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MEDEA
TRAGÖDIE





Wettre hinein, o du, mit deinen flammenden Rossen,
Phöbus, Bringer des Tags, in den unendlichen Raum!
Gib den Horen dich hin! Nicht um dich, neben, noch rückwärts,
Vorwärts wende den Blick, wo das Geschwader sich regt!
Donnr' einher, gleichviel, ob über die Länder der Menschen,
Achtlos, welchem du steigst, welchem Geschlecht du versinkst,
Hier jetzt lenke, jetzt dort, so wie die Faust sich dir stellet,
Weil die Kraft dich, der Kraft spielende Übung, erfreut.
Fehlen nicht wirst du, du triffst, es ist der Tanz um die Erde,
Und auch vom Wartturm entdeckt unten ein Späher das Maß.


KLEIST    

 

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PERSONEN
AIETES, König von Kolchis
ABSYRTUS, sein Sohn
MEDEA, seine Tochter
GORA, Medeens Amme
ALKINOUS, AISON, ihre Söhne
PERITTA, eine ihrer Gespielen
QULHA, AREXE, Kolcher
OLBIO, Tributeintreiber
JASON, TELAMON, Argonauten
KREON, König von Korinth
KREUSA, seine Tochter
AIGEUS, Fürst von Athen
 

 

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PROLOG
TELAMON: In Liedern, Epen und gelehrten Schriften
Erfreut der Argonautenzug den Leser,
Masurisch wie in Niedersachsens Triften
Schätzt man ihn an der Weichsel und der Weser.
Die Sage, darin Mythos und Geschichte
Den Künstler fordern, reizt als Flachs der Flachse
Den Maler wie den Sänger, daß das Lichte
Besonders hell auf düsterm Grunde wachse.
Doch ist im Reichtum die Gefahr gegeben,
Daß Einzelnes die Fabel überschwemme,
Wenn sich die Bilder im Tumult erheben,
Zerbrechen der Moral die Handlungsdämme.
Sublimstes wird bemüht, um auszuschmücken,
Bei Apollonios gehts sogar zum Ister,
Und niemand hinterfragt uns das Entzücken
Am großen Raub gewiefter Überlister.
Warn doch das Schiff, die Prächtigkeit der Streiter,
Nicht Sinn der Fahrt in unbekannte Meere,
Der Feldherr fand illustre Gäste heiter,
Weil die Reliquie raunte Ruhm und Ehre.
Zu dieser Überzeugung will nicht passen,
Daß nach der Fahrt vom Vlies nichts mehr zu sagen,
Man nahms mit der Verräterin, der krassen,
Doch letztlich nutzlos blieben alle Plagen.
Da drängt sich der Verdacht auf, daß der Segen
Des Vlieses schwand mit seinem Vaterlande,
Dann schaffte, dieses Kleinod zu bewegen,
Den Helden pure Blödigkeit und Schande.
Warum Tragöden und den Epigonen
 

 

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Dies so entging, ist schwer nicht zu erraten,
Die Griechenfahrten wollten sie belohnen,
Da fragt man nicht nach Recht und Sinn der Taten.
In Kolchis sann man allerhöchste Mühe,
Das Vlies zu hüten, das im Areshaine,
In Griechenland macht keiner so viel Brühe,
Denn so ein Schafsfell schützt sich von alleine.
Der Fahrenden hat keiner je gesprochen,
Wies wirklich sich verhalt mit diesem Fange,
Doch denkbar, daß den Braten wer gerochen,
Daß Ehre nicht bei diesem Schluß zugange.
Ich selbst bin auch nur eine Dichterlarve,
Doch seh im Stoff ich Weiser, zu gestalten
Die Selbsterkenntnis nicht erst an der Harfe,
Schon in der Helden spätrem Weiterwalten.
Was hindert den Geneigten anzunehmen,
Die Morde der Medea und die Krämer
Zuhause, sollten Jason nicht bequemen,
Zu sehen, daß er selbst des Vlieses Lähmer?
Daß Griechenschwindel, jene sein Barbaren
Und ohne Recht, weil sie ganz ohne Schiffe?
Daß Ruhm nicht fand, wer herzhaft losgefahren,
Daß er, was ihm von Wert erschien, ergriffe?
Was hindert dann, zuguterletzt zu glauben,
Der Held hab noch einmal die Schar versammelt,
Um heimzubringen, was ihn einst zu rauben
Die Jugend hieß, und das nur noch vergammelt?
Was bitter einst den Kolchern ist geschehen,
Versteh das Publikum als eine Lehre,
Den Segen nur mit Wächtern zu versehen,
Schafft ihm die Dauer nicht und keine Ehre.
Der Staat kann nur bestehn und überdauert,
 

 

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Wenn die Familien ihn mit Leben füllen,
Selbstsucht, in der das Schrankenlose lauert,
Kann jedes Heil in Schimmelschleier hüllen.
Medeas Morde, der Verlust des Vlieses
Sind Folge, daß der Vater lasch und müde
Die Zucht vergaß und Glitschiges und Mieses
Gewähren ließ, bis es ihm kraß und rüde.
Der Niedergang bleibt selten in der Mitte,
Der er entquoll wie Eiter einer Wunde,
Der Eitle bahnt ihm bald die nächsten Schritte,
Doch jeder Frevler kommt zur letzten Stunde.
Dies zeigt das Stück, doch auch, daß Vaters Fehler
Zu richten sind, wenn wir das Opfer wählen.
Nun sei die Phantasie euch ein Beseeler
Der Helden, die sich aus der Handlung schälen.
 

 

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ERSTER AUFZUG
In einem Turm an der Küste von Kolchis. Ein runder Saal mit Schießscharten. Singende Mädchen in weiß beim Bodenturnen. Medea, ganz in schwarz mit Stiefeln, Strumpfhose und Bluse und einer schwarzen Schleife im Haar, boxt auf scharlachrote Ledersäcke. Durch eine Luke fällt das Licht des Vollmonds.

Erste Szene
Medea, Peritta, Gora.

PERITTA: Dir singen wir du wundersame Leuchte,
Die Wölfe weckt und uns das Blut erneuert,
Erst wenn die Nacht den Zorn des Golds verscheuchte,
Das maßlos Kraut und Dünensand verfeuert,
Erwachst du uns zum Horn und zum Pokale
Und auch als Zeit, das Antlitz tief zu schwärzen.
Du gibst die Mitte unserm offnen Saale,
Darin wir brennen als geweihte Kerzen.
Wir wandeln uns zu Pfeilen und Rosetten
In deiner Fahle, die uns spornt zur Rache,
Wir haben uns befreit von allen Ketten,
Darum uns mondenweiß und furchtlos mache.

MEDEA: Was sagt die Botin aus dem Westwind-Tosen?
Was schlämmt er als zerbrochnen Traum ans Ufer?
Nicht heisch ich nach Korinthen und nach Rosen,
Ich trau allein dem unerschrocknen Rufer.

GORA: Es kamen Schiffe, und manch Wohlbewehrter
Nutzt fremde Laute bei den Waffenspielen,
 

 

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Sie wirkten kindlich, trügen sie nicht Schwerter,
Und arglos noch, worauf die Pfeile zielen.
Die Sitten dieser ungebärdgen Knaben
Sind seltsam und von unsern sehr verschieden,
Wenn sie nicht auf der Jagd zu schaffen haben,
So turteln sie wie Tauben, die sich lieben.

MEDEA: Was soll das heißen? Halten sie sich Weiber?
Sinds welche gar von hier, die sie entehrten?

GORA: Am liebsten mögen sie die eignen Leiber,
Doch manche auch die jüngeren Gefährten.
Wer bartlos dient als Mundschenk seinem Recken,
Bekleidet sich nur spärlich und beim Tanzen
Läßt er sich an Gesäß und Nabel necken,
Und seine Lippen mögen Mannsbart-Fransen.

MEDEA: Sie sind gewiß von weit nach hier gefahren.
Ist heil zur Heimfahrt die gesamte Flotte?

GORA: Nach Eile schauts nicht aus bei dem Gebaren.
Ich denk, sie ziehts so wie das Licht die Motte.

MEDEA: Was soll das sein? Wir haben keine Schätze?
Solch lange Fahrt für eine karge Küste?

GORA: Das Vlies, Medea, ist das Ziel der Hetze.
Wers ihnen riet, wenn mans doch näher wüßte!

MEDEA: Nachfahren wohl des trottelhaften Spenders.
Vielleicht hat sie sein Geist im Traum gerufen.
Sei wie es sei, durchs Feuer des Geländers
 

 

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Drang nie ein Held zu unsern Tempelstufen.
Drum sind die Fremden bald schon in der Klemme.

GORA:
Ich hör den Geist der Brandung gräßlich wimmern,
Am Erlenholze bräunen sich die Schwämme,
Und auf den Wogen seh ichs purpurn schimmern,
Sie sandten einen Boten zu dem Vater,
Der schien mir nach dem Rate schwer gealtert,
Die Götter rief er selbst am Feuerkrater,
Mir schiens die Seel, die durch ein Kleefeld faltert.

MEDEA: Nun gut, so bring den Bruder mir zum Rate,
Er wird Begehr und Abhilf mir vertrauen,
Er ist schon lang der zweite Mann im Staate
Und weiß die Dinge gründlich zu durchschauen.

PERITTA: O weh, ein Mann in unsrer holden Halle!
Dies ist der Anfang von der Freiheit Ende,
Sie morden mit dem Augenlicht uns alle,
Bänd man auch hären ihre Grabscherhände.

MEDEA: Verstumme Gans, wenn Politik entscheidet
Und sorg dich lieber, daß dein Rücken runder.
Um dich hat mich noch nie ein Mann beneidet,
Sei er auch taub und platt wie eine Flunder.

GORA: Ich werd den Prinzen in die Halle locken,
Und sorgen, daß verschwiegen es geschehe,
Er laß die Stiefel draußen, komm in Socken,
Dann fürchtet selbst Peritta keine Wehe.
(Ab.)
 

 

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Zweite Szene.
Jason, Medea, Peritta.

PERITTA:
O weh, ein Mann, kaum trübte den Gedanken
Der Grobian, schwingt er leibhaft schon die Keule,
Medea schau, ich seh die Ampeln wanken
Und rieche den Spion an dieser Säule.

JASON (tritt aus dem Schatten der Säule):
Ich wollte nicht die Turnerinnen stören,
Der Wehrturm schien mir als ein Waffenlager,
Zu lauschen den verwunschnen Mädchenchören,
Die Säule war ein weniges zu hager.

MEDEA: Was suchst du Waffen, wo wir alle Frieden
Verehrn und niemands Hab und Gut beneiden,
Mir scheint, du steigst vom Wolf des Kriegs hernieden
Und hebst das Schwert, daß Kind und Mutter leiden.

JASON: Es steht mir fern, die Lande zu verheeren,
Allein mein Oheim klagt zurück das Seine,
Wollt ihrs dem Gast nicht ungerecht verwehren,
Scheid ich schon morgen mit dem Sonnenscheine.

MEDEA: Was ist es, daß dein Oheim hier verloren?
Ganz unbekannt erscheint mir deine Sippe.

JASON: Im Traum kam ihm der Götterspruch zu Ohren,
Daß Phrixos flog dereinst zu dieser Klippe.
Da Zeus dem Widder schuf die Himmelsflügel,
Daß der ihn trag aus mörderischem Grolle,
 

 

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Gab er dem Gott das Fleisch auf diesem Hügel,
Doch aufbewahrt ward des Gehörnten Wolle.
An mir ists, dieses Wunder seinem Erben
Zurückzubringen, daß ers heg und pflege:
Das Vlies zu schaffen oder stolz zu sterben,
Ich schwors, und niemand hält mich auf dem Wege.

MEDEA: Wie habt ihr vor, das Kleinod zu erkennen,
Ein Träumer und ein andrer der ihm lauschte –
Gibts Fackeln, die in solchem Dunstkreis brennen,
Daß nicht ein Schalk das Widderfell vertauschte?

JASON: Ich weiß gewiß, ich bin im rechten Lande,
Die Weiblein raunten mir von einem Drachen,
Sind auch gepanzert Kragen und Gewande,
Er wird nur bis zu meiner Ankunft wachen.

MEDEA: Ihr wollt den Drachen im Gefecht erlegen?
Dies zeigt, ihr habt kein Gran von ihm gerochen.
Was setzt ein Mann dem Brandorkan entgegen?
Ehs er ersänn, zerbersten seine Knochen.

JASON: Wird mir kein Sieg, so ist der Tod das beste,
Zuhause könnt ich nimmers Aug erheben,
Man wies auf mich grad wie auf Speisereste,
Er bettelte vorm Feinde um sein Leben.

MEDEA: Was ist das für ein Haus, wo das Verrückte
Verlangt wird wider Aug und Ohr und Nase?
Die Himmelsgöttin, die die Mutter schmückte,
Schafft manchenorts dem Wandrer die Oase.
Ich rate euch, laßt die in ihrem Wahne,
 

 

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Die euch gegart um eitle Kleider hätten,
Die Welt ist offen euch und euerm Kahne,
Die Treue ist ein andres Wort für Ketten.

JASON: O nein, mit Hellas kann kein Licht sich messen,
Barbarisch scheint mir jeder andre Hafen,
Nur Lethe läßt den hohen Traum vergessen,
Und nur im Hades kann man ihn verschlafen.

MEDEA: Was ist an diesem Land so eigentümlich,
Daß Männer werden kindisch und verblendet,
Erscheint dem Opfer gar die Hoffahrt rühmlich,
Die rettungslos es ins Verderben sendet?

JASON:
Es ist das Licht, wenn Nordwind treibt die Barken
Durchs Veilchenfarbne und das Grün des Weines,
Der Rost der Felsen setzt metallne Marken
Ins Farbenspiel des Meeres und des Haines.
Die Götter gehn in Reinweiß und azuren,
Die Dinge klar und nah am Transparenten,
Und alles Leben hügelt sich zu Spuren,
So prall wie fein und schmerzhaft dem Getrennten.
Hier hob sich aus dem dämmrigen Vergessen
Die Linie, die dem Denken setzt die Schärfe,
Hier übt sich jedes Kindesaug im Messen,
Im Urteiln, was der Morgentau verwerfe.
Das Kleinste sucht die Anmut zu gefallen,
Der Stil bleibt souverän sogar im Buntsten,
Hier spricht man mit Musik, die sich kristallen
Abhebt von allem ungeschult Gegrunzten.
Hier weiß man, daß die Mitte aller Mitten
 

 

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Den Götter wohl, daß sich ihr Spiel erzähle,
Und wie sie selbst verfeindet und zerstritten
Sind hohen Muts die hellen Archipele.
Doch ist der Krieg für uns kein greiser Schlächter,
Das Haar gekämmt, mit Rosenduft und blanken
Schildbronzen singen wir als Todverächter,
Und unsre Linien werden niemals wanken.
Wir fassen nicht die Welt als Not und Pause,
Wir schaun das Gold im Starken wie im Siechen,
Das Licht des Ida wurde Raum zuhause,
Es nistet, wo es Wasser gibt und Griechen.

MEDEA: Die Leichtigkeit, sich in die Welt zu lagern,
Gefällt mir wohl, wo Kargheit uns das Muster,
Sie zeigt sich in den Wägern und den Wagern
Und macht das Los, wie es auch fall, bewußter.

JASON: Die Götterkämpfe sind nicht nur Geschichten,
Sie zeigen Stufen, daß die Welt gedeihlich
Dem, ders versteht, Vergrabenes zu lichten,
Die Schrift zu sehn, wie wahrspricht doppelzeilig.
Weil dies allein in Griechenland gelungen,
Auf einer Höh, die später wohl Legende,
Hab ich die Argonautenschar gedungen,
Daß sie das Vlies in unsre Heimat sende.

MEDEA: Wie seltsam rührt mich diese Wunderkunde!
Ihr liebt euch frei, so wurde mir berichtet,
Und für die Freiheit geht ihr gar zugrunde
Im Troste, daß der Sänger dies bedichtet.
Bei uns heißt Not die Meisterin des Tages
Und Freiheit ist ein Ding für Lebensmüde,
 

 

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Wir weihn uns nicht dem Vogelsang des Hages,
Denn was uns treibt, das treibt gemeinhin rüde.

JASON: Mich wundert euer Wort, denn dieser Reigen
Von Mädchenstimmen scheint mir nicht geschuldet
Der Strenge, welche Lebenshüter zeigen,
Von denen keiner Kapriolen duldet.

MEDEA: Ja, in der Tat, des Turmes morsche Feste
Gab ein Refugium für ein holdres Hoffen,
Ich denk nicht dran, auf welchem Fluchpodeste,
Noch, daß der Ausgang dieser Szene offen.
Ihr solltet, eh wir endlos weiterschwätzen,
Euch auf den Weg zu den Gefährten machen,
Ich weiß bescheid, ihr sucht den Widderfetzen,
Ich denke nach, was möglich bei dem Drachen.

JASON: Ich danke euch und werde den Gefährten
Vertrauen, daß im Turm die Weisheit wohnte,
Wir suchten ein paar Früchte in den Gärten,
Doch glaubt, daß ich das Land nach Kräften schonte.
(Ab.)


Dritte Szene.
Medea, Peritta.

PERITTA: Der Held der Fremden hat dir wohl gefallen?
Nicht oft hört man so säuseln die Gestrenge,
Er kündet den Gelandeten jetzt allen,
Bei diesen Mädchen bräucht es keine Zwänge.
 

 

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MEDEA: Peritta, immer bis zur nächsten Ecke
Schaust du und keine einzge Elle weiter,
Im Augenblick allein entdeckst du Zwecke,
Doch eine Sprosse macht noch keine Leiter.
Du meinst, ich tändle grade zum Vergnügen,
Such ich Gefahrn zu deuten und zu wehren,
Dir mag die Lust des Unterleibs genügen,
Ich aber trag zu Höherem Begehren.
Erst wenn die Wände rings zusammenschlagen,
Spürst du die Hohlheit unter dem Geplänkel.
Du freust dich, daß der Korb so leicht zu tragen,
Und merkst nicht, daß dein ganzes Glück der Henkel.
Was meinst du wohl, wie wurde die Ruine
So wohlfeil, daß uns keiner drum befehdet?
Glaubst du, sie fiel wie eine Apfelsine
Vom Baum, weil du so allerliebst geredet?

PERITTA: Dein König machte sie dir zum Geschenke,
Sein Reich ist groß, ihm wird dabei nichts fehlen,
Wir schrubbten lang die Fliesen und die Bänke,
Ein Staubreich wars, ein Haus der toten Seelen.

MEDEA: Und warum hat der König dies gegeben?
Nicht grade häufig siehst du ihn als Spender.

PERITTA: Die Tochter ist ein Stück von seinem Leben
Und erbt den Hof dereinst und alle Länder.

MEDEA: Wer hat dich solche Ammenmärn gelehret,
Der treue Vater sorgt für seine Kinder?
Die Tochter lebt, bis sie sich mal beschweret,
Dem Ungehorsam ist der Herr der Schinder.
 

 

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PERITTA: So sag mir halt, wenn ich so bildungsferne,
Warum hat uns der König so begnadet
Und auch, warum ers nun zurückhätt gerne,
Und was ihm die bisherge Nutzung schadet.

MEDEA: Das Vlies, Peritta, wollt er gut verwahren,
Solang mein Zauber diesen Dienst verrichtet,
Schützt dieser Turm mich selbst und meine Scharen,
Doch wehe uns, wenn diese Macht vernichtet.
Wer will denn wissen, ob die fremden Streiter
Nicht über stärkre Himmelsmacht verfügen?
Sie nennen ihre Götter licht und heiter.
Wer weiß, ob meine Künste noch genügen?

PERITTA: So suchst du sie versöhnlich uns zu stimmen,
Bis du von ihrer Macht genaure Kunde.
Medea, hüt mein Herz vor allem Schlimmen,
Bis in den Tod sei ich mit dir im Bunde!

MEDEA: Verzwickter noch zeigt sich die ganze Lage!
Ich kann den Bann mit meinem Tode lösen.
Erweist sich der Besatzer uns als Plage,
Vielleicht geht dann der König mit den Bösen.

PERITTA: Das wäre Arglist wider deine Treue!
Ich denk, das kann er ernstlich nicht erwägen.

MEDEA: Im Denken immer das Unmöglich scheue,
Den Stamm zu retten, kann den Ast man sägen.

PERITTA: O weh, wird dir Absyrtus denn verraten,
Wies steht bei Hof und was man geht für Wege?
 

 

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MEDEA: Ob er, ob ich? Wer dort den bessern Paten,
Nicht allzu fest das letzte Urteil lege.

PERITTA:
Mir schwindelt. Daß der Willkür keine Dämme,
Nimmt mir den Boden. Deiner Weisheit bitte
Ich alle Götter, die ich irgend kenne,
Daß nicht die Unschuld den Despoten litte.


Vierte Szene.
Medea, Peritta, Absyrtus, Gora.

ABSYRTUS: O liebe Schwester endlich, endlich wieder!
Ich hab dich so vermißt in diesen Jahren,
Mir fehlte dein beschirmendes Gefieder
Seit du so jählings aus dem Haus gefahren.

MEDEA: Du bist gewachsen, mächtig, und ich ahne
Die ersten Stoppeln bald an deinem Kinne!
Dem König, glaub ich, gehst du nach dem Plane,
Wie ich daneben schon im Anbeginne.

ABSYRTUS: Der Vater wird mit jedem Jahre milder,
Es wäre schön, gingst du ihm mal entgegen,
Er weint zur Nacht, ich sah die Kinderbilder
Sein schüttres Haupt mit tiefem Schmerz bewegen.

MEDEA: Dies ist nicht neu, ihm war die Tränendrüse
Schon immer Sekundantin seines Schwertes,
Doch ich hab weder Weisheit noch Gemüse,
Sein Herz zu heiln, sein also tief versehrtes.
 

 

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ABSYRTUS:
Du hast dich nicht verändert, meine Große!
Du gehst so sicher und so unbestechlich,
Schaust durch die Rüstung auf die Haut, die bloße,
Und zeigst uns, daß wir schwach sind und zerbrechlich.

MEDEA: Nun gut, genug von diesen Komplimenten!
Ich denk, du weißt, warum ich nach dir schickte.
Wann jagt der König übern Teich die Enten
Und sorgt, daß sie kein zweiter Tag erblickte?

ABSYRTUS: Du sprichst von der Elite einer Kaste,
Die Kriegskunst mit der Muttermilch gesogen,
Nicht töricht unterschätzt sei der Verhaßte,
Der wie ein Gott zu spannen weiß den Bogen.

MEDEA: So ists schon vor der ersten Schlacht Parole,
Daß keiner standhalt und sich widersetze?
Meint nicht des Heeres Treueeid, der hohle,
Daß solche Feigheit jeden Gott entsetze?

ABSYRTUS: Das Heer ist treu, es sinnlos zu verheizen,
Schüf Schande selbst dem blindgebornen Gecken.
Höchst albern ists, sich eigenhold zu spreizen,
Wo das Orakel schweigt in Scham und Schrecken.
Allein die Götter können alles wenden,
Sie binden nicht Verhältnis, Zahl und Stärke,
Soll nicht im Tode die Belagrung enden,
So ruf den Mond und seine Wunderwerke.

MEDEA: Mein Kleiner, meine Zauberkünste treffen
Nur den, der mir verfallen ist im Herzen,
 

 

114
 
Den Fremden, die das große Segel reffen,
Wärs grad, als suchten Kinderchen zu scherzen.
Da du mir hold, hab ich dich fliegen lassen,
Du spanntest als mein Minner deine Schwingen,
Jedoch bei jenen unverwandten Rassen
Kann mir nicht der geringste Bann gelingen.
Auch Tyris, der als Drache wacht am Vliese,
Wars nur der Eifer, um mein Ja zu werben,
Was ihn gebracht in meine Macht-Verliese,
Daß er als Untier töten muß und sterben.
Und dieser Bann ist nicht nur seine Schlinge,
Ich selber bin in gleicher Weis gebunden,
Denn daß ihm die Erlösung einst gelinge,
Ist ihm verbürgt bei meinen Todeswunden.
Der stolzeste aus der Besatzerrotte
Stand eben grad an deiner Statt im Saale,
Doch keineswegs wies Kerzenlicht die Motte,
Begehrt er Trunk aus meiner Lippenschale.
Kann ich den Mann nicht locken und verführen,
Kann ich ihn nicht besiegen und besetzen,
Drum mußt du mich als Waffenlose spüren,
Unfähig, diese Scharen zu verletzen.

ABSYRTUS (nach einer Weile):
Mir wurde diese Möglichkeit beschrieben.
Allein ich hielt es noch für unbewiesen.
Die Götter, ach, wo sind sie uns geblieben,
Wir sind allein und stehen vor den Riesen.
(Er setzt sich auf einen Sims. Pause.)
So bleibt nur eins. Der fluchgebannte Drache
Muß unbedingt dir nicht das Leben rauben.
Nicht nur dein Tod enthebt ihn von der Wache,
 

 

115
 
Es reicht ihm, dich im Totenreich zu glauben.
Ist er ganz überzeugt, du seist gestorben,
Und nichts auf Erden könne dich erzwingen,
Dann ist in ihm der Minnebann verdorben,
Dann fallen Kralle, Panzerkamm und Schwingen.
Ich hab dem Vater schon davon gesprochen,
Die Fremden werden unser Land verheeren,
Und wird der Bann nicht irgendwie gebrochen,
So werden jede Hütte sie entehren.
Es gibt nur eins, was sie nach Hause schickte,
Es ist das Vlies, uns bitterböse Bürde,
Und als ich diese Möglichkeit erblickte,
Erkannte ich, daß es so kommen würde.
Ich werde mich an deiner Stelle richten,
Im Alter, drin die Schwester einst gewesen,
Der Drache wird die Leichenteile sichten
Und läßt den Ort dann ohne Federlesen.
Er weiß nicht mal, daß dir geschah ein Bruder,
Ich lebte dazumal noch bei der Amme,
Das Blut und der Geruch betäubt das Luder,
So werd ich meinem Volk zum Opferlamme.

MEDEA: Ich habe diesen Tag wohl kommen sehen,
Das Vlies ward uns gebracht, uns zu vernichten,
Doch wer versteht schon, was die Winde wehen,
Was wahr ist an den wüsten Traumgesichten?
Ich muß den Mond in dieser Nacht befragen,
Peritta führt dich fort in eine Kammer,
Des Rätsels Lösung wird sich bald uns sagen,
Laßt mich allein mit meinem großen Jammer.
(Absyrtus und Peritta ab.)
 

 

116
 
Fünfte Szene.
Medea, Gora

GORA: Nun, Herrin, soll ich auch den Saal verlassen,
Daß ihr allein mit Göttern und Gedanken,
Ich geh nicht weit, den Ruf wohl abzupassen,
Denn euerm Wort gehorch ich ohne Wanken.

MEDEA: Nein Gora bleib. Du Hälfte meiner Seele,
Du weißt, ich rufe nie nach Rat und Sorge,
Nur darum, daß ich selbst mir nichts verhehle,
Ich zum Gespräch mir deinen Schatten borge.

GORA (greift ihre Hand):
Ich ahnte es. Es blieb mir unverborgen,
Daß meine Herrin sucht sich zu begründen,
Wer sich ermannt, bannt jede Art von Sorgen,
Und flirtet nicht mit Unterlassungssünden.

MEDEA:
Er will es selbst. Auch kann nur Tod ihn retten
Vor einer Zukunft als Despotenmime,
Nicht lang, dann wird sich ihm der Hintern fetten,
Drum preise er sich froh im Interime.
Er wills fürs Land und ähnliche Klamotten,
Man lasse ihn in seinem Kinderglauben.
Doch uns geruhts nicht, in die Nacht zu trotten
Und zuzuschaun, wie Jahre uns berauben.
Das Land der Fremden bietet reiche Pfründe,
Die Sklaven tauschten nicht mit unserm Throne,
Wer hierauf zu verzichten sich verstünde,
Beeindruckt Narren mit der Narrenkrone.
 

 

117
 
Du sahst es selbst. Sie lieben ohne Fessel,
Sie kleben nicht an überholten Sitten.
Doch Kolchis, dieser Sesameintopf-Kessel,
Bleibt ewig von der Freiheit angeschnitten.
Sind sie erst fort, der Bruder ausgeblutet,
Sag selbst, wie stelln sich dann des Königs Pläne,
Was wird Medeen danach zugemutet
Als Lebenstor für neue Kapitäne?
Dann ist kein Platz für Turnen oder Reigen,
Die Schwangerschaft, die nächste und noch eine,
Dann will der König wahre Größe zeigen,
Und eure Herrin spreizt dafür die Beine.
(Sie schluchzt an Goras Brust.)

GORA (nach einer Weile):
Ich hab verstanden. Und ich hab begriffen.
Loh steht die Flamme vor dem Funkenschürer.
Ich laufe rasch hinunter zu den Schiffen
Und treff der Fremden anerkannten Führer.
Ich biet das Vlies für unversehrte Reise
Und Adelsprivilegien für die Maiden,
Er schwör mir bei der Sonnenwagen-Schneise,
Daß uns landab die Jungfraun einst beneiden.
Besorgt derweil, den Drachen einzuschläfern,
Ich führe Jason dann zum Goldnen Felle,
Absyrtus sei ein Sonntagsmahl den Käfern,
Jedoch der Falter läßt die Raupenzelle.

MEDEA: Schick mir Peritta noch, denn ganz alleine
Mag ich nicht Abschied nehmen von dem Volke,
Sie ruft wie niemand nach dem Mondenscheine
Und scheucht davon die gräßlich fette Wolke.
 

 

118
 
GORA: Ich schick sie, ihren Singsang anzustimmen,
Und hie und da das Räucherwerk zu zünden,
Wenn hier im Saale Balsamharze glimmen,
Soll die Gefahr in reinste Freude münden.
Bin ich erfolgreich auf der ganzen Linie,
Laß Bogenschützen ich den Turm zerstechen,
Und zeigt sich dir der stolze Gruß der Pinie,
So sei allein die Säumnis ein Verbrechen.
(Ab.)


Sechste Szene.
Medea, Qulha.

QULHA: Der König lud mich ein, um zu besprechen
Die Krise, leider ohne rechtes Ende,
Er sieht das Reich in Ost und West zerbrechen,
Und hebt doch nur beschwörend seine Hände.

MEDEA: Die Narrheit der Person und dieses Amtes
Braucht ihr der Abgeschiednen nicht erklären,
Aus dunklen Männerphantasien stammt es,
Doch brauchts die Frau, die Träger zu gebären.

QULHA (nickt verständnisvoll):
Obgleich die Ankunft waffenstarrer Reiter
Beweist, daß nichts in dieser Welt alleine,
Meint unser Herr, es ginge alles weiter,
Denn unser Segen hängt im Areshaine.
Er weigert sich der Lockrung, den Reformen,
Und lobt die Steinzeit als das Maß der Maße,
Er lob die Tugend und die alten Normen,
 

 

119
 
Statt daß er bau zur Bucht die breite Straße.
Die Fortgeschrittnen sollten uns belehren,
Die Wirtschaft hier auf Vordermann zu bringen,
Stattdem hält er ein leeres Fell in Ehren
Und wird nicht müd, ihm lob und preis zu singen.

MEDEA (gelangweilt):
Bringt ihr nur her die ewig gleiche Leier,
Ich brauch die Zeit für eigene Geschäfte,
Macht lieber unterm Volk den Waffenschreier
Und stürzt den Thron und lebt nach eignem Hefte.

QULHA: Ihr kommt zur Sache und dies ist vorzüglich,
Die Frau spürt Wechselwind vor jedem Recken,
Zwar paßt das Land zum Aufstand wild und hüglig,
Doch ohne Fahne folgt man keinem Stecken.
Es wird der Sturz der alten Ordnung glücken
Der Frau, die monden führt der Wölfe Rudel,
Ihr wird sich das Gesetz des Lebens bücken,
Daß der Despot es länger nicht besudel.
Die Frauen stehn seit je dem Leben näher,
Sie schaffens und erhaltens mit der Pflege,
Ein Narr dagegen ist der Wolkenspäher,
Der sich vom Unsichtbaren leiht die Wege.
Drum ist bei Frauen Einsicht für die Lehre,
Daß nötig die Vermehrung aller Güter,
Daß sich die Saat und dann das Brot vermehre,
Schafft Wohlstand für die Herde wie den Hüter.
Die kann allein gelingen, wenn dem Golde
Erlaubt ist, sich als Antrieb zu vermehren,
Dann fügt sich ihm das Harte wie das Holde,
Und keine Ordnung kann es ihm verwehren.
 

 

120
 
MEDEA: Rebellisch bin ich wohl wie Visionäre,
Doch euerm Haufen dien ich nicht als Krone,
Wenn ich mir der Magie nicht sicher wäre,
Dann prüfte ich, ob sich der Aufwand lohne.
Für meinen Traum sind Kräfte mir gewachsen,
Die einem Mannshirn nie begreiflich werden,
Drum rat ich, seid ihr keiner von den Laxen,
Was mir der Himmel, schaffet euch auf Erden.
(Qulha ab.)
Peritta naht! Nach zweien nun der Schranzen
Wird bald der alte Kläffer selber winseln,
Läßt Gora erst die Botenpfeile tanzen,
Hab ich genug von diesen Einfaltspinseln.
Denn ist das Ei genügend ausgebrütet
Muß irgendwann die harte Schale platzen.
Dann seht mal zu, wie ihr den Himmel hütet!
Der Tiger schlägt nur einmal mit den Tatzen.
Der Mond scheint hell. Es sei nicht ohne Weihe,
Steht die Gefangne auf, sich zu verschönen.
Wenn ich mich aus der Vaterwelt befreie,
Soll er mit seinen vielen Männern stöhnen.


Siebente Szene.
Medea, Peritta, Aietes.

PERITTA (räuchert und psalmodiert):
Dir singen wir du wundersame Leuchte,
Die Wölfe weckt und uns das Blut erneuert,
Erst wenn die Nacht den Zorn des Tags verscheute,
Der maßlos Kraut und Dünensand verfeuert,
Erwachst du uns zum Horn und zum Pokale
 

 

121
 
Und machst uns Zeit, das Antlitz tief zu schwärzen.
Du gibst die Mitte unserm offnen Saale,
Darin wir brennen als geweihte Kerzen.
Du milderst die Gedanken still und fraulich,
Du bist der Reim und aller Weisheit Reigen,
Du machst das Dunkel nektarsüß und traulich
Daß sich die Zeichen deiner Botin zeigen.
Wir wandeln uns zu Pfeilen und Rosetten
In deiner Fahle, die uns spornt zur Rache,
Wir haben uns befreit von allen Ketten,
Darum uns mondenweiß und furchtlos mache.

AIETES:
Mein Kind, die Umständ unsres Wiederschauens
Sind gräßlich, doch sie trüben nicht die Freude,
Daß du gefaßt und göttlichen Vertrauens
Beweist, daß ich die Schritte nicht vergeude.

MEDEA: Die Wege als erfolgreich zu erkennen,
Erfordert, daß das Ziel des Laufs man wisse,
Drum solltest erst du dein Begehr mir nennen,
Daß nicht ein Schmerz gehegten Trug zerrisse.

AIETES: Das ist doch klar, ein Ende der Gefahren
Für Volk und Reich erstreben meine Schritte
Ich mußte mich Absyrtus offenbaren,
Nun bist du in dem Königsbund die dritte.

MEDEA: Und welcher soll als Drachenbraten taugen,
Der Erb, der König oder doch die Schlampe?
Denn wer am Kreuzweg steht mit offnen Augen,
Vergißt die Zwille nicht und nicht die Krampe.
 

 

122
 
Es ist doch schon beschlossen, abzugeben
Das Vlies, weil Krieg den Untergang bedeutet,
Drum sag: Wem geht es dieses Mal ans Leben
Und wer wird für das Echsentier gehäutet?

AIETES: Was sind das für absurde Rituale,
Um einem Scheusal Tränen zu entlocken,
Ich denk, es reicht auch eine Marmorschale
Mit Schweinefleisch, den mürben Wart zu blocken.
Mein Leibarzt könnte dich zur Ader lassen,
Damit wir das Geruchsorgan noch blenden,
Doch bitte schweig vom Blutigern und Krassen,
Sonst können wir auch das Gespräch beenden.
(Durch eine Scharte dringt ein gefiederter Pfeil und bleibt vor Aietes liegen.)
Was soll das? Ja der hätt mich fast getroffen,
Weß Frevlerhand entheiligt diesen Tempel?

MEDEA (abwinkend):
Das Zeichen, daß die Worte sich verstoffen,
Hier trennt das Tatwort sich vom Lautenkrempel.
Ich bin verhindert, nur für kurze Weile,
Peritta wird ein starkes Bier dir reichen,
Ich hoff, Du bist nicht allzusehr in Eile,
Dies ist ein Ort der Winke und der Zeichen.
(Ab. Peritta bringt Bier und beginnt zu tanzen.)

AIETES (trinkt):
Ich bin schon alt und habs nicht weit zum Grabe,
Doch weise werd ich wohl nicht mit den Jahren,
Und was ich jung niemals begriffen habe,
Das werd ich wohl auch alternd nicht erfahren,
 

 

123
 
Die Mädchenspiele, diese Rätselglücke
Um Blütenblätter, Reifen, Nadelstiche,
All das Getu mit einem Ruch von Tücke,
O brächte mich der Himmel auf die Schliche.
(zu Peritta)
Sag, Tänzerin in diesem dichten Nebel,
Wärs möglich, daß man mal ein wenig lüfte,
Der Rauch, euch Lust, ist mir ein herber Knebel,
Denn ziemlich anders wähl ich selbst die Düfte.

PERITTA:
Schaut nach dem Mond, dann wird er euch erhellen
Den Atem und die Schau auf alle Dinge,
Wir bitten diesen lieblichen Gesellen,
Daß die Befreiung ungetrübt gelinge.

AIETES: Befreiung ja, die Schiffe zu verpesten,
Wär wohl ein Coup, der Rettung uns verbürgte,
Doch stehts in diesem Reiche nicht zum Besten,
Wenn man den König mit Gestank erwürgte.
(Er zieht sein Schwert.)
Drum Göre hör, ich stehe und befehle,
Husch rasch empor und schnall den Gurt vom Laden,
Und quälst du mir noch weiter meine Kehle,
Schick ich dich zu den Würmern und den Maden.
(Peritta gehorcht und der Dunst löst sich auf. Nach einer Weile kommt Medea bluttriefend zurück.)

MEDEA: O König, wozu Schwert und laute Worte,
Die Dinge werden gut in aller Stille,
Kein Zufall führte euch zu dieser Pforte,
Auch euerm Sohn ward nun der letzte Wille.
 

 

124
 
Er starb mit einem Fluch, dies zu verkünden,
Ist meine Pflicht, auf Reich und Königskrone,
So wie die Dinge hier im Lande stünden,
Wärs besser, daß im Totenreich man wohne.

AIETES:
Was sprichst du Tochter, haben dich die Schmerzen
Um deinen Bruder überstellt dem Wahne?
Du liebtest ihn doch stets von ganzem Herzen.
So ist es wahr – gefallen bei der Fahne?
Er huldigte dem Wahn, er müsse sterben
Um dieses Leid von unserm Land zu heben.
Er ging für unsern Frieden ins Verderben –
Wer mag bei solchem Opfermut noch leben?

MEDEA:
Er starb, das Vlies den Griechen zu vermachen,
Doch nicht für dich die Würmer ihn benagen,
Was Elfenbein und Gold und edle Sachen
Wird grad aus dem Palast herausgetragen.
Ich hab den Hänfling selber kleingeschnitten,
In einem Korb die Stücke abgewunden,
Dort kam sogleich ein Grieche hergeschritten
Und hat die Wunderwaffe vorgefunden.
Dies ist geschehn, daß ich als große Dame
Komm in das Land, wo dieses man verachtet,
Die bittre Reu sei dir mein Mädchenname,
Du hast dir selber dieses Grab geschachtet.

AIETES (in höchster Aufregung):
Medea, ich beschwör dich bei der Mutter,
Sie starb für dich, halt unser Haus in Ehren.
 

 

125
 
MEDEA:
Mußt du erst anschaun selbst das Drachenfutter,
Daß dich die Wahrheit furchtbar kann belehren?
Die Mutter starb um mich nicht, die geboren
Nie wollte sein und ungefragt gestoßen,
Nur du allein hast sie dem Tod erkoren,
Mit dem Geschlechtstrieb, mit dem rücksichtslosen.

AIETES (fuchtelt mit dem Schwert herum):
Die ganze Bude stinkt nach bösen Kräutern,
Ich werde systematisch zum Verrückten,
Die Toten wider alles Leben meutern,
Die Götter sich vorm Vipernzischeln bückten –
(Peritta hält ihm von hinten den Dolch an die Kehle.)

MEDEA:
Verschwinde Narr, du kreischst wie immer peinlich,
Hier ist kein Platz für solche Kreaturen,
Hier wirds erst wieder mädchenhaft und reinlich,
Hat man gescheuert die Tyrannenspuren.
Zieh ab, Versager, du beschmutzt die Bühne,
Erbärmlich warst du immer, aber heute
Kriegst du vielleicht den Vorgeschmack der Sühne,
Dies gelt als Warnung für die ganze Meute.
 

 

126
 


ZWEITER AUFZUG
Korinth. Die Bühne ist zweigeteilt, rechts ein Blick in Kreons Palast, links eine Säulenreihe, davor die Knaben Alkinous und Aison mit Holzschwertern fechten. Die übrigen Personen agieren im Palast.

Erste Szene.
Alkinous, Aison

AISON: Hab acht, ich werd dich heute niederringen,
Die Größe nützt dem Kopf nur hart zu fallen.
Ich hab die Sprünge satt, die dir gelingen,
Und mir die Fäuste in der Tasche ballen.

ALKINOUS: Hoho, nur vorher solltest etwas wachsen!
Doch armer Knirps, ich wachse immer schneller,
Du brichst dir beim Versuche nur die Haxen,
Auf deinen Sieg setzt niemand einen Heller.

AISON: Ich hab geübt und werde immer flinker,
Dein Hochmut wird dich nicht mehr lange decken,
Am Morgen Sturm, am Abend nur noch Stinker,
Du wirst dich vor dir selber noch erschrecken.

ALKINOUS:
Ich merk, du fichst, daß die Olympier staunen!
Da, sieh dein Schwert, es schwingt sich ganz alleine.
(Er schlägt Aison das Schwert aus der Hand, das im Bogen davonfliegt. Es bleibt vor einem Sims liegen, auf dem prächtige Weintrauben liegen.)
 

 

127
 
Nun ja, das Schicksal hat so seine Launen,
Nun lauf schon los und hole dir das deine!

AISON (läuft dem Schwert nach, entdeckt die Trauben und steckt eine in den Mund):
Wie herrlich! O wie leicht sie doch zerplatzen!
Wie Honig süß und fruchtig ohne Kerne!
Dies sind nicht Trane, die den Hals zerkratzen,
So denk ich mir Ambrosia und die Sterne.

ALKINOUS: Nun reich mal rüber, willst du ganz alleine,
Hier schwelgen und ich soll dem Liede lauschen,
Nachthimmelblau tun sie im Sonnenscheine
Nicht wenig, um das Auge zu berauschen.

AISON: Genug ist da. Wir wollen streitlos teilen.
Sei achtsam, nicht den Chiton zu betropfen.
Wer wollte sich zum Schwerterkampf beeilen,
Gibts solche Dinger, um sich vollzustopfen.
(Sie schmatzen beide behaglich.)

ALKINOUS: Wer hat sie bloß auf diesen Sims getragen?
Gewiß wer, der nicht mag, daß wir so fechten,
Die Streitlust dämpft am sichersten der Magen,
Drum ist der Bauch die Bürde des Gerechten.

AISON: Wer wohl? Die Mutter sorgt für ihre Jungen.
Sie mag wohl manchmal schimpfen oder klagen,
Doch trägt sie mich fest in ein Tuch geschlungen,
Ist mir es lieber als allein im Wagen.
Sie scheint mit traurig und nicht wohl gelitten
Am Hofe hier, wo alle sonst Verwandte.
 

 

128
 
Warum hüllt wohl ein bittrer Pelz die Quitten,
Und warum lacht so selten der Gebannte?

ALKINOUS: Im Wagen, ja, so schonst du die Sandale,
Du bist so leicht, da merkt man nicht das Tragen,
Im Traumwind segelnd trägt die Haselschale
Den Winzling bis ins Land der Lotophagen.
Ich glaub nicht, daß die Mutter dies gerichtet,
Die Kreusa wars, da bin ich ziemlich sicher,
Ich glaub, sie hat das Land Korinth gedichtet,
Wo selbst der Mutter stockt das Hämgekicher.

AISON: Ich sag der Mutter, daß du sie der Häme
Hast bös geziehn und Kreusa bist gewogen,
Damit sich mein gestohlnes Schwert nicht gräme,
Ist schon mal ein Pantoffel losgeflogen.

ALKINOUS:
Nein Aison, sei ein ganzer Mann und schweige,
Gar weibisch ists, den Bruder zu verpetzen.

AISON: Nein Zeit wirds, daß ich endlich einmal zeige,
Nicht straflos kann den Kleinern man verletzen.

ALKINOUS:
Ein bißchen Spott kann dir nicht ernstlich schaden,
Du hast es ohnehin ja immer leichter,
Was ich auf meine Schultern hab geladen,
Ein Freiraum wurds, dir mühelos erreichter.

AISON: Was sind denn das für seltsame Legenden?
Du mußt dem Schatten Vorhutzeche zahlen?
 

 

129
 
Du grabschst das Dotter dir mit beiden Händen,
Und für den Bruder gibt es nur die Schalen.

ALKINOUS:
Laß gut sein, wer da Schützling und wer Stemmer,
Doch schwärz mich bloß nicht an mit dieser Sache,
Sonst suchst du dir alleine deine Lämmer,
Weil ich der Spiele keins mehr mit dir mache.
(Beide ab hinter die Säulen.)


Zweite Szene.
Jason, Kreusa.

JASON: Ich grüße die Prinzessin, die uns reichte
Mit ihrem Blick ein Glück, darin zu baden.

KREUSA: Ein guter Morgen grüßt mit seiner Leichte.
Der Nordwind treibt die Barken den Kykladen.
Das Meer ist veilchenfarb und an die Felsen,
Verrostet, schlägt es sanft mit seinem Schleier,
Die Schwäne singen uns mit stolzen Hälsen,
Die Farben sagen Trunkenheit und Feier.
Wo Pallas weiß Poseidon ruft azuren,
Dort wird der Raum im starken Licht zum Hammer,
Und jeder Stein trägt schon die Hauerspuren,
Die Anmut künden selbst in Schmerz und Jammer.
Dies Land verlangt nach Ausdruck, seine Kerben
Sind Wille und Erfahrung, deren Linien
Sich wie der Tag die Meisterschaft erwerben
Und gottgegeben scheinen wie die Pinien.
 

 

130
 
JASON: Ja traumhaft ist das Land des guten Hirten!
Dem Flüchtling, der mit wenigem zufrieden,
Ziemts nirgendwo zu hadern mit den Wirten,
Doch mir ist das Ambrosische beschieden.

KREUSA:
Den Helden kann die Demut trefflich kleiden,
Doch taugt sie nicht dem Arm zum Schulterstücke,
Wo dunkle Wolken ihn bedräun mit Leiden,
Erneuert sich die Regenbogenbrücke.

JASON:
Der Held strebt nicht nach allgemeinem Staunen,
Weil ihm zum Mut Bedrängnis treibt des Zarten,
Er achtet nicht die Weiser eitler Launen,
Er folgt der Sehnsucht, der zur Nacht gesparten.

KREUSA:
War nicht die Schmach des Phryxos, der im Reiche
Der Schatten klagt, für euch die Pflicht zu fahren?
Mit purem Golde ich die Tat vergleiche
Das Vlies des Zeus zu holn von den Barbaren.

JASON: Ihr irrt euch. Weder Zeus noch Phryxos waren
Mir Leitstern sondern Ruhm bei den Hellenen,
Die Eitelkeit trieb mich zu den Barbaren,
Und nicht die Not und mitternächtges Sehnen.

KREUSA: Die Eitelkeit ist läßlich bei den Helden,
Wer sie erkennt, der weiß sie auch zu bannen,
Und wird, wenn Not und Hilferuf sich melden,
Als Führer segeln mit den stärksten Mannen.
 

 

131
 
JASON: Gemeinhin, aber wer im ersten Strauße
Unziemlich mühte die Geduld der Götter,
Der bleibt bei einem nächsten wohl zu Hause
Und wehrt so die Gelegenheit dem Spötter.
Was ich unziemlich tat, ist nicht zu fragen,
Es folgt, wohin ich geh, mir als ein Schatten,
Drum sprecht nicht groß von meinem Tun und Wagen,
Laßt still erfreun an euerm Glanz den Matten.

KREUSA: Ich bin ein Kind fast, das allein von Worten
Sich nährte und verwöhnt ward im Palaste,
Ich nahte nie mich den verbotnen Pforten,
Noch ahne ich, was eure Seel belaste.

JASON: Dies ist auch gut, denn nur das Ungetrübte
Vermag so hell die Sonne einzufangen.
Wer dies verlor, wenn er auch ewig übte,
Er heischte nicht das reine Rot der Wangen.

KREUSA: Ihr redet ihm verräterische Maße,
Ihr saht die Welt, die Helden und die Frauen.
Ein Blick wie eurer auf der offnen Straße –
Ich würd mich nicht mehr aus der Pforte trauen.

JASON: Zieht ihr mich nicht der Demut? Euer Zagen
Verträgt sich nicht mit königlichem Blute,
Ihr wißt die Anmut wie ein Kleid zu tragen,
Daß jeder Frechheit würde bang zumute.
Wohl dem, den ihr beschenkt mit euerm Frieden,
Er zög durch alle Meere und Gerüchte
Bis ganz hinaus und zu den Hesperiden
Allein dafür, daß euch gefalln die Früchte.
 

 

132
 
KREUSA: Nur einer könnte solchen Zug vollbringen,
Doch brauch ich keine Perlen, kein Geschmeide,
Die Lerchen ohne Gold und Seide singen,
Drum ists nicht not, daß man sich so bekleide.
Das wahre Gold scheint mir die Herzensgüte,
Die euch vermeiden läßt, mich zu beschämen,
Der große Zeus und Heras Herd behüte
Eur Aug und tilg die Sorgen, die euch lähmen.
(Sie geht sehr schnell ab.)

JASON: Ein scheues Reh, doch Glut in der Pupille
Verrät, daß sie zur Lauheit nicht geboren,
Sie rät die Sandbank sicher in der Stille,
Sie braucht kein Lot bei ihren feinen Ohren.
Ach dürft ich diesen einmal mit der Zunge
Verraten, daß sie meinem Pfeil der Bogen!
Ich fühl mich wie am Brombeerstrauch ein Junge,
Dem mittags eine Fee vorbeigezogen.
Ja, kein Geheimnis reicht an das, was offen
Dem Blick, und wie ein Zephyr ihn umnachtet!
Wohl dem, der sich bemühen darf und hoffen,
Sich fragen darf, was, Götter, ihr ihm dachtet!
Einst griff ich fester Hand nach allem Glücke
Und fragte nicht nach Blut auf seinen Scherben,
Doch heute klafft im Herzen eine Lücke,
Die schließt kein Wahn und kein geheimes Werben.
Doch dank ich, daß ich sehn darf ihr Zuhause,
Wo keiner frei, daß er den Dunst ihr löse
Und mach, daß ihr der tiefe Abgrund grause,
Wo ich mich selbst erfuhr und traf das Böse.
Ich schaue sie und fühle mich zufrieden,
Zwar kann sie ja nicht ewig Jungfrau bleiben,
 

 

133
 
Doch daß die Götter diese Zeit beschieden,
Soll mir Erato auf den Grabstein schreiben.
Da kommt der König sichren Schritts wie immer.
Was will er mit dem Flüchtling wohl beraten?
O wüßten diese Leute einen Schimmer,
Sie dürsteten nicht mehr nach meinen Taten.


Dritte Szene.
Jason, Kreon.

KREON: Ich lob den Argonauten und die Stunde,
Die ihn hereingeführt in die Gemächer,
Wer solcher Helden sich erfreut im Bunde,
Dem wirft kein Perser Flammzeug auf die Dächer.

JASON: Nun, wenig tat ich, daß zu solchem Preise
Ein Anlaß, doch ich dank für all das Gute,
Das ihr mir schenkt und dies in solcher Weise,
Daß Ruhm es euerm Stamm und euerm Blute.

KREON: Ich will eur weitres Schicksal heut besprechen,
Denn Bitternis und Gram paßt nicht zum Helden.

JASON: O ja es ziemt sich mählich aufzubrechen,
Ihr tatet gut, dies unverbrämt zu melden.

KREON: Nicht doch, ich will euch hier im Hause haben
Leblang und wünschen, daß es einst das eure.

JASON: Allein den Abfall läßt man gern dem Raben,
Drum gebt die Weisheit nicht dem Abenteure.
 

 

134
 
KREON: Ein jeder weiß am Hof, daß Kreusas Blicke
An euren Schritten voller Sehnsucht hängen,
Auch euer Aug sagt deutlich zum Geschicke,
Nicht grad Megaira würde euch bedrängen.
Ich bin der Wahl der Tochter sehr gewogen
Und wünsche Glück, wo Eros schießt die Pfeile,
Da frag ich nicht, von wannen sie geflogen,
Und bet, sie flögen unsrer Stadt zum Heile.

JASON: Ich bin im Ehestand seit manchem Jahre,
Und nicht verfügbar euren Heiratsplänen,
Auch lichten sich dem Alternden die Haare,
Verbindet eure Tochter nicht den Tränen.

KREON: Man ist so jung, wie man sich hält im Herzen,
Und nach dem reifen Stocke ziehts die Biene,
Euch macht die Scheidung sicher keine Schmerzen,
Und für den König ist sie bloß Routine.

JASON: Ja Schmerzen nicht, dies wäre glatt gelogen,
Doch Kolcher sehn solch Bündnis etwas fester,
Im Haus gehört euch jeder Säulenbogen,
Doch in den Nischen liegen Wespennester.

KREON: Die Zauberei – sie läßt mich herzlich lachen.
Euch ist das Glück zu groß wohl, es zu fassen?

JASON: Was dachtet, mit Medea ihr zu machen?
Soll ich sie kurzerhand ersäufen lassen?

KREON: Medea wird den Hof hier nicht vermissen,
Er schränkt sie ein, mißgönnt ihr süße Szenen,
 

 

135
 
Zur Wollust breitet sie ihr Seidenkissen
Den Nymphen, nicht Priapen und Silenen.
Man gebe ihr ein Haus und eine Weide
Und Weibervolk mit Flöten und mit Leiern,
Dann tut sie keinem Menschen was zuleide
Und wird bis an ihr Lebensende feiern.

JASON: Was wird in diesem Fall aus meinen Söhnen?

KREON: Die müssen freilich hier am Hofe bleiben,
Das Turnen, Musizieren oder Stöhnen
Würd sie verderben oder ganz verweiben.

JASON: Man kann der Mutter nicht die Kinder rauben!
Bedenkt auch, daß sie milder mit den Jahren
Ward durch die Mutterschaft, ihr könnt mir glauben
Sie trug die Zähne früher voll mit Haaren.

KREON: Die Kinder leben nicht, daß eine Hexe
Sich mählich füge in Kultur und Sitte,
Sie taugen nicht zu milderndem Gewächse,
In ihnen steht ein Recht auf eigne Mitte.
Wenn sie verdirbt der Mutter tolles Treiben,
Ists Pflicht, sie solcher Unbill zu entziehen,
Drum soll Medea wos ihr tunlich bleiben,
Jedoch die Kinder müssen solches fliehen.
Doch frag sie selbst, um Skrupel auszumerzen,
Sie werden sich fürs Königshaus entscheiden,
Vielleicht am Anfang mürrisch und mit Schmerzen,
Doch anderswo heißts manche Jahre leiden.
Ihr solltet überhaupt mal anerkennen,
Die Kindheit ist nur eine Episode,
 

 

136
 
Sie neigt dazu, recht rasch davonzurennen,
Denkt weiter mal, auch wenn es grad nicht Mode.
Die Mutter bringt fürs Leben nur Getändel,
Ob Krieger, Schreiber, Staatsmann oder Dichter,
Die rechte Schule brauchts für alle Händel,
Für keinen taugt das ärmliche Gelichter.

JASON: Ich fürchte, dieses Wahlrecht würde trennen
Die beiden, weil der Jüngere der Wiege
Noch näher. Was ihr sagtet zu erkennen,
Erklomm sein Geist die Sprossen nicht der Stiege.
Wenn aber sich die Brüder so entfernen,
So scheint mir dies Beginn von Neid und Hader,
Höchst ungern greif ich selber nach den Sternen
Und bin dabei der Schutzbefohlnen Schader.

KREON: Genug! Ich will nicht länger disputieren,
Der König hats bedacht und ausgegoren,
Behagts euch, euch zu weigern und zu zieren,
Sei über dies kein weitres Wort verloren.
Ich brauch für meine Tochter keinen Toren,
Der duldet, daß sein Weib sich so benähme,
Ich hab für Kompromisse viele Ohren,
Doch allzuviel des Einwands scheint mir Häme.
Drum denkt in Ruhe, was euch lohn und fromme,
Ihr könnt auch gern im nächsten Schiff euch trollen,
Doch eurer Lippe keine Klage komme,
Der greise König tät euch übelwollen.
Das wäre ein Verrat, und was die Sitte
Bei solchem fordert, ist euch wohl geläufig,
Ich setze meistens mit Bedacht die Schritte,
Doch solche Langmut gibts bei mir nicht häufig.
 

 

137
 
Vierte Szene.
Kreon, Medea.

MEDEA: Ihr ließt mich rufen, was dem Brauch zuwider.
Gewöhnlich spricht der König mit dem Manne.

KREON: Es geht mir nicht um altbekannte Lieder,
Ich rief zu lösen euch vom harten Banne.
Denn seht, die Eh aus einer Jugendsünde,
Wo Mann und Frau einander nicht begehren,
Gilt hier im Land als Parodie der Bünde,
Drum löst sie die Vernunft in allen Ehren.
Euch schenk ich ein Asyl im eignen Hause.
Man ist dabei, dort Möbel reinzuschieben.
Dort richtet über Trubel oder Pause
Ihr ganz allein und nur nach dem Belieben.
Ein Haufe schöner Mädchen ist zugange
Sich dort mit euren Zofen einzurichten,
Euch sei vor diesen Kosten gar nicht bange,
Sie werden einen König nicht vernichten.
Mir liegt sehr viel an euerm Wohlbehagen,
Drum sei der Abschied nicht hinausgeschoben,
Der Kutscher steht bereit mit einem Wagen,
Ihr werdet die Bequemlichkeiten loben.

MEDEA: Ihr seid ein Herr, der gründlich und gediegen
Durchdenkt und plant, was er beschert dem Hofe,
Ich seh nur eine Frag im Raume liegen:
Reis ich mit Kindern oder nur mit Zofe?

KREON: Die Jungen sind im Alter, wos geboten,
Daß Männer die Erziehung führn und leiten,
 

 

138
 
Die Erbsen müssen raus aus ihren Schoten,
Die Jungen brauchen Waffenkunst und Reiten.

MEDEA: Erlaubt noch eine Frage einem Weibe,
Das nicht begreift den Sinn in diesem Spiele:
Wenn ich in einem eignen Hause bleibe,
Was habt mit Jason ihr für weitre Ziele?

KREON: Ich werd mit meiner Tochter ihn vermählen.
Der Held hilft meinem Hof zu neuem Glanze,
In spätrer Zeit soll man von ihm erzählen,
Hier brach manch wackrer Streiter seine Lanze.

MEDEA: Ich beuge mich vor euerm weisen Richten,
Die Dichter werden eure Klugheit preisen,
Mir ist Gewinn, was mancher nennt Verzichten,
Dies möchte euch ein Brautgeschenk beweisen.
Aus Kolchis bracht ich mit die alte Krone,
Sie wurde von den weisen Fraun getragen,
Gebt sie der Tochter, wenn sie eins dem Sohne,
Dann bleibt sie Herrin in den ärgsten Lagen.
(Sie reicht dem König eine goldene Krone.)

KREON: Solch Einsehn lob ich mir, in meinem Reiche
Wärs leichter, wär dies allgemein verbreitet,
Nicht jeder, der an einer Lebensweiche,
Mit solcher Würde und Gefaßtheit schreitet.

MEDEA: Erlaubt, eh sich die Kinder von mir trennen,
Sie letztmals noch zu herzen und zu spüren,
Ihr werdet wohl den Muttersegen kennen,
Er soll sie heiter durch das Leben führen.
 

 

139
 
KREON: Es sei nicht nur gestattet, sondern innig
Erbeten, und ich möchte nochmals danken,
Manch einer hält das Weib für übelsinnig,
Ich seh jedoch viel eher Männer wanken.


Fünfte Szene.
Medea, Aigeus.

AIGEUS: Dies Haus gefällt mir. Durch die weiten Säle
Spaziert man auch bei Regen wie im Garten,
Und daß sich die Prinzessin bald vermähle,
Verkünden Blumen rings und Feststandarten.
Ein Gast ists, den er ausgewählt zum Erben,
Sein Reichtum fragt nach Schätzen nicht und Pfunden,
Der Gastfreundschaften Palme zu erwerben,
Steht ihm den Sinn und sie zu überrunden.

MEDEA: O Herr gebt einer Bettlerin vom Schilde!
Als Königstochter kam ich meine Straße,
Jedoch der Herrscher, dieser gräßlich wilde,
Wirft mich entehrt den Hunden vor zum Fraße.

AIGEUS: Wer ists der arges tut? In diesem Lande
Der König ist gerecht und mild im Wesen,
Drum sagt mir klar, wie kommt das Leid zustande,
Groß Furcht muß ich in euern Augen lesen.

MEDEA: Er täuschte mich zuerst mit gleicher Mode,
Dann nahm er den Ernährer mir, der Schinder,
Nun schickt sein Urteil mich zum Feuertode,
Und seiner Tochter schenkt er meine Kinder.
 

 

140
 
AIGEUS: Dies klingt nach grobem Unrecht. Unbewiesen
Muß bleiben euer Wort, denn wenn es ehrlich,
So sollte ich die Heimkehr rasch beschließen,
Denn unter solchen Launen ists gefährlich.

MEDEA:
Nehmt mich mit euch, beim Throne meiner Väter
Versprech ich es, euch fürstlich zu belohnen,
Von Kolchis trifft der Krieg den Missetäter,
Jedoch bei euch soll nur der Reichtum wohnen.

AIGEUS: Bestechlich bin ich nicht, und die Geschichte
Erscheint mir, wie ichs dreh, nicht recht geheuer,
Mir ähnelt alles einem Wahngesichte –
Warum soll die Geschiedene ins Feuer?

MEDEA: Unfruchtbar ist die Tochter, dies vertuschen
Soll nun der schnöde Raub der Königskinder,
Am Hofe trägt den Trug die Schar der Luschen,
Mein Tod verhindert einen Wahrheitsfinder.

AIGEUS:
Gebt mir ein Zeichen, daß ich wag zu glauben,
Was wider allen Schein in diesem Reiche,
Dann soll euch niemand Leib und Leben rauben,
Weil ich von eurer Seite dann nicht weiche.

MEDEA (entblößt ihre Brüste)
Schaut dieses hier! Soll es im Feuer garen,
Wir haben Zeit nicht für Beweis und Zeugen,
Bin ich als Rauch zum Himmel erst gefahren,
So wird euch eine böse Reue beugen.
 

 

141
 
AIGEUS: Selbst wenn ich letzte Sicherheit gefunden,
Dürft ich dem Gastherrn niemanden entführen,
Erst wenn ihr diesem Landstrich euch entwunden,
Dürft ihr die Hilfe meines Schiffes spüren.
Ich warte nur ein Kleines vor der Küste,
Stürzt ihr euch von den Klippen in das Wasser,
Ich unverzagt ein Seil zu werfen wüßte,
So kämet ihr zu Schiff nur etwas nasser.

MEDEA: So will ich tun, drum seid bereit am Hafen,
Ich eile, in die wilde Flut zu springen,
Vom Fürsten der Athener, diesem braven,
Wird bald der Dichter als dem Retter singen.


Sechste Szene.
Kreon, Jason, Kreusa, Alkinous, Aison, Medea

KREON: Ihr wißt, warum ich euch so spät noch rufe.
Die Kinder aber schickt erst in die Betten!
(Die Kinder gehen vor die Säulen und führen ihr Gefecht aus der ersten Szene geräuschlos mit Kissen fort. Dies bleibt während der ganzen Szene so, erst bei Kreusas Schrei halten sie ein.)
Ein Akt im Staate ist des andern Stufe,
Euch ruf ich im Verbunde auf zum netten.
Der König hat entschieden und gekommen
Seid ihr, das Glück aus seiner Hand zu fassen,
Mögs einer Schar von jungen Prinzen frommen,
Und soll die Liebe nie das Paar verlassen.
Wenn Herzenswunsch und Wohl des Staats beisammen,
Solln schweigen alle kleinlichen Bedenken,
Die Mißgunst und den Neid will ich verdammen,
 

 

142
 
Und Lästermäuler mög der Schinder henken.
Zwar habt ihr selbst euch lange nicht gestanden,
Was euer Herz die Augen ließ verkünden,
Daß es bestimmt, daß sie zusammenfanden,
Wird auch den Quelln erst klar, wenn Flüsse münden.
Drum schämt euch nicht der Wendung und der Eile,
Denn Wahrheit braucht nicht Zeit, sich zu entfalten,
Die Götter wollen den Verbund der Teile,
Da darf die Sitte nichts dagegenhalten.
(Er gibt Jason zwei Ringe.)

JASON: Des Vaters Wunsch bestätigt mir den meinen,
Daß ich wohl glaub, die Götter sind die dritten,
Denn große Freunde lassen sie erscheinen,
Nachdem ich lang Entsagung hab gelitten.
(Sie tauschen die Ringe.)

KREUSA: Ich kann die jähe Wendung fast nicht fassen.
Des Vaters Klugheit paart sich großer Güte,
So wie die beiden Ringe trefflich passen,
Paßt alles, was aus seinem Wunsche blühte.
Doch daß der Held, der überragt mein Hoffen,
Verlangen nach mir trägt so wie kein zweiter,
Macht mir den Himmel aller Götter offen,
Denn nichts um Tod und Leben will ich weiter.

KREON: Es ist der Wille aller Elemente,
Daß Heldenmut sich Königsglanz vereine,
Berühre sich das allzulang Getrennte.–
Nun Jason – küß die Braut, die nun die deine!
(Sie küssen sich lange. Medea geht wie ein Gespenst mit einem Krug durch die Szene und dann zu ihren Kindern.)
 

 

143
 
JASON: Wo weilte ich? Wie konnte ich je leben
Und das entbehren, was die Milch dem Kinde,
Durchs ganze Land will Kreusa ich dich heben,
Den Namen rufend weit in alle Winde.

KREUSA: Ich schlief, so ist mir, ehe mein Erwecker
Mir gab das Leben, das mich nun durchflutet,
Er wohnt in mir, ist meiner Glieder Strecker
Und das Geheimnis, das im Herzen blutet.

KREON: Eh ihr euch ganz dem köstlichen Gefühle
Anheimgebt, habt noch einer Ehrung Augen,
Nach meinem Tod erreicht ihr selbst die Stühle,
Die diesem Land zu seiner Wohlfahrt taugen.
Dies zu bezeugen werd mit meinem Segen,
Der Frau des Helden Schmuck mit einer Krone,
Ich will sie auf das Haupt der Mutter legen,
Die mir verhilft zu einem Enkelsohne.
Sie ist sehr alt und zierte immer Frauen,
Die Fruchtbarkeit von Hera selbst erbaten,
Ich will sie auf dem Mädchenhaupte schauen,
Denn Helden zieren ja die großen Taten.

JASON: Habt ihr die Krone selber nie getragen?
Es ziemte, daß Getragnes trüg die Schöne.

KREON: Man soll die Stufen nicht zu springen wagen,
Darum mich selbst zuerst das Kleinod kröne.
(Er nimmt die Krone und setzt sie sich aufs Haupt. Ein Feuerblitz, und der König verbrennt. Kreusa stößt einen schrecklichen Schrei aus und fällt in Ohnmacht. Jason hebt die Gefallene wortlos auf und trägt sie davon.)
 

 

144
 
Siebente Szene.
Alkinous, Aison, Medea, Gora.

ALKINOUS:
Was schreit da so? Wie furchtbar ist die Klage!

AISON: Ein Vogel? Oder Geister im Kamine?

MEDEA: Dies war das Zeichen! Fortzuschreiten wage,
Und unerschrocken deinem Sterne diene!
(zu den Kindern):
Was schreckt euch auf? Die Mutter bringt zu trinken.
Das wird euch wohltun und den Alp vertreiben.
Bald seht ihr Traumgold überm Bette blinken.
Zagt nicht, euch an dem süßen Saft zu weiden!

GORA (tritt auf und weist mit einem mächtigen Schwert auf den Krug):
Zurück Medea! Bis zu dieser Stelle
Bin ich gefolgt im Hoffen und im Wehe,
Auf diesen Sims das Giftgebräu hier stelle,
Sonst spalt ich dich vom Scheitel bis zur Zehe.

MEDEA:
Wie dir beliebt! Es ist kein Gift im Topfe,
Nur etwas Balsam für die wunden Seelen.
Solch ein Verdacht entspringt nicht klarem Kopfe!
Als würde eine Mutter jemals fehlen!
Nun meine Täubchen, es gibt nichts zu schlürfen,
Es wird verboten uns bei Todesstrafe,
Doch etwas schmusen werden wir wohl dürfen,
Bis alles Leid zerrinnen kann im Schlafe.
 

 

145
 
(Sie umarmt die Kinder von hinten, und beschwört das Publikum):
Seht sie euch an, die Aug- und Windelnässer,
Sie soll kein Mann zu Kriegsmaschinen machen,
Nicht eine Frau bedroh ihr scharfes Messer,
Nicht solln sie Feuer in der Stadt entfachen!
Sie gehn zu meinen Göttinnen als Freie,
Die Sklaverei erspare ich mit Bluten,
Eh sie erfahrn von dem Palast der Haie,
Laß ich den Krug des Wassermannes fluten.
(Sie erwürgt Alkinous mit einer Seidenschlinge.)

AISON: O Mutter, ist der Bruder schon am Schlafen?

GORA: Verruchte, deine Zeit ist abgelaufen!
(Sie stößt an den Giftkrug, schlittert in der Pfütze, und das Schwert saust über die ganze Bühne. Sie eilt ihm nach.)

MEDEA: O ja, er ist im wonniglichen Hafen,
Drum sollst du gleich in seine Arme laufen!
(Sie erwürgt Aison auf die gleiche Weise, lehnt sich zurück und sagt sehr fest):
So endet meine wiederholte Schwäche,
Die Wonnen der Gewöhnlichkeit zu suchen,
Und wenn verrinnen diese Wüstenbäche,
Bleibt keiner wach, dem Mutterschoß zu fluchen.

GORA: Ich habe dein Verbrechen nicht verhindert,
Doch meiner Rache sollst du nicht entrinnen,
Vergeblichkeit des Eisens Wut nicht mindert,
Denn Kerberos soll deine Künste minnen.
(Sie erschlägt Medea, die sich nicht wehrt.)
 

 

146
 
Dies also blieb von unserm Mädchengute,
Der König tot und ebenso die Kinder,
Die, der ich treu, verröchelt mir im Blute,
Doch wiewohl tot, beherrscht sie mich nicht minder.
Die Tötung seiner Kinder zu vermeiden,
Vermag der Mann, der schlägt die Frau in Ketten,
Die Drohung nur, sie müsse selber scheiden,
Kann solchen Plan nicht hemmen und nicht retten.
Vielleicht nahm ich mit meinem Schwert ihr Mühe
Mit eigner Kraft den Atem auszuhauchen,
Und wenn ich Blut auf ihre Kinder sprühe,
So bin ich wohl zum letzten Mal zu brauchen.
Ich frag mich, gab es je in diesem Stücke
Die Möglichkeit zu anderm Schluß zu führen,
Ich glaubte nicht, daß mir die Kunststück glücke,
Vermocht ich auch, die Mischung umzurühren.
Der erste Mord war aller andern Rufer,
Und Einhalt schafft kein Tag bei solchem Töten,
Ich kam sehr jung zum Turm am Meeresufer,
Nun soll mein Blut die harten Klippen röten.
(Sie geht langsam von Medea zu dem toten Kreon, schließlich zurück und nimmt sich das Leben.)
 

 

147
 


DRITTER AUFZUG
Im Thronsaal des Aietes. Allgemeiner Verfall und Tristesse.

Erste Szene.
Aietes, Qulha.

AIETES: Was gibt es in den östlichen Provinzen?
Die Ernte war in diesem Jahr doch besser?

QULHA: Die Üppigkeit gibts nur bei Rohr und Binsen,
Verhandelt wurden Äxte schon und Messer.

AIETES: So gibt es das Geringste nicht zu holen?
Wie soll ich die Gesandten so empfangen?

QULHA: Wir haben überall zerrißne Sohlen,
Und dürre Leiber, die von Gram verhangen.

AIETES: Wer kann Tribut aus solcher Armut heischen,
Wo sein Besitz sich jeden Tag vermindert?
Wer übersehen, daß rings die Krähen kreischen,
Und der Tribut sich selber noch verhindert?

QULHA: Sie werden nach den Jungen, Starken schauen
Und sie verkaufen auf die reichen Inseln,
Den übrigen bleibt nur das nackte Grauen,
Und niemand hört ihr Fluchen und ihr Winseln.

AIETES: Ob einzeln Sklaven oder nur im ganzen,
Ein Unterschied ists kaum, bei Licht besehen,
 

 

148
 
Wie der Erobrer läßt die Geißeln tanzen,
Ist mir ein Flötenspiel beim Untergehen.

QULHA: Wär Zeit vorhanden, um sich zu erholen,
Wär der Tribut auf Dauer zu verkraften,
Seht, ein Kamel trägt leichter als ein Fohlen,
Drum wärs ein Glück, wenn wir den Aufschub schafften.

AIETES: Ein Alter Mann wird nie ein junger Springer,
Darum ists Täuschung, daß uns Zeit erlöse,
Man laß von solchem Handel Sinn und Finger,
Denn aufgeschobne Schuld ist doppelt böse.

QULHA: Man könnte sehr den Ackerbau verbessern
Mit neuem Werkzeug und mit Anreizpreisen,
Wir hatten niemals Zeit, um zu bewässern
Die Täler, die dann Fruchtbarkeit beweisen.
Auch gibts im Volk noch Schätze, die verborgen,
Solang sie nicht Bereicherung verheißen,
Nimmt man der Wirtschaft die Enteignungssorgen,
Gelingt es ihr, das Ruder rumzureißen.

AIETES: Wir sollen, um Tyrannen zu entgehen,
Uns eigne züchten und sie fett ernähren,
Dies macht, daß wir in goldne Zeiten gehen,
Daß die Tribute nur noch Mücken wären.
Mir sträubt sich alles bei dem tollen Plane,
Wer Gold vergräbt, statt unsre Not zu lindern,
Dem zu vertraun, gleicht mir dem schlimmsten Wahne,
Blutsaugerpack geselle sich den Schindern.

QULHA: Ihr überseht das Wuchern mit dem Pfunde,
 

 

149
 
Im Westen bringt es Wohlstand auch Geringen,
Wir lebten lange wie verlauste Hunde,
Doch sollte die Kopie auch uns gelingen.

AIETES: Gesetzt, ich ließ euch mit der Sitte brechen,
Doch niemand leiht euch auf die Wohlstandsmären,
Die Skythen nehmen nichts als bare Zechen,
Und welcher Gott soll euch Kredit gewähren?

QULHA: Ein großes Opfer ists, doch zu bedenken,
Auch ihr habt noch verborgnes Gold im Hause,
Eh es geraubt, ists besser zu verschenken,
Es reicht gewiß für ein Jahrsiebent Pause.
Ich denke hier an eurer Väter Krone,
Die an Gewicht und Reinheit ohnegleichen,
Ihr gebt sie ohnehin ja keinem Sohne,
Für unsere Rettung soll das Gold wohl reichen.
Bedenkt, daß neben unserm Zins in Barren
Ein Zeichen wärs, Reserven zu beflügeln,
Man wird sie sogar aus dem Ausland karren,
Und baun und schaffen hier auf allen Hügeln.

AIETES: Es ist mir leicht, die Krone zu entbehren,
Ich schuf ihr keinen Ruhm in meinen Jahren,
Doch will ich euch die wahre Güte lehren,
Sie ist dem Stamm von Göttern hergefahren.
Das Königsblut erschiene als Marotte
Käms nicht von Göttern, die es uns vertrauten,
Drum wär es größte Lästerung dem Gotte,
Vergäß ich ihn bei euern Schlangenlauten.
Eh ich zerschmelz das Königsgold zu Barren,
Werf ichs ins Meer, daß es sich innigst läuter,
 

 

150
 
Euch ist die Würde Eigenschaft des Narren,
Doch der geschlagnen Kuh versiegt das Euter.
Ich dank euch diese Lösung der Konflikte,
Ich werd sofort zum Klippenstrande eilen,
Daß meine Würde ich zum Himmel schickte,
Will ich jetzt keinen Augenblick verweilen.
(Ab.)

QULHA: Geprüft wird dieses karge Land am Meere,
Jetzt hat der König den Verstand verloren,
Es bräuchte Erze, Schmiedeglut und Heere,
Doch dies ist unverständlich einem Toren.
Er traut viel eher magisch-dunklem Krempel
Wie jenem Fell, das lange hing im Baume,
Verliert die Zeit im Singsang und im Tempel,
Statt aufzuwachen aus dem Dichtertraume.
Allein die Wirtschaft kann Probleme lösen,
Und keins, das sie, befreit, nicht heiter löste,
Wenn Mann und Frau in diesem Lande dösen,
Ist doch am Kopf die Schläfrigkeit die größte. (Ab.)


Zweite Szene.
Aietes, Araxe.

AIETES: Ich habs getan und habe mich ergeben
Nicht den Tyrannen, die am Blut sich weiden,
Ich opferte die Krone für das Leben,
Die Götter mögen wägen und entscheiden.

AREXE: O Herr, es war kein Wächter an der Pforte,
So trat ich ein als wärs die Bauernstube,
 

 

151
 
Verdrieß ich euch mit unverstelltem Worte,
So sagt es mir mit schonungslosem Schube.

AIETES: Ich hab die meisten Sitten aufgegeben,
Nicht nur um mir die Dienerschaft zu sparen,
Ich will mich nicht dem Volke überheben,
Denn seine Nöte auch die meinen waren.

AREXE: Von Not hab ich zu klagen manche Stunde,
Doch will ich gleich zum bittern Kern mich wagen,
Man sagt, die Skythen suchen jetzt gesunde
Und junge, sie als Beute fortzutragen.
Ich bitt euch, meinem Sohne zu ersparen
Die Sklaverei, zu der er nicht geboren,
Allein die Schur bei seinen vollen Haaren,
Bräch mir das Herz und machte mich verloren.

AIETES: Was soll ich tun, ihm Freiheit zu bescheren,
Ihr habt wohl auch gehört, daß leer die Truhe,
Ich halte eure Sorg in allen Ehren,
Doch seh ich nichts, das ich dagegen tue.

AREXE: Laßt ihn das Glück an fernen Ufern rufen,
Er ist wohl stark und weiß sich zu behaupten,
Es führen doch hinab die Lebensstufen,
Die uns bereitstehn im so lang Geglaubten.

AIETES: Wohin? Das ist doch immer nur der Westen.
Die Griecheninseln mit den stolzen Schiffen,
Dort lacht statt Freiheit, nur ein Trog von Resten
Für uns, hat ihn nicht sonstwer schon ergriffen.
Die Sklaverei ist hart und manchmal leichter,
 

 

152
 
Doch Freiheit ohne Gold ist die der Ratte,
Die Götter lachen solcher Träume Beichter,
Nur Torenhunger sucht den Weg ins Satte.

AREXE: Vielleicht ists töricht, aber abzuwarten
Scheint ärger als der Pfeilschuß hoch ins Blaue,
Verwüstet und verkommen liegt mein Garten,
Weshalb ich nun auf euer Mitleid baue.

AIETES: Wenn ichs erlaubte, wie will er bewegen
Sich übers Meer, hat Flügel er wie Greife?
Lang her ists, daß die Flotte hier gelegen,
Drum seh ich nicht den Weg, daß er entschweife.

AREXE: Es liegen Schiffe ohne Zahl am Hafen,
Ein Dutzend sah ich, doch das sind nicht alle,
Vor Jahr und Tag wir einst die Griechen trafen,
Ich hoff, sie führn den Sohn aus dieser Falle.

AIETES: Was Griechenschiffe? O die Götter säumen
Nicht lang, wenn sie erscheinen um zu schenken.
Ich sah die Wogen sich dem Opfer bäumen,
An Angriff oder Flucht ist nicht zu denken.
Seid ihr denn sicher, daß es Griechenschiffe?
Vielleicht sinds Lichte aus dem hohen Norden,
Auf daß der Retter meinen Stab ergriffe,
Zu enden das Verzagen und das Morden.

AREXE: Was hofft ihr die Veränderung von Griechen?
Sie werden abdrehn, gibt es nichts zu kaufen,
Die Flucht ist einzig Mittel, nicht zu siechen,
Denn diese Küste ist ein Abfallhaufen.
 

 

153
 
AIETES: Sprecht nicht so bös von euerm Vaterlande,
Ich hoffe nichts von Griechen, doch von Göttern,
Das Opfer schafft allein die Segensbande,
Und nie ein Heil kam her von bösen Spöttern.
Geht heim, ich werd euch königlich bescheiden,
Denn dieser Tag ist groß in meinem Leben,
Wer sich bezwang, den Götterspruch zu leiden,
Weiß Beßres als Erbetenes zu geben.

AREXE: Ich weiß nicht, was ihr meint mit diesem Rate,
Doch seh ich wohl, daß ihr nicht umzustimmen,
So sei es, daß ich durch Moraste wate,
Und schweigend harr des Schattens und des Schlimmen.
(Ab.)


Dritte Szene.
Aietes, Jason, Kreusa, Helden.

JASON (mit den Vlies an der Lanze):
Ich Jason grüß im Zeichen aller Horen
Das Kolcherland, das ich erneut gefunden,
Ich habe aller Tücke abgeschworen
Und bring das Vlies, mit dem ich einst verschwunden.
Zwar kann ich euch die Tochter nicht mehr bringen,
Sie richtete sich selbst in ihrem Rasen,
Doch soll das Vlies im Areshaine singen
Von fetten Herden, die am Hange grasen.

AIETES: Ich weiß, die Götter haben euch gesendet,
Ich glaub, so war es auch beim letzten Male,
Hat einst ein großer Reichtum mich geblendet,
 

 

154
 
So steh ich heut mit einer Bettlerschale.
Nicht was ihr bringt, hab ich begehrt zu haben,
Doch wenns den Göttern so gefiel, so wehre
Das Vlies uns wider Habichte und Raben
Und gebe unsrer Erde wieder Ehre.

JASON: Ich hörte von der Räuberei der Skythen
Und der Versklavung unter ihrem Siege,
Erlaubt den Helden, die sich mit mir mühten,
Daß dieser böse Fluch von dannen fliege.

AIETES: Erlaubnis gibt mir fast zu große Ehre,
Ich flehe, wie die Furche schweigend jammert,
Ein Heros dieses Plagepack verheere,
Das Hälse schnürt und unsre Herzen klammert.

JASON: Dies wird geschehn, eh sie sich recht besinnen,
Doch jetzt freut euch an euerm Eigentume,
Ein beßrer Tag soll euerm Thron beginnen,
Daß man noch lang erzählt von euerm Ruhme.

AIETES: Es leuchtet, wo die Ampeln sind verglommen,
Es wärmt im Herzen, wo die Asche fahlte,
Und spricht: Wie sollte ich nicht wiederkommen,
Das wider alle Zweifel in euch strahlte?
Doch sagt, wie ist Medea es ergangen
Im fremden Land, wo sie nicht hingehörte,
War die Erkenntnis, daß Sirenen sangen
Die Sehnsucht, was am Ende sie zerstörte?

JASON: Ich hatte sie gefreit, weil abgesprochen
War dies beim Plan des Vliesraubs, der gelungen,
 

 

155
 
Ich ließ sie ohne Arg ihr Süppchen kochen,
Denn große Freude machten mir zwei Jungen.
Doch als ich sah, daß ihr der Mord Methode,
Und sich die Leichen häuften auf der Straße,
Flucht ich der Argo und der Episode,
Die mich besudelte im höchsten Maße.
Gleichwohl sah ich kein Mittel mich zu lösen
Von diesem Schatten, drunter Schädel klirrten,
Und meinte, so verbunden mit dem Bösen
Müßt sich mein Geist am Ende ganz verwirren.
Doch gab zuletzt der König der Korinther
Befehl, das Herz den Göttern nicht zu schließen,
Und eh ich mich versah, kam ich dahinter,
Daß sie mich erstmals wirklich lieben ließen.
Ein Mädchen, das die Zartheit eint dem Mute
Wohl jeder Blüte, jedem Falterflügel,
Und dabei voller Leidenschaft im Blute,
Zog einem, der im Wahne ging, die Zügel.
Sie machte mir das unaussprechlich Schwere
So leicht, das ichs vernahm in einer Flöte,
Und ich begriff, kein Gut verschafft uns Ehre,
Daß man darum den eignen Bruder töte.
Ich war ein Narr, der eitle Dinge glaubte,
Und andre machte närrisch und zu Toren,
Es war ein Spiel, das euch den Segen raubte,
Das schlimmer noch gewonnen als verloren.
Doch erst die Liebe konnt mir dies verraten,
Die uns als Nutz und Absicht ist vorhanden,
Doch eh sie ihre Reife fand in Taten,
Ging ihres Vaters großer Hof zuschanden.
Medea, die zwar andern Lüsten frönte,
Und an der Eh fand lang schon kein Gefallen,
 

 

156
 
Die Unschuld als gemeines Laster pönte,
Und ihre Lösung hieß: sie müsse fallen.
Sie traf den Vater zwar im Mißgeschicke,
Doch meinte sie, das Beil zerhieb die Liebe,
So ging sie dran, daß sie die Blüten knicke,
Daß nichts mehr von der Gattenliebe bliebe.
Als ausgelöscht der Stamm vom Kolcherblute,
Ward mir zum Fluch des Vlieses Segensquelle,
Und die Erkenntnis gipfelte im Mute,
Daß wiederkehr des Vaterlandes Helle.


Vierte Szene.
Die vorigen, Olbio.

OLBIO (fasziniert vom Leuchten des Vlieses):
Gewänder, farbig, Waffen, Hörner, Pelze,
Dies Schauspiel hier straft die Gerüchte Lügen,
Daß allzu hart sich die Tributschaft wälze
Aufs Land, das zaudert, friedlich sich zu fügen.

AIETES:
Ganz recht erkannt, wir stehen nicht verschüchtert
Im Eckchen und erwarten Zorn und Gnade,
Fahrt heim, mein Herr, und sagt, daß ihr ernüchtert
Von Furcht und nicht von einem warmen Bade.

OLBIO:
Was soll das? Wollt ihr Plünderei und Schrecken?
Wagt ihrs, den Zorn der Reiterei zu kitzeln?
Ein toller Hund wird das Verhängnis wecken,
Drum unterlaßts um ernstes Ding zu witzeln.
 

 

157
 
AIETES:
Wir witzeln nicht, wir sind zum Streit entschlossen.
Ein toter Hund wär noch zu zuviel der Gabe,
Sorg, daß die Tür sei hinter euch geschlossen,
Sonst seid ihr vor dem nächsten Wort im Grabe.

OLBIO: Ich faß es nicht, es redet ein Verrückter.
Zwar Qulha meinte, daß es knarr im Haupte.

JASON: Aufs Knie, du Hund! und büße in gebückter
Zerknirschung, was die Zunge sich erlaubte.
Du magst in eurern Zelten jeden Reiter
Idioten nennen, vor dem König schweige,
Fährst du ein Stückchen auf dem Wege weiter,
Verpaßt du deines Lebensabends Neige.

OLBIO: Schon gut, ich krieche, und ich hab verstanden
Und werd es meinem Herren illustrieren,
Nicht mehr allein nah ich mich diesen Landen,
Und Worte werd ich auch nicht mehr verlieren.
(Ab.)

JASON: Was männlich ist zu sagen, wird beraten
Nicht vorher, denn es spricht sich ohne Tadel,
Doch eh die Worte hehrer als die Taten,
Uns nun ein ungebremster Aufbruch adel.
Wir reiten fort, die Räuberscharn zu schlagen
Noch eh sie eure Grenze überschreiten,
Ich denke, dann wirds kaum ein zweiter wagen,
Dem König irgend Unbill zu bereiten.
Doch eh wir fahrn, bitt ich den Herrn des Landes,
Er möge meinem Weib Gesellschaft leisten,
 

 

158
 
Es übertrifft die Holdheit des Gewandes
Die Stimme, sie entzückte mich am meisten.
Ich denk, sie wird dem König manches raten,
Was Frauenherzen fühlen und erkennen,
Wo Männer sich nur auf die Füße traten,
Weiß sie den Weg und seinen Stern zu nennen.
(Alle außer Kreusa und Aietes ab.)


Fünfte Szene.
Aietes, Kreusa.

AIETES (beim Betrachten des Vlieses):
Nun leuchtets nicht mehr auf die frohen Recken,
Der Thronsaal ist voll Staub und Spinngewebe,
Rings bräunlich wirds, so merke ich mit Schrecken,
Und allzuoft bemerk ich, daß ich klebe.

KREUSA: Die Flucht der Diener wäre zu verschmerzen,
Stünd eine Frau besorgt in diesem Hause,
Erzählt mir doch, wie gings mit euerm Herzen,
Bevor der Glanz geriet in eine Pause.

AIETES: Die erste Frau, ich kann sie kaum beschreiben,
Sie kam mir wie der Thron wie zugeflogen,
Es schickte sich dem Prinz, sich zu beweiben,
Die Tradition hab ich nicht krummgebogen.
Sie starb, als sie gebar, des Reiches Trauer
War festlich, wie man tut in solchem Falle,
Dann sprach man mir, es schicke sich der Dauer,
Daß sich der Herrscher wiederum bestalle.
Auch war ein Erbe nicht geborn dem Throne,
 

 

159
 
Ich suchte diesmal lang nach einem Weibe,
Dann fand ich sie, ich meinte, daß es lohne
Daß sie mir leblang an der Seite bleibe.
Ein Junge kam, sehr zart und viel zu pflegen,
Die Mutter stritt um ihn mit seiner Schwester,
Ein Unheil hat bald in der Luft gelegen,
Und ein Gespinst zog seine Stricke fester.
Dann kam der Tag, sie waren ausgegangen
Zu zweit ans Meer und kamen nicht zum Mahle.
Am Abend war der Himmel schwarz verhangen,
Ein Sturm kam auf, der Blitz durchzuckt das Fahle.
Die Männer suchten überall mit Hunden,
Sie fanden dann Medea auf den Klippen,
Sie lag dort nackt und blutete aus Wunden,
Und angebrochen waren ihre Rippen.
Sie stammelte von Hexen und Dämonen,
Kein Wort zum Hergang war herauszukriegen,
Sie meinte auf dem Wolkenturm zu wohnen,
Und phantasierte tags und nachts vom Fliegen.
Absyrtus Mutter ward nie aufgefunden,
Tot nicht noch lebend, gab es keine Winke,
Drum fühl ich von der Eh mich nicht entbunden,
Dies bleibt bis ich den Trank Vergessens trinke.
Man munkelte schon damals Schurkereien,
Magie und Mord in finstern Ritualen,
Ich wollt mein Ohr nicht den Gerüchten leihen,
Doch die Geschmähte sparte nicht mit Qualen.
Sie stelle sich, als sei das Leid der Frauen
Die Schuld des Vaters, seiner Herzenshärte,
Sie zeigte ihr geschwundenes Vertrauen
Und jedem Lebensplane sie sich sperrte.
Als dann das Vlies ein Dämon riet zu schützen,
 

 

160
 
Bot ich ihr einen Turm für ihre Hilfe,
Es zeigte sich, daß Drachen keine Stützen,
Und sichrer lebt ein Entenpaar im Schilfe.
Drum soll das Vlies im Thronsaal uns erfreuen,
Und wirds von einem Frevler fortgetragen,
So wird es dieser Narr gewiß bereuen,
Weil sich im Traume uns die Götter sagen.

KREUSA: Den Prüfungen in euerm harten Leben,
Entspricht ein großes Heil in diesem Widder,
Doch kein Geschenk kann den Beschenkten heben,
Der nicht gebangt und nicht gelitten bitter.

AIETES: Daß Jason mir das Vlies hat heimgefahren,
Verdank ich wohl dem Vogelsang der Schönen?
Obwohl mein Ohr getrübt in Sturm und Jahren,
Hört es euch lieblich und verständig tönen.

KREUSA: Mein Vater lehrte mich die Kunst der Leier,
Und auch die Kunst, Gedanken leicht zu schichten,
Drum täuscht man mich nicht leicht mit einem Schleier,
Und läßt den Streit von meinem Wägen schlichten.

AIETES: Eur Vater war ein kluger Mann, sein Erbe
Beweist es, und er lebt in eurer Stimme,
Ich hinterlaß, wenn ich sehr bald schon sterbe,
Nur Kinder, die verröchelt sind im Grimme.

KREUSA: Des Vaters Güte ließ mich an euch denken,
Uns diese Fahrt ins Sagenhafte wagen,
Was noch verblieben, wollte ich euch schenken,
Denn in der Nacht vernahm ich eure Klagen.
 

 

161
 
Mein Vater starb, als er das Glück mir baute,
Er war als Fürst gerecht und unermüdlich,
Mir wars, als ob er euer Unglück schaute,
Mich heiß: Bezwing es hohen Muts und gütlich.

AIETES: Wenn Jason ich mit klarem Sinn verstanden,
So galt Medeas Anschlag euerm Haupte –
Wie kam das Ziel ihr solcherart abhanden,
Daß sie im Vater seine Tochter glaubte?

KREUSA: Sie brachte eine Krone, welche Feuer
Entfacht, wenn man sie auf den Träger bettet,
Sie sprach dem Vater, dieses Stück sei teuer
Und hätte gar schon manch Geschlecht gerettet.
Mir zur Verlobung solle er sie schenken,
Dies gäbe Fruchtbarkeit dem Ehebunde,
Sie dachte mich in dieser Weis zu henken,
Doch richtete den Vater sie zugrunde.
Dies kam, weil Jason meinte, eine Krone,
Zum Segen sei vom Vater erst getragen,
Daß in dem Gold Vernichtungsabsicht wohne,
Ward nie gehört in allen Menschentagen.
Als nun der Vater jammervoll verbrannte,
Ich schrie und fiel im Schocke auf die Dielen,
Die Mörderin, die lauschend mich erkannte,
Pries ihr Geschoß und das genaue Zielen.

AIETES: Eur Vaters Tod schmerzt mich in einer Weise,
Die nie ich kannt, wo mir doch viel geschehen,
Fast neide ich der Mörderin die Reise
Ins Land, wo solch ein großer Mann zu sehen.
Aus Fernen kommen meist nur dort Verbannte,
 

 

162
 
Glücksritter oder Gaukler und Verschwender,
Drum bleibt die Ferne uns das Unbekannte,
Denn nur der Schmutz besudelt Meeresränder.
Doch weiß Vernunft, daß überall die Winde,
Und überall die Fahnen darin flattern,
Drum blüht das Edle jeglichem Gesinde,
Und in den Sprachen nicht nur Enten schnattern.

KREUSA: Er gleicht in vielem eurem müden Auge,
Das, denk an Olbio, heftig weiß zu blitzen,
Nicht nur die Stirn, daß er zum König tauge,
Seh gleich ich unter euern Locken sitzen.
Ihr seid wie er vom Glauben tief durchdrungen,
Daß Götterdemut paar sich dem Verstande,
Drum atmen Volkes Not und Heil die Lungen,
Und keine Flause trennt euch von dem Lande.
Das echte Glück ist nicht ein eitles Haschen,
Es ist verwurzelt und es strebt zu tragen,
Es lechzt nach Geist und nicht nach vollen Taschen,
Und unbeschwert weiß Großes es zu wagen.
Gut, das uns träg macht, furchtsam und verschlossen,
Ist keins für einen Geist, der sich zu heben,
Abtut, was katert, wenn es rasch genossen,
Und tötet, wenns das Innerste im Leben.

AIETES: Nach eurer Hymne auf mein armes Tasten
Wag ich mir, einen Antrag euch zu machen,
Ihr sollt, ihn zu bedenken, euch nicht hasten
Und auch den alten Narren nicht verlachen.
Ich sagt, daß euern Vater gern ersetzte
Mein Büßen für mißratner Tochter Wagen,
Drum wär vorm Tod die Bitte mir die letzte,
 

 

163
 
Euch Glorie meines Hauses anzutragen.
Ich würde euch sehr gerne adoptieren,
Ich wüßt dem Erbe keine treuern Hände,
Es würde mir den Herbst des Lebens zieren,
Wenn so das Land zu einer Mutter fände.

KREUSA: Ein großes Wort, und alles wär gelogen,
Würd ich an dem Gesagten etwas rütteln,
Es schiene mir als Schmeichelei gesogen,
Würd schreckhaft ich mit meinem Kopfe schütteln.
Ich dank euch, daß ihr so mein Leben ründet,
Und Vater sein wollt der, die kam von ferne,
Die Götter wußten wie mein Suchen mündet,
Doch allzuhell sind unserm Blick die Sterne.
(Sie fällt dem König um den Hals.)


Sechste Szene.
Die Helden zurück, draußen hört man Volk.

VOLK: Dem Jason, der die Skythen uns vertrieben,
Uns löste von Tributen und Tyrannen,
Er zeigte uns, wie uns die Götter lieben
Und ziehe deshalb niemals mehr von dannen.
Wir brauchen einen Herrn, der uns die Weide
Vor Wölfen schützt, den Acker uns vorm Hagel,
Der findt das Öhr der Nadel mit der Seide,
Und mit dem Hammer auch den krummen Nagel.
Wir wollen fechten, pflügen und vermehren
Nichts ohne einen König, der die Krone
Von Göttern, die ihn allseits sichtbar ehren
Und dafür einstehn, daß die Mühe lohne.
 

 

164
 
Drum laßt uns rufen bis zur Himmelspforte:
Wir wollen Jason, der den Feind geschlagen,
Er führe uns und sei an jedem Orte,
Darüber fährt der helle Sonnenwagen.

JASON: Ihr hört das Volk erleichtert und zufrieden,
Zum Sieg war kaum zu fechten und zu ringen,
Die fremden Herren baten schon um Frieden,
Als wir gewappnet auf die Felder gingen.
Drum grämts uns fast, daß wir als Arbeitslose
Die Furcht die Skythen durften gar nicht lehren,
Den allerschönsten Duft verströmt die Rose
Erst, wenn wer wagt, sie räubrisch zu begehren.

AIETES: Ich hatte niemals Zweifel am Gelingen
Des Zuges, der die ärgste Not uns bannte,
Wenn Götter uns den großen Feldherrn dingen,
Erscheint zumeist der ringsum anerkannte.
Drum soll des Volkes Stimme offenbaren
Die Götter, daß in Samt uns Seide gehe
Der Retter, der geführt die Streiterscharen,
Daß er als König vor dem Volke stehe.

JASON (nach einer Pause):
Ich schätze eure Weisheit sehr und Güte,
Doch muß ich sie als Leichtsinn hier verdammen,
Das Königtum erkrankte und verblühte,
Drum sollns das Vlies und dieser Sieg beflammen.
Dem Dank nicht ziemts, erscheint er als Verschwender,
Dem König nicht, daß ihn die Freiheit locke,
Mit eigenem da geize nicht der Spender,
Doch mit der Rebe rühre nicht am Stocke.
 

 

165
 
Die Krone ist viel älter als der Träger,
Und ob er würdig, kümmert nicht im Kerne,
Drum halte ein der Wager wie der Wäger,
Denn unser Wille schickt sich nicht dem Sterne.
Dies allgemeine ganz beiseit gelassen,
Wärs närrisch, sich am Volke zu berauschen,
Schon morgen wird, was heute paßt, nicht passen,
Weil die Gemüter ihre Meinung tauschen.
Wer sich vom Volk erheben läßt und krönen,
Gesteht ihm zu, ihn wieder zu vernichten,
Die Herrschaft sei allein den Göttersöhnen,
Und nicht ein Preis für wohlerfüllte Pflichten.

KREUSA: Mein Herz, ich bin so stolz in dieser Stunde,
Du zeigst, daß unbestechlich bleibt der Edle,
Dumm ist die Kurzsicht, und sie macht dem Hunde,
Daß schließlich mit dem Leib das Schwänzchen wedle.
Der Große fordert nichts und will nur schenken,
Ihn grämt allein, wenn Hände sich versteifen,
Der Lobsang läßt ihn seine Blicke senken,
Und Lust zu Höherm in der Seele reifen.

JASON: Dir zu gefallen, ist von jedem Preise
Der höchste, und mir ward mit deiner Treue
Ein Gut, um das ich alles von mir weise,
Und täglich mich in deinem Sinn erneue.
Erst deine Liebe ließ mich menschlich werden,
Ob groß, das mag die Nachwelt einst entscheiden,
Doch größres gibts gewißlich nicht auf Erden
Als Liebe, die uns Wonne wird zu leiden.
 

 

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Siebente Szene.
Arexe tritt auf.

AREXE:
Ich bin schon wieder hier, kaum daß beschieden
Ich ward mit einem Spruch der unverständlich,
Ich leugne nicht, ich war recht unzufrieden,
Und meinte, diese Abfuhr wäre schändlich.
Doch hört, mein Sohn ist Fischer und gefahren
Ist er zu holen seine großen Netze,
Nicht viele Fische in den Maschen waren
Und drüberhin erfleht man keine Schätze.
So war er höchst erstaunt, als in den Stricken
Was leuchtete, so hell und so metallen,
Und als er näher trat mit seinen Blicken
Ist ihm das Kinn dabei fast abgefallen.
Wer spülte dies dem Meere in die Arme?
Wer mischte es dem Netze meinem Sohne?
Es ist, daß sich der Himmel mein erbarme,
Aus purem Golde eine Königskrone.
(Sie zeigt die Krone.)

AIETES: Ich opferte den Göttern die Symbole
Der Herrschaft, als gekrümmt ich im Tribute,
Mir schien die eigne Würde eine hohle,
Die Götter sollten zeigen wo das Gute.
Nun aber haben sie für gut befunden,
Nicht nur die Feinde aus dem Land zu jagen,
Sie schicken sich, dem eben noch so Wunden
Erneut die Väterbürde anzutragen.
Doch soll die Krone, die ich neu erhalte,
Nicht wieder in die sonnenfreie Truhe,
 

 

167
 
Daß mir das Blut im Herzen nicht erkalte,
Ich ihr zu dienen mein Gelübde tue.
Dem Ritual, das einmal bös mißlungen,
Da eine Hexe hauchte in die Zacken,
Sei eine zweite Runde ausbedungen,
Da kein Gelichter sitzt mir mehr im Nacken.
Ich werd mich mit der Krone selber krönen
Und dann die Tochter ebenso im Saale,
Dann mögen einem Geist Posaunen tönen,
Dem ich mich mähl in diesem Rituale.

JASON: Habt ihr noch eine Tochter, eine zweite?
Ich dachte stets, daß ihn nun ganz alleine.
Was hindert, daß sie aus dem Dunkel schreite
Und sich der Schar der Feiernden vereine?

AIETES: Ihr rietet mir vor euerm Ritt zur Grenze,
Mich Kreusa im Vertrauen zu befehlen,
Der Sieg, der euch so feil, vermochts zur gänze,
Was zwischenher geschehen zu verhehlen.
Wir fanden, daß das Schicksal uns verbunden,
Als mirs die Tochter, ihr den Vater raubte,
Und gegenseitig binden wir uns Wunden,
Erheb ich mich euch zum Familienhaupte.
Ich adoptiere eure Frau verbindlich,
Prinzessin sei sie nun vom Kolcherstamme,
Und damit seh ich auch den Helden kindlich,
Und freue mich, daß ihm die Fackel flamme.
Denn mögt ihr euch dem Volkesruf nicht fügen,
Doch eurem Herz, daß ihr mich sollt beerben,
Kein minderes soll diesem Land genügen,
Nur so gestillt kann ich in Frieden sterben.
 

 

168
 
KREUSA: Als mir der Vater loderte in Flammen,
Macht rasch das Wort aus deinem Mund die Runde,
Der Tochter Krone sollt vom Vater stammen,
Und mancher sagte dies mit schiefem Munde.
So war Korinth kein Nistplatz zum Ornate,
Zum König aber bist du Held geboren,
Nun habe uns der greise Kolcherpate,
Daß sich erfüll der Zeichenkreis der Horen.
(Sie kniet, Aietes krönt.)

JASON: Ich bleibe ein Akteur in diesem Stücke,
Du aber bist die Dichterin der Szenen,
Es ist allein die Frage, was dir glücke,
Wenn sie sich überschlagen oder dehnen.
So sag ich den Gefährten dieses Zuges,
Daß Telamon sie heim nach Hellas führe,
Ich war Entdecker manchen Wortbetruges,
Doch wußt ich nie, was mir am Schluß gebühre.