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PUNISCHES LIED
TRAGÖDIE





Juno, false Juno, in her chariot's pomp,
Drawn through the heavens by steeds of Boreas' brood,
Made Hebe to direct her airy wheels
Into the windy country of the clouds,
Where, finding Aeolus entrenched with storms
And guarded with a thousand grisly ghosts,
She humbly did beseech him for our bane,
And charged him drown my son with all his train.
Then gan the winds break ope their brazen doors
And all Aeolia to be up in arms.


VENUS' LAMENT   
CHRISTOPHER MARLOWE   
 

 

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PERSONEN
JUNO, VENUS, HEBE, Göttinnen
AENEAS, Vetter des Priamus
ASKANIUS, sein Sohn
DIDO, Gründerin von Karthago
ANNA, ihre Schwester
TIMON, Steuermann und Hofmeier
JARBAS, Berberhäuptling
JOEL, sein Mundschenk
BERBER, KOLONISTEN
 

 

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PROLOG
Die Göttin Hebe tritt mit Krug und Schale vor den Vorhang.

HEBE:
Dem Publikum, das zwischen Tag und Schlummer
Zu lauschen kam zu diesen Bühnenbrettern,
Befahl der Autor mir zu meinem Kummer,
Vorm Vorhang die Begrüßung zuzuschmettern.
Das Alter dieser Welt wird oft den Stufen
Im Lebensalter Sterblicher verglichen,
Und jeder Zeit ein Himmel wird gerufen,
Der leuchtet und ist dann sehr bald verblichen.
So steht für frühstes uns der Erosknabe,
Der blindlings schießt in alle Horizonte,
Doch dann verläßt der Größere die Wabe
Und wagt sich voll Verheißung ins Besonnte.
Da ist noch alles unstet und voll Böen,
Der Glaube mächtig, die Erfahrung windig,
Die Gründe stehn stets nahe bei den Höhen,
Beflaumen sich die Wangen pickelgrindig.
Man nennt mich Göttin mit den Rosenwangen,
Erwachen, erster Streit und erste Liebe,
Von Dunkel ist die Zukunft ganz umfangen,
Doch ungezähmt entpuppen sich die Triebe.
Vor Troja warn die himmelsmächtgen Paten
Noch mittendrin, dann zogen sie die Schnüre
Ehr abgedunkelt, daß den Menschentaten
Es merklich nicht mehr, wer sie plan und führe.
Wer »punisch« hört, der denkt gleich an die Kriege,
Die dieses Land ins Sagendunkel stießen,
 

 

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Hier geht es um die Stifterin, die Wiege,
Die Byrsa, draus so viele Brünnlein fließen.
Wie jedem Ja ein Nein ist eingeschlossen,
So ist auch dies Geleucht nicht ohne Schatten,
Der Juno hold, die Fremdes nie genossen,
Hielt unsre Stifterin dem toten Gatten
Die Treue, bis sie Pluto selber schwärzte.
Dies kreuzte Venus' Hoffnungen und Pläne,
Und daß sie sich zu keinem Mann beherzte,
Weint unterm Fluch der Spätre seine Träne.
Das »spät« ist stets ein Zeichen für Bezüge,
Was einem spät, ist anderem die Frühe,
Drum folgt ins Labyrinth der frühen Flüge
Und macht euch mit dem Ungewohnten Mühe.
Denn nichts was jemals Tat wird und Vermächtnis,
Ist gänzlich tot, wie auch die Götter dauern,
Was ausgemerzt Beachtung und Gedächtnis,
Kann morgen schon als Sphingenfrage lauern.
Natürlich soll das Publikum auch lachen,
Wir wollen keine Langweil hier im Saale,
Sonst heißts, die Bühne wäre zuzumachen,
Weil keiner sie besucht zum zweiten Male.
Doch freilich, ist es oft ein herbes Lachen,
Dies werde nicht geschönt oder verschwiegen,
Denn so Tragödien sind gar heikle Sachen,
Darin die Besten Arg und Unbill kriegen.
Doch nun genug geschwätzt und angedeutet,
Genug geraunt, beschwichtigt und gewogen,
Der erste Aufzug sei nun eingeläutet,
Wo alles gärt und wo sich spannt der Bogen.
 

 

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ERSTER AUFZUG
Auf dem Vordeck eines Schiffes im Mittelmeer. Heiter und mild. Dido opfert auf einem Altar einen Widder, von dem Rauch zum Himmel steigt, und gießt roten Wein auf die Schiffsplanken.

Erste Szene
Dido, Juno.

DIDO: Rindsäugige, entschloßne, willensstarke,
In aufgeschürztem Chiton und verschleiert,
Dein Mündel, fliehend in bescheidner Barke,
Auch heute dein erhabnes Antlitz feiert.
Du trägst den Apfel fruchtbegabter Ehe,
Den Pfauen, argusäugig in den Federn.
Der Kuckuck, der bewahrt vom Wetterwehe
Den Gatten, mag den satten Rauch der Zedern.
Du einst die Jugend mit erfahrnem Lenze
Und läßt die Schwache in dein Heiltum treten,
Wo grüne Blätter rings und Blumenkränze,
Weil zu dir Frauen aller Alter beten.

JUNO (tritt nebelumflossen auf):
Die Treue seh ich gern, und deine Gaben
Sind rein und wohlgerichtet mir geflossen,
Du opfertest viel mehr als ich zu haben
Begehrte und du betest unverdrossen.

DIDO (ins Leere schauend):
Du scheinst mir näher als in Tyros früher –
Sind Neptuns Felder näher an den Wolken?
 

 

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Ich spüre duften einen Diptam-Blüher,
Vermischt mit Milch, die grade erst gemolken.

JUNO: Ich bin dir nah und kenne die Geschichte,
Du fliehst Pygmalion, der erdolcht den Gatten,
Er sann darauf, daß er dich auch vernichte,
Doch narrte ich sein Aug mit einem Schatten.
So konntest du manch goldenes Geschmeide
Zum Meere bringen und vertraun den Winden,
Versprochen sei dir Wolle, Vieh, Getreide,
Und deine Feinde will ich sehrn und schinden.

DIDO: Du bist so gütig, werd ich bald schon landen?
Wird gastlich sein der Eingebornen Sitte.

JUNO: Dir ist schon bald ein reiches Land vorhanden,
Nutzt du die List, wenn man beschämt die Bitte.

DIDO: Ich dank, doch werden meine Geistesgaben
Es schaffen, klug und maßvoll da zu walten?

JUNO: Oft ist des Rätsels Lösung leicht zu haben,
Vermag man nur die Wut im Zaum zu halten.

DIDO: So will ichs halten, Schützerin der Ehe,
Daß ich den Meinen Raum und Grund gewinne,
Beherzt, gewitzt, und wie ich dich verstehe,
Abwartend wie vor ihrem Netz die Spinne.

JUNO: Man wird dich weise nennen und verehren,
Doch wird man dir auch drohn und dich versuchen,
Nicht alle Götter halten mich in Ehren,
 

 

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Und manche Schönheit wird mich dir verfluchen.
Es wird nicht leicht die Treue deinem Stamme,
Doch kann die Ehre kein Refugium finden,
So sei dein Heimgangstor zu mir die Flamme,
Die loh, dich jedem Frevel zu entwinden.

DIDO: Nimm meinen Eid, o Göttin, freudenhellste,
Wehrt Macht, daß deine Sklavin leb getreuer.
So wähl ich, eh ein Frevler auf mir wälzte,
Den kühnen Sprung in deines Herdes Feuer.

JUNO: Du bist erwählt mir über tausend Jahre,
Und deine Feinde werde ich vernichten,
Und dreimal tausend Jahr weint an der Bahre,
Wem Barden von Gewalt und Sturz berichten.
(Verschwindet. Man hört Möwengeschrei.)


Zweite Szene
Dido, Anna.

DIDO:
Dies ist ein großer Tag nach Schmach und Schande,
Die höchste Göttin schirmt vertriebne Treue,
Es ist nun Zeit, daß ich mich nah dem Lande,
Und mich an dem Gedeihn der Seefahrt freue.

ANNA:
O Dido, man schaut Land, es schrein die Möwen,
Ich zag und freu mich, hin und her gerissen,
Vielleicht gibts Elefanten hier und Löwen,
Die Stunden trödeln so im Ungewissen.
 

 

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DIDO: Ob wilde Tiere, Schlangen und Skorpione,
Die Göttin gab mir Kraft für eine Gründung,
Mein Steuermann trägt seines Faches Krone,
Er führt uns sicher in die Hafenmündung.

ANNA: Mir träumte diese Nacht von unserm Bruder,
Er drohte uns mit einer Ruderflotte,
Er nannt mich Räuberin und freches Luder,
Und klagte über uns beim Meeresgotte.

DIDO: Neptun wird diesen Tobenden nicht hören,
Ein Greul ist dem Olymp ein solcher Raser,
Wer gottlos sich vom Golde ließ betören,
Spürt Gram des Himmels bald in jeder Faser.

ANNA: O Dido, sind die Götter nicht auch neidig,
Und schmücken sich mit Kränzen, mit geraubten?
Mag Venus nicht die Daunen, hell und seidig,
Und Jove thront im mühevoll Belaubten?
Kann denn ein Gott, dem alles zu Gebote
Ermessen, was es heiße, nackt zu fliehen?
Weiß denn Ambrosia was vom harten Brote,
Von Kindern, die nach ihren Müttern schrieen?
Und ist nicht Himmel blind in einem Punkte,
Daß Ungewißheit kann er sich nicht denken,
Grad wie das Schwert, daß sich ins Leben tunkte,
Nicht ahnt, was dies würd nächstem Sommer schenken?

DIDO: Glaub nicht, im Himmel sei nur eitel Sonne,
Grad Juno trägt das Leid wie alle Frauen,
Sie weiß vom Schatten wohl in ihrer Wonne,
Sonst würde ich ihr töchterlich nicht trauen.
 

 

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ANNA: Ja Juno, doch wird sie gar oft vom Drängen
Des Jove abserviert in Hinterzimmer,
Der den Olymp mit Wolken zu verhängen
Wohl weiß, hat List und große Pläne immer.
Er läßt sich nicht vom Bitten und vom Flehen,
Vom Recht und von den guten Sitten bremsen,
Ihm taugen Mensch und Tier um fortzugehen,
Er tritt heraus aus Schwänen und aus Gemsen.
Drum scheint mir Juno in der Defensive
Kaum in der Lage, unser Recht zu schützen,
Und hörte sie das Leid in Herzenstiefe,
Sie käm zu spät und würde uns nichts nützen.

DIDO: Es ist ein Trug zu meinen, daß den Flinken,
Die alles überstürzen und durchlärmen,
Gehör die Welt, daß Schweigende versinken
Und sich nur sorgen, jammern oder härmen.
Das Schweigen, das Beharren auf dem Rechte,
Schafft erst den Quell, zu sprudeln und zu walten,
Drum schau zuerst und immer auf das Echte
Und such die Wahrheit immer im Uralten.

ANNA: So hätten wir nicht fliehn solln das Verbrechen,
Die Heimaterde, unsrer Väter Erbe,
So ist es falsch, in offne See zu stechen,
Daß man allein und als Gebannter sterbe?

DIDO: Die Heimat ist nicht dorten, wo mein Gatte
In Bruders Messer röchelte, erstickte,
Noch nie ich eine andre Heimat hatte,
Als die, dahin mich Junos Segen schickte.
Du wirst es schauen, blühend und gedeihend,
 

 

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Das Land, das Juno hat uns auserkoren,
Wirst froh sein, dich dem Jubilieren weihend,
Denn ohne sie bist überall verloren.

ANNA: Du bist die ältre, weise und erfahren,
Dein Mann hat dich begabt mit neuem Schauen,
Ich unterlieg im Mute wie an Jahren,
Mit ists bestimmt, der Schwester zu vertrauen.


Dritte Szene
Dido, Anna, Timon.

TIMON: Heil ruf ich zu den königlichen Schwestern,
Gerefft die Rah, zum Riemen rief die Flaute,
Die stille Bucht, ich roch sie fast schon gestern,
Bis ich sie in der Morgensonne schaute.
Gleichwohl es scheint, wir sind nicht sehr willkommen,
Die Eingebornen schwingen wild die Speere,
Ich lasse nun den großen Häuptling kommen,
Daß er der Herrin selbst erweis die Ehre.
Dann wird sich ein Vertrag wohl trefflich fügen,
Großzügig seid nicht mit dem Huldgeschenke,
Denn augenscheinlich ists, ich müßte lügen,
Wenn ich die Leut hier als verwöhnt mir denke.

DIDO: Hier weiß man nichts von Sidon und von Tyrern,
Und nichts von den Geheimnissen der Schnecken,
Ich denk, es schmeichelt den lokalen Führern,
Zu opfern eine von den Purpurdecken.
Das hält er dann für eine Königskutte,
Daß ihm das Land dagegen nichts als Steppe,
 

 

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Wenn er stolziert wie eine Hagebutte,
Krieg ich das Land, darein ich Schätze schleppe.

TIMON: Die Kolonie wird billig und gediegen,
Der Hafen schafft uns weitste Perspektiven,
Wer mittut, kann hier ein Vermögen kriegen
Und Herden, die vom Fette nur so triefen.

ANNA: Ein Glaskelch wär gewiß auch recht betörend,
Noch eignet sich dies nicht für Tölpelhände,
Es wär gewiß die Freundschaftsfeier störend,
Gäbs Klirren und die Scherben hier am Ende.
Gewiß weiß nicht, daß nur noch aufzufegen
Uns bleibt, wird diese Kostbarkeit gestoßen,
Wem nur die Höhle Schutz vor Sturm und Regen,
Er sei nicht so geadelt von den Großen.

DIDO: Die Decke ist zwar klein, jedoch als Flagge,
Kann sie wohl taugen, daß die Wilden staunen,
Und frönt der Häuptling erstmal seiner Macke,
So bessern auch die andern ihre Launen.
Die Göttin wills, so wird es uns gelingen,
Wir tragen die Kultur ins Primitive,
Wer sich die Ohren schmückt mit Pappelringen,
Will nicht dem Lande, daß es weiterschliefe.
(Lärm im Hintergrund)

TIMON: Ich glaub, der Trupp, den ich zu Lande sandte,
Ist schon zurück, auch läßt der Lärm mich hoffen,
Daß sich der Häuptling mit Gefolg ermannte.
Nun gilts, daß er den Frauenwünschen offen.
 

 

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Vierte Szene
Dido, Anna, Timon, Jarbas, Joel,
Berber, Kolonisten.

JOEL: Ich bin der Mundschenk dieses Berberfürsten,
Und ich versteh die Sprachen aller Länder,
Ihr seid nicht grade das, wonach wir dürsten,
Denn ich erkenn das Schiff und die Gewänder.

JARBAS (in einer offenbar für die anderen unverständlichen Sprache zu Joel):
Was soll das, Weiber, will man mich verkohlen?
Ich soll hier mit dem Unterleib verhandeln?
Ich denk, die solln die bösen Geister holen,
Eh sich vor Wut entzünden meine Mandeln.

JOEL (zu Jarbas in Landessprache):
Wir wollen sehn, was diese Flittchen bieten,
Es gibt bei solcher Ankunft ja Geschenke,
Ich hielt für gut, man prüfe diese Nieten,
Eh man sie ohne Federlesen henke.
(zu Dido allgemein verständlich):
Mein Herr fragt, welch Begehr zu dieser Landung
Bewog und wo der Mann des Damenpaares,
Hier üblich ist die Plünderung der Strandung,
Drum wünscht er ein Erklärungswort, ein klares.

DIDO: Wir hörten von der Gastlichkeit der Berber,
Und ein Geschenk befahl uns unsre Güte,
Die Schwester fand noch nicht den rechten Werber,
Und meinem wards, daß Pluto ihn behüte.
 

 

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JOEL (zu Jarbas in Landessprache)
Sie sagt, die Kleine sei als Jungfrau läufig,
Sie selber sei verwitwet und geschieden,
Ich find, solch Gaben sind gar wenig häufig,
Grad wie die Äpfel von den Hesperiden.
(Jarbas nickt, weiter zu Dido):
Ich nehme an, ihr wollt euch hier vermählen,
Wir haben hier gewiß gestandne Recken,
Und ziert ihr euch nicht lange, wen zu wählen,
So dürft ihr eure Bäuche bald verstecken.

DIDO: Die hohe Eileithyia, die uns sandte,
Läßt euerm Häuptling Purpur angedeihen,
Dies ist im Wolkenmeer die anerkannte
Bekrönung, daß die Träger göttlich seien.
(Sie reicht Jarbas einen Purpurschal. Der läuft zu einer Rotweinpfütze aus der ersten Szene und bewundert sich. Joel läuft ihm nach und versucht ihm klarzumachen, daß er den Wert überschätzt. Jarbas gibt Joel eine Ochsenhaut.)

JOEL (zu Dido):
Der Herr ist ganz verzückt, nun wagt zu sagen,
Was wollt ihr, daß das Berbervolk euch schenke,
Ich könnt die Kleine ja ganz gut vertragen,
Und mit der andern ich den Herrn nicht kränke.
Der hochgestochne Schwatz kann ja nicht stören,
Von fremder Sprache Kenntnis unbelastet,
Und selbst ein Fluch, den man nicht weiß zu hören,
Hat selten eine Würde angetastet.

DIDO: Wir brauchen Land, um unverzagt zu nisten,
 

 

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Und auszuüben Handel und Gewerbe,
Ein Eiland, karg für unsere Lebensfristen,
Gern die ins Meer hervorgestreckte Scherbe.

JOEL (bespricht sich leis mit Jarbas und wirft dann die Ochsenhaut vor Dido hin):
Grad das, was diese Ochsenhaut umschlingen
Euch kann, sei euch zur Landung angeboten,
Und traut euch drübernaus nach weitern Dingen
Nicht auszustrecken eure schmutzgen Pfoten.
(Die Kolonisten greifen nach ihren Schwertern und murren. Die Berber stampfen mit den Speeren auf.)

DIDO: Nur Ruhe in der Runde, diese Gabe
Ist kostbar und viel mehr als ich begehrte,
Euch danksagt meine Seele bis zum Grabe,
Und meinen Ring erhalt der Hochgeehrte.
(Sie zieht einen Ring vom Finger und reicht ihn Jarbas. Der steckt ihn sofort an seinen Finger und läuft davon. Die Eingebornen sind etwas verwirrt und laufen ihm dann hinterher.)


Fünfte Szene
Dido, Anna, Timon, Kolonisten.

ANNA: Was war das für ein heller Ring, o Teure,
Der war gewiß zu wertvoll für die Bande,
Verschenkst du Schwester Schätze ungeheure
Und handelst dafür ein nur Schimpf und Schande?

DIDO:
Nein Schwester, dieser Ring war Messingplunder,
 

 

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Der Jarbas wird dies sicher auch bald merken,
Doch schien mir hier die Stimmung voller Zunder,
Da gilts, mit Zeit das Eigene zu stärken.
Die Ochsenhaut, zu Fäden aufgeschnitten,
Faßt manche Klippen, die als Stützpunkt taugen,
Und strahlen Macht und Gold aus dieser Mitten,
Sind Könige nur wir in allen Augen,
Der Häuptling mag mit seinem Schale wedeln,
Und suchen in dem Ring nach Zauberkräften,
Wir werden weithin die Kontakte fädeln,
Bereichern uns in Handel und Geschäften.
Der Hafen, den die Ochsenhaut gewonnen,
Er heiße Byrsa, sei der Juno Anker,
Ich weiß, sie bleibt uns weiter wohlgesonnen,
Und das Vermögen wird gewiß nicht schlanker.

ANNA: Der Jarbas wird gewiß sehr bald erkennen,
Daß ihn betrog das unverhoffte Nutzen
Der Ochsenhaut, wenn wir sie so zertrennen,
Wird er die Gabe bald empfindlich stutzen.

DIDO: Ich hab noch manches Kleinod, ihn zu trösten,
Ihm vorzugaukeln, ihm geschähs zum Glücke.
Es halten sich die Männer für die größten,
Die windelweich vor Weibes List und Tücke.

TIMON: Wir hättens wohl geschafft, die frechen Gäste
Zu stürzen in des Neptuns blaue Fluten,
Doch solcherart erbaut man nicht Paläste,
Das Weib läßt Feinde segensreicher bluten.
Was wär gewonnen, hätten wird geschunden
Den Häuptling, wieder Spiel zu sein den Winden,
 

 

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Es hilft nichts, oft den Erdkreis zu umrunden,
Man muß sich niederlassen und sich binden.

ANNA: Ja Juno preist, sie gab der Schwester Stärke
Und Mut, der Gabe Hinterlist zu schauen,
Ein Schönheitsfehler liegt im Gründerwerke,
Doch anders ward nie eine Welt zu bauen.

DIDO: Die Göttin lehrte mich die Frauenwege,
Sie stand mir bei im Bangen und im Siege,
Drum sehnt euch stets nach ihrer hehren Pflege,
Denn ohne sie gibts nur die leere Wiege.
Was sie verheißt, soll eurer Tatkraft frommen,
Ihr Segen schafft euch Ernte und Gewinne,
Es wird der Ruhm auf eure Erben kommen,
Bleibt ihr der hohen Frau im Herzen inne.
Doch stets bedenkt, ich hab mich eines Eides
Bedient, sie so gewogen uns zu machen,
Wir sind Gefeite aller Scharn des Leides,
Halt ich nicht ein, beim Geist des Herrn zu wachen.
Die Treue, die ich schwor dem toten Gatten,
Sie lasse mich nicht zweifeln oder schachern,
Und sollte je die Ehrbarkeit ermatten,
Gehört mein Werk den Spöttern und den Lachern.
Ich kann, wenn man mir droht, mich zu vermählen,
Nur Zuflucht finden in den Flammengluten,
Daß sie die Haut von meinem Leibe schälen,
Den Schatten dann der Göttin zuzumuten.
Drum wisset, mag die Schwester auch dem Manne
Sich fügen und das wahre Glück erfahren,
Für mich gibts keinen Ausweg aus dem Banne,
Ich würde mich der Göttin offenbaren.
 

 

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TIMON: Wir werden eure Ehrbarkeit beschützen,
Der Geist des Gatten sei uns unvergänglich,
Wir werden euern Eid nach Kräften stützen,
Die Göttin rühmen, hell und überschwenglich.

ALLE KOLONISTEN:
Wir treten in das Land, das ward gegründet
Vom Treusinn einer Frau, die nur zu loben,
Die Tatkraft mit Gehorsam sich verbündet,
Und drüber wach die große Juno oben.
Wir werden niemals zweifeln und vergessen,
Daß nur das Opfer kann die Götter locken,
Drum werden wir nicht ohne Beten essen,
Daß Didos Gatten gelte jeder Brocken.
Wir werden niemals trachten neu zu paaren
Die Herrin, die beschämt mit ihrer Tugend,
Wir sprechens stets und also wird verfahren
Im neuen Lande eine neue Jugend.
 

 

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ZWEITER AUFZUG
Der Schloßgarten von Karthago. In der Mitte ein mächtiger Feigenbaum, im Hintergrund eine Grotte.

Erste Szene
Dido, Timon.

TIMON: Ich grüß die Herrin glücklich und zufrieden,
Die Flotte wächst, die neuen Ruderschiffe,
Sie haben uns die Meeresmacht beschieden,
Sie trotzen jedem Strudel, jedem Riffe.
Grad kam das Korn Sizilien-her gefahren,
Die Ladung wird gelöscht in Windeseile,
Wir wachsen und wir mehren uns mit Jahren,
Uns schreckt kein Sturm und keine Hafenmeile.
Der Krieg verdrießt uns an den Dardanellen,
Der Weg nach Kolchis heischte stets Gebühren,
Zu Lotsen, Wegzoll nun sich Schutztrupps stellen,
Denn anders ist dort nicht ein Schiff zu führen.
Seit Jahren wird dort hin und her gefochten,
Zum Ärger der Vernunft und der Geschäfte,
Die Griechen, die auf eine Dame pochten,
Sie scheuen keine Opfer, keine Kräfte.

DIDO: Wer ist die Frau, daß Männer sich verheeren,
Wie wird das Recht von Griechenland begründet?

TIMON: Des Menelaos Weib in Königsehren
Zu Sparta, wo der Strom Eurotas mündet.
Die Helena, wie Lakedaimons Frauen
 

 

25
 
Voll Stolz und eigensinnigem Betragen,
Man sagt, daß sie sich manches Wagstück trauen
Zu Pferde oder gar mit eignem Wagen.
Der Paris, der Trojanerprinz, die Dirne
Entführte aus dem kriegerischen Fasten,
Darüber streiten jetzt schon die Gestirne,
Weil Griechen solche Sitten gar nicht paßten.

DIDO: Es ehrt die Griechen, daß zum Schutz der Ehe
Ein großes Heer kommt auf und will nicht weichen,
Dies muß, wenn ich die Sache richtig sehe,
Der Juno einem Preisgesange gleichen.

TIMON: Ich glaub, die Sache ist nur vorgeschoben,
Das Unglück eines Ehemanns kann selten
Die Kreise ziehn, daß Völkerschlachten toben,
So etwas tut sich nur in Dichterwelten.
Der Reichtum Trojas in strategscher Lage
Ist schnöder Grund für diese Schlächtereien,
Doch macht sichs besser für die Totenklage,
Daß schöne Frauen Grund des Tötens seien.

DIDO: Dies mag so sein, doch ist dem Steineschieben
Auf Erden stets ein Hintergrund verbunden,
Die Götter, die die große Geste lieben,
Entzünden sich oft an sehr kleinen Wunden.

TIMON: Ja bitter ist das Ringen dort am Hügel,
Man trieb die Griechen schon hinab ins Wasser,
Patroklos nahm Achilles Zaum und Zügel
Und sorgte, daß der Angriff nicht noch nasser.
Der große Hektor, welchen Phoebus leitet,
 

 

26
 
Zerschlug mit einem Stein die Festungstore,
Den Myrmidonen ward das Aug geweitet,
Da Hektor zeigt, wie man die Speere bohre.
Patroklos fiel, Achills Gewänder tragend,
Und Troja jubelt, da der Angriff stockte,
Doch diese Kunde zu Achilles tragend,
Den Heros jener Tod des Freundes schockte.
Nun schritt er und entsagte allem Schmollen
Zur Walstatt, daß selbst Hektor mußte fliehen,
Und dreimal um die Mauer ging das Tollen,
Bis da Minerva zwang, das Schwert zu ziehen.
Und Hektor starb und bat da sterbend bitter,
Den Leichnam an die Stadt zurückzugeben,
Doch zum Entsetzen Freunds und Feinds und Dritter,
Mißhandelte Achilles den Epheben.
Er bohrte in die Ferse einen Haken
Und schliff die Leiche um das Grab des Lieben,
Die Haut zerriß wie ein zerfetztes Laken,
Bis Priamus er gab, was noch geblieben.
Die Raserei erfüllte mit Entsetzen
Die Götter, die da auch nicht glimpflich walten,
Ihr Ebenbild zerfleischte sich zu Fetzen,
Und Himmels Kampflust mußte so erkalten.
Aeneas ist nun Hoffnung der Dardaner,
Seit Hektor fiel, ist er der hehrste Streiter,
In Trauertagen schweigen die Trojaner,
Doch fürcht ich, dieser Kampf geht bald schon weiter.

DIDO:
Solch Leid wird einst auch unserm Sprengel blühen,
Die Städte wachsen und damit die Neider,
Und Tod und Elend sind die Frucht der Mühen,
 

 

27
 
Und Schimpf und Häme sind die Zeugen beider.
Als ich die Stadt uns gab für eine Stunde
Der Welt, war ich des Spruchs der Göttin inne,
Von Feindschaft und von Drangsal gab sie Kunde,
Von Drohung und von höchst verderbter Minne.
Mag Menelaos Gram euch wenig scheren,
So glaubt doch, daß die Ehre meines Gatten,
Für mich die hehrste bleibt von allen Ehren,
Mir ists, als ging ich grad ihn zu bestatten.

TIMON: Verzeiht, sang ich Aeneas, als begehrte
Ich euer Aug auf seinen Glanz zu lenken,
Mein Schmerz, daß Hektor Proserpin beschwerte,
Läßt mich ihn kühn und unvergleichlich denken.
(Ab.)


Zweite Szene
Dido, Venus.

DIDO: Das furchtbare Gemetzel, das mein Meier
Und Steuermann mir plastisch und voll Leben
Geschildert ohne Trostgebet und Leier,
Muß meiner Kühnheit sehr zu denken geben.
Ich bin erschöpft und will ein bißchen ruhen
Im Schatten dieser fruchtbeladnen Feige,
Zwar wäre viel zu richten und zu tuen,
Doch dieser Tag geht ohnehin zur Neige.
(Sie legt sich unter den Baum. Die Bühne verdunkelt sich langsam. Dann richtet sich ein Scheinwerfer auf die Schlafende. Gleichzeitig erscheint im Licht eines zweiten Scheinwerfers Venus im wallenden Nebel.)
 

 

28
 
VENUS: Wer hart sich bettet unterm Feigenbaume,
Ist wert, daß sich die Liebe selbst erbarme,
Für solche bin ich leiblich da im Traume
Und nehme sie in meine weichen Arme.

DIDO: Was führt die Hohe in bescheidnen Garten,
Was mischt sie meinem Traume ihre Stimme.

VENUS: Ich habe mir erlaubt, euch aufzuwarten,
Da mir die Feindin arg in ihrem Grimme.
Mein Sohn Aeneas floh, da Troja brennend,
Mit dem Palladium huckepack den Vater,
Wo Kreusa, seinen Namen nicht mehr kennend,
Sich fortstahl in ein anderes Theater.
Ihn sehrte wund das Schwert des Diomedes,
Ders wagte, selbst an mir sich zu vergreifen,
Ich trug den Sohn zum Schatten des Geheges
Des Pergamus in einem Nebelreifen,
Den hauchte Phoebus dicht um Sohn und Mutter,
Daß dann Diana und die Palmenfrohe,
Den Wunden pflegten, der nun hell wie Butter,
Da abfiel alles Grindige und Rohe.

DIDO: Ist Troja, das belagerte, gefallen?
Wie kams zu dieser unverhofften Wende?

VENUS: Die Griechen und Ulixes, frech vor allen,
Sie reiben sich in Kumpanei die Hände.
Erst holten sie von Herkules den Bogen
Mit Philoktet, der ihn gewann vor Zeiten,
Dann sind sie listig scheinbar abgezogen,
Zurückblieb nur ein Roß in den Gebreiten.
Das Roß schien hehr dem Laomedoniden,
 

 

29
 
Von Holz sollt es den Himmlischen gefallen,
Und Troja nahms und wähnte sich im Frieden,
Doch Diomed erhob daraus die Krallen.
Er öffnete mit seinen Spießgesellen
Die Tore, die nur schwach bewacht, von innen,
Die Griechen konnten uns im Schlafe stellen,
Und mancher starb, bevor es tagt, im Linnen.
Der Morgen sah das Blut in allen Gassen,
In Troja, das man einst das goldne nannte,
Versperrten Weg und Flucht die Leichenmassen,
Und der Palast des Priamus, er brannte.

DIDO: Entkam Aeneas diesem wüsten Sterben,
Dem Feuer und der Stadt voll Schmerz und Jammer?

VENUS: Ich führte ihn aus Unheil und Verderben,
Und Jove stand mir bei mit seinem Hammer.
Denk Dido, diese List beschämt die Götter,
Ein Opferstück als Waffe zu gebrauchen,
Dies sind des Heilgen allerärgste Spötter,
Zu Pluto solln sie unbeweint verhauchen.
Mein Sohn ist nun, wie du einst, auf dem Meere,
Und Stürme spielen Pingpong mit dem Guten,
Ich leid es nicht, daß er sich so verzehre,
Das Mutterherz hört nicht mehr auf zu bluten.

DIDO: Warum erfahr ich früher als durch Boten
Die Nachricht, die bedrückend jedem Lande,
Was kann ich tun für den vom Meer Bedrohten,
Wozu bin ich, ein schwaches Weib, imstande?

VENUS: Ich habs gefügt, mein Sohn wird diesen Hafen
 

 

30
 
Erreichen, wo er Trost und Sorg erbittet,
Drum hütet ihn vor Kriegern und vor Sklaven,
Als ob ihr wie die Mutter für ihn strittet.

DIDO: Ich will gern tun was not und was gefällig,
Ich sende Timon gleich hinab zum Kaie,
Er nannt den Helden hehr und sehr gesellig,
Ihm wird es leicht, daß er der Pfleg zu weihe.

VENUS: Ich weck euch nun, doch werd ich wiederkehren,
Wenn ihr den Sohn enthobt von allem Argen,
Und haltet ihr mein Augenlicht in Ehren,
So werde ich mit Gaben niemals kargen.
(Venus entschwindet, es wird rasch hell.)


Dritte Szene
Dido, Anna, Timon.

ANNA: O weh, wir hörten, wie im Schlaf dich schreckte
Ein wüster Alp. Gib, Timon, etwas Wasser!

DIDO: Was wohl die Göttin mit dem Traum bezweckte?
Ich bin doch ganz gewiß kein Griechenhasser.

TIMON: Sie ist verwirrt! Hier Herrin ein paar Schlucke,
Die Kühle wird euch guttun nach dem Schrecken,
Die Atmung leidet unterm Magendrucke,
Wagt mans, sich hier alleine auszustrecken.
Der Feigenbaum, gar kühl und nett zu leiden,
Er eignet auch den Mahren und Gespenstern,
 

 

31
 
Kommt rasch ins Haus, dort mögt ihr euch entkleiden
Und ruhen bei den großen offnen Fenstern.

DIDO: Laß gut sein, ich bin etwas nur verschlafen,
Ich hab mich bald schon wieder in Kontrolle,
Ihr müßt jetzt gleich hinuntergehn zum Hafen,
Mir träumte, daß es so geschehen solle.

ANNA: Ach, Träume, Hafen, Dido, du mußt ruhen
Im Haus, wo keine Mahren und Dämonen,
Ich werd dich jetzt befrein von deinen Schuhen,
Laß ab von Wurzeln und von Schattenkronen.

DIDO: Nein Anna, deine Sorg ist unberechtigt,
Ich bin ganz klar im Kopf und in den Beinen.
(Sie geht ein paar Schritte im Kreis.)
Wer unter solchen heilgen Bäumen nächtigt,
Dem offenbarn die Götter, was sie meinen.
Die Venus nahte aus dem Schlachtgetümmel
Von Troja, das nun brennt und ist gefallen,
Denn Arges tut sich, während ich hier lümmel
Und Überspanntheit scheint es euch gar allen.

TIMON: O weh, ich ahnt es, Hektor und nun dieses,
Die goldne Stadt geplündert und geschunden,
Warum gibts auf der Welt nur so viel Mieses,
Und Menschen rauben mit der Gier von Hunden.

DIDO: Aeneas ist geflohn mit Joves Gnade,
Die Venus kam, es mir im Traum zu melden,
Sie wies ihm unsre friedlichen Gestade,
Drum heißt willkommen den Dardanerhelden.
 

 

32
 
TIMON: Ich eile, froh des unverhofften Gastes,
Er mög sich ganz zuhause bei uns fühlen,
Die Göttin sagts und also trefflich paßt es,
Nie hörte man von holderen Asylen.
(Ab.)

ANNA (schwärmerisch):
Er wird uns bald schon kehren mit dem Helden,
Von dem die Sänger viel zu sagen wissen,
Sie werden auch von unserm Heime melden,
Daß wir geflickt, was falb war und zerrissen.

DIDO: O Anna, dies ist eine ernste Sache
Von Krieg und Not und Götterstreitereien,
Da ist es gut, wenn ichs alleine mache,
Sonst muß ich dich des Unbedachten zeihen.
Geh rasch ins Haus, eh Timon kommt zurücke,
Ich werde dir Aeneas lebhaft schildern,
Gar oft ruft Neugier nur herbei die Tücke,
Kehr lieber zu den pergamentnen Bildern.

ANNA: Nein Dido, nicht ein Kind, ein unbelecktes,
Bin ich, ich bin schon übers Meer gefahren,
Ich will sein Antlitz schaun, sein unverdecktes,
Daß Phantasie berichtigt sei vom Wahren.

DIDO: Das geht nicht, Liebes, denn das Land vertreten,
Muß ich allein und nicht im Kollektive,
Sei drum nicht lang um Einsicht hier gebeten,
Sonst ist der Eindruck unsres Gasts der schiefe.

ANNA: So laß mich auf dem Baume im Geäste
 

 

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Belauschen wie man tut bei Diplomaten,
Nimm bitte Schwester mir nicht fort das Beste,
Erfahren möcht ich von Dardaner-Taten.

DIDO: Nun gut, mir ist nicht wohl dabei, doch sei es,
Wohl oder übel mag ich mich dreinfinden,
Doch wenn ich hör die Ahndung eines Schreies,
Werd ich mit ihm ein andres Eckchen finden.
Du mußt dich da von jedem Mucks enthalten,
Ich dulde nicht den Argwohn von Spionen,
Ich werde, wie gesagt, woanders walten,
Willst du die Huld mit grobem Undank lohnen.
(Anna steigt auf den Baum und verbirgt sich.)


Vierte Szene
Dido, Aeneas, Askanius.


DIDO: Kaum ist sie weg, da nahen schon die Gäste,
Dies ist ein Tag mit eng gestrickten Maschen,
Im Auge sind vom Schlafsand mir noch Reste,
Ich kam nicht mal dazu, mich früh zu waschen.

AENEAS: O Fürstin, die mir Timon wohl empfohlen,
Ich danke euch für Speis und Trank am Hafen,
Die Dürre schlug schon Spalten in die Bohlen,
Wie gut, daß wir beherzte Hilfe fanden.
Dem Vater war der Aufstieg zu beschwerlich,
Er weidet sich am Anblick der Lagune,
Der Timon sprach, ihr schautet recht begehrlich
Und wäret doch die Minnemacht-Immune.
 

 

34
 
Mit eignen Augen schau ich nun die Schöne,
Die ganz gewiß recht viele Männer preisen,
Doch daß ich ihre Gattentreue pöne,
Will ich mit allem Nachdruck von mir weisen.
Ich hege für euch eines Sohns Gefühle,
Der arg gestrandet kehrt aus bösem Spiele,
Und bin beglückt und dankbar dem Asyle,
Von solchen hats auf dieser Welt nicht viele.
Mein Sohn, der aufwuchs zwischen Blutvergießen
Mög hier des Friedens Wohlstand kennenlernen,
Wo Feigen stehn und kühle Brunnen fließen,
Da steht das Beste in den Wandelsternen.

DIDO: Ich danke sehr für eure Komplimente,
Ich hoff, ihr findets an dem Hang gemütlich,
Dem Göttersohn gewähr ich gerne Rente,
Ich hoff, die seinen tun sich daran gütlich.
Wir möchten mit den Göttern allen Frieden,
Unachtsamkeit macht leicht sie unbehaglich,
Daß Segen uns und ein Gedeihn beschieden,
Das haben wir nicht klagbar und vertraglich.

AENEAS: Ich will für euern Hof und eure Küste
Und auch die Schiffe, die da fahrn und landen,
Erflehen Glück und allerschönste Rüste,
Die Feinde eurer Wohlfahrt sein zuschanden.

DIDO: Ich steh im Eid, doch darf ich euch wohl sagen,
Daß nie ein Recke macht das Herz mir frischer,
Ihr scheint ein Anfang von gewognen Tagen
Und aller Schrecken gütiger Verwischer.
 

 

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AENEAS: Solch hohes Wort ist neu für meinen Panzer,
Und gibt dem Herzen Hoffnung zu gesunden,
Ihr scheint mir eines zarten Kräutleins Pflanzer,
Das ranken will und Freundeshuld umrunden.

ASKANIUS:
Wenn mir erlaubt, hier dreist hereinzuplatzen:
Ich such hier nicht nur Frieden, Ruh und Futter,
Ich such ein Haus mit Mäusen und mit Katzen,
Und mittendrin steht eine gute Mutter.
Die Dame, Vater, hat ein liebes Lächeln,
Ich würde gerne ihrem Arm vertrauen,
Um nicht mehr hilflos in den Wind zu fächeln
Und dem Verlornen müde nachzuschauen.

AENEAS: Großmutter soll sie sein, mein lieber Junge,
Auch wenn sie Jugend zeigt in allen Reizen,
Scheint sie dir Mutter, beiß dir auf die Zunge,
Denn du sollst fürder mit dem Worte geizen.

ASKANIUS:
Das kann ich nicht verstehn und nicht begreifen,
Ihr sagt doch, daß die Dame euch gefalle,
Warum noch weiter durch die Meere schweifen,
Wenn hier das Beste rumsteht für uns alle.

AENEAS: Verzeiht o Fürstin, nicht vorauszusehen,
War dieses Knaben unverhoffte Meinung,
Euch sei beteuert, davon auszugehen,
Daß ich erstreb die völlige Verneinung.
(zu Askanius):
Nun schweige, Bub, denn es ist höchst gefährlich,
 

 

36
 
Zu schwatzen, wenn die Dinge nicht begreiflich,
Dein Widerwort war töricht und entbehrlich,
Drum überlege, eh du redest, reiflich.

DIDO:
Macht euch nicht Sorg, ich habe kaum vernommen,
Was diesem Kinde Ziel der wirren Rede,
Doch sollten wir jetzt rasch zum Abschluß kommen,
Geklärt ist doch der offnen Fragen jede.

AENEAS: O ja, ich wollt euch einzig herzlich danken,
Die Kleinigkeiten klärt ja der Verwalter,
So viele Blüten kommen, gehn und kranken,
Doch eure bricht gewiß kein Menschenalter.
(Mit Askanius ab.)

DIDO: Dies war gefährlich und nicht ohne Klippe,
Ob alle ich umschifft, ist nicht zu sagen,
Dies ist ein Trunk, wenn ich nur daran nippe,
Würd ich des Kelches Grund zu schauen wagen.
Ich geh ins Haus, die Nerven sind zerrüttet,
Und hoffentlich gibts keine neuen Träume,
Ich werd mit Wahn und Sehnsucht zugeschüttet,
Vielleicht ist wirklich alles Fluch der Bäume.
(Ab.)


Fünfte Szene
Anna, Timon.

ANNA (steigt vom Baum und geht im Kreise):
Ich weiß nicht, wag ichs oder laß ichs laufen,
 

 

37
 
Noch nie war ich so wundersam benebelt,
Ich durfte auf dem Aste nicht mal schnaufen,
Doch nun scheint alle Furcht wie ausgehebelt.
Was für ein Mann, so herrisch und verhalten,
Man sieht, die Augen sahen viele Länder,
Er hat vom Zauber, den die Eltern schalten,
So viel, daß man nicht ahnen kann die Ränder.
(Pause.)
Ich weiß nicht ein und aus und find nicht Ruhe,
Mir kriecht der Schweiß wie Schaum aus jeder Pore,
Ich weiß, es ist gefährlich, was ich tue,
Ich schau ihm nach vom Wachturm bei dem Tore.
(Sie verschwindet, kommt betrübt zurück):
Der Meeresdunst hat ihn schon längst verschlungen,
Auch hörte ich kein Horn als Lebenszeichen.
Was soll das werden in den Dämmerungen,
Wenn lange Schatten durch den Garten schleichen?
Ich höre Timon – wird er mich befragen?
Mir schwindelt, wenn ich diesen Wahn bedenke,
Ich werde Wahrheit ungefärbt nicht sagen –
O weh, ich denk der Arme, der Gelenke!

TIMON: O Anna sprecht, wo ist die Fürstin grade,
Ich wüßte gern, ob sie erfreut vom Gaste.

ANNA: Ich sah sie eben pflegen sich im Bade,
Sie wird wohl schlafen drinnen im Palaste.
Der Tag war voller wechselnder Gefühle,
Ein Traum stieß sie zum Brennpunkt der Geschichte,
Gefühle, dunkle, fährliche und schwüle,
Und nun ist sie am Ende ganz zunichte.
 

 

38
 
TIMON: Es ist nicht gut am Feigenbaum zu liegen,
Die Seele treibt dort weit ins Reich der Schatten,
Sie wird zuletzt noch Depressionen kriegen,
Sucht sie nur immerfort nach ihrem Gatten.

ANNA: Ich glaub nicht an die Hexenmacht der Feige,
Die Venus kommt, wenn Frauenherzen schreien,
Behalt für dich, wenn ich dir nicht verschweige,
Sie liebts schon lang, sich solchem Traum zu weihen.

TIMON: Unfaßbar! Ist die Keuschheit eine Larve,
Die sie uns pflegt, Unfehlbarkeit zu gaukeln,
Sind ihre Träume schummrige und scharfe?
Läßt sie von Amor sich im Schlafe schaukeln?

ANNA: Verwunderlich ists nicht bei ihren Pflichten,
Sie schaut im Alltag nur die stärksten Mannen,
Und dachten etwa Schmachten und Verzichten
Demiurgen, da sie einst das Weib ersannen?

TIMON: So sagt, wie wars, da sie Aeneas schaute?

ANNA: Ich übte die Methode des Gesindes
Und lauschte, weil ich dieser Sach nicht traute,
Und weiß, allein das Störende des Kindes,
Hielt sie noch ab zu schmusen und zu herzen,
Ihr Herz, gleich einem Hammerwerke pocht es.
Die Frauen ähneln oft geraden Kerzen,
Erfährt man nicht die Windungen des Dochtes.

TIMON: Und warum ruht sie jetzt in ihrer Kammer?
 

 

39
 
ANNA: Ihr wißt doch, daß die Venus sie im Traume
Berät wie man begegne solchem Jammer.
Sie sagt gewiß nicht: Halt dein Herz im Zaume.

TIMON: Wir müssen uns auf diese neue Lage
Rasch einstelln, denn sonst kann dies bald bedeuten,
Daß sie uns untreu schilt mit lauter Klage,
Und bloßstellt vor dem Gast und vor den Leuten.

ANNA: Als sie grad ging so sagte sie recht leise,
Es wär gewiß zum Nutzen dieses Thrones
Und auch für sie die allerfeinste Weise,
Käm sie zurück und er war bar des Sohnes.

TIMON: Mir wird ganz übel und ich muß euch fragen,
Was ist zu tun, man darf sie wohl nicht drängen,
Was ist zu tun und was ist hier zu wagen,
Daß man nicht fehlt vor ihrem Blick, dem strengen.

ANNA: Sagt dem Dardaner, er mög in den Garten
Zurückkehrn, so als hätt er was vergessen,
Und was ihn dort im Dämmer wird erwarten,
Leicht anzudeuten, scheint mir nicht vermessen.
Sagt ruhig, daß sie erst die Venus fragen
Noch will, wie die Bewirtung angemessen.
Ich hoff, ihr merkt euch, was euch aufgetragen,
Und werdet nicht das Wichtigste vergessen.

TIMON: Ich eile wieder pfeilgeschwind zum Ufer,
Dies ist ein großer Tag in der Geschichte,
So lange war im Wüstensand ich Rufer,
Und nun schreibt Venus selber die Gedichte.
 

 

40
 
Sechste Szene
Anna, Aeneas.

ANNA: Es ist getan, nun wird der Holde kommen.
Mein Traumprinz wird in diesen Garten treten.
Was frag ich nach den Ehrbaren und Frommen?
Ich wart nicht, bis die Reize mir verwehten.
Nicht oft ein Heros landet an der Küste,
Und dieser ist so herrlich, daß ich rase,
Ich täts, auch wenn ichs bitter büßen müßte,
Vielleicht fall ich auch vorher auf die Nase.
(Pause.)
Das Warten macht mich zappelig und kirre,
Schon steigt im Ost das dämmerige Fahle,
Die halbe Stunde ging, wenn ich nicht irre,
Seit ich den Timon schickte rasch zu Tale.
Die Schwester wird mir bloß nicht noch erwachen,
Wenn sie hier auftaucht, ist der Plan vernichtet,
Dann wird man mich als dummes Kind verlachen,
Das ungeschickt auf alles Glück verzichtet.
(Pause.)
Ich höre was, das muß er sein – o Mächte,
Ihr Götter meiner Jugend habt Erbarmen,
Vielleicht ist ja mein Fanggeweb das schlechte,
Jedoch, ach alles fleht nach seinen Armen.

AENEAS: Wie töricht, dieses Kleinod zu verlieren...
Sagt Maid, wo ist die Herrin dieser Blätter?

ANNA: Ich bins, die Baum und Rankendornen zieren,
Vor ein paar Stunden nanntet ihr mich netter.
 

 

41
 
AENEAS: Ich sah euch nie zuvor doch sag ich gerne,
Ihr seid die schönste Blüte der Oase,
Solch Herrlichkeit beneiden selbst die Sterne,
Ich neid es dem, der euch berührt im Grase.

ANNA: Die Venus, eure Mutter, fand es schicklich,
Mein Antlitz eurer Mannheit zu verjüngen,
Sie wandelte die Stute augenblicklich
Zum Füllen, das sich müht zu ersten Sprüngen.
Ich heiße Dido, Gründerin der Stätte,
Und kam von Tyros einst auf Neptuns Wogen,
Ihr sagtet, daß ich viele Preiser hätte
Bei Männern – und ihr habt doch nicht gelogen?
Es kann nicht sein, daß eurer Mutter Mühe
Verächtlich macht, was ihr so hold besungen?
Ists unrecht, daß das Reife nochmals blühe
Und mädchenhaft durchglimm die Dämmerungen?

AENEAS: O Dido, daß die Mutter solche Wunder
Vollführ, war ganz gewißlich nicht vonnöten.
War doch mein Herz entflammbar schon wie Zunder,
Daß es die Sitte kaum vermocht zu töten.
Nun schau ich dich in lieblichstem Erwachen
Und trau mir kaum solch Herrlichkeit zu kosten.
Ich sagte ja, das Alter kann nichts machen,
Weil Gold und Silber nie im Regen rosten.
(Es wird ganz finster. Blitze zucken, Donner grollt. Die Feigenbaum-Kulisse wird fortgebracht und die Grotte in den Vordergrund geschoben. Rotes Licht flammt in der Grotte auf.)

ANNA: Die Elemente toben voll Verlangen,
Dies ist Musik für götternahe Paare,
 

 

42
 
Ab fiel von mir das Schmachten und das Bangen,
Weil ich die Kräfte nur dem Liebsten spare.

AENEAS:
Du bist so wild, ohn Umschweif, ohne Zieren,
Dies ist mir eine ungewohnte Szene,
Doch will ich mich drob lange nicht genieren,
Weil ich dich, Dido, lange schon ersehne.

ANNA: Auch ich bracht Jahre zu im reinen Staunen,
Wenn Timon sprach vom heldenhaften Ringen
Vor Troja, dem des Kriegesschicksals Launen
Aeonenweit Tragödienchöre singen.
Vor diesem Kampfe, hart und ohne Gnade,
Erschien Aeneas als der hellste Streiter,
Den Taten lauscht Diana nackt im Bade,
Proserpina wird dabei froh und heiter.
Die Frauen aller Alter, aller Winde,
Erzählen sich beim Waschen und beim Spinnen,
Ob Adel, Schmiedin, Bäuerin, Gesinde,
Sie träumen, mal ein Quentchen zu gewinnen
Von deiner Kraft, die gleicht dem wilden Eber,
Der angreift und begehrt kein zweites Treffen,
Sie fragen der Orakel Hinweisgeber,
Und träumen, wenn Matrosen Segel reffen.

AENEAS: Die Kraft allein kann Frauen nicht gefallen,
Umfaßt sie nicht den Sinn für Takt und Fließen,
Und weiß der Mann zu lassen und zu ballen,
Gelingts der Frau im tiefsten zu genießen.
Doch ist das Liebesspiel der Menschenkinder,
Nie wie beim Tiere nur Instinkt geschuldet,
 

 

43
 
Ob einer herrsch, befehl und habe Rinder,
Ob einer wachs und heldenmütig duldet,
Es ist der Adel, den man nennt Charakter,
Der Phantasie entzündet und beflügelt,
Denn wer da kommt als Geck und Taten-Nackter,
Der wird von Frauenblicken abgebügelt.

ANNA:
Laß uns nicht länger hier vom Schmause schwatzen,
Die Grotte hat die Mutter hell erleuchtet,
Ich sehne mich nach deinen Löwentatzen
Und spür wie Nektar mir den Nacken feuchtet.
Ich will mich schmiegen an die Heldenrippen,
Und deinen Bart durchkräuseln und behauchen,
Wird weich die See, korallenhart die Klippen,
So wolln wir wie des Pans Gefolge fauchen.

AENEAS: Ich spüre deine Lippen an den Ohren,
Und spüre deine Hand an meiner Seele,
Dein Haar, zum Glück noch niemals abgeschoren,
Bedeckt, was ich nur mühsam noch verhehle,
Laß tiefer dich in diese Grotte führen,
Daß uns nicht schauen Wolkendunst und Blitze,
Dann will ich lebhaft deinen Busen spüren,
Bis ich dich ganz und inniglichst besitze.
 

 

44
 


DRITTER AUFZUG
In Didos Palast. Im Hintergrund eine Fensterfront mit buntbemaltem Glas. Anna, offensichtlich hochschwanger, sitzt niedergeschlagen auf einem Stuhl, Dido läuft nervös auf und ab.

Erste Szene
Dido, Anna.

DIDO: Ich will die Einzelheiten gar nicht wissen,
Ich weiß genug. Es ist auch offensichtlich.
Verschone mich mit den Gewissensbissen,
Du brauchtest den Verstand gar vorgeschichtlich.
Dir ist bekannt, was ich zu dulden hatte,
Da alle Welt mir spottete und höhnte,
Mein Garten wär die rechte Rasenmatte,
Daß Trojas Helden sich der Schmerz verschönte.
Man sprach, der Fürstin Ehrbarkeit und Adel
Seis recht, daß man sie im Vorbeifahrn raubte,
Doch lächerlich sei hier ein jeder Tadel,
Weil ohnehin hier keiner daran glaubte.
Nun sieht man klar, und Venus wirds empören,
Daß noch gerißner als die Schaumgeborne
Ein Weib verfuhr, die Götter werdens hören,
Bei Juno weicht der Segen ihrem Zorne.
Was ich geführt zur Stadt und dann zum Reiche,
Du hasts verspielt als ungezogne Göre,
Und selber wardst zum Schatten und zur Leiche,
Und in den Gassen hör ich Spötterchöre.
Dies alles scheint dich wenig zu bekümmern,
Du schweigst verstockt und gibst dich noch beleidigt,
 

 

45
 
Bei zwiefach Rat befolgst du stets den dümmern,
Und dieser wird von dir auch noch verteidigt.

ANNA: Ich würde, was ich tat, auch wieder machen,
Es ist mein Schicksal und ich trag es gerne.

DIDO: Du willst in mir das Oberhaupt verlachen?
Und glaubst nicht, daß du taube Nuß im Kerne?
Was willst du tun, als alternd zu verwaisen,
Kein Mann wird je ein solches Flittchen freien,
Was mischtest du dem Silber schlichtes Eisen,
Wohl meinend, daß dies rechte Partner seien?

ANNA: Manch einer freit die Frau mit einem Kinde,
Erst recht, wenn dieses Stolz für seine Sippe,
Matronenhaft ich deine Worte finde,
Ich nehm mein Leben nicht auf leichte Schippe.

DIDO: Du lasest viel zu viel die schlechten Dramen,
Selbst dort führt solches meist zur Katastrophe,
Weil sich die Väter oft das Leben nahmen,
Wenn Kinder allzu ungleich sind am Hofe.
Wie soll ein Mann es selbstbewußt ertragen,
Wenn ihm das Stiefkind stets beschämt den Samen?
Wer ist bereit, ein solches Los zu wagen,
Wo viele bald um Glück und Leben kamen?

ANNA:
Mein Sohn wird heldisch tun mit seinem Schwerte,
Ein Thema wird er Mimen und dem Sänger,
Dies ist, was ich in Tyros schon begehrte,
Denn einzig so wirds Menschenleben länger.
 

 

46
 
Als Mutter bin ich nicht mehr Kind und Mündel,
Ich habe teil an Sagen und Legenden,
Ich hab es satt, als Sack in deinem Bündel
Die Jugend und die Hoffnung zu verschwenden.

DIDO: So so, nun gut, wir sprechen später weiter,
Ich suche einen Ausweg zu ersinnen,
Doch ist der Himmel noch so hell und heiter,
Du bleibst für nächste Zukunft hier und drinnen.
(Anna geht ab.)


Zweite Szene
Dido, Timon.

TIMON: O Herrin, ihr befahlt mir gleich zu kommen,
Wenn Anna schlich zurück in ihre Kammer,
Es schien mir jüngst, sie habe zugenommen
In ihrem einsam zugeknöpften Jammer.

DIDO: Es ist nur raus, was dran an dem Geblödel,
Daß ich die Venuskinder hier bewirte,
Ihr wart, Verwalter, hier ein rechter Dödel,
Und nicht wie ich gedacht ein guter Hirte.
Ich hoff, Ihr wollt euch bessern und bewähren,
Seid auf Verdienst aus und aufs Ehrenvolle,
Sonst müßte ich des Aktes Hergang klären,
Und eure schwache Dunkelmänner-Rolle.
Die Anna ist verknallt in den Dardaner,
Sie findet wundervoll, daß sie nun schwanger,
Da wird zum Affen jeder Zukunftsplaner,
Doch vor den Göttern ist mir da noch banger.
 

 

47
 
Die Venus muß als Kupplerin verzagen,
Mir zugedacht hat sie den Part der Minne,
Es ist ein Ding von Wochen oder Tagen,
Daß sie der großen Niederlage inne.
Mir ist da fast noch lieber das Geschwatze
Der Gosse, wo die Heuchlerin mein Titel,
Eh mir die Göttin Aug und Scham zerkratze,
Und mir das Feuer bleibt als letztes Mittel.
Das Klügste scheint mir, etwas Zeit zu schinden,
Wenn Anna im Palaste und verborgen,
Wird sich vielleicht noch eine Rettung finden,
Wenn heute nicht, vielleicht doch übermorgen.

TIMON: Aeneas folgte gleich nach der Affäre
Im Land Italien Phoebus' heilgem Willen,
Gleichgültig ist der Venus jede Zähre,
Und ob da Anna oder Dido stillen,
Es ging nur drum, daß Juno focht mit Winden
Und also sie mit Häme abzulenken,
Dem Helden stands nicht frei sich hier zu binden,
Drum ist die Raschheit ihm nicht zu verdenken.
Tot schlug er jüngst den Turnus, um zu freien
Lavinia, Sproß des Königs der Lateiner,
Dort gilt es eine große Stadt zu weihen,
Was davon fern, beachtet also keiner.
Ich denk, die Sache wird sich rasch verlaufen,
Nur eine Nacht, von Jahren nicht Dekade,
Doch Anna sollt kein Pergament mehr kaufen,
Es wäre sonst um die Prinzessin schade.

DIDO: Dies mag so sein, ich geh auf Nummer sicher,
Acht wohl darauf, daß Anna nicht die Straße
 

 

48
 
Betritt und daß mir nicht der Pöbel kicher,
Denn sonst verlier im Zorne ich die Maße.

TIMON: Ich will gleich gehn, die Kammer zu bewachen,
Der Turm hat starke Gitter vor den Fenstern,
Da brechen sich die Zähne selbst die Drachen,
Auch hörte man dort niemals von Gespenstern.
(Ab.)

DIDO: So weit so gut. Nun will ich Juno rufen
Und ihr beteuern, daß den Eid ich halte,
An meinem Turm gibts Leitern nicht und Stufen,
Und meine Festheit duldet keine Spalte.
(Sie geht hinaus und kommt mit einer geschlachteten Taube zurück. Sie schichtet Scheite auf, bestreut sie mit Kräutern und versucht, mit einem Bohrer Feuer zu machen.)
Der Zunder war noch nie so widerspenstig,
Es ist ein Spiel, das grad wie abgekartet,
Verliererin und Laß-es-bleiben nennts dich,
Ich hab doch auf die rechte Zeit gewartet.
(Sie versucht es weiter.)
Es will nicht gehn, als ob ein Hexenbesen
Streicht übers Haus und flucht mit schwarzem Zahne,
Ich will mir einen andern Ort erlesen,
Daß ich mir Weg ins Wolkenhohe bahne.
(Sie will gehen, verharrt bei einem Geräusch. Lautes Türenschlagen, Soldaten auf den Treppen.)
Kein Wunder, daß die Scheite mir nicht flammen,
Mein müdes Tun kann diese Hatz nicht wehren,
Und fasse ich die Funken nicht zusammen,
So kann ich mich nicht einmal selbst verzehren.
 

 

49
 
Dritte Szene
Dido, Timon.

TIMON (stürzt mit verschmorten Kleidern und rußgeschwärztem Gesicht herein):
O schwarzer Tag, o Schande, o Verbrechen,
Eur Schwester hat mit Pluto sich verbündet,
Niemandem je gelangs, uns so zu schwächen,
In Frage steht, was wir vor Zeit gegründet.

DIDO:
Was sprecht ihr von der Schwester? Werdet klarer!
Kam sie zuvor der grad verfügten Sperre.
Was wurde aus dem sturmerprobten Fahrer,
Venehm ich nichts als weibisches Geplärre?

TIMON: Die Schwester, ja, ja die ist weg, geflohen,
Sie ließ uns hier allein mit ihrem Spotte,
Daß wir sie mit Verfolgung nicht bedrohen –
Im Hafen brennt, verbrennt die halbe Flotte!

DIDO (betont ruhig):
Dies ist der Wahn, wenn Amor seine Pfeile,
Verschießt, da kann Vernunft nur elend sterben.
Sie wähnt sich auf dem raschen Weg zum Heile
Und rast auf raschem Wege ins Verderben.
(sehr nachdenklich):
Wir können, Timon, Götter nicht betrügen,
Die Venus schaut nicht nur auf Platz und Garten,
Selbst wenn wir uns zu Pluto hinverfügen,
Sie kennt doch unser Herz und seine Scharten.
Sie fügt es so, daß wir uns selber richten,
 

 

50
 
Und Anna wird die Eifersucht erkennen
Lavinias und auf alles Glück verzichten,
Sie mimte mich und wird statt meiner brennen.
Dies Opfer wird mich freilich auch nicht retten,
Ich schwor, ich brächte dieses Land zum Blühen,
Doch bleib ich in den früh gefügten Ketten
Und werde dort am Ende noch verglühen.
Das Feuer, das wir töricht Liebe heißen
Die Flotte nahm und eure guten Kleider,
Und alles was da ist wirds in sich reißen,
Denn ihm gewachsen ist kein andrer Scheider.

TIMON:
Verzeiht mein Stammeln und die große Eile,
Hinab muß ich, den Löschzug anzuführen,
Wir haschen meist vergeblich nach dem Heile,
An diesem Spruche ist wohl nichts zu rühren.
Es drängt mich, euch mein Beileid auszusprechen,
Daß ihr im Wahn die Schwester habt verloren.
Sie ging schon zündelnd um, dann aufzubrechen,
Als ihr zum Turm befahlt den alten Toren.
Ich glaub euch gern, daß hier die Götter walten,
Doch wars seit je des Menschen Part im Stücke,
Daß er sich füg den Starken und den Alten
Und dennoch hoff, daß eine Stunde glücke.
(Ab.)

DIDO: Ich wünschte, ich wär ganz von seinem Stoffe,
Doch steckt in mir so manche andre Faser,
Ich weiß nicht recht, was ich für mich erhoffe
Und ob ich Hagelschlag bin oder Glaser.
 

 

51
 
Vierte Szene
Dido, Jarbas, Joel.

JOEL: Wir hörten und wir sahn das große Feuer,
Das euch die Kolonie macht fast zuschanden,
Wir dachten, dies würd minder ungeheuer,
Wenn viele Hände sich zusammenfanden.
Nicht nur zu löschen, was im Winde lodert,
Auch neu zu bauen, wär euch beizustehen,
Eh Wrack um Wrack im schönen Hafen modert,
Gedachten wir, auf Besserung zu sehen.

JARBAS (wie auswendig gelernt):
Daß sich die Völker mischen und verbünden,
Reich ich die Hand der Schönen aus dem Osten,
Vergessen sein die Schelte und die Sünden,
Wir stellen Werker, Kämpfer, Späher, Posten.

DIDO: Ich danke eurem Volke für die Güte,
Doch bin ich grade allzuschlecht bei Kasse,
Daß mir zu teilen feil bedrohte Blüte,
Weil ich mein Erb ansonsten hier verprasse.

JOEL: Als ihr vor ein paar Jahren hier begonnen,
Da schluckten wir den Schwindel mit dem Ochsen,
Und wär uns nicht manch Vorteil zugeronnen,
Leicht wärs getan, euch wieder rauszuboxen.
Nun sehn wir, euer Bleiben ist gediegen,
Wir können von dem Aufschwung profitieren,
Drum soll es nicht am guten Willen liegen,
Daß wir die erste Feindschaft ganz verlieren.
Wir hoffen nicht auf Gold und Perlenschätze,
 

 

52
 
Auch keine Geste, zugedacht von oben,
Wir wollen hier nur ein paar nette Sätze,
Daß wir zu Gleichen sein von euch erhoben.

DIDO: Ich bin nicht Göttin, Menschen zu erheben,
Ihr seid doch frei und nirgends unsre Sklaven,
Wir haben euch doch manches Stück gegeben,
Daß ihr uns laßt den Hügel und den Hafen.

JOEL: Es geht uns nicht um göttliches Erheben,
Nur wär ein Bund, der alle Augen lehrte,
Daß unsre Völker miteinander leben,
Ein Zeichen, daß man wirklich uns begehrte.

DIDO: Wie soll ein solcher Bund sich denn gestalten?
Ich bin gespannt auf die Ideen und Muster,
Denn Schaft und Sohle müssen trefflich halten,
Solln gute Stiefel sein dem guten Schuster.

JOEL: Ihr seid schon lange unvermählt, mein Meister
Reicht euch die Hand und damit ewgen Frieden,
In Volkes Augen ists der rechte Kleister,
Daß Wohlfahrt sei der Einigkeit beschieden.

DIDO: Da muß ich eure Freude leider stutzen,
Die Schwester würde ihn vielleicht bekochen,
Doch ist sie heut zu unbekanntem Nutzen
In unbekanntes Neuland aufgebrochen.
Ich selber steh im Eid, dem toten Gatten
Die Einzigkeit im Grabe nicht zu nehmen,
Drum müssen wir zu brechen Sperrzauns Latten
Uns eines andern Bundeswegs bequemen.
 

 

53
 

JOEL: Ich möchte eure Eidestreu nicht pönen,
Ich weiß nicht wem ihr schwurt mit welchem Pfande,
Doch eures Gatten Anwalt zu versöhnen,
Ist Reichtum ganz gewiß in diesem Lande.

DIDO: Ich schwur der Juno bei der Gabenschale,
Mein Leben ist das Pfand, Gericht die Flamme,
Ich hab bekräftigt manche hundert Male,
Daß Freier dringen nur zum Opferlamme.

JOEL: So gilt es Juno rasch zu überzeugen,
Daß dieser Völkerbund zu ihrer Ehre,
Wir wollen uns dem Götterspruche beugen,
Sei es, daß sie das Eidespfand verwehre.

JARBAS: Daß sich die Völker mischen und verbünden,
Reich ich die Hand der Schönen aus dem Osten,
Vergessen sein die Schelte und die Sünden,
Wir stellen Werker, Kämpfer, Späher, Posten.

DIDO (ignoriert Jarbas, zu Joel):
Nun gut, wir wollen gleich die Göttin fragen,
Ihr seht, die Scheite sind schon aufgerichtet,
Ich bitte euch, den Brand hineinzutragen,
Daß uns vom Himmelswillen sei berichtet.

JOEL (macht mit geübter Hand Feuer):
Wohlan, dies ist ja trefflich vorbereitet,
Nun werden wir die große Göttin schauen,
Und wenn sie Huld auf unsre Wünsche breitet,
Kann sie die zu Vermählenden gleich trauen.
 

 

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Fünfte Szene
Dido, Jarbas, Joel, Juno.

JOEL: Ich ruf die Frau der Wolken und der Wetter,
Die Nebel türmt und streckt und läßt zerstieben,
Kein Ranken reicht, daß ich ihr Reich erkletter,
Drum sei ihr Kraut am Opfertier zerrieben.
Ob Regen, Sturm, ob Dürre oder Hagel,
Nur die Patera kann ihr Aug entschleiern,
Kein Schiff besteht, verbindet nicht im Nagel
Die Stifterin die Scheite, die wir feiern.
Sie segnet die Gebärenden, das Bluten
Der Scham, das fruchtbar macht den Schoß zu mehren
Das Menschenvolk, die Bösen und die Guten,
Die Frevler, und die Kinder, die sie ehren.
Ich knie und bring, was ihre Huld geliehen,
Und ich erhoff, sie mache sich erkenntlich,
Und auch, die Gabe sei nach Brauch gediehen,
Daß mir ihr Wille werde nun verständlich.

JUNO (tritt nebelumflossen auf):
Die Treue seh ich gern, und deine Taube,
Sie duftet mir und macht mich sehr gewogen,
Die Fragen, die du hast, ich gern erlaube,
Ich bin von weit in deinen Sinn geflogen.

JOEL: Das Volk der Berber und der Tyrer Künste,
Sie wollen sich vereinen hier in Frieden,
Wir hoffen, daß da Ehr die Wolkendünste
Empfinden, wenn wir also tun hernieden.
 

 

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JUNO: Ich denke, daß der Bund von Kunst und Menge
Geeignet ist, den Göttern zu gefallen,
Daß Richtung sei dem Weg und keine Enge,
Beschirm ich die Vereinigung von allen.

JOEL: Um Neues wohl und unbeschwert zu formen,
Bedarf es oft des Abschieds vom Vergangnen,
Denn werden Gift die einst gepflognen Normen,
Erstarrt der Mensch im Wolkendunstverhangnen.

JUNO: Ich bin nicht nur Bewahrerin und Siegel,
Ich pfleg auch Wandel und die Morgenröte,
Der Aufgang hat den Untergang zum Spiegel,
Wenn ich gebär, so weiß ich, daß ich töte.

JOEL: Der Bund des Volkes und der Kolonisten,
Ihm sei die Ehe beider Häupter Krone,
Daß Mann und Frau vermischen ihre Fristen,
Das Volk erhofft, die Göttin dabei wohne.

JUNO: Ich bin bereit zu allem Schirm und Segen,
Kein Werk ist so wie dieses meine Freude,
Wenn Mann und Frau das Volk zusammenlegen,
Erstrahlt im Glanz das ganze Weltgebäude.

JOEL: Ihr sagtet, um ein Großes zu beginnen,
Seis recht, daß das Verjährte drunter leide,
Doch wagt die Fürstin nicht den Mann zu minnen,
Da sie gebannt vor euch in altem Eide.
Sie sagte uns, der Bund kam nicht zustande,
Da sie euch schwor die Treu zum toten Gatten,
Drum ruf ich, nehmt was lieb euch aus dem Lande
Für eure Huld, die Ehe zu gestatten.
 

 

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JUNO: Ich laß den Eid und auch das Pfand euch laufen,
Wenn Dido selbst die Bitte formulierte,
Ich würde mir gewiß die Haare raufen,
Wenn ich sie ließ und sie sich dennoch zierte.
(Verschwindet.)

JOEL: Nun seht ihr, Dido, in dem Wolkenmeere
Sind Hindernisse nicht für diese Ehe,
Dem Volk zum Glück und zu der Götter Ehre
Die Freude, die die Göttin sprach, geschehe.

JARBAS (automatenhaft):
Daß sich die Völker mischen und verbünden,
Reich ich die Hand der Schönen aus dem Osten,
Vergessen sein die Schelte und die Sünden,
Wir stellen Werker, Kämpfer, Späher, Posten.

DIDO: Ich werde was ihr sagt nicht lang bedenken,
Nur Abschied nehmen von dem toten Manne,
In Bälde werd ich mich der Frohtat schenken
Und lösen mich vom einst gefügten Banne.
Es ist nicht recht, die Götter vorzuschieben,
Wenn wir uns der Veränderung verweigern,
Und oft geschiehts, wenn Dinge liegenblieben,
Daß sie die Not darauf beständig steigern.
Drum prüfe ich kein langes Für und Wider,
Und wart nicht, daß mir von der Schwester Kunde,
Vor Tagesfrist vereine ich die Glieder
In einem wahrhaft lösungsfreien Bunde.
(Joel verneigt sich, mit Jarbas ab.)
 

 

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Sechste Szene
Dido, Timon.

TIMON (wieder in sauberer Kleidung):
Das Feuer ist gebannt, die Planken rauchen,
Noch hie und da, zwar sind die Segel Fetzen,
Doch ist die meisten Kiele noch zu brauchen,
Das weitre werden wir recht leicht ersetzen.

DIDO: Sehr schön, doch leider hat sich das Vernichten
Verlagert und die Vehemenz gesteigert,
Schön, daß ihr noch mal herkommt, mich zu sichten,
Ich hab mich nun die längste Zeit geweigert.
Die Juno hat dem Jarbas zugebilligt,
Die Werbung sei den Göttern wohlgefällig,
Sie hat den Eid zu lösen eingewilligt
Und meint wohl, daß das Weibstück bärenfellig.
Eh ich den Jarbas an die Brüste lasse,
Bevorzug ich des Scheiterhaufens Lohe,
Die Frist, die mir noch bleibt, ich nicht verpasse,
Drum sei geröstet dieser Leib, der rohe.

TIMON: Makaber scheint mir euer Selbstverfluchen,
Wie soll der Berber euch zur Heirat zwingen?
Ich brauch da für Bewachung nicht zu suchen,
Freiwillge werden für euch stehn und ringen.

DIDO:
Dies ehrt mich, doch auf Schwertgewalt zu gründen
Das Land, ist keine dauerhafte Sache,
Ich richte mich für meine großen Sünden,
Da ich mir nichts aus diesem Berber mache.
 

 

58
 
TIMON:
Dies ist nicht not! Wo steht denn aufgeschrieben,
Daß Tyrerinnen müssen Berber freien,
Es ist doch Brauch, sie wählen ihren Lieben,
Auf daß sie stets in bester Obhut seien.

DIDO: Das gilt schon sonst, doch steht die zarte Pflanze
Der Kolonie nicht grad als Katz im Sacke,
Die Berber wolln, daß einig sei das ganze,
Ein Ganzes, das geführt von einer Flagge.
Ich hab sie mit der Göttin abgewiesen,
Doch da mir diese ihren Schutz entzogen,
Den Landeskindern sind wir all die Miesen,
Wenn ich schon bin dem Häuptling nicht gewogen.
Die Propaganda wird schon bald verfangen,
Wenn alle Hoffnung hin und er beleidigt,
Viel größre Reiche sind zugrund gegangen,
Da hilfts nichts, daß den Streifen ihr verteidigt.

TIMON: So flieht! Ich rüste einen flinken Nachen,
Mein Sohn kennt jeden Wind und jede Klippe,
Die Berber werden große Augen machen,
Liegt am Altar ein weibliches Gerippe.

DIDO: Betrug! Betrug! und wohin soll ich gehen?
Zu Anna, um den Haufen ihr zu teilen?
Ob West, ob Ost – wie auch die Winde wehen,
Du kannst dem Schicksal nirgendwo enteilen.
Wenn ich mich richte, werd ich Gnade finden
Vor Juno, und sie wird die Stadt beschützen,
Denn Venus wird hier Mann und Mauer schinden,
Und andrer Beistand würde uns nichts nützen.
 

 

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Wenn ich verloht, zu Joel deutlich spreche,
Er ist der klügste in dem Berbervolke,
Es hülfe nichts, wenn ich den Eid zerbreche,
Denn Hilfe find ich einzig in der Wolke.
Die Venus wird nicht ruhn, eh ihrer Feste
Die Krone ist im ganzen Mittelmeere,
Drum haben wir bald waffenstarke Gäste,
Und immer wieder kommen stolze Heere.
Drum sag ihm, daß ich nur zu euerm Schutze
Das Opfer tat, Prinzessinnen gibts viele
In Griechenland, darum die Flotte nutze
Und bring ihm eine her zum Liebesspiele.

TIMON: Nun gut, mir ist Gehorsam anerzogen,
Ich hoff, ihr findet vor der Göttin Gnade,
Ich weiß nun, daß das Leben mir gelogen,
Dies zu verbergen, bin ich mir zu schade.
(Setzt sich nieder und verhüllt das Haupt. Dido ab, bald sieht man hinter dem Mittelfenster ein mächtiges Feuer aufstrahlen.)


Siebente Szene
Timon, Joel.

JOEL: Was ist hier los, was ist das für ein Feuer?
Mit scheints zu groß, die Göttin zu befragen.
Wer schichtete hier Scheite ungeheuer,
Was soll uns diese Holzverschwendung sagen?

TIMON: Die Herrin hat es not und gut befunden,
Die Göttin auf der Wolke aufzusuchen,
Ich hoffe, dieser Ausgang will euch munden,
Denn ihr bekommt gewiß ein Stück vom Kuchen.
 

 

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JOEL: Was Kuchen? Meinen Herren zu verschmähen,
Ist sie der Eh zu Pluto ausgewichen,
Die Reste seien schmackhaft hier den Krähen,
Sie hat den Pakt des Bundes durchgestrichen.

TIMON: Dies seht ihr falsch. Gar viele schöne Frauen
Gibts in den Adelshäusern der Hellenen,
Ich werd schon bald mit meiner Flotte schauen,
Daß euer Herr sich braucht nicht mehr zu sehnen.
Die Gründerin, sie floh im Brand der Scheite,
Weil sie der Venus Haß sich zugezogen,
Sie sagte mir, wir wären nur Gefeite,
Hielt Juno sie im Opfer uns gewogen.
Der Eid wär ihr gewiß erlassen worden,
Doch nicht die Söldner vom Lateinerlande,
Zu schützen uns vorm Brennen und vorm Morden,
Sie sehend in das große Feuer rannte.

JOEL: Was soll ich Jarbas von der Sache melden?
Mein Werben endet in der Katastrophe.
Das Feuer mögen Frauen vor den Helden,
So laß ich mich nicht blicken mehr am Hofe.

TIMON: Sagt, ihr erfuhrt, in ihrem Heimatstamme
Ward Dido nur die zweite oder dritte,
Es taugt gewiß dem stolzen Hahnenkamme,
Holt man die allererste aus der Mitte.
Dies ist nun rasch und verzagt zu sorgen,
Hochstaplerinnen taugen nicht dem Lande,
Unfähig, sich die Erstgeburt zu borgen,
Schien Dido Tod erträglicher als Schande.
Sie hätt ihn selbstverständlich gern genommen,
 

 

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Doch konnte sie der Wahrheit nicht enteilen,
Denn einem großen Berberfürsten frommen
Ganz andre Weiber als die Strandgut-Feilen.

JOEL: Betrügt ihr mich, so lasse ich euch töten,
Ich kenne Schlangen ohne Furcht und Gnade.

TIMON: Wir haben schon genug mit unsern Nöten,
Als daß ich mir noch weitre Feinde lade.
Ihr glaubt nicht an den Sinn des Opferbrandes,
Und meint, da wären andere Motive,
Jedoch bedenkt den Nutzen dieses Landes,
Dems arg, wenn es die Handelsmacht verschliefe.
Wir beide sind berufen zu bestimmen,
Nicht weil wir kommen aus geweihtem Hause,
Wir wissen, wo die Helfer, wo die Schlimmen,
Und wir sind frei zu nutzen Schicksals Pause.
Wenn wir uns stützen und vernünftig stellen,
Kann sichs mit Fraun und Göttern doch verhalten
Wies will, da dem Verhaltenen und Schnellen
Wir stets als Meister der Erkenntnis walten.
Die Eitelkeit, der Hang zu Mythentreue,
Dies ist uns fremd, weil wir dem Diesseits frönen,
Wir halten nichts von Grabesduft und Reue,
Die Welt ist feil den Starken und den Schönen.

JOEL (gibt Timon die Hand):
Wohlan, Karthago soll das Fürchten lehren
Die Welt, die sich verschaukelt in den Mythen,
Genug davon wird in die Bücher kehren,
Wenn wir aus Schutt und Zwietracht mächtig blühten.
Da taugt selbst dieses Feuergrab der Frauen,
 

 

62
 
Dem Volke zeigts das schwere Los der Großen,
Und neidisch keiner soll den Fürsten schauen,
Weil nirgends wächst ein Stand im Fessellosen.
Auch soll der Fluch der Venus allen sagen,
Daß Strafe folgt auf zu geringes Mühen,
Die Aufruhr soll kein Sterblicher je wagen,
Sonst gehts den Späten wie es ging den Frühen.
Ein stärkrer Bund als Hochzeit und Geblüme
Verein das Land im Wuchern und Erwerben,
Der Zweifel schafft die ärgsten Ungetüme,
Und Mißmut und Verfall sind seine Erben,
Drum sein in Ehren Didos Feuerreste,
Martyrien sinds, worauf das Volk begierig,
Der Glaube ist dem Staate stets das beste,
Und also ist die Herrschaft nicht mehr schwierig.