihm nie ein Erdenmaß genüge.
Die Minne eint, was Geist und Streit versuchen,
Drum geht in ihr der Dichter mit dem Krieger,
Und wer nicht nur ein Stück begehrt vom Kuchen,
Der bleibt zuletzt auf allen Feldern Sieger.
Werwundert euch nicht, daß wie eine Grille
Ich eine andere Larve euch kredenze,
Zum Doktor macht den Heiler nicht die Brille,
Und Leichtigkeit erfinden nicht die Tänze.
Wer aber geht durch Träume und durch Rollen,
Begreift zuletzt, was ihm im Sieb geblieben,
Und wenn die Fraun uns wirklich lieben wollen,
So müssen sie das Eigentliche lieben.
Schauts, wie ich geh nach Haus in diesem Stücke
In neuem Anspruch, was die Zeit mir bringe,
Ich hoff, euch dients zu euerm eignen Glücke,
Und dem allein der Wunderbronnen singe.


Fünfte Szene.
Der Vorhang hebt sich. Während Erec von vorn in die Szene tritt, kommt Enite von hinten zwischen den Regalen hervor.
Artus, Guineneve, Erec, Enite, Iders.

EREC: Enite!

IDERS: ... ward vom Bücherbord gefressen.
Zogt ihr nicht aus, sie wieder heimzubringen?
Ach ja, ich Tor, da hab ich doch vergessen,
Nicht jeder Strauß muß euerm Arm gelingen.

EREC: Nicht als Panoptes hat dich Gott geschaffen,
 

 

298
 
Sonst hätt auch nicht verfangen manche Finte,
Ihr solltet ruhig mal nach hinten gaffen,
Nicht jede Weisheit offenbart die Tinte.
(zu Enite):
Enite sprich! Ich will sie wieder hören,
Die Vogelweisheit aller Nachtigallen,
Doch gräm dich nicht, wenn Flöten nicht betören
Den Wachen, der aus seinem Traum gefallen.

ENITE: Ich hätte gern euch passender gesprochen.
Jedoch, auf Artus' Pult das Bücherbabel
Steht vor dem Fall, gewaltig weggebrochen
Ist manchem Geist die herrlichste Parabel.
Versessen wie auf Honig ist die Biene,
Türmt groß auf klein und dick auf dünn der Gute,
Nun ist es nur noch kurz bis zur Lawine,
Dem Bücherfreund wirds dabei klamm zumute.
(Artus, der die Wechselrede nicht beachtet hat, legt ein weiteres Buch auf den Stapel, worauf der krachend zusammenbricht und die Bücher im Raume verstreut.)

GUINEVERE (von hinten):
O Artus, wärst du doch wie ich am Liegen,
Was unten liegt, das kann so tief nicht fallen.

IDERS:
Was hilfts, wenn sich im Fach die Balken biegen,
Die Bücherberge wuchern wie Korallen.

EREC (mit Enite am Aufsammeln):
So findet sich gleich Grund, zu zweit zu wirken,
Gemeinsam ist ein großes Ding ein Kleines.
 

 

299
 
ENITE: Dies war kein Wort aus tiefen Hirnbezirken,
Gemeinplatz heißt der Philosoph des Scheines.

EREC: Du hast vermutlich viel zu viel gelesen,
Unweiblich ists so klug sich zu vernehmen.

ENITE: Nach deiner Wahl Prozeßort ist gewesen,
Dies Schloß, das keins der allzusehr bequemen.

EREC: Du wirst am Ende immer recht behalten,
Es ist kein Weg, das Reden zu verdammen,
Doch was den Heißsporn trifft, versagt beim Kalten,
Wer wenig schießt, die Pfeile hält beisammen.

GUINEVERE (kommt, um Enite zu begrüßen, und stößt dabei gegen Artus Stapel, der erneut durch die Gegend poltert):
O weh! O weh! Nun werd ich meiner Rolle
Als Schirmerin der Sitte ganz verdächtig,
Daß dieser Stapel nochmals stürzen solle,
Beschloß ein Schrat, der für die Queen zu mächtig.

EREC: Wir sollten gehn. Sonst wird noch zur Klamotte
Das gute Stück mit seinen tiefen Sprüchen,
Die Spitzzung meint, eh man der Bücher spotte,
Wärn Frauen lieber eingesperrt in Küchen.
Auch will ich euch vertraun, wer dieses Schlosses
Papierne Möbel hat heineingetragen,
Ein Zauberer im Tempo des Geschosses
Die Bücher fuhr in einem Drachenwagen.
Der Ritter, der erst, wenn wir längst gestorben
Auf Taten sinnt, mit Namen Don Quijote
Hat vor der Fahrt manch altes Buch erworben,
 

 

300
 
Und als er heimkam, schief er tief wie Tote.
Dies nutzt der Zaubrer aus, mit einem Fluche
Flog alles in vergangene Geschichte,
Darum geschieht es uns, daß wir im Buche
Erfahrn, was erst zu tun ist für Berichte.
Man muß den Zaubrer freilich milde pönen,
Denn Rettung war sein Diebstahl den Folianten,
Von Weiberart, die abhold allem schönen,
Warn oder werden sein des Ritters Tanten.
Sie hatten als der Fluch fiel schon beschlossen,
Die Bücher sollten auf den Scheiterhaufen,
Und daß die Pergamente nicht verflossen,
Das danken wir dem grimmen Drachenschnaufen.

GUINEVERE: Im Gegensatz dazu, daß er belesen,
Bevor er loszog, um das Schwert zu heben,
Ist es bei euch ein Umkehrschluß gewesen,
Ihr kröntet mit dem Geisteswerk das Leben.

ENITE: Ich denk, sein Leben ist noch nicht am Ende,
Wir werden auf dem neuen Grund beginnen,
Wer zwiefach sich entledigt hat der Blende,
Braucht keinen vierten Akt sich zu besinnen.
(Zwei Regale schieben sich auseinander und ein breiter heller Sonnenstrahl dringt ein.)

ARTUS:
Es scheint mir wenig höflich, wenn wir weichen,
Und sahn den Hausherrn einzig in Geschichten,
Wir haben doch zu danken manches Zeichen,
Das hilfreich ist für die Regierungspflichten.
Auch frag ich mich, ob diese Wissensbürde,
 

 

301
 
Ob das Kartell aus Hoffen und Versuchen
Nicht unsern Beistand nötig brauchen würde,
Den Bücher-Harem läßt man nicht Eunuchen.
Wer sammelt, steckt sein Herzblut in Bestände,
Die solln sich nicht in alle Welt zerstreuen,
Drum niemand wasch in Unschuld seine Hände,
Dems leichter fiel, ein Angebot zu scheuen.
Die Mauern sind sehr alt und ausgebessert
Ward lange nichts, vielleicht sind die Finanzen
Des Hausherrn auch ein Salz, das man gewässert,
Vielleicht veruntreun alles Gut die Schranzen.
Man müßte neue Sicherheiten geben,
Daß nicht der Zauber, ders gebracht auch nähme,
Auch wünscht ich, daß Reichtum vieler Leben
Verwaltung, die verläßlich bleibt, bekäme.

EREC: Verlorn ist alles, was da treibt und brütet,
Auch Bücher müssen irgendwann zerfallen,
Den tiefern Sinn des ganzen Zaubers hütet,
Nur wer vermag den Wasserlauf zu ballen.
Kein Bauwerk, das nicht irgendwann geborsten,
Und keine Truhe, die vor Dieben sicher,
Das Ewige kann nur mit Flügeln horsten,
Die leichter als des Publikums Gekicher.
Treibt die Essenz zurück ins Lebensfrohe,
Entsteht ein neuer Stoff, ihn aufzuschreiben,
Drum ist allein Lebendiges die Lohe
Die Lohe der Vernichtung zu vertreiben.
Von Artus heißt es einst im hohen Tone,
Man schrieb von ihm, dies machte ihn nicht irre,
Das Buch ist nur ein Hornruf, daß es lohne,
Daß man die Zeichen wähl und wieder wirre.